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CDU-Generalsekretär: Ampel vermischt Asyl und Fachkräfteeinwanderung

CDU-Generalsekretär Mario Czaja hat der Bundesregierung Fehler in ihren Reformplänen beim Einbürgerungsrecht vorgeworfen. "Sie vermischt die Asylmigration mit der Fachkräfteeinwanderung", sagte Czaja am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Das mache die Sache nicht gut, "wir haben dann Einwanderung in soziale Sicherungssysteme."

CDU-Generalsekretär Mario Czaja hat der Bundesregierung vorgeworfen, beim Einbürgerungsrecht die Asylmigration und die Fachkräfteeinwanderung zu vermischen. Kein Land auf der Welt vergebe leichtfertiger den Pass als es die Ampel wolle.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja hat der Bundesregierung vorgeworfen, beim Einbürgerungsrecht die Asylmigration und die Fachkräfteeinwanderung zu vermischen. Kein Land auf der Welt vergebe leichtfertiger den Pass als es die Ampel wolle.© Ronny Hartmann

Czaja warf der Ampel-Koalition vor, den deutschen Pass künftig viel zu leichtfertig vergeben zu wollen. Einen deutschen Pass zu bekommen, werde ohne Sprachtest, ohne Integrationskurs möglich. "Das macht kein Land auf der Welt, den Pass so herauszugeben." Außerdem dürften die Themen Asyl und Fachkräfteeinwanderung nicht miteinander vermischt werden.

Nach den Plänen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sollen Ausländerinnen und Ausländer künftig in der Regel schon nach fünf statt nach acht Jahren einen deutschen Pass bekommen können. Für Angehörige der sogenannten Gastarbeitergeneration sollen die Hürden für die Einbürgerung gesenkt werden. Die Möglichkeiten zur Mehrfachstaatsangehörigkeit sollen ausgeweitet werden.

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Deutschland: 17 Prozent der Bevölkerung sind seit 1950 eingewandert

Einer neuen Analyse zufolge sind 19 Millionen Menschen seit 1950 in Deutschland eingewandert oder Kinder dieser Generation. Der Anteil ist höher als im EU-Durchschnitt.

Deutschland: 17 Prozent der Bevölkerung sind seit 1950 eingewandert

Deutschland: 17 Prozent der Bevölkerung sind seit 1950 eingewandert© Frank Rumpenhorst / picture alliance / dpa

17,3 Prozent der Bevölkerung sind seit 1950 nach Deutschland eingewandert, weitere 5,7 Prozent sind direkte Nachkommen von Eingewanderten. Das geht aus einer neuen Statistik des Statistischen Bundesamts hervor, die nicht die Staatsangehörigkeit zugrunde legt, sondern die Wanderungserfahrung einer Familie.

Eine Einwanderungsgeschichte haben nach dieser Definition Personen, die entweder selbst oder deren beide Elternteile seit dem Jahr 1950 eingewandert sind. Die Definition umfasst also zwei Generationen. Das Konzept wurde von einer Fachkommission der Bundesregierung empfohlen. Diese Definition sei »weniger komplex und international besser vergleichbar«, so das Amt.

Legt man diese neue Definition zugrunde, hatten nach Ergebnissen des Mikrozensus 2021 in Deutschland knapp 19 Millionen Personen eine Einwanderungsgeschichte. Ihr Anteil an der Bevölkerung betrug 23 Prozent, wie das Statistische Bundesamt berichtete. 14,2 Millionen Menschen sind seit 1950 selbst eingewandert. Weitere 4,7 Millionen waren direkte Nachkommen von zwei Eingewanderten, wurden selbst aber in Deutschland geboren.

Deutschland liegt deutlich über EU-Durchschnitt

Gemäß der Empfehlung der Kommission zählen Menschen nicht zur Bevölkerung mit Einwanderungsgeschichte, wenn nur ein Elternteil eingewandert ist. Diese Gruppe umfasst laut Statistischem Bundesamt 3,7 Millionen Personen (4,5 Prozent der Bevölkerung). Da es sich um Ergebnisse für 2021 handelt, sind Wanderungen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht enthalten.

Im EU-Vergleich lag Deutschland nach Ergebnissen der Europäischen Statistikbehörde Eurostat mit einem Anteil der Eingewanderten an der Bevölkerung von 17,3 Prozent über dem Durchschnitt aller 27 Mitgliedstaaten, der 10,6 Prozent beträgt. Die höchsten Anteile hatten MaltaZypern und Schweden mit Werten um 22 Prozent. Die Länder mit den geringsten Anteilen Eingewanderter waren BulgarienRumänien und Polen mit jeweils unter einem Prozent.

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Diese EU-Länder bürgern die meisten Ausländer ein

Neue Zahlen zeigen, dass die EU-Länder im Jahr 2021 eine Rekordzahl von Einbürgerungen vorgenommen haben. Insgesamt 827.300 Menschen erhielten 2021 die Staatsbürgerschaft in den EU-Mitgliedstaaten - ein Anstieg um 98.300 gegenüber 2020.

Der sprunghafte Anstieg um 14 Prozent liegt einerseits an einem pandemiebedingten Rückstau, spiegelt aber andererseits auch einen Aufwärtstrend gegenüber 2019 wider, als 706.400 neue Staatsbürgerschaften vergeben wurden.

85 Prozent der neuen Bürger:innen hatten zuvor keine Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Landes.

Welche Länder haben 2021 die meisten Einbürgerungen vorgenommen?

Spanien vergab 2021 die meisten neuen Staatsbürgerschaften und nahm 144.800 neue Einwohner:innen auf. Dicht gefolgt von Frankreich und Deutschland mit jeweils 130.000 neuen Bürger:innen, Italien mit 121.500 und Schweden mit 89.400.

