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Grüne News

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Kandidatencheck: Grüne K-Frage: Annalena Baerbock oder Robert Habeck?

 

Wen nominieren die Grünen fürs Kanzleramt? Die Entscheidung soll zwischen Ostern und Pfingsten fallen. Die Wirtschaft hat eine leichte Präferenz.

Die Grünen zielen bei den Bundestagswahlen auf Platz eins. Ob Parteichefin Annalena Baerbock oder Co-Chef Robert Habeck ins Rennen ums Kanzleramt zieht, soll zwischen Ostern und Pfingsten endgültig festgelegt werden.

Welche Kriterien spielen dabei eine Rolle? Die Bekanntheit oder Beliebtheit? Wie wichtig ist Regierungserfahrung? Die Einschätzung der Wirtschaft? Oder müssten die Grünen nicht vielmehr zwingend eine Frau nominieren? Schließlich werben sie selbst wie keine andere Partei damit, Politik für Frauen mit Frauen zu machen und die Benachteiligung von Frauen endlich überwinden zu wollen.

Eine Vielzahl von Kriterien bestimmen die Eignung. „Aber ein ganz wichtiges Kriterium ist der unbedingte Wille, als Kanzlerkandidat antreten zu wollen“, sagte Nico Siegel, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap, dem Handelsblatt. Die Kandidatur sei eine enorme Kraftanstrengung, „die nur mit viel Biss, großer physischer und mentaler Stärke“ erfolgreich zu bewältigen sei.

Ein Kanzlerkandidat müsse im Zweifel auch nach acht Terminen abends um 22 Uhr die notwendige inhaltliche Sicherheit über viele Themen hinweg haben und für alle Fragen von Journalisten und auf Gegenangriffe von Wettbewerbern gewappnet sein, sagte Siegel weiter. „Glaubwürdigkeit, Kompetenz, Führungsstärke – das sind entscheidende Eigenschaften, mit denen sich am Ende Wähler mobilisieren lassen.“

Was spricht für Baerbock? Was für Habeck? Das Handelsblatt macht einen Kandidatencheck.

Annalena Baerbock: zu jedem Thema „detailliert sprechfähig“

An ihrem grundsätzlichen Willen, als Kanzlerkandidatin anzutreten, gibt es keine Zweifel. Die Grünen-Chefin hat schon im Dezember selbst zu Protokoll gegeben, dass sie sich nicht nur die Kandidatur, sondern auch das Kanzleramt zutraut.

„Drei Jahre als Parteichefin, Abgeordnete und Mutter kleiner Kinder stählen ziemlich“, sagte die 40-Jährige, die in Hannover geboren wurde, aber seit Langem in Brandenburg lebt. Später empfahl sie den Blick ins Ausland, etwa nach Neuseeland oder nach Finnland. Die Regierungschefinnen dort haben ebenfalls kleine Kinder.

Dass sie in ihrer Partei als Frau den ersten Zugriff auf die Kandidatur hätte, weiß sie, will dieses Privileg aber nicht nutzen. Wiederholt hat sie betont, mit Co-Chef Habeck gemeinsam einen Vorschlag zu machen, wer in dieser Zeit das beste Angebot für die Partei, den Wahlkampf und die Gesellschaft sei.

Dem „Spiegel“ sagte sie jetzt: „Ich glaube, keinem von uns fällt es schwer zu sagen: ,Du bist der oder die Richtige.'“ Doch natürlich wäre es für sie „ein kleiner Stich ins Herz“, ihrem Co-Vorsitzenden Habeck den Vortritt zu lassen.

In Partei und Fraktion ist man unentschieden, es gibt die Baerbock-Befürworter, es gibt die Habeck-Befürworter, ohne dass diese sich zu diesem Zeitpunkt öffentlich bekennen wollen. Beide könnten es, so die Botschaft, die Grünen hätten ein „Luxusproblem“.

Die Wirtschaft könnte gewiss mit beiden leben. „Beide sind anschlussfähig“, so beschreibt es die Fraktion. Nicht nur die Parteichefs, auch die Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter haben seit der letzten Bundestagswahl viel Zeit darauf verwendet, mit Unternehmen ins Gespräch zu kommen. Sowohl Baerbock als auch Habeck werden als „schlau“ und „reflektiert“ beschrieben, derentwegen man keine Sorge haben müsse, wenn sie ins Kanzleramt einzögen.

Und doch: Hört man sich in der Wirtschaft um, gibt es wohl eine leichte Präferenz für Baerbock. „Blitzgescheit“ sei sie, heißt es, und möglicherweise eher als Habeck gewillt, eine Koalition mit dem konservativen Lager einzugehen.

Ein solches Bündnis halten Unternehmen für geeignet, die Herausforderungen der nächsten Jahre anzugehen. Ein linkes Bündnis, das die Wirtschaft eher mit einem Kandidaten Habeck vermutet, stößt auf Ablehnung. Zudem gilt Habeck als jemand, der das große Ganze versteht, aber die Details nicht immer ganz richtig parat hat und weniger als sie daran arbeitet, Lücken wettzumachen.

Dieser Vorwurf wird Baerbock nicht gemacht, im Gegenteil. Sie ist so gut wie zu jedem Thema detailliert sprechfähig. Und wo ihr Informationen fehlen, bereitet sie sich akribisch vor, Patzer passieren selten. Eitles Sendungsbewusstsein geht ihr ab.

Sowohl bei Parteifreunden als auch in der Wirtschaft wird sie als sachorientiert und extrem interessiert und hartnäckig beschrieben, sie weiß, worüber sie redet. „Sie fragt so lange nach, bis sie einen Punkt wirklich verstanden hat“, heißt es in der Fraktion. „Sie lässt sich nicht abspeisen und geht bis zur Schmerzgrenze, wo wir uns vielleicht auch mal etwas vormachen.“

Baerbock gehört zweifellos zu den stärksten Spitzengrünen, die die Partei je hatte. Aufgewachsen ist sie in Niedersachsen, studiert hat sie in Hamburg und London, ehe sie über Stationen in Straßburg und Brüssel nach Brandenburg zog. 2004 stieß sie zu den Grünen, mitten im Europawahlkampf.

Von 2009 bis 2013 war die Völkerrechtlerin dann Landesvorsitzende der Brandenburger Grünen, bevor sie Bundestagsabgeordnete und Klimaexpertin wurde. Seit Anfang 2018 führt sie zusammen mit Habeck die Bundespartei.

„Die Grünen würden gut daran tun, Annalena Baerbock aufzustellen“, sagte der Manager eines Konzerns im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Mit ihr könnten sie glänzen, mit ihr wirken sie frischer als der Rest der Parteien.“ Ein anderer denkt schon weiter: Vier Jahre Schwarz-Grün, dann Grün-Schwarz – mit Baerbock als Kanzlerin.

Robert Habeck: bekannt und regierungserfahren

Doch auch für die Aufstellung des Lübeckers Habeck spricht einiges. In Wählerumfragen war der 51-Jährige bislang der bekanntere und beliebtere Politiker, auch wenn Baerbock aufgeholt hat. „Beide haben noch eine erhebliche Wegstrecke vor sich, um bekannter zu werden und für Zutrauen zu werben“, meint Meinungsforscher Siegel. „Ob die Wähler Baerbock oder Habeck für geeigneter halten, für eine solche Aussage ist es noch zu früh im Jahr.“

Auch Habeck scheut sich nicht, Verantwortung zu übernehmen, er gilt als macht- und durchaus sendungsbewusst, der seine Gedankenwelt gerne mal preisgibt. Zuletzt habe ihm das Schreiben an seinem Buch „Von hier an anders“ klargemacht, worum es geht, schreibt der studierte Philosoph: dass Politik kein Spiel um Mehrheiten ist, sondern „das Privileg, in seiner Zeit einen Unterschied machen zu können“. 

Der Unterschied liegt für die Grünen nicht nur darin, einen stärkeren Fokus auf einen klimaneutralen Umbau der Wirtschaft zu legen, sondern auch, „saubere“ Politik zu versprechen, wie sie es im Wahlprogramm nennen: „Eine Politik, die das Wohl der Bürgerinnen und Bürger über das persönliche Interesse stellt, die Rechenschaft ablegt und sich selbst Grenzen setzt.“

Anders als Baerbock kann Habeck viele Jahre Regierungserfahrung vorweisen. Von 2004 bis 2009 war er Landesvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein, danach, bis 2012, Fraktionschef im Kieler Landtag. 2012 wechselte er auf die Regierungsbank, war bis 2018 Vize-Regierungschef im hohen Norden und Minister für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, ländliche Räume und Digitalisierung.

Seit Ende Januar 2018 ist er zusammen mit Baerbock Bundesvorsitzender der Grünen. Im Herbst will er über Platz zwei auf der Landesliste Schleswig-Holsteins in den Bundestag einziehen.

Doch während sich bei Baerbock alle Gesprächspartner so gut wie sicher sind, dass sie den Job in letzter Konsequenz will, schwingt bei Habeck immer ein kleines bisschen Unsicherheit mit. Wer ist der Mann, der sich zumindest in seinem früheren Politikerleben kleine Freiheiten genommen und das Handy im Auto liegen gelassen hat, um nicht erreichbar zu sein? „Dann gewinnt man Abstand zu seinem Tun und – wenn es gut läuft – Kraft, darüber nachzudenken“, so hat er es selbst einmal beschrieben.

Habeck ist emotionaler und hat den Ruf, eher mal spontan zu reden und zu entscheiden, was zwar authentisch ist und viele Menschen überzeugt, doch zu dem einen oder anderen Patzer führte. Seinen Twitter-Account schloss er, nachdem er Thüringen abgesprochen hatte, weltoffen und demokratisch zu sein – was nicht seine Absicht war, aber so klang. Ein ähnlicher Fehler war Habeck zuvor in Bayern unterlaufen.

