Deutsche Firmen im Ausland werden wieder optimistischer. Doch damit fällt auch auf: Die Unternehmen im Heimatmarkt teilen diese Einschätzung der Lage nicht. Immer mehr Firmen verlagern ihre Produktion langsam ins Ausland. Vor allem eine Region ist dafür besonders attraktiv.
Das Auslandsgeschäft deutscher Firmen entwickelt sich besser als das heimische Getty Images/Westend61© Bereitgestellt von WELT
Es klingt nach einer guten Nachricht, die Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), am Mittwoch zu verkünden hat. Immerhin hat sich die Stimmung der deutschen Firmen im Ausland aufgehellt. Optimisten und Pessimisten halten sich in der Umfrage unter den Firmen etwa die Waage:
28 Prozent erwarten eine konjunkturelle Verbesserung in den nächsten zwölf Monaten, 27 Prozent gehen von einer Verschlechterung aus. „Zwar hat sich der Anteil der Optimisten damit um elf Prozentpunkte gegenüber der Vorumfrage erhöht und der Anteil der Pessimisten um zwanzig Prozentpunkte verringert“, sagt Treier. „Die Erwartungen bleiben aber insgesamt sehr verhalten. Von einem echten Boom ist meilenweit nichts zu sehen.“
Während die Geschäftserwartungen bei den Firmen im Ausland einen Saldowert von plus 36 erreichen – der Anteil der Optimisten den der Pessimisten also um 36 Prozentpunkte übertrifft. Liegt dieser Wert bei Firmen in Deutschland etwa bei null, Pessimisten und Optimisten sind also etwa gleich stark.
Laut Treier liegt das vor allem an den Kostenstrukturen in Deutschland. Zwar seien die Belastungen durch die hohen Energiepreise in den vergangenen Monaten wieder etwas gesunken, doch gerade im Vergleich mit den USA müssten Unternehmen in Deutschland eben immer noch ein Vielfaches des Strom- und Gaspreises zahlen.
Es finde eine „schleichende Abwanderung“ statt, warnt der DIHK-Mann. „Wir sehen unglaublich viele Unternehmen aus der Autozulieferindustrie, die im Süden der USA