Die Einbürgerung kann ein langwieriger und mühsamer Prozess sein - aber sie ist nicht überall in der EU gleich schwierig.

Wohlhabenden Menschen bieten mehrere Länder Staatsbürgerschaftsprogramme durch Investitionen an. Wer in Griechenland eine Immobilie im Wert von mehr als 500 000 € erwirbt, kann 7 Jahre später die Staatsbürgerschaft beantragen - vorausgesetzt, er hat in dieser Zeit dort gelebt und Steuern gezahlt. In Malta kann man die Staatsbürgerschaft durch Investitionen in nur 18 Monaten erhalten, vorausgesetzt, man kann 700.000 € für Immobilien aufbringen.

Die meisten Menschen werden über den konventionellen Weg eingebürgert, nämlich indem sie mehrere Jahre im Land leben und arbeiten.

Schweden hat im Jahr 2021 einen hohen Anteil seiner ausländischen Einwohner eingebürgert. - Canva -

Schweden hat im Jahr 2021 einen hohen Anteil seiner ausländischen Einwohner eingebürgert. - Canva -© Bereitgestellt von Euronews Deutsch

In welchen Ländern ist es am einfachsten, die Staatsbürgerschaft zu erhalten?

Im Jahr 2021 vergab Schweden 10 Einbürgerungen pro 100 ansässige Ausländer - die höchste Einbürgerungsquote in der EU. Auf Schweden folgten die Niederlande mit 5,4 Einbürgerungen je 100 ansässige Ausländer, Rumänien mit 4,6, Portugal mit 3,7 sowie Belgien und Spanien mit jeweils 2,7.

In einigen Teilen Europas ist die Einbürgerung unüblich, selbst für Menschen, die schon seit Jahren dort leben.

In Litauen wurden nur 0,2 Staatsbürgerschaften pro 100 ansässige Ausländer vergeben, gefolgt von Lettland (0,3), Estland (0,5) sowie TschechienKroatien und der Slowakei (jeweils 0,7).

Die Einwanderungsbestimmungen sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. In Österreich beispielsweise muss man mindestens zehn Jahre lang ansässig gewesen sein, bevor man die Staatsbürgerschaft erhalten kann - und man muss die deutsche Sprache auf einem hohen Niveau beherrschen.

Vergeben die Länder mehr Staatsbürgerschaften als früher?

Die meisten Länder gewähren mehr Einbürgerungen als in den vergangenen Jahren. Frankreich hat im Jahr 2021 43.900 zusätzliche Einbürgerungen im Vergleich zum Jahr 2020 vorgenommen.

Deutschland gab es den zweitgrößten Anstieg in absoluten Zahlen, hier wurden 2021 18.800 mehr Menschen eingebürgert, gefolgt von Spanien (17.700 mehr), Schweden (9.200 mehr) und Österreich (7.200 mehr).

Allerdings verzeichneten auch 10 EU-Länder einen Rückgang der Einbürgerungen. Italien gewährte 2021 10.300 weniger Menschen die Staatsbürgerschaft als 2020.

Bezogen auf die lokale Bevölkerung wurden in Schweden mit 8,6 Einbürgerungen je 1.000 Einwohner:innen die meisten Menschen eingebürgert, dicht gefolgt von Luxemburg mit 7,8 je 100 Einwohner:innen und den Niederlanden mit 3,6 je 1.000 Einwohner:innen. Dies unterscheidet sich von der "Einbürgerungsquote" - hier wird die Zahl der neuen Bürger mit der Gesamtbevölkerung verglichen, nicht nur mit den ansässigen Ausländern.

Wer sind die neuen Bürger:innen in der EU?

Die meisten Neubürger:innen in Europa kommen aus Marokko und Syrien.

86.200 Marokkaner:innen erhielten die EU-Staatsbürgerschaft in der EU, was 10,4 % der neuen Bürger:innen ausmacht. Mehr als zwei Drittel (71 Prozent) dieser Personen ließen sich in Spanien oder Frankreich einbürgern. Syrer sind mit 83.500 Menschen die nächstgrößte Gruppe, 70 Prozent von ihnen ließen sich in Schweden und den Niederlanden nieder.

Von 32.300 in der EU eingebürgerten Albaner:innen erhielten 70 Prozent die italienische Staatsbürgerschaft. Nach Albanien kamen die meisten Neubürger:innen aus Rumänien (3,5 Prozent aller Neubürger:innen in der EU), Türkei (3,1 Prozent), Brasilien (2,5 Prozent), Algerien (2,3 Prozent) und der Ukraine(2,2 Prozent).

Das Durchschnittsalter der Neubürger:innen in der EU lag bei 32 Jahren. Etwa ein Viertel waren Kinder im Alter zwischen 0 und 14 Jahren.

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Wie schnell gibt es deutsche Pässe? Wirbel um Faesers Einbürgerungspläne!

Berlin - Wollen SPD und Grüne bald deutsche Pässe wie am Fließband drucken lassen? Wenn es nach den Plänen von Bundesinnenministerin Nancy Faerser (52, SPD) geht, könnte dieses Vorhaben dank eines Entwurfs zur Reform der Einbürgerung bald Realität werden. Widerstand regt sich vom Koalitionspartner. Die FDP sieht in Faesers Reform-Plänen eine Gefahr für die Demokratie.

Das Objekt der Begierde: Der deutsche Pass könnte demnächst an deutlich mehr Bundesbürger verteilt werden. Dafür setzen sich SPD und Grüne ein. Fabian Sommer/dpa

Das Objekt der Begierde: Der deutsche Pass könnte demnächst an deutlich mehr Bundesbürger verteilt werden. Dafür setzen sich SPD und Grüne ein. Fabian Sommer/dpa© Fabian Sommer/dpa

Wie schnell können deutsche Pässe beantragt und im Volk verteilt werden?