„Bei Themen, die ihn interessieren, da ist er ganz dabei, bei anderen Themen bleibt er spürbar an der Oberfläche“, heißt es bei Unternehmern, die bei ihm etwas von der Zähigkeit einer Annalena Baerbock vermissen. Er selbst sagt, es dürfe „nicht um Eitelkeit“ gehen.

Es gehe „nicht nur um die Möglichkeit, dass einer von uns beiden Kanzlerin oder Kanzler werden“ könne, sagte er dem „Spiegel“. Sondern darum, „dass die größte Industrienation Europas von den Grünen geführt werden könnte“. Es gebe „einen Moment, den Lauf der Geschichte zu verändern“.

Wer kann die Probleme des Landes lösen?

Am Ende konzentriert sich die Frage nicht nur auf die Kanzlerkandidatur. Entscheidend ist vor allem das in weiten Teilen eher linke Wahlprogramm, das in der Wirtschaft so manchen verärgert oder erschreckt hat. Von hohen Hoffnungen an die Grünen ist da mitunter die Rede, was nun ein Stück weit erschüttert worden sei.

Baerbock und Habeck mögen noch so sehr für einen realistischen und pragmatischen Kurs, wie ihn der erfolgreiche Grünen-Regierungschef Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg steuert, stehen, der Gesamtpartei traut die Wirtschaft nicht so ganz, vor allem nicht mit Blick auf eine Kanzlerschaft.

„Das Wahlergebnis der Grünen hängt nicht daran, ob Annalena Baerbock oder Robert Habeck als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf zieht“, meint Peter Matuschek von Forsa. „Beide haben Stärken und Schwächen, aber beide stehen sie für eine neue grüne Politik. Es kommt entscheidend darauf an, ob die Grünen glaubhaft machen können, die Probleme des Landes lösen zu können. Und da haben sie noch Aufholbedarf.“

Ich sehe die zwei eher als unfähig. Bisher konnte ich diese nur unvorbereitet mit immer den gleichen Phrasen sich in TV – Runden äußern sehen.

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Grünen-Kanzlerkandidatin  

Annalena Baerbocks Geldproblem

Annalena Baerbock hat vergessen, dem Bundestag Sonderzahlungen zu melden. Das wird für die Grünen zum Problem – nicht nur, weil andere Parteien keine derartigen Zahlungen kennen. 

Mit Angriffen hat Annalena Baerbock in den vergangenen Wochen so ihre Erfahrungen gemacht. Haustiere wolle sie angeblich verbieten, stand im Internet. Die Witwenrente abschaffen, das stand da ebenso. Und mit ihrem Hochschulabschluss könne doch auch irgendetwas nicht stimmen ...

Es waren alles: klassische Falschnachrichten, Fake News.

ANNALENA BAERBOCK – DIE FRAU AN DER SPITZE DER GRÜNEN

Doch jetzt hat Annalena Baerbock Schlagzeilen produziert, die für sie und die Grünen deutlich gefährlicher sind als dieser recht leicht zu enttarnende Unsinn. Weil Baerbock einen eindeutigen Fehler begangen hat. Weil dieser Fehler mit Bonuszahlungen zu tun hat, die andere Parteien so nicht kennen. Und weil die Grünen dafür nun sogar von ihrer politischen Überzeugung abweichen.

Mehr als 25.000 Euro

Es war einfach ein Versehen, heißt es aus der Partei: Die Grünen-Chefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat mehr als 25.000 Euro Nebeneinkünfte nicht bei der Bundestagsverwaltung angegeben, obwohl das für Bundestagsabgeordnete wie sie vorgeschrieben ist.

Konkret geht es um 25.220,28 Euro aus den Jahren 2018 bis 2020, die sie aus der Kasse ihrer Partei erhalten hat, wie die Grünen erklären. Und die kamen so zustande:

  • 2018: 6.788,60 Euro Sonderzahlung zu Weihnachten
  • 2019: 9.295,97 Euro Sonderzahlung zu Weihnachten, die wegen des Erfolges bei der Europawahl noch deutlich aufgestockt wurde
  • 2020: 7.635,71 Euro Sonderzahlung zu Weihnachten und 1.500 Euro steuerfreie Sonderzahlung wegen Corona

Nicht nur die Chefs, sondern alle Mitarbeiter der Grünen-Geschäftsstelle bekamen diese Zahlungen. Als Bundestagsabgeordnete hat Baerbock in den drei Jahren rund 360.000 Euro verdient. Da erscheinen die gut 25.000 Euro eher wie eine überschaubare Summe. Aber sie entsprechen eben auch dem Einkommen, das ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in einem halben Jahr verdient.

Und das ist noch das geringste Problem: Denn die ordentliche Summe blieb eben bislang unerwähnt. Und dieser Fauxpas passierte ausgerechnet den Grünen. Auf der Seite der Bundestagsfraktion findet sich unter der Kategorie "Transparenz" der Satz: "Für uns ist die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte ab dem ersten Cent ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz. Dies fordern wir schon seit Jahren."

Ein sehr hoher und sehr absoluter Anspruch. Und dann hält sich die eigene Kanzlerkandidatin nicht daran.

Dazu ist wichtig zu wissen, dass Annalena Baerbock als Parteichefin ansonsten kein Gehalt von ihrer Partei erhält, weil sie als Bundestagsabgeordnete eine Abgeordnetendiät vom Staat bezieht. Robert Habeck, der keine Abgeordnetendiät bekommt, erhält hingegen ein Gehalt, das laut Grünen derzeit etwas unter einer Abgeordnetendiät liegt.

Bei der Linken ist das genauso geregelt. CDU, FDP und AfD geben auf Nachfrage ebenfalls an, ihren Chefs kein Gehalt zu zahlen. Dort gilt der Posten als Ehrenamt. Bei der SPD gibt es 9.000 Euro Aufwandsentschädigung pro Monat für die Chefs, auch wenn diese – wie die Co-Vorsitzende Saskia Esken – eine Abgeordnetendiät erhalten.

Ende März nun hat Baerbock die Sonderzahlungen beim Bundestag nachgemeldet, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, wie die Grünen betonen. Eigentlich haben Bundestagsabgeordnete nur drei Monate Zeit für diese Meldung. Bekannt wurde der Fehler erst jetzt, weil die "Bild"-Zeitung darüber berichtete und eine Parteisprecherin den Vorgang bestätigte.

Gutes Geld für gute Arbeit – anders als bei den anderen 

Es ist ein klarer Fehler der Kanzlerkandidatin und ihres Teams, wenn man ihnen keine böse Absicht unterstellen will, für die es keinerlei Hinweise gibt. Es zeigt sich, dass auch die Grünen, die ihre Kampagne und ihre Kommunikation minutiös planen, Fehler machen.

Aber es zeigt eben noch mehr.

Zum Beispiel, dass sich die Grünen an einigen Stellen durchaus mehr gönnen als andere Parteien. Eine Art Bonus für einen erfolgreichen Wahlkampf gebe es für die Parteispitze schlicht nicht, heißt es auf Nachfrage aus CDU, SPD, FDP, AfD und Linken. Gerade im konservativen Lager des Bundestags staunt man deshalb über die Regelung bei den Grünen. Aus ranghohen FDP-Kreisen hieß es, dass man sich "sehr wundert" über die Beträge, die dort ausgezahlt werden.

Und kurios ist es ja auch: Bei den Grünen lohnt sich Leistung mehr als bei der FDP.

Einen Corona-Bonus, also eine Entschädigung für die komplizierteren Arbeitsbedingungen, gibt es ebenfalls nur bei den Grünen. Haben wir unseren Vorsitzenden nicht gezahlt, heißt es unisono von den anderen Parteien. Bei der Linken haben zumindest die Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle vergangenes Jahr Corona-Unterstützung bekommen – wenn auch eher symbolisch in Höhe von 60 Euro.

Weihnachtsgeld erhalten die Chefs von CDU, SPD, FDP und AfD von ihren Parteien auch nicht, heißt es auf Nachfrage. Bei der Linken gäbe es theoretisch eine solche Zahlung, wenn die Parteichefinnen keine Abgeordnetendiäten bekämen, sondern ein normales Tarifgehalt. Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow sind aber Landtagsabgeordnete, also entfällt für sie das Weihnachtsgeld von der Partei – anders eben als bei Annalena Baerbock.

Als die Kassen bei den inzwischen kräftig gewachsenen Grünen noch knapper waren, so ist in Berlin zu hören, gab es solche Zahlungen dort auch nicht immer. In den vergangenen Jahren gönnte man sich aber offensichtlich gutes Geld für (selbst attestierte) gute Arbeit.

Was selbstverständlich eine Steilvorlage für die politische Konkurrenz ist. Der rauflustige CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte der "Bild": "Dass ausgerechnet die grünen Kapitalismuskritiker ihren Vorsitzenden Erfolgsprovisionen zahlen, ist grotesk."

Die Misstöne nehmen zu

Kritik von der Konkurrenz gehört zum normalen Geschäft. Baerbocks Fehler ist aber aus anderen Gründen politisch ziemlich heikel. Zum einen fällt er in eine Phase des Wahlkampfs, in der die anfängliche Grünen-Euphorie langsam abflaut.

Hinzu kommen selbst gemachte Probleme: Das Ausschlussverfahren von Boris Palmer, dem rassistische Äußerungen vorgeworfen werden, wird im Wahlkampf immer wieder unschöne Schlagzeilen produzieren. Mitte Juni steht ein Parteitag an, auf dem Teile der Basis das Grünen-Programm massiv verschärfen wollen. Und in Hessen haben die dort regierenden Grünen gerade mit der CDU eine Petition zur Freigabe der NSU-Akten abgelehnt, obwohl sich die Partei gerne als entschiedene Kraft gegen Nazis geriert.

All das kann die Parteispitze gerade gar nicht gebrauchen. Besonders weil es Kernthemen der Grünen betrifft.

Das ist bei Baerbocks Fehler nun genauso. Die Grünen setzen sich politisch seit Langem dafür ein, dass Nebeneinkünfte von Abgeordneten detailliert veröffentlicht werden müssen. Bislang sind Politiker nur verpflichtet, ihre Einkünfte aus einer Nebentätigkeit in einem Zehn-Stufen-System anzugeben. Die erste Stufe reicht von 1.000 bis 3.500 Euro, die zehnte Stufe erfasst alles über 250.000 Euro.

Da kommt es natürlich erst einmal überhaupt nicht gut, wenn die grüne Kanzlerkandidatin selbst das vergisst und beim Bundestag nachmelden muss.

Schadensbegrenzung schlägt politisches Prinzip

Weil den Grünen das Risiko offenbar bewusst ist, haben sie sich bei der Schadensbegrenzung in diesem Fall nun auch noch von einer politischen Überzeugung verabschiedet. Wenn auch nach anfänglichem Zögern.

Zunächst nämlich hatten die Grünen nicht die konkreten Summen der jetzt nachgemeldeten Zahlungen veröffentlicht, sondern nur jeweils die offiziellen Stufen des Bundestags angegeben, in denen die Einkünfte sich bewegen.

Sie argumentierten, wie sie es in vergleichbaren Fällen schon häufiger getan haben: Wir wollen zwar Nebeneinkünfte detaillierter veröffentlicht wissen, allerdings müssen dieselben Regeln für alle gelten. Und nicht nur für uns.

Was damit aber eben immer auch hieß: Wir gehen selbst nicht über das hinaus, wozu wir verpflichtet sind, obwohl wir es theoretisch gut fänden. Weil es eben das strukturelle Problem nicht lösen würde – so zumindest die Argumentation der Grünen.

Auch mit dieser Begründung wurde bei den Grünen zuletzt etwa erklärt, warum sie eine Spende in Höhe von einer Million aus Bitcoin-Gewinnen eines Parteimitglieds angenommen haben, obwohl sie sich politisch eigentlich dafür einsetzen, Spenden an Parteien auf 100.000 Euro pro Jahr und Person zu begrenzen.

Bei Baerbocks Sonderzahlungen aber haben die Grünen diesmal dann eben doch die konkreten Summen veröffentlicht, als sich die Nachfragen der Journalisten häuften.

Der Wunsch nach Schadensbegrenzung hat damit das politische Prinzip geschlagen. Das könnte es für die Partei künftig schwieriger machen, bei ähnlichen Fragen ihre bevorzugte Argumentationslinie durchzuhalten und dabei glaubwürdig zu bleiben.

Vor allem aber dürfte selbst die jetzige Offenheit die Angriffe der politischen Gegner erst einmal nicht verstummen lassen.

Das die Grünen die Größen Lügner in der deutschen Parteienlandschaft sind, war mir bekannt. Sie geben unwahre, fachlich falsche und nicht finanzierbare Forderungen und Aussagen von sich. Doch immer häufiger verstoßen Sie gegen die eigenen Wertevorstellungen. Das macht sie jetzt völlig unglaubwürdig und nicht wählbar!!

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Drastische Benzinpreis-Erhöhung: Baerbock schockt Autofahrer

 

"Grünen"-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock strebt nach der nächsten Bundestagswahl eine massive Erhöhung der Benzinpreise an.

Annalena Baerbock ist die erste Kanzlerkandidatin der "Grünen". Traditionell wird der Umweltschutzpartei ein kritisches Verhältnis zur Automobil- und Mineralölbranche nachgesagt. Eine jetzige Ankündigung Baerbocks manifestiert die angespannte Gemengelage.

Massive Benzinpreis-Erhöhung: Baerbock schockt Autofahrer

Sollte Annalena Baerbock die nächste Bundeskanzlerin von Deutschland werden, dann wird es ungemütlich für alle Kraftfahrzeugnutzer hierzulande. Die 40-Jährige ist nämlich gewillt den Benzinpreise um 16 Cent zu erhöhen.

Gegenüber Bild sagt Annalena Baerbock am 30. Mai 2021: "Sechs Cent Preiserhöhung gab es jetzt zum Jahresbeginn, weil erstmalig auch ein CO2-Preis auf Benzin eingeführt worden ist. Wir sagen, dass das schrittweise weiter angehoben werden muss auf die 16 Cent, die Robert Habeck erwähnt hat."

Hintergrund: Ihr Parteikollege Robert Habeck hatte vor kurzer Zeit öffentlich vorgerechnet, dass ein Anstieg des CO2-Preises auf 55 bis 60 Euro im kommenden Jahr eine Erhöhung des Benzinpreises von 14 bis 16 Cent pro Liter zur Folge hat.

Wirklich überraschen sollte dieser Plan deswegen also niemanden, auch weil man weiß, dass die "Grünen" ihr Umfragehoch vor allem auch ihrem Engagement in Umweltfragen zu verdanken haben - inwieweit die Bundesbürger dann solche "unangenehmen" Folgeerscheinungen für sich in Kauf nehmen wollen, wird sich letztendlich beim Gang an die Wahlurnen im Herbst 2021 zeigen.

Das zeigt wieder deutlich, dass die Grünen nicht wirklich Antworten auf die kommenden Herausforderungen haben. Statt wirtschaftlich tragbare Konzepte zu präsentieren, welche für den Verbraucher bezahlbar sind, wird nur alles konzeptlos verteuert! Ich kann das nicht nachvollziehen, wie diese Verteuerungspartei so viel Zustimmung bei den Wählern erhält. Denken die auch an die Folgen??

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"Wir haben uns das anders gewünscht“: Saarland-Grüne wählen Mann als Spitzenkandidat – Baerbock sauer

 

Der Parteitag der Grünen hat Hubert Ulrich auf Platz 1 der Landesliste im Saarland gesetzt. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kündigte Konsequenzen an.

Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat deutliche Kritik an der Aufstellung der Bundestagskandidaten ihrer Partei im Saarland geübt. Nach der Wahl des früheren Landesparteichefs Hubert Ulrich auf Platz eins der Landesliste sagte Baerbock am Montag in Berlin: "Wir haben uns das anders gewünscht."

Ulrich hatte sich auf einem Landesparteitag am Sonntag als Spitzenkandidat durchgesetzt, nachdem die inzwischen abgelöste Landesvorsitzende Tina Schöpfer mehrfach durchgefallen war. Ulrich setzte sich schließlich gegen die Vorsitzende der Grünen Jugend im Saarland, Jeanne Dillschneider, durch. Dass ein Mann nun die Landesliste anführt, verstößt nach Ansicht vieler Kritiker gegen das Frauenstatut der Grünen. Dieses schreibt eigentlich eine Frau an der Spitze vor.

Die Angelegenheit wurde nach Baerbocks Angaben am Montag auch im Bundesvorstand besprochen. Darüber werde Bundesgeschäftsführer Michael Kellner mit dem saarländischen Landesverband noch "im intensiven Austausch sein", kündigte die Bundesvorsitzende der Grünen an.

Befürchtet wird zudem, dass die Wahl Ulrichs juristisch angefochten werden könnte. "Wir sind schockiert über die Art und Weise, wie sich über das Frauenstatut der Grünen hinweggesetzt worden ist und sehen hier eklatante Satzungsverstöße", erklärte Dillschneider auf Facebook. Nach ihrer Überzeugung wurde "willentlich in Kauf genommen, möglicherweise keine gültige Liste einreichen zu können".

Ulrich ist bei den Grünen seit jeher umstritten, weil sich der Landesverband unter seiner Führung im Jahr 2009 für eine Jamaika-Koalition an der Saar ausgesprochen hatte, obwohl rechnerisch damals auch Ro-Rot-Grün möglich gewesen wäre.

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"Markus Lanz" zu Baerbock-Buch  

"Das große grüne Narrativ implodiert gerade"

Bei Lanz ging es um die Copy-and-Paste-Passagen in Annalena Baerbocks Buch – und Grünen-Fraktionsvize Krischer geriet ins Stammeln. Ein Auftritt, der zur aktuellen Krisenkommunikation der Partei passt.

Um die letzte halbe Stunde nicht unter den Tisch fallen zu lassen: Da sprach die Virologin Jana Schroeder kompetent über die Gefährlichkeit der Delta-Variante des Coronavirus, und die Sportreporterin Claudia Neumann fand klare Worte zum EM-Turnier in Pandemiezeiten: "Man hätte es anders veranstalten müssen." Die spannendste Auseinandersetzung der Sendung aber entspann sich in den ersten 45 Minuten um die Plagiatsvorwürfe gegen das aktuelle Buch "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern" der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Einen schweren Stand hatte dabei der zur Verteidigung erschienene stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer.

 

Die Gäste

  • Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag
  • Ulrich Schulte, Leiter des "taz"-Parlamentsbüros
  • Claudia Neumann, Reporterin und ZDF-EM-Kommentatorin
  • Jana Schroeder, Virologin
  • Julius van de Laar, Strategieberater

 

Zunächst musste Krischer sich von Lanz genüsslich fragen lassen, warum die Pressestelle seiner Fraktion noch am Ausstrahlungstag per Mail in schönstem Gender-Deutsch mitgeteilt habe, sie finde derzeit "keine*n geeignete*n Gesprächspartner*in" für sein Talkformat. Ob er nicht geeignet sei?