Wie "Bild" berichtet, sorgt die geplante Reform des Einbürgerungsrechts für ordentlich Zündstoff innerhalb der Ampel-Koalition.

SPD und Grüne plädieren für eine möglichst rasche und unkomplizierte Einbürgerungsreform, von der Millionen Bundesbürger profitieren würden.

Gar nicht entzückt zeigt sich indes die FDP von den voreiligen rot-grünen Reformplänen. Diese würden den Liberalen zufolge Gefahren wie Antisemitismus nicht ausreichend in den Blick nehmen.

Deshalb geht die Partei um ihren Fraktionsvorsitzenden Christian Lindner (44, FDP) nun auf die Barrikaden und fordert klare Kante gegen Judenhasser. Dies müsse ein klares Ausschlusskriterium bei Einbürgerungen darstellen.

Doch im rot-grünen Lager sieht man keinen Nachbesserungsbedarf. Heißt: Das Risiko, dass unzählige Bundesbürger den deutschen Pass erhalten, die das Grundgesetz nicht achten oder ihre antisemitische Haltung offen zur Schau stellen, wird billigend in Kauf genommen!

Faeser-Pläne zur schnelleren Einbürgerung: Das alles könnte sich bald ändern

Hat ihr Ziel fest im Blick: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) will die Einbürgerungsreform möglichst schnell und unkompliziert vorantreiben. Carsten Koall/dpa

Hat ihr Ziel fest im Blick: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) will die Einbürgerungsreform möglichst schnell und unkompliziert vorantreiben. Carsten Koall/dpa© Carsten Koall/dpa

Wenn es nach dem Entwurf der deutschen Innenministerin geht, soll die deutsche Staatsbürgerschaft bereits nach fünf Jahren verliehen werden. Bislang war dies erst nach acht Jahren möglich.

Im Falle besonderer Integrationsleistung sieht der Faeser-Entwurf die Staatsbürgerschaft nach drei statt wie bisher sechs Jahren vor.

Noch unkomplizierter soll es künftig für hier geborene Kinder ausländischer Eltern werden. Diese sollen automatisch Deutsche werden. Voraussetzung dafür: Ein Elternteil muss einen rechtmäßigen Aufenthalt seit fünf Jahren besitzen.

Ein weiterer Vorteil für betroffene minderjährige Bundesbürger: Eine Entscheidung zwischen der deutschen Staatsbürgerschaft und jener ihrer Eltern würde ihnen abgenommen werden.

Sollten die Pläne in dieser Form durchgehen, würde das der größten Einwanderungserleichterung gleichkommen, die es jemals in der Bundesrepublik gegeben hat.

Experten zufolge könnten mehr als zwei Millionen ausländische Staatsbürger von dieser Reform profitieren. Derzeit leben mehr als fünf Millionen Menschen ohne deutschen Pass in der Bundesrepublik.

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Kommentar zum Erdogan-Sieg in Deutschland: Sie wollen einfach nicht

Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan und die Polizei am Sonntagabend, dem 28. Mai, in der Innenstadt von Mannheim.

Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan und die Polizei am Sonntagabend, dem 28. Mai, in der Innenstadt von Mannheim.© dpa

Nicht nur, dass die Wahlchancen eines nationalistischen Autokraten unter den Türken in Deutschland besonders hoch sind; es hat auch den Anschein, dass die Erdogan-Anhänger ihren Sieg über Pluralismus, Liberalismus und säkulare Weltoffenheit „ihren“ Deutschen einmal richtig unter die Nase reiben wollen. Davon zeugen die Autokorsos und Feiern, die nicht allein mit der üblichen politischen Folklore zu erklären sind.

Die meisten der Beteiligten sind hier geboren, sind hier zur Schule gegangen, genießen Freiheit und Wohlstand, halten aber den „Westen“ für das Reich des Bösen. Es ist eine Binsenweisheit, was nun von rechts bis links festgestellt wird: Irgendetwas läuft schief mit der Integration in Deutschland. Nur was?

Türkische Einwanderung hat nicht überall auf der Welt zu diesem Ergebnis geführt. In Deutschland selbst gibt es große Unterschiede, wie überhaupt im Auge behalten werden sollte, dass die Erdogan-Wähler nicht die Mehrheit der türkischen Gemeinde hierzulande repräsentieren. Nationalisten unter ihnen lassen sich aber besonders gut mobilisieren. Das lässt sich mit dem Ausmaß der AKP-Propaganda erklären, liegt aber auch an der Herkunft der Einwanderer aus der Türkei. Dort wie hier gilt: Anatolien ist nicht Istanbul.

Liegt es wirklich am deutschen Angebot?

Zweifel sind also angebracht, ob das deutsche Phänomen am deutschen „Angebot“ liegt, ob also die Begeisterung für Erdogan nur deshalb in Deutschland besonders hoch ist, weil hier weniger freundlich mit Einwanderern umgegangen wird als anderswo. Die Meinungen über Integrationsdefizite gehen dennoch diametral auseinander.

Auch jetzt wieder sehen Politiker, die sich für Experten der Einwanderungsgesellschaft halten, die Verantwortung für das Wahlverhalten der Deutschtürken nicht in erster Linie bei diesen selbst, sondern bei den Deutschen. Grundgedanke dieser Richtung ist, dass die maßgebliche Integrationsleistung von der Aufnahmegesellschaft ausgehen müsse, nicht von den Eingewanderten. Am anderen Ende des Spektrums stehen die Radikalen, die jeden Problemeinwanderer, egal welcher Generation, am liebsten loswerden würden.