"Ich weiß, dass die Stimmung da gerade nicht einfach ist", erklärte Krischer, er habe sich aber der Diskussion stellen wollen, weil er ja kürzlich selbst in Form eines Tweets gegen Armin Laschet ausgeteilt habe. Darin hatte er dem CDU-Vorsitzenden und NRW-Ministerpräsidenten vorgeworfen, wegen seiner Klimapolitik mitverantwortlich für die Hitzetoten in Kanada zu sein.

"Sie sind ja der Don Krawallo Ihrer Partei", stellte Lanz dazu fest, und Krischer räumte ein, es habe sich um "eine harte Zuspitzung" gehandelt. Ulrich Schulte, Leiter des "taz"-Parlamentsbüros, bezeichnete den Vorwurf lieber als "Entgleisung", für die man sich auch hätte entschuldigen können. Ob es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen dem Tweet und der Baerbock-Kontroverse gebe, wollte der Moderator wissen, ob also Krischer habe ablenken wollen. Nein, erwiderte der, es handle sich doch um "ein superklasse Buch". Wenn er es lese, dann sei das "die Annalena Baerbock, die ich kenne". Mit dieser Verteidigungsstrategie aber kam er nicht weit, denn Lanz präsentierte nun übernommene Textstellen und fragte, ob es Zufall sei, "dass sich vorher schon andere so ausgedrückt haben".

"Katastrophale Krisenkommunikation" der Grünen

Besonders eindrücklich gelang die Gegenüberstellung bei einer Passage aus einem vermeintlich persönlichen Reisebericht Baerbocks aus dem Irak über jesidische Kinder, die aus einem Text der "Deutschen Welle" aus dem Vorjahr stammt. "Wenn es da gewisse Parallelitäten gibt ...", stammelte Krischer, "ob da ein Halbsatz irgendwo anders her übernommen wurde ...", es komme doch "auf die Botschaft an". Das sah "taz"-Journalist Schulte anders: Er bescheinigte den Grünen eine "katastrophale Krisenkommunikation", denn sie bestritten etwas, das offensichtlich sei. Schlimmer noch: "Das große grüne Narrativ implodiert gerade", so Schulte, nämlich das von der integren jungen Kandidatin, die für Aufbruch und Erneuerung stehe.

Und Lanz legte noch einmal nach, diesmal mit einem Zitat der Ökonomin Maja Göpel aus der "taz" vom 1. November 2020, das mit "Meine Jahre in Brandenburg" beginnt und sich ebenfalls in Baerbocks Buch findet. Ob es nicht problematisch sei, wenn auf diese Worte dann kein eigener Gedanke folge, fragte der Moderator. "Warum unterstellen Sie, dass es sich nicht um einen eigenen Gedanken handelt?", erwiderte Krischer. "Weil es wortwörtlich vorher in der 'taz' stand", erklärte Lanz. "Das ist nicht wortwörtlich, das ist anders", beharrte Krischer auf aussichtslosem Posten. Ob "einzelne Fisselchen" übernommen seien, sei doch nicht entscheidend.

Schließlich wollte Lanz noch auf die Baerbock-Äußerung zu sprechen kommen, niemand schreibe so ein Buch allein. Für ihn drücke sich darin eine Missachtung von geistiger Leistung und Autorenschaft aus. Ulrich Schulte, selbst Buchautor ("Die grüne Macht"), konnte bestätigen, dass Alleine-Schreiben eine "zeitraubende Tätigkeit" sei, ein halbes Jahr habe er an seinem Werk gearbeitet. Wie die Grünen, deren "zweites Narrativ", der Kampf um Platz eins, nun ebenfalls implodiert sei, aus dem Schlamassel wieder herauskommen könnten, wusste er allerdings genauso wenig zu sagen wie der Strategieberater Julius van de Laar.

Der hatte zwar neben ein paar wohlfeilen Floskeln ("Wenn du im Loch sitzt, hör auf zu graben") auch noch einen konkreten Vorschlag parat: Baerbock solle doch, um thematisch wieder in die Offensive zu kommen, ins hitzegebeutelte Kanada fliegen und dann gleich noch die Waldbrände in Kalifornien besichtigen. Die Idee aber räumte Lanz gleich wieder ab: "Fliegen ist sehr klimaschädlich, wie Sie wissen."

 

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Die wichtigsten Vorhaben  

Was die Grünen planen: Viel Klimaschutz und Investitionen

Das Wahlprogramm der Grünen heißt "Deutschland. Alles ist drin". Die wichtigsten Vorhaben der Partei für die Bundestagswahl 2021 gibt es hier im Kurzüberblick.

Klima

Der Klimaschutz ist das Hauptanliegen der Grünen, das sich durch viele andere Politikfelder zieht. Sie sind dabei an vielen Stellen etwas ambitionierter als andere Parteien. In 20 Jahren soll Deutschland klimaneutral sein, schon 2034 sollen 100 Prozent erneuerbare Energien erreicht werden, schon 2030 soll der Kohleausstieg vollendet sein. In vier Jahren soll es 1,5 Millionen Solardächer mehr geben.

Die Grünen setzen dabei auf eine Mischung aus verschiedenen Maßnahmen, auf Verbote (Ordnungsrecht), aber auch Investitionen und Förderprogramme sowie den CO2-Preis. Der soll für Benzin, Heizöl und ähnliche fossile Träger schneller steigen als bislang beschlossen, nämlich 2023 schon 60 Euro betragen. Die EEG-Umlage und damit der Strompreis sollen im Gegenzug sinken, und jeder soll ein Energiegeld bekommen. Auf Autobahnen soll maximal Tempo 130 gelten, ab 2030 sollen keine Verbrennerautos mehr zugelassen werden.

Wirtschaft/Jobs

Mit einer Reform der Schuldenbremse im Grundgesetz wollen die Grünen zusätzliche Investitionen ermöglichen. Ziel sind 50 Milliarden Euro im Jahr – und zwar zusätzlich zu den derzeit rund 40 Milliarden Euro. Viel davon soll in den ökologischen Umbau fließen. Der Mindestlohn soll sofort auf 12 Euro angehoben werden. Die Erhöhung soll sich anschließend mindestens an der Entwicklung der Tariflöhne orientieren.

Rente

Die Sicherung des Rentenniveaus bei mindestens 45 Prozent hat für die Grünen "hohe Priorität". Zur Finanzierung schließen sie weitere Steuerzuschüsse nicht aus. Die gesetzliche Rentenversicherung soll dabei schrittweise zu einer Bürgerversicherung umgebaut werden, in der alle versichert sind. Aber die Grünen setzen auch auf private Vorsorge: Die Riester- und Rürup-Rente soll durch einen Bürgerfonds ersetzt werden. In ihn sollen alle einzahlen, die nicht aktiv widersprechen.

Steuern

Um Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten, wollen die Grünen den Grundfreibetrag der Einkommensteuer erhöhen. Der Spitzensteuersatz stiege dafür in zwei Stufen um drei beziehungsweise sechs Prozentpunkte: ab 100.000 Euro für Alleinstehende (200.000 Euro für Paare) auf 45 Prozent und ab 250.000 Euro für Alleinstehende (500.000 Euro für Paare) auf 48 Prozent.

Die Grünen wollen eine Vermögensteuer, die bei Vermögen über zwei Millionen Euro pro Person ein Prozent beträgt. Die Abgeltungsteuer für Kapitalerträge soll abgeschafft werden, es soll wieder die progressive Einkommensteuer gelten.

Soziales/Wohnen

Hartz IV wollen die Grünen durch eine Garantiesicherung ersetzen. Der Regelsatz soll sofort um mindestens 50 Euro ansteigen. Eine Kindergrundsicherung soll verschiedene Unterstützungsleistungen bündeln und erweitern. Für Gesundheit und Pflege wird eine Bürgerversicherung angestrebt, in die auch Beamte, Selbstständige und Unternehmer je nach Einkommen (inklusive Kapitaleinkommen) einzahlen.

Um Mietpreise zu begrenzen, soll ein Bundesgesetz ermöglichen, "Mietobergrenzen" einzuführen. Die Mietpreisbremse soll entfristet und geschärft werden. Reguläre Erhöhungen sollen nur noch 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels betragen dürfen.

Digitalisierung/Daseinsvorsorge

Die Grünen wollen einen leicht durchsetzbaren Rechtsanspruch auf schnelles Internet einführen. Fördergelder sollen unbürokratischer fließen als bislang. Kommunen sollen finanziell bessergestellt werden, damit sie auch sogenannte freiwillige Leistungen besser erbringen können. Bund und Länder sollen etwa für 2021 und 2022 Gewerbesteuerausfälle kompensieren. Der Nahverkehr gerade auf dem Land soll ausgebaut und besser verzahnt werden.

Migration/Integration

Die Grünen sprechen sich für ein neues Einwanderungsgesetz aus, das Bildungs- und Arbeitsmigration ermöglichen soll. Die Blockade eines europäischen Verteilmechanismus wollen die Grünen umgehen, indem sich aufnahmewillige EU-Staaten zusammenschließen. Es sollen keine sicheren Herkunfts- oder Drittstaaten mehr definiert werden, in die leichter abgeschoben werden kann. Flüchtlinge sollen nicht mehr so lange in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben und schneller auf die Kommunen verteilt werden.

Der Zugang zu Integrations- und Sprachkursen soll für Migranten vereinfacht werden. Betriebe, die Migranten Arbeit geben, wollen die Grünen unterstützen. Das Asylbewerberleistungsgesetz soll abgeschafft werden, ebenso wie Arbeitsverbot und pauschale Wohnsitzauflage. Nach fünf Jahren würden Menschen, die nur einen Duldungsstatus haben, ein Bleiberecht bekommen.

Außen- und Sicherheitspolitik

Die EU ist für die Grünen Ausgangspunkt ihrer Außenpolitik. Ziel ist, sie krisenfester und handlungsfähiger zu machen. Die Grünen bekennen sich zur Bedeutung der Nato, wollen sie aber neu aufstellen. Das Zwei-Prozent-Ziel zur Finanzierung lehnen sie jedoch ab. Der EU weisen sie eine größere Rolle in der Sicherheitspolitik zu. Militärische Fähigkeiten sollen stärker gebündelt werden. Die Grünen wollen eine EU-Sicherheitsunion etablieren, die eine gemeinsame restriktive Rüstungsexportpolitik beinhaltet. Den Einsatz von bewaffneten Drohnen lehnen die Grünen hingegen unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr kategorisch ab.

 

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MehrSchneller umgesetzter Klimaschutz ist das zentrale Anliegen im Grünen-Wahlprogramm. Im Gegenzug setzt die Öko-Partei auf mehr Umverteilung und sozialen Ausgleich. Die Leitidee: Nicht nur die heutigen Generationen, auch die künftigen Generationen sollen ihr Leben noch frei gestalten können. Das gehe nur mit mehr Klimaschutz.

 

„Deutschland. Alles ist drin“ ist das Wahlprogramm der Grünen überschrieben, das die Partei am 13. Juni auf einem digitalen Parteitag beschlossen haben. Bei der Bundestagswahl am 26. September wollen die Grünen bürgerliche Wähler nicht verschrecken, sondern möglichst breite Schichten ansprechen. Eine Übersicht über die wichtigsten Vorhaben der Grünen:

Klimaschutz Die Grünen wollen die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad begrenzen und planen ein Klimaschutz-Sofortprogramm, wenn sie in die Regierung kommen. Mit jährlichen Investitionen von 50 Milliarden Euro in die sozial-ökologische Transformation sollen Arbeitsplätze gesichert werden. Der Wirtschaft bieten sie einen „Klimapakt“ für den Umbau hin zur klimaneutralen Industrieproduktion an. Den CO2-Preis im Verkehr und beim Heizen wollen sie bereits im Jahr 2023 auf 60 Euro pro Tonne erhöhen, seit Anfang 2021 liegt er bei 25 Euro. Union und SPD haben bisher einen Anstieg des CO2-Preises auf 55 Euro pro Tonne ab 2025 festgelegt, danach soll er in einem Korridor zwischen 55 und 65 Euro frei schwanken. Im Gegenzug für den höheren CO2-Preis wollen die Grünen ein „Energiegeld“ von 75 Euro pro Kopf einführen. Es soll aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanziert werden. Wer viel CO2 im Verkehr oder beim Heizen produziert, wird durch dieses Konzept tendenziell belastet, wer weniger produziert, entlastet.

Verkehr Nach dem ehrgeizigeren Plan der Grünen für den CO2-Preis läge der Benzinpreis bereits 2023 um 16 Cent höher als 2020. Diese Höhe würde er nach den bisherigen Koalitionsbeschlüssen zum CO2-Preis erst 2025 oder 2026 erreichen, aber auch Union und SPD wollen die Preise für fossile Kraftstoffe in Zukunft deutlich erhöhen. Die Grünen wollen zudem Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2030 verbieten. Für den Umstieg auf E-Autos sollen Geringverdiener mit Jahreseinkommen bis 30.000 einen Investitionszuschuss von bis zu 9000 Euro erhalten. Auf Autobahnen soll ein Tempolimit von 130 eingeführt werden. Dies habe allerdings weniger klimapolitische als andere ökologische und gesundheitspolitische Gründe.

Energie Bis 2030 sollen 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen, fordern die Grünen. Der Kohleausstieg soll beschleunigt werden, indem die 20 dreckigsten Kraftwerke sofort vom Netz genommen werden sollen.

Arbeit und Soziales In einem ersten Schritt wollen die Grünen die Hartz-IV-Regelsätze um mindestens 50 Euro anheben. Mittelfristig solle Hartz IV „überwunden“ und durch eine sogenannte Garantiesicherung abgelöst werden, die ohne „bürokratische Sanktionen“ gewährt werden solle. Außerdem beschlossen die Grünen die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro. Die derzeitige Lohnuntergrenze liegt bei 9,50 Euro. Nach bisheriger Rechtslage soll der Mindestlohn zum 1. Juli 2022 bei brutto 10,45 Euro liegen. Die Grünen wollen zudem das Rentenniveau bei mindestens 48 Prozent langfristig stabilisieren.

 

Steuern Um kleine und mittlere Einkommen zu entlasten, soll der Grundfreibetrag stark erhöht werden. Die Grünen wollen zudem den Spitzensteuersatz für Besserverdienende von derzeit 42 auf 45 Prozent ab Jahreseinkommen von 100.000 Euro (Alleinstehende) und 200.000 Euro für Verheiratete anheben. Für Einkommen ab 250.000 Euro (Alleinstehende) und 500.000 Euro soll er auf 48 Prozent steigen. Die derzeitige Reichensteuer liegt bei 45 Prozent und greift ab etwa 265.000 Euro. Ein Antrag für einen deutlich höheren Spitzensteuersatz von 53 Prozent wurde abgelehnt. Für Vermögen oberhalb von zwei Millionen Euro pro Person soll eine Vermögensteuer von jährlich einem Prozent gelten. Die Abgeltungsteuer von 25 Prozent soll abgeschafft und durch die individuelle Einkommensteuer auf Kapitalerträge ersetzt werden. Steuererleichterungen schließen die Grünen im Bundestagswahlkampf unter dem Strich aus – der Staat soll nicht weniger Steuern einnehmen. Mehreinnahmen in Milliardenhöhe erhoffen sich die Grünen durch konsequente Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Haushalt Die Schuldenbremse im Grundgesetz wollen die Grünen lockern, indem Netto-Investitionen des Bundes künftig herausgerechnet werden sollen. Die Schuldenbremse sieht vor, dass der Bund in normalen Zeiten nur in ganz geringem Maße neue Kredite aufnehmen darf, nämlich maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Jährlich sollen innerhalb von zehn Jahren 50 Milliarden Euro zusätzlich in Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung und Klimaschutz investiert werden, insgesamt also 500 Milliarden Euro zusätzlich. Derzeit investiert der Bund jedes Jahr etwas über 40 Milliarden Euro. Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung soll Planungen und Investitionen beschleunigen: „Ziel ist, alle Planungszeiten zu halbieren“, so die Grünen. Klimaschädliche Subventionen etwa für Diesel oder schwere Dienstwagen sollen reduziert werden. „In einem ersten Schritt können wir so über 15 Milliarden Euro jährlich einnehmen“, heißt es im Grünen-Programm.

Familien Die Grünen planen ein Familienbudget von zwölf Milliarden Euro jährlich. Ein Teil davon soll in eine neue Kindergrundsicherung fließen, die Hartz-IV-Kinder aus der Armut herausholen soll. In der Kindergrundsicherung werden Kindergeld und Steuerfreibeträge für Kinder zusammengefasst. „Damit beenden wir die Ungerechtigkeit, dass sich die staatliche Unterstützung für Kinder am Einkommen ihrer Eltern bemisst, und wir entlasten Familien mit mittlerem Einkommen“, heißt es im Programm. Jeder Elternteil soll beim Elterngeld Anspruch auf acht Monate Unterstützung haben. Weitere acht Monate sollen die Eltern frei untereinander aufteilen können.

Wohnen Innerhalb von zehn Jahren wollen die Grünen eine Million bezahlbare Wohnungen bauen und dauerhaft gemeinnützig binden. Der soziale Wohnungsbau soll mit mindestens zwei Milliarden Euro vom Bund gefördert werden. Die Bundesmittel für Wohngeld sollen verdoppelt werden. Ein Bundesgesetz soll Mietpreisbremsen der Länder ermöglichen, die vom Verfassungsgericht nicht mehr gekippt werden können.

Gesundheit Gesetzliche und private Krankenversicherung sollen zu einer Bürgerversicherung zusammengefasst werden. Diese soll die Zwei-Klassen-Gesellschaft beenden: Gesetzlich Versicherte sollen im Wartezimmer nicht mehr länger sitzen müssen. Patienten sollen in den Entscheidungsgremien mehr Mitspracherechte erhalten.

Gesellschaft und Gleichberechtigung Die Grünen setzen sich für eine Aufhebung des Transsexuellengesetzes ein. Dies sieht unter anderem vor, dass jemand, der sich einem anderen als seinem biologischen Geschlecht zugehörig fühlt, seit mindestens drei Jahren entsprechend lebt. Um mehr Gleichberechtigung in Führungsgremien von Unternehmen zu schaffen, wollen die Grünen eine 50 Prozent-Frauenquote für die 3500 börsennotierten und mitbestimmten Unternehmen einführen. Mit einem „Gender-Check“ wollen die Grünen künftig prüfen, ob eine Maßnahme oder ein Gesetz die Gleichberechtigung der Geschlechter voranbringt, und dort, wo es ihr entgegensteht, dementsprechend eingreifen. Das häufig kritisierte „Gender-Sternchen“ findet sich im neuen Wahlprogramm nicht explizit. Die Grünen bemühen sich bereits seit 2015 um eine gendergerechte Sprache.

Innere Sicherheit Trotz rechtsextremer Chats und anderer Skandale in jüngster Zeit stellen sich die Grünen hinter die Polizei. „Deutschland ist ein sicheres Land. Das liegt auch an einer gut arbeitenden Polizei“, heißt es in ihrem Programm. Die Grünen wollen die Verfügbarkeit von tödlichen Schusswaffen „schrittweise beenden“. Ausgenommen davon seien Jäger, die ihre Aufgaben ohne diese Waffen nicht erfüllen könnten. Im Bereich des Schießsports wollen sich die Grünen im Dialog mit den Sportschützen „für die Umstellung auf nichttödliche Schusswaffen“ einsetzen.