Antinationalisten, die sich über eingewanderte Nationalisten wundern, sind aber genauso kurios und naiv wie Nationalisten, die Nationalisten loswerden wollen. Die einen leben nun schon seit Jahrzehnten in der irrigen Vorstellung, dass Deutschland sich durch Einwanderung in ein Gemeinwesen jenseits von Volk und Nation entwickeln werde. Die anderen glauben immer noch, darin ganz Brüder und Schwestern im Geiste Erdogans, dass sich Deutschland zu einer homogenen Nation zurückentwickeln lasse. Die Zukunft wird wohl irgendwo dazwischenliegen.

Verdrängungskünste der deutschen Politik

Weder verträgt eine Gesellschaft ein Übermaß an Heterogenität, noch lässt sich Homogenität verordnen. Die deutsche Politik ist sich aber gar nicht erst im Klaren, wo Deutschland überhaupt steht. In der Corona-Krise stellte sie erstaunt fest, dass weite Teile der Eingewanderten nie in der deutschen Öffentlichkeit angekommen waren. Dass jedes vierte Kind am Ende der Grundschule nicht wirklich lesen und schreiben kann, dürfte auch damit zu tun haben – wird aber erst gar nicht migrationspolitisch thematisiert. Dass derzeit die Fehler der Vergangenheit massenhaft wiederholt werden, indem Kommunen eine Einwanderung aufgebürdet wird, die integrationspolitisch nicht zu verantworten ist – auch das wird in Berlin nur ungern zur Kenntnis genommen.

Das alles spricht nicht für politischen Realismus. Liegt es wirklich an der hiesigen Gesellschaft, wenn Eingewanderte sich nicht einmal über das Nötigste in Deutschland informieren können? Liegt es wirklich an mangelhafter Durchlässigkeit des deutschen Schulsystems, dass Kinder am Ende der Grundschule die deutsche Sprache nicht beherrschen? Sind Rassismus und Ausländerfeindlichkeit wirklich so weit verbreitet, dass nur noch Erdogan hilft? Oder sind allein solche Fragen schon zu viel?

Die türkischstämmige Einwanderung zeigt, dass Integration in idealer Reinform eine Illusion geworden ist. Keine Gesellschaft ist zudem völlig „integriert“. Es hieße aber, die eine Illusion mit einer anderen zu bekämpfen, wenn Anreize zur Anpassung an die neue Heimat so niedrig wie nur möglich gehalten werden.

Auf die Frage, ob Einbürgerung auch für Leute erleichtert werden soll, die, aus welchem Land auch immer, Erdogans Paschawelt importieren wollen, haben ausgerechnet diejenigen keine klare Antwort, die allen Skeptikern vorhalten, sie wüssten nicht, was es heiße, eine Einwanderungsgesellschaft zu gestalten. Einbürgerung muss aber, um überhaupt etwas gestalten zu können, ein Zeichen gegenseitiger, nicht einseitiger Akzeptanz sein. Die türkischen Autokorsos auf deutschen Straßen waren insofern eine Machtdemonstration, die sich gegen eine devote Einwanderungspolitik richtete. Sie sollte sagen: Ihr könnt noch so wenig wollen, wir wollen gar nicht.

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Gesetzentwurf: Faeser will Einbürgerung erleichtern

Bei besonderen Integrationsleistungen möchte Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine Einbürgerung schon nach drei Jahren ermöglichen.

Bei besonderen Integrationsleistungen möchte Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine Einbürgerung schon nach drei Jahren ermöglichen.© KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP

Die Bundesregierung reformiert nach langem Streit das Staatsangehörigkeitsrecht. Geplant sind Doppelpässe, kürzere Wartezeiten sowie Ausnahmen für Kinder und die erste Gastarbeitergeneration.

Faeser will Einbürgerung erleichtern

Die Bundesregierung will es Einwanderern und deren Kindern deutlich erleichtern, Deutsche zu werden. Ein Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will so die Identifikation mit der Bundesrepublik stärken. Vor allem Menschen, die schon lange in Deutschland leben und arbeiten oder sich für die Gemeinschaft verdient gemacht haben, sollen schneller Staatsbürger werden können. Das geht aus dem 61-seitigen Entwurf hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. An diesem Mittwoch soll er das Bundeskabinett passieren.

"Ausländern, die dauerhaft in Deutschland bleiben wollen, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen und grundsätzlich das Erfordernis der eigenständigen wirtschaftlichen Sicherung des Lebensunterhalts erfüllen, soll mit der Einbürgerung der Weg zu einer umfassenden Teilhabe und Mitwirkung eröffnet werden", heißt es in dem Entwurf. Er sieht vor, dass Menschen mit Migrationsgeschichte schon nach fünf Jahren in Deutschland Staatsbürger werden können. Bislang beträgt die Frist acht Jahre.

Bei "besonderen Integrationsleistungen" wie guten Sprachkenntnissen, ehrenamtlichem Engagement oder sehr guten Leistungen im Job soll die Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich werden. Voraussetzung ist allerdings, dass jeder Antragsteller "den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann" und ausreichend Deutschkenntnisse nachweist.

Auch in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen schneller Deutsche werden können. Bedingung: Ein Elternteil muss seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland leben und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht haben. Bislang gilt das erst nach acht Jahren. Bei Menschen, die älter als 67 Jahre sind, will Faeser schriftliche Sprachnachweise als Bedingung einer Einbürgerung streichen. Künftig soll es genügen, sich "im Alltag auf Deutsch ohne nennenswerte Probleme verständigen" zu können, mündlich. Das zielt auf die erste Generation sogenannter Gastarbeiter, die wesentlich zum Wohlstand Deutschlands beigetragen hat, aber kaum Sprachförderung erhalten hat. Die erleichterte Einbürgerung soll eine Anerkennung ihrer Lebensleistung sein.