Außenpolitik und Verteidigung Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock betont, dass Menschenrechte in der Außenpolitik grundsätzlich mehr Gewicht haben sollen als wirtschaftliche Interessen. Die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 lehnen die Grünen auch aus Klimaschutzgründen ab. Von China verlangt die Partei „ein Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen“. Die Grünen wollen die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr nicht grundsätzlich verbieten. Allerdings muss vor einer solchen Entscheidung aus ihrer Sicht erst „klar gemacht werden, für welche Einsatzszenarien der Bundeswehr die bewaffneten Drohnen überhaupt eingesetzt werden sollen“. Die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland war kein großes Thema mehr auf dem jüngsten Parteitag: Es blieb lediglich beim Appell, an den EU-Außengrenzen legale Zugangswege zu ermöglichen.

Koalitionsaussage Eine Koalitionsaussage trafen die Grünen auf ihrem Parteitag im Juni nicht, auch wenn die SPD als Lieblingspartner gilt. Die Grünen regieren in elf Bundesländern in den unterschiedlichsten Koalitionen – mal mit der CDU, mal mit CDU und FDP, aber auch mit SPD und FDP oder mit der Linkspartei. Ein Linksbündnis aus Grünen, SPD und Linkspartei schließen sie ebenso wenig aus wie Schwarz-Grün, eine Jamaika-Koalition oder eine Ampelkoalition mit SPD und FDP.

Unqualifizierte Amateure die nur alles verteuern werden!

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Streit um nicht zugelassene Landesliste: Baerbock droht Ärger aus dem Saarland

 

Die saarländischen Grünen drohen an der Listenaufstellung für den Bundestag zu zerbrechen. Interne Mails belegen, wie sich die Bundespartei eingemischt hat.

Was derzeit beim saarländischen Landesverband der Grünen passiert, könnte man je nach Blickwinkel als Machtkampf, Krimi, Demontage oder Farce beschreiben. Sicher ist dabei nur eines: Der Schaden für alle Beteiligten ist schon jetzt immens - auch für Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und den Bundesvorstand.

Die Grünen im Saarland stehen kurz vor der Bundestagswahl als entkernte, zerrüttete Partei da. Einen echten Vorstand haben die Saar-Grünen nicht mehr, auf der Website des Landesverbands finden sich auf den entsprechenden Positionen bloß Lücken, ein Großteil des Personals ist entweder zurückgetreten oder politisch verbrannt. Ob es überhaupt eine Landesliste für die Bundestagswahl geben wird, ist ungewiss. Und auch auf Bundesebene könnten die Vorgänge im kleinsten Flächenland Deutschlands für die Grünen zum Problem werden.

Wer den Konflikt verstehen will, muss auf den 20. Juni zurückblicken. An diesem Tag wurde Hubert Ulrich auf Platz eins der Landesliste gewählt. Zuvor war die Landesvorsitzende Tina Schöpfer in drei Wahlgängen durchgefallen und die Partei hatte beschlossen, das eigentlich in der Parteisatzung festgezurrte Frauenstatut, nach dem alle ungeraden Listenplätze an Frauen zu vergeben sind, außer Kraft zu setzen. Schließlich hatte sich keine durchsetzen können, was bedeutet, dass nun auch ein Mann antreten durfte. Auch das steht in der Parteisatzung.

Also trat Ulrich in einer Kampfabstimmung gegen die 25-jährige Jeanne Dillschneider an und gewann deutlich – 95 zu 46 Stimmen. Das Frauenstatut, oder „Furienstatut“, wie es Ulrich-Vertraute nennen, wurde bereits bei den vergangenen drei Bundestagswahlen ignoriert. Auf Listenplatz eins, dem einzigen, der im kleinen Saarland für ein Mandat reicht, wurde mit dem Saarlouiser Markus Tressel immer ein Mann aufgestellt.

Doch dieses Mal kam alles anders. Weil sich nicht nur innerhalb der Saar-Grünen Protest regte, sondern sich auch die Bundespartei teils energisch für eine Verhinderung des Kandidaten Ulrich einsetzte. Offiziell, weil man sich im Saarland über das Frauenstatut hinweggesetzt hatte. Aber aus internen Mails, die dem Tagesspiegel vorliegen, wird deutlich, dass in Berlin augenscheinlich alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, um einen unbequemen Kandidaten zu verhindern.

Zwei Tage nach der Wahl Ulrichs schreibt der politische Geschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, dem saarländischen Landesvorstand eine kritische Mail. Kellner spricht darin von einem „Debakel“, das ein „verheerendes“ Signal in der Öffentlichkeit gesendet habe. „Wie ihr mit dieser Vorgehensweise eine Rückkehr in den Landtag erreichen wollt, ist mir schleierhaft“, heißt es in der Mail, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Kellner rät seinen Parteifreunden zudem, zu überprüfen, ob es formale Fehler bei der Listenaufstellung gegeben habe. Dann könne man ohne Schiedsgerichtsverfahren ein erneutes Aufstellungsverfahren abhalten, bei dem Ulrich dann verzichten könnte. Anscheinend bedauernd schreibt Kellner noch: „Als Bundesvorstand haben wir keine Möglichkeit in die Einreichung eurer Landesliste einzugreifen.“

Baerbock: "Wir haben uns das anders gewünscht"

Faktisch begann der Bundesvorstand der Grünen bereits kurz nach der umstrittenen Wahl, Druck auf den saarländischen Landesverband auszuüben. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock etwa kritisierte die Listenaufstellung öffentlich: „Wir haben uns das anders gewünscht“, sagte sie und kündigte "intensive" Gespräche sowohl mit ihrem Geschäftsführer Kellner als auch mit den saarländischen Parteifreunden an.

Von diesen Gesprächen berichten die Beteiligten im Saarland teils fassunglos: Man sei unter Druck gesetzt worden. Von „Hetzjagden“, „Hass“ und „Deformation“ ist die Rede, wenn man sich in den Reihen der Ulrich-Vertrauten umhört.

Dabei wäre es jedoch falsch, Hubert Ulrich und seine Vertrauten pauschal als Opfer einer Intrige darzustellen. Ulrich, Spitzname „Panzer”, dominiert seit gut 30 Jahren die Grünen im Saarland. Der Ur-Grüne Daniel Cohn-Bendit hat ihn mal einen „Mafioso” genannt hat.

Im Saarland kennt jeder jeden. Zumindest über zwei Ecken. Das bedeutet auch, dass in dem kleinen Bundesland alles irgendwie mit allem zusammenhängt. Weshalb Politik in und um Saarbrücken in etwa so funktioniert wie in einer großen Familie – mit allen Problemen, die eine solche mit sich bringt.

Ulrichs Netzwerk wird auch "Huberts Armee" genannt

Ulrich, so erzählen es im Saarland Politiker aller Parteien, habe es über die Jahrzehnte wie kein Zweiter verstanden, diese zweifelhafte Nähe für sich zu nutzen. Mit persönlichen Abhängigkeiten, durch in Aussicht gestellte Posten erkaufte Loyalität und viele kleine Gefälligkeiten hat er es geschafft, seinen Einfluss über das gesamte Bundesland auszudehnen.

Zentral dabei: Der Ortsverband Saarlouis, dem Ulrich selbst angehört. Mit rund 700 Mitgliedern stellt er knapp ein Drittel aller Grünen im Saarland. Die meisten von ihnen habe Ulrich persönlich angeworben, sagen Insider. In Parteikreisen nennt man den Ortsverband mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Verachtung auch „Huberts Armee”.

Bundesvorstand drohte Landesvorstand mit Amtsenthebung

Diese führt Ulrich wie ein General. Am 16. Mai etwa, 14 Uhr, lädt er den Ortsverband zu einer Mitgliederversammlung auf die erste Ebene eines Parkhauses eines Saarlouiser Kaufhauses. Auf Plastikstühlen soll über die Delegierten für die Landesliste entschieden werden. Mitglieder, die nicht stimmberechtigt sind, wie etwa Angehörige des Kreisverbandes, erhalten wie die Presse keinen Zutritt. Offiziell wegen der Corona-Schutzmaßnahmen.

Das fällt Ulrich später auf die Füße. Im Juli stellte nämlich das Bundesschiedsgericht der Grünen fest, dass der Ausschluss der Mitglieder gegen das Öffentlichkeitsgebot verstößt – und schloss die Saarlouis Delegierten aus. Ulrichs Machtbasis war weggebrochen.

Am Abend vor dem zweiten Landesparteitag, der wegen der 49 ausgeschlossenen Delegierten aus Saarlouis vor der Absage steht, zieht der Bundesvorstand der Grünen schließlich die Notbremse. Dem saarländischen Landesvorstand wird in einer Mail, die dem Tagesspiegel vorliegt, mit Amtsenthebung gedroht, sollten sie den Landesparteitag nicht stattfinden lassen.

Im Anhang der Mail findet sich bereits der entsprechende vorformulierte Eilantrag an das Bundesschiedsgericht. Darin heißt es zur Begründung: „Die öffentliche Reaktionäre vererhrend (sic!), wenn es eine Partei, die eine Kanzlerkandidatin aufstellt und der eine führende Rolle in der aktuellen Deutschen Parteienlandschaft zugeschrieben wird, aufgrund interner Querelen in einem Landesverband, nichtschafft, eine Landesliste in einem Bundesland aufzustellen.“ Unterschrieben ist der Antrag von Kellner und der Organisatorischen Geschäftsführerin der Grünen, Emily May Büning.

Die Drohung wirkte. Am Tag darauf fand der Landesparteitag statt und ohne die Delegierten aus Saarlouis wurde Jeanne Dillschneider auf Listenplatz eins gewählt. Hubert Ulrich war gar nicht erst wieder angetreten.

An dieser Wahl üben aber nicht nur Ulrich und seine Anhänger Kritik. Auch die Landeswahlleiterin Monika Zöllner wurde in der Begründung ihrer Entscheidung, die Landesliste der Grünen nicht zu zulassen deutlich: "Würde man einen solchen Wahlvorschlag zulassen, dann stünde insgesamt die demokratische Legitimation der Bundestagswahl in Frage", sagte sie.

Für die Partei geht es – je nach Wahlergebnis – um voraussichtlich 35.000 bis 75.000Stimmen. Vielleicht 0,3 Prozent aller Grünen-Stimmen, doch der öffentliche Schaden, den der Streit verursacht hat, wiegt schwerer.

Am Montag legten die saarländischen Grünen nun Beschwerde gegen die Ablehnung ihrer Landesliste für die Bundestagswahl ein. Der Bundeswahlausschusswird an diesem Donnerstag darüber entscheiden - ruhig wird es bei den Saarländer Grünen aber auch danach nicht. Im kommenden Jahr stehen Landtagswahlen an, die Grünen wollen endlich raus aus der außerparlamentarischen Opposition.

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Die Grünen und Afghanistan  

Auch das noch

Mit der Krise in Afghanistan drängt die Migrationspolitik in den Wahlkampf. Die Grünen versuchen mit einer Strategie zu punkten, die sie auch bei der Klimakrise nutzen. Kann das funktionieren? 

Annalena Baerbock redet fast zweieinhalb Minuten am Stück und sagt Sätze, die viele Kommas haben und wenige Punkte. Es ist eben alles nicht so einfach mit Afghanistan – gerade für eine grüne Kanzlerkandidatin.

Die Bilder aus Kabul machten deutlich, sagt Baerbock am Montag in die Kameras, wie "dringend Handeln notwendig" sei. Man müsse jetzt mit den Nato-Partnern "klare Kontingente" auflegen, um Menschen in Sicherheit zu bringen. Das betreffe vor allem Ortskräfte, also diejenigen, die die Nato-Truppen unterstützt hätten. Es brauche "Kontingente im fünfstelligen Bereich", sagt Baerbock dann noch. 10.000 Menschen oder auch einige 10.000 mehr.

Das klingt erst mal überschaubar und vor allem: planbar. Doch was ist mit den anderen Afghanen? Den Lehrerinnen, die unter den Taliban nun auch Angst um ihr Leben haben müssen? Den Mädchen, die nicht mehr zur Schule gehen dürfen und zwangsverheiratet werden? Was ist, wenn sie in den nächsten Wochen und Monaten mit ihren Familien dorthin fliehen, wo sie sich ein besseres Leben erhoffen: nach Europa, nach Deutschland?

Über sie spricht Annalena Baerbock nicht, und das hat natürlich Gründe. Sachliche Gründe, aber eben auch strategische.

Die Grünen wollen sich in diesen Zeiten der multiplen Krisen als neue Stabilitätspartei inszenieren. Sie argumentieren deshalb jetzt bei Afghanistan ganz ähnlich wie in der Klimakrise. Und wollen der Union so ausgerechnet bei deren Kernkompetenz zusetzen. Doch in der Migrationspolitik ist das besonders kompliziert für die Grünen.

Friedrich Merz und sein Albtraum-Best-of

Es ist noch gar nicht lange her, da veröffentlichte der Immer-noch-nicht-so-ganz-CDU-Chef Friedrich Merz auf Twitter so etwas wie ein Best-of konservativer Grünen-Albträume. Die Partei wolle das Land mit "neuen Verhaltensregeln, Steuern und Abgaben" überziehen, behauptete Merz da. Sie wollten allen die "Gender-Sprache" aufzwingen – und: Sie wollten "möglichst viele Einwanderer unabhängig von ihrer Integrationsfähigkeit nach Deutschland einladen".

Merz' Aussagen haben heftige Reaktionen ausgelöst. Das liegt vor allem daran, dass sie in ihrer Zuspitzung nur noch als monströse Karikaturen grüner Programmatik durchgehen und meist schlicht falsch sind. Es liegt aber auch ein bisschen daran, dass sie genau die (Vor-)urteile bedienen und verstärken, die es in Deutschland über die Grünen gibt.

Die Migrationspolitik ist für die Grünen, die in die Mitte der Gesellschaft drängen, ein heikles Thema. Denn natürlich setzen sie sich für einen humanitäreren, liberaleren Umgang mit Migranten ein als etwa die Union. Zugleich wissen sie auch, dass die Erfahrung der Flüchtlingskrise 2015/2016 in Teilen der Bevölkerung nun Abwehrreflexe auslösen könnte, von denen im Zweifel die AfD profitiert.

Es ist deshalb kein Zufall, dass auch die Grünen die Migrationspolitik im Wahlkampf bisher nicht großartig zum Thema gemacht haben, obwohl an den EU-Außengrenzen noch immer Menschen im Dreck leben und die Frage der gerechten Verteilung in Europa so ungelöst ist wie seit jeher.

Und es ist ebenso kein Zufall, dass Grüne jetzt lieber über die akute, überschaubare Hilfe für Ortskräfte in Afghanistan sprechen, als über mögliche neue Flüchtlingsbewegungen nach Deutschland.

Ein Satz von Laschet und zwei weitere

Wer sich dieser Tage bei den Grünen umhört, der kann mit einigen sprechen, die nächtelang durchtelefonieren, um den Menschen in Afghanistan zu helfen. Die akute Nothilfe sei das, was jetzt anstehe, nicht die längerfristigen Fragen nach möglichen Flüchtlingen. So lautet ihre Botschaft.

Bei der Union ist man da schon etwas weiter. Vom Kanzlerkandidaten Armin Laschet war am Montag vor allem ein Satz hängengeblieben, der sich leicht so interpretieren lässt, als wolle er partout keinen Flüchtlingen helfen. "2015 darf sich nicht wiederholen", sagte Laschet da.

Doch wer Laschet etwas länger zugehört hat, der konnte genau vor diesem Satz noch zwei weitere Sätze vernehmen: "Die Europäische Union muss sich darauf vorbereiten, dass es Flüchtlingsbewegungen in Richtung Europa geben könnte. Wir müssen diesmal rechtzeitig in der Region, in den Herkunftsländern Hilfe leisten."

Bemerkenswert ist, dass die Analysen führender Grüner hinter vorgehaltener Hand ganz ähnlich ausfallen. Die Flüchtlingskrise hatte 2015 auch damit begonnen, dass dem UN-Flüchtlingshilfswerk das Geld ausgegangen war. Das ist in der Tat kein Geheimnis. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass die meisten Flüchtlinge in der Nähe ihrer Heimat bleiben wollen, also in den Nachbarländern.

Aber eben erfahrungsgemäß längst nicht alle.

Die Fehler der anderen

Doch statt schon jetzt offen über Vorbereitungen für mögliche Flüchtlingsbewegungen zu reden, sprechen Grüne gerade lieber über die Fehler der Bundesregierung bei der akuten Nothilfe. Das bietet sich an, denn davon gibt es ganz offensichtlich genug. Und sie taugen für knallige Schlagzeilen.

"Warum hat man sich nicht vorbereitet auf eine zugespitzte Entwicklung in Afghanistan?", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt t-online. "Das muss man sich schon fragen." Warnungen habe es genug gegeben, aus der Zivilgesellschaft, sogar aus der Botschaft. Doch die warnenden Stimmen seien ignoriert und kostbare Zeit vergeben worden.

Der Verweis auf die Fehler der anderen ist für die Grünen aber vor allem auch eine willkommene Möglichkeit, ihnen das eigene Bild von zeitgemäßer Politik entgegenzusetzen. "Zögern und Aussitzen bringen Chaos und unfassbares Leid", schrieb Göring-Eckardt auf Twitter. "Es ist das Gegenteil von Ordnung und Stabilität, die sich Laschet und Seehofer so gerne auf die Fahnen schreiben. Wir brauchen endlich eine Politik, die vorausschaut und handelt, bevor es zu spät sein könnte."

In einer Welt der Krisen, so die Argumentation der Grünen, entsteht Stabilität nicht mehr durchs Nichtstun, sondern durchs Tun.

Es ist dieselbe Logik, mit der die Grünen auch den anderen Krisen dieser Zeit begegnen wollen, allen voran der Klimakrise. "Eine Politik, die sich nur darauf beschränkt, den Status quo zu verwalten, die bringt keine Sicherheit", sagte Baerbock vor einigen Wochen in ihrer Rede auf dem Parteitag. "Veränderung, die schafft Halt, und genau dafür wollen wir Verantwortung übernehmen."

Soll eben auch heißen: Die neue Stabilitätspartei, das sind wir – und nicht mehr die Union.

Anspruch und Wirklichkeit 

Um diesen Anspruch auch in der Migrationspolitik glaubhaft zu vertreten, müssten die Grünen allerdings irgendwann beginnen, offen über das zu sprechen, was da noch kommen könnte an Flüchtlingen. Und wie man mit ihnen umgehen sollte. Auch auf die Gefahr hin, dass Friedrich Merz dann wieder behauptet, Baerbock wolle doch eigentlich eh alle nach Deutschland einladen.

Noch gehen führende Grüne nicht davon aus, dass sich schon bald viele Menschen aus Afghanistan nach Europa aufmachen. Schon allein deshalb nicht, weil die Grenzen zu den Nachbarländern gerade offenbar weitgehend dicht sind.