Zu den wichtigen Änderungen zählt auch, dass eine nicht deutsche Staatsangehörigkeit nicht mehr aufgegeben werden muss. Deutschland wird "Mehrstaatigkeit" zulassen. Der alte Rechtsgrundsatz, wonach man sich für einen Pass entscheiden muss, entspreche ohnehin nicht mehr der Praxis, heißt es in dem Entwurf. Seit Jahren würden die meisten Einbürgerungen trotz weiterer Staatsangehörigkeit vollzogen.

Eine erste Fassung des Gesetzes hatte im November für Kontroversen gesorgt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warnte vor dem "Verramschen" der Staatsbürgerschaft, CDU-Chef Friedrich Merz vor Einwanderung in die Sozialsysteme. Auch Faesers liberale Koalitionspartner sprachen sich zunächst gegen die Pläne aus. Den Zeitpunkt des Regierungsbeschlusses am Ende der Sommerpause dürfte die Bundesinnenministerin nun nicht ganz zufällig gewählt haben. Faeser tritt bei der Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober als Ministerpräsidentenkandidatin an. Ihre Partei, die SPD, liegt in Umfragen deutlich hinter der CDU. Da dürfte Profilierung beim Thema Migration nicht schaden.

Ein neues Staatsangehörigkeitsrecht soll auch helfen, Fachkräfte zu binden

Zuletzt hatte Faeser mit ihrer Zustimmung für Aufsehen gesorgt, die Asylpraxis an den EU-Außengrenzen zu verschärfen. Ihr Entwurf zum Staatsangehörigkeitsrecht postuliert nun eine aktivere Integrationspolitik. Laut europäischer Statistikbehörde Eurostat liegt Deutschland bei den Einbürgerungen unter dem EU-Durchschnitt. Etwa 14 Prozent der hier lebenden Bevölkerung haben demnach keinen deutschen Pass - gut zwölf Millionen Menschen. Mehr als fünf Millionen von ihnen leben schon seit mindestens zehn Jahren in Deutschland. Eine große Gruppe der Gesellschaft könne nicht "gleichberechtigt demokratisch teilhaben und mitwirken", hieß es in einer Analyse des Bundesinnenministeriums. Das mache eine Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrecht nötig. Sie soll auch helfen, ausländische Fachkräfte dauerhaft zu binden, die Deutschlands Wirtschaft fehlen.

Aus der Union kamen am Dienstag erneut Widerworte. "Die doppelte Staatsangehörigkeit grundsätzlich hinzunehmen ist aus unserer Sicht der falsche Weg und nicht im Sinne einer guten Integration", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), der Süddeutschen Zeitung. Die Verleihung der Staatsangehörigkeit müsse immer "der Abschluss einer gelungenen Integration sein", nicht ihr Beginn. Es sei auch ein Irrglaube, dass der Doppelpass die Bereitschaft zur Einbürgerung steigere. Die Niederlande, so der CDU-Abgeordnete, wiesen eine der höchsten Einbürgerungsquoten der EU auf, obwohl die doppelte Staatsangehörigkeit dort "grundsätzlich unzulässig ist und nur in Ausnahmekonstellationen gewährt" werde.

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„Frage nach Leitkultur gehört wieder auf die Tagesordnung“

Alle Integrationsmaßnahmen können Judenhass unter muslimischen Zuwanderern nicht auffangen, sagt der CDU-Wirtschaftsrat und fordert eine Debatte über deutsche Leitkultur. Damit die Republik für rechtstreue Arbeitsmigranten attraktiv werde, müssten Gegner des Grundgesetzes das Land verlassen.

Bochum, 18. Oktober: Ein Teilnehmer einer Anti-Israel-Demonstration hängt eine Fahne auf dpa

Bochum, 18. Oktober: Ein Teilnehmer einer Anti-Israel-Demonstration hängt eine Fahne auf dpa© Bereitgestellt von WELT

Angesichts der jüngsten judenfeindlichen Demonstrationen und Ausschreitungen hierzulande fordert der Wirtschaftsrat der CDU eine Wiederbelebung der Leitkultur-Debatte. „Die israelfeindlichen Demonstrationen auf deutschen Straßen nach dem Terror der Hamas zeigen überdeutlich: Der Grad der Integrierbarkeit von Zuwanderern lässt sich nicht allein an der Beschäftigungsquote und der Bereitschaft zum Spracherwerb messen“, sagte der Generalsekretär des Unternehmerverbands, Wolfgang Steiger, WELT. „Die Frage nach einer faktischen Leitkultur gehört wieder auf die Tagesordnung.“

Es gehe darum, die Rechts- und Werteordnung als Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu vermitteln“, sagte Steiger weiter. „Dazu gehören fraglos Grundsätze wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Frauenrechte, Umgang mit Minderheiten und das Gewaltmonopol des Staates.“

Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats der CDU Jens Schicke/Jens_Schicke

Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats der CDU Jens Schicke/Jens_Schicke© Bereitgestellt von WELT

Der Wirtschaftsrat der CDU ist ein Unternehmensverband mit circa 12.000 Mitgliedern, darunter auch Dax-Konzernen. Er ist keine Gliederung der CDU, auch wenn er die Partei im Namen trägt. Allerdings nimmt Präsidentin Astrid Hamker als ständiger Gast an den Sitzungen des CDU-Bundesvorstands teil. In den vergangenen Jahren hat sich der Verband mehrfach zum Thema Zuwanderung positioniert. Jüngst warf er der Ampel vor, „vor dem wachsenden Migrationsdruck die Augen“ zu verschließen.

Generalsekretär Steiger fordert nun, dass Staats- und Gesellschaftskunde ebenso fester Bestandteil des Lehrplans werden müsse wie der Sprachunterricht. „Genauso deutlich gilt es festzulegen, was wir auf keinen Fall tolerieren können. Denn Toleranz wird zur Ignoranz, wenn sie Intoleranz hinnimmt.“ Unverhandelbar sei das Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens in Deutschland. Es brauche „härtere Tests, um Zuwanderer besser kennenzulernen und Feinde unserer Gesellschaftsordnung auszusortieren“, sagte Steiger weiter. „Dass die bisherigen Verfahren völlig unzureichend sind, ist dieser Tage eindrucksvoll bewiesen worden.“

Aktuell müssen Ausländer, die die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben wollen, einen Einbürgerungstest absolvieren, der Fragen zur Verfassung stellt. Außerdem müssen sie sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Einer Einbürgerung entgehen stehen laut dem Bundesinnenministerium schon heute antisemitische Handlungen. Allerdings kritisieren Staatsangehörigkeitsbehörden, dass die Prüfung sich vor Ort nicht leicht umsetzen lasse, sich Judenhasser nicht auf jeden Fall herausfiltern lassen.

„Fundamentale Ablehnung westlicher Werte“

Der Wirtschaftsrat fordert nun von allen Zuwanderern – nicht nur Einbürgerungswilligen – ein klares Bekenntnis zum Grundgesetz. „Es ist kein Verbrechen, sondern eine Notwendigkeit, von jedem Flüchtling und Einwanderer eine klare Bejahung zur Verfassungsordnung des Grundgesetzes einzufordern“, sagt Steiger. „Wer in unser Land kommt und sich bei einem solchen Bekenntnis ziert oder gar in seinem Verhalten Opposition zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung erkennen lässt, ist für einen Aufenthaltstitel ungeeignet und muss die Chancen auf Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft unwiderruflich verwirkt haben.“

Steiger fordert außerdem, dass „arbeitsunwillige und vor allem integrationsunwillige Migranten in kürzester Zeit das Land verlassen müssen“. Man müsse sich eingestehen, dass Integration nur auf einer Basis funktionieren könne. „Alle Integrationsmaßnahmen können einen tradierten Hass auf jüdisches Leben und eine fundamentale Ablehnung westlicher Werte nicht auffangen.“

Deutschland könne keine Paralleljustiz, Gettoisierung, Frauenfeindlichkeit, Kinderehen und Antisemitismus akzeptieren. Dies sei auch mit Blick auf ausländische Fachkräfte wichtig, die in Deutschland dringend benötigt würden. „Wir können für rechtstreue und leistungsbereite Einwanderer nur dann attraktiv sein, wenn Rechtstreue und Leistungsbereitschaft wieder Anerkennung, Durchsetzung und Belohnung erfahren.“

Schon seit 2007 bekennt sich die CDU in ihrem Grundsatzprogramm zu einer „Leitkultur in Deutschland“, die auf kulturellen Werten und historischen Erfahrungen beruhe. Seitdem haben Parteipolitiker immer wieder versucht, den Begriff mit Leben zu füllen. So sprach sich der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) 2017 dafür aus, einige Lebensgewohnheiten und Vorstellungen unter einer „Leitkultur“ zu fassen: In Deutschland schüttele man sich zur Begrüßung die Hand, man zeige Gesicht und trage nicht Burka; man gehe tolerant und respektvoll miteinander um. Dazu gehöre auch ein besonderes Verhältnis zum Existenzrecht Israels.

Der Katalog wurde damals heftig kritisiert – auch von Politikern von SPD und Grünen, die de Maizière unter anderem Spaltung vorwarfen. Schon zuvor hatte der Begriff wiederholt für Streit gesorgt. Er geht zurück auf den deutsch-syrischen Politikwissenschaftler Bassam Tibi, der in den 90er-Jahren für eine „europäischen Leitkultur“ warb – unter dem Eindruck einer als unkontrolliert empfundenen Zuwanderung. 2000 griff Friedrich Merz – damals wie heute Unionsfraktionschef – die Formulierung „deutsche Leitkultur“ auf. Aktuell arbeitet die Partei an einem neuen Grundsatzprogramm.

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Merz fordert Stopp der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts

„Abwegig“ nennt Friedrich Merz die Pläne der Ampel, Einbürgerung schon nach drei Jahren statt wie bislang mindestens fünf Jahren möglich zu machen. Der CDU-Chef fordert den Stopp der Reform – auch mit Blick auf jüngste propalästinensische Demonstrationen.

CDU-Chef Friedrich Merz dpa/Christoph Reichwein

CDU-Chef Friedrich Merz dpa/Christoph Reichwein© Bereitgestellt von WELT

Angesichts der Spannungen infolge des Gaza-Kriegs hat CDU-Chef Friedrich Merz die Ampel-Koalition zu einem Stopp ihrer geplanten Reform des Staatsbürgerschaftsrechts aufgefordert. Die Möglichkeit einer Einbürgerung nach schon drei Jahren statt wie bislang mindestens fünf Jahren sei angesichts der aktuellen Lage „abwegig“, sagte Merz am Sonntag in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“.

In Bezug auf Vorschläge, ein schriftliches Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zur Voraussetzung einer Einbürgerung zu machen, sagte Merz weiter, man könne nicht verhindern, dass dies letztlich nur als Formalie unterschrieben werde. „Deswegen muss man genauer hinschauen, wer denn da in die Bundesrepublik Deutschland eingebürgert werden soll“, forderte der Oppositionsführer.