Gut möglich also, dass das Thema vor der Bundestagswahl am 26. September nicht mehr akut wird. Allein darauf zu setzen, wäre für die Grünen und ihre Ansprüche jedoch eine ziemlich fragwürdige Wette.

 

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Annalena Baerbck: Trotzig selbstbewusst

 

Das Kanzleramt schien für Annalena Baerbock zum Greifen nahe, jetzt muss sie sogar um Platz zwei kämpfen. Doch aufgegeben hat sie noch nicht.

Normalerweise herrscht bei Sommerinterviews zumindest optisch ein wenig Leichtigkeit: Man trifft sich im Freien, gerne vor plätscherndem Wasser oder vor beeindruckender historischer Kulisse. Als an diesem Sonntag das Sommerinterview mit Annalena Baerbock für die ARD-Sendung Bericht aus Berlin aufgezeichnet wird, schüttet es in der Hauptstadt jedoch. Deswegen sitzen Moderatorin Tina Hassel und die grüne Kanzlerkandidatin auch drinnen, in einem Ambiente, das an Nüchternheit kaum zu überbieten ist: weiße Wände, hohe Glasfenster und davor zwei einsame rote Sessel.

Auch was das Gespräch angeht, gibt es hier wenig Entspannung. Gleich zu Beginn resümiert Hassel, was zuletzt geschah: Sie erinnert kurz an den fulminanten Start von Baerbock als Kanzlerkandidatin im Frühling und fährt dann unbarmherzig fort "zu hohe Erwartungen, zu viele Pannen und Fehler haben das Vertrauen in die Kandidatin schwinden lassen". Sie sei nun die unbeliebteste der drei Kanzlerkandidaten. Es ist eine Eröffnung, bei der Baerbock das professionelle Lächeln, das sie sich für diese Begrüßungsszene wohl zurechtgelegt hatte, kurzzeitig vergeht. Man sieht sie einmal schlucken, bevor sie sich wieder im Griff hat.

Tatsächlich scheinen die Grünen derzeit in einer Art Abwärtstrend gefangen, den aufzuhalten ihnen bisher nicht gelungen ist. Und das, obwohl die Debatten über die Fehler der Kanzlerkandidatin nun schon einige Wochen zurückliegen. Und es auf der anderen Seite einiges gibt, was den Grünen eigentlich helfen müsste: Die Flutkatastrophe zum Beispiel, die die Notwendigkeit des Klimaschutzes nochmals eindrücklich deutlich gemacht hat, was laut einer Umfrage auch von 86 Prozent der Wählerinnen und Wähler so wahrgenommen wird. Oder die Schwäche des Hauptkonkurrenten von der CDU, Armin Laschet, der mittlerweile auf eine ähnlich lange Fehlerliste kommt wie Baerbock.

Jetzt geht es um Platz zwei

Doch das alles hilft den Grünen bisher wenig, zuletzt sind sie in gleich vier Umfragen sogar hinter die SPD zurückgefallen. Selbst der zweite Platz, der den Grünen so lange sicher schien, ist bei der Bundestagswahl jetzt also in Gefahr. Die Aussichten auf das Kanzleramt schrumpfen damit noch weiter zusammen, denn selbst wenn es – was ohnehin unwahrscheinlich ist – zu einer Ampel-Koalition oder einem Linksbündnis kommen sollte, würde Baerbock nicht mehr Kanzlerin.

Derzeit wollen nur noch zwölf Prozent der Wählerinnen und Wähler Baerbock im Kanzleramt sehen. Bezeichnet sie sich da ernsthaft noch als Kanzlerkandidatin, will Moderatorin Hassel gleich zu Beginn von ihr wissen. Baerbock könnte nun natürlich antworten, dass die 16 Prozent für Laschet da auch nicht viel überzeugender sind und dass – wenn es allein nach Umfragen ginge – sich derzeit ohnehin nur noch Olaf Scholz von der SPD als Kanzlerkandidat bezeichnen dürfte, der mit 41 Prozent als Einziger einigermaßen gut dasteht. Aber das tut sie natürlich nicht.

Sie trete an für Erneuerung, sagt sie stattdessen. Und da spüre sie auch die Unterstützung ganz vieler Menschen, die das genauso wollten. Überhaupt hat Baerbock sich mittlerweile eine gewisse Routine angeeignet, wenn man sie nach ihren Fehlern fragt. Wie jedes Mal räumt sie auch diesmal ein, dass Fehler gemacht wurden. Aber aus Fehlern müsse man eben lernen und dürfe deswegen nicht den Kopf in den Sand stecken.

Quälende Fragen nach Habeck

Das gilt auch für weitere piesackende Fragen wie die nach ihrem Co-Vorsitzenden Robert Habeck, der derzeit in den Beliebtheitsrankings deutlich vor ihr rangiert. Die Grünen träten ja bekanntlich als Team an, es gehe ja auch darum, einen neuen politischen Stil im Kanzleramt einzuführen, sagt sie da. "Wir sind alle gleich wichtig, ihr wählt nicht nur mich", das ist die Logik dahinter, mit der die Grünen versuchen, gerade jene Wählerinnen und Wähler einzufangen, die zuletzt Zweifel an der Kandidatin bekamen.

Ein Erstzugriffsrecht auf ein künftiges Ministeramt will Baerbock Habeck deswegen freilich nicht einräumen. Dann könnte sie sich schließlich auch ebenso gut gleich ganz aus dem Spiel nehmen. Ohnehin dürfte es nicht nur Baerbock, sondern auch vielen Wählerinnen und Wählern eher befremdlich erscheinen, wenn eine Partei, von der immerhin noch nicht klar ist, ob sie in der kommenden Regierung überhaupt vertreten sein wird, jetzt bereits solche Fragen öffentlich klären würde.

Nachdem Baerbock diesen Part überstanden hat, bleibt dann immerhin auch noch ein bisschen Zeit für all jene Themen, um die es im Wahlkampf eigentlich gehen sollte: Klimaschutz, Sozialpolitik, Afghanistan zum Beispiel. Für Baerbock sind das zweifellos die angenehmeren Fragen. Sie antwortet sicher, durchaus fachkundig und im Zweifelsfall professionell ausweichend.

Dabei nimmt Hassel sie auch hier hart ran. Sie will von ihr wissen, warum die Grünen denn nicht einen noch höheren CO2-Preis beschlossen hätten. Sie hakt nach, warum Länder mit grüner Regierungsbeteiligung noch im Juni nach Afghanistan abgeschoben hätten, wenn doch die Grünen gleichzeitig damals schon für eine schnellere Evakuierung von Ortskräften plädiert hätten. Und sie fragt, wie die Grünen denn die Lockerung der Schuldenbremse umsetzen wollen, die die Grundlage für das geplante milliardenschwere grüne Investitionsprogramm in Klimaschutz sein soll – für die man aber im Bundestag eine bisher nicht absehbare Zweidrittelmehrheit bräuchte.

Baerbock bringt das alles nicht wirklich aus der Fassung. Sie verweist darauf, dass die Grünen eben die CO2-Emmissionen nicht nur durch den Preis, sondern auch durch andere Maßnahmen senken wollten. Schließlich gehe es darum, dass Klimaschutz sozial verträglich sein müsse. Und sie hat auch die genaue Summe parat, mit der die Grünen den Kauf von E-Autos, auch von gebrauchten, gerade für ärmere Menschen auf dem Land fördern wollen: 9.000 Euro statt wie bisher 6.000 Euro nämlich.

Sie verteidigt die grünen Landesregierungen mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes, dessen Aufgabe es sei, die Sicherheitslage in Afghanistan einzuschätzen. In Sachen Schuldenbremse geht sie zum Angriff über: Nicht die Grünen müssten erklären, wie sie dafür eine Mehrheit bekommen wollten, sondern die anderen Parteien müssten nun sagen, wie sie ohne diese Maßnahme die notwendigen Erneuerungen finanzieren wollten.

Jamaika oder Ampel?

Auch mit Blick auf ihre Präferenzen für eine künftige Regierungskoalition lässt sie sich nicht festlegen. Ob sie denn eine Ampel- oder eine Jamaika-Koalition bevorzuge, will Hassel wissen. Eigentlich sollte die Antwort klar sein, natürlich Ampel. Schließlich wäre das gewissermaßen Rot-Grün mit gelber Ergänzung, während Jamaika Schwarz-Gelb mit grünem Zusatz wäre.

Doch die neue Stärke der SPD ist für die Grünen im Wahlkampf natürlich eine Gefahr, drohen deren zusätzliche Prozente doch vor allem auf ihre Kosten zu gehen. Deswegen greift Baerbock nun lieber den SPD-Kanzlerkandidaten an: Olaf Scholz habe deutlich gemacht, dass er sich beim Klimaschutz überhaupt nicht von Armin Laschet unterscheide, sagt sie und trifft damit gleich beide Konkurrenten.

Baerbocks Credo, dass sie an diesem Tag unter das Volk bringen will, lautet vor allem: Noch ist alles offen. "Es ist unklar, wer am Ende die Nase vorn hat", sagt sie. So nahe, wie die drei wichtigsten Parteien derzeit in den Umfragen beieinander liegen, ist das auch nicht verkehrt. Noch sind fünf Wochen Zeit, vor allen drei Kandidaten liegen noch zahlreiche Wahlkampfauftritte, davon auch drei TV-Trielle. Weil es diesmal vergleichsweise eng ist, könnten diese mehr Einfluss haben als in den vergangenen Wahlkämpfen. "Ich kämpfe mit allem, was ich habe dafür, dass wir Grünen am Ende eine nächste Bundesregierung anführen", sagt Baerbock. Den Eindruck, dass sie dieses Ziel schon aufgegeben hätte, macht sie jedenfalls nicht.

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