Merz forderte die Bundesregierung auf, die Reform zu stoppen – auch mit Blick auf jüngste propalästinensische Demonstrationen, bei denen es auch zu antisemitischen Äußerungen gekommen war. „Wenn wir im Staatsbürgerschaftsrecht so vorgehen, dann dürfen wir uns über weitere Demonstrationen dieser Art nicht wundern“, sagte er.

Die Bundesregierung will mit dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht kürzere Mindestaufenthalte für Einbürgerungen einführen – statt acht Jahren sollen fünf Jahre reichen, bei besonderen Integrationsleistungen auch nur drei. Im Gesetz ist bereits vorgesehen, dass der deutsche Pass für Menschen ausgeschlossen sein soll, die aus antisemitischen oder rassistischen Motiven Straftaten begangen haben. Voraussetzung soll auch sein, den Lebensunterhalt in der Regel ohne Sozialleistungen bestreiten zu können.

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Nur noch aufnehmen, wer Deutsch kann: CDU-General Linnemann fordert Migrantenquote an Schulen

35 Prozent - mehr Migranten soll es nach Ansicht von CDU-Generalsekretär Linnemann an deutschen Schulen nicht geben. Eine Quote kann er sich auch für Wohnviertel vorstellen.

20.10.2023, Niedersachsen, Braunschweig: Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, spricht auf dem 75. Deutschlandtag der Jungen Union. Foto: Moritz Frankenberg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

20.10.2023, Niedersachsen, Braunschweig: Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, spricht auf dem 75. Deutschlandtag der Jungen Union. Foto: Moritz Frankenberg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++© Foto: dpa/Moritz Frankenberg

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat den Vorschlag von FDP-Vize Wolfgang Kubicki begrüßt, die Anzahl von Migranten pro Wohnviertel zu deckeln. „Die Debatte ist richtig. Wir sehen das auch in Dänemark, dort wird ähnlich gehandelt“, sagte Linnemann im TV-Sender Welt. Linnemann forderte darüber hinaus auch eine Migrantenquote an deutschen Schulen.

„Wir können ja mal bei den Schulen anfangen. Wir haben Schulen, gerade in Berlin, wo wir 90, 95 Prozent Migrationsanteil haben. Die Experten sagen, dass irgendwo bei 35 Prozent Schluss sein muss, weil dann beide partizipieren - diejenigen, die zu uns kommen, und diejenigen, die da sind. Das ist ja auch befruchtend.“

Derzeit aber gebe es „zu viele mit Migrationshintergrund in einer Klasse“, die „zu wenig Deutsch sprechen“, so Linnemann. „Es werden ja zum Teil junge Leute eingeschult, die der Sprache gar nicht mächtig sind. Dann kriegen wir ein Problem. Und deswegen sollten wir sagen: 35 Prozent, beispielsweise, Migrationsquote in Schulen fände ich die richtige Debatte.“

Linnemann plädierte für die Einführung einer Vorschulpflicht mit anschließendem Sprachtest. „Ich würde nur noch junge Menschen einschulen, die wirklich der deutschen Sprache mächtig sind.“ Dabei wolle man Kinder nicht stigmatisieren, sondern fördern, damit sie „die deutsche Sprache lernen und dann eingeschult werden“, so Linnemann.

„Wir brauchen eigentlich einen einheitlichen Sprachtest in ganz Deutschland für alle Vierjährigen - und wer den nicht besteht - das hat ja auch nichts mit Migrationshintergrund zu tun, das sind ja auch deutsche Kinder, die hier lange leben, dabei - die werden gefördert über eine Vorschulpflicht. Das heißt, in Zukunft sollte nur noch der eingeschult werden, der auch der deutschen Sprache mächtig ist.“

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Plötzlich Millionen neue Deutsche?

 

seit Wochen schon dreht die Ampel sich um sich selbst. Alle Aufmerksamkeit und Kraft gehen dafür drauf, die Finanzkrise zu lösen und endlich zurück ins geordnete Regieren zu kommen.

Doch währenddessen steht das Parlament nicht still. Große Gesetzesvorhaben laufen, die dazu taugen, Deutschland zu verändern. Zu einem besonders gewichtigen Entwurf werden an diesem Montag ab 14 Uhr Experten im Innenausschuss gehört – und man kann nur hoffen, dass die Regierenden die Zeit finden, gut zuzuhören.

Es geht um den Gesetzentwurf zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts, abgekürzt StARModG genannt. Trocken klingt dieser Titel, nach Verwaltungskram, unsexy, gähn. Doch dahinter verbirgt sich eine kleine Revolution. Und zwar in der für Deutschland sehr großen und hart umkämpften Frage: Wer darf deutsch sein?

Das Gesetz könnte tief in das Leben von Millionen Menschen eingreifen und Deutschland Millionen neue Wähler bringen. Es könnte auch Mehrheiten, ja, sogar das Parteiengefüge im Bundestag, so wie wir es kennen, verändern. Beunruhigend ist deswegen, dass in der Öffentlichkeit bisher so wenig darüber gesprochen wurde und Experten eindringlich vor möglichen Folgen warnen.

Die zwei wichtigsten Maßnahmen der Reform: Die Bundesregierung will Mehrstaatigkeit zulassen und die Wartezeit für die Einbürgerung von acht auf fünf Jahre verkürzen. Menschen, die seit Jahren hier wohnen, gut Deutsch sprechen und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, sollen profitieren und leichter deutsche Bürger werden können. Und das betrifft viele: Laut Gesetzentwurf leben 12,3 Millionen Menschen ohne deutschen Pass hier, davon 5,3 Millionen seit mehr als zehn Jahren.

Strahlende Neubürger: Einbürgerungszeremonie im August 2023 im Rathaus von Mülheim in Nordrhein-Westfalen.
Neubürger: Einbürgerungszeremonie im August 2023 im Rathaus von Mülheim in Nordrhein-Westfalen. (Quelle: Kerstin Bögeholz/Imago)

Zwei Sorgen stehen aber zurzeit mit Blick auf die Ampelpläne im Raum. Die erste bezieht sich auf die Mehrstaatigkeit, also auf die für manche Gruppe neue Chance, zwei Pässe haben zu dürfen und ganz offiziell zwei Staaten anzugehören.

"Die Möglichkeit zur Mehrstaatigkeit ist für viele attraktiv, wir werden schon jetzt oft danach gefragt", erklärte mir Peter Schlotzer im Gespräch. Er ist Dozent für Staatsangehörigkeitsrecht und leitet eine große Einbürgerungsbehörde. Besonders groß sei das Interesse an der Mehrstaatigkeit bei türkischen Staatsangehörigen, die sich bisher zwischen dem türkischen und dem deutschen Pass entscheiden müssen, sagt der Mann aus der Praxis.

Dabei ist wichtig zu wissen: Schon jetzt haben in Deutschland Menschen aus vielen Ländern die Möglichkeit, eine doppelte Staatsbürgerschaft zu haben. Das gilt für Bürger aus der Schweiz sowie den 26 anderen Ländern der EU. Aber auch Menschen, deren Heimatländer es gar nicht ermöglichen, ihre Staatsbürgerschaft abzugeben, dürfen in der Regel neben dem deutschen einen weiteren Pass besitzen – dazu zählen 25 weitere Staaten, darunter Syrien, Afghanistan, Tunesien, Marokko, Thailand, Brasilien, Mexiko, Ecuador, Algerien und Argentinien.

Für ein Viertel aller Staaten weltweit also besteht die Chance schon, wenn auch zum Teil zwangsweise. In die Röhre schauten bisher Menschen aus der Türkei, die in Deutschland besonders stark vertreten sind und die Wirtschaft in Deutschland seit den 70er-Jahren stützen.

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Kanzler Scholz, Innenministerin Faeser (beide SPD): Ihr Kabinett will mehr Teilhabe ermöglichen. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen/imago)

Das zu ändern scheint nicht weniger als recht und billig. Doch die Mehrstaatigkeit für alle kann in den nächsten Jahren Folgen haben, die von dem Papier mit dem hölzernen Titel StARModG nicht genannt werden: Die neuen Deutschen könnten bei Wahlen ganz neue Kräfte befeuern.

Die Union warnt schon jetzt ebenso wie vereinzelte Experten vor neuen Chancen für Parteien, die den politischen Islam in Deutschland forcieren oder der türkischen Regierungspartei AKP nahestehen. Für Autokraten wie den türkischen Präsidenten Erdoğan wäre das ein Traum: Einfluss auf Deutschland und die EU zu haben, aus dem Ausland für Wirbel und Instabilität sorgen zu können.

Wie realistisch das ist, lässt sich nicht sagen. Es fehlen belastbare Zahlen zu den Doppelpass- wie den Wahl-Absichten. Ebenso wie es AKP-treue Türken in Deutschland gibt, gibt es auch jene, die Erdoğan und dem politischen Islam kritisch gegenüberstehen. Schon jetzt stammen übrigens die meisten Menschen, die neu eingebürgert werden, aus muslimischen Ländern wie Syrien, dem Irak oder Afghanistan – ohne dass sich bisher eine neue islamische Partei gegründet hätte.

Recep Tayyip Erdogan
Recep Tayyip Erdoğan: Baut gern seinen Einfluss in der EU aus. (Quelle: Turkish Presidency/dpa/dpa-bilder)

Klar aber ist, dass die deutschen Parteien umdenken müssen, wollen sie nicht überrascht werden von den Geistern, die sie selber riefen. Bisher nämlich vergessen sie nur zu gerne jene Gruppen, die an den Wahlurnen keine Macht haben – Kinder und Jugendliche können davon ein trauriges Lied singen. Wollen sie die Stimmen der neuen Deutschen, müssen sie ihnen auch zuhören, sie adressieren, sich wirklich für ihre Belange einsetzen. Eine große, neue Aufgabe für die Parteizentralen. Bisher scheint das allerdings kaum bewusst, geschweige denn in Arbeit.

Das gilt auch für ein weiteres Problem, das der Gesetzentwurf für die Reform in sich trägt. Bei der Regelung dazu, wer in Zukunft in fünf statt acht Jahren eingebürgert werden kann, besteht unter Experten noch große Verwirrung. Der Gesetzestext nämlich schließt bisher wichtige Gruppen plötzlich aus – und andere ein, was aus Experten-Sicht wenig Sinn ergibt, wie Peter Schlotzer erklärt.

Das gilt zum Beispiel für die Formulierungen zur Unterhaltssicherung. Nach der jetzigen Fassung wären auch Schüler, Behinderte, Alleinerziehende grundsätzlich von der Einbürgerung ausgeschlossen, weil sie nicht voll arbeiten können und Unterstützung vom Staat erhalten – mögen ihre Gründe dafür auch noch so gut sein. Auf der anderen Seite sollen Ehepartner von Vollzeitarbeitenden, die ein Kind haben, einfach und leicht eingebürgert werden, ohne dass sie sich überhaupt um Arbeit bemühen müssen.

Das ist unfair, unsozial und auch für Praktiker nicht nachvollziehbar. "Der Teufel steckt im Detail", warnt Peter Schlotzer. "Wenn das Gesetz in der jetzt diskutierten Form kommt, ist das eine gravierende Änderung."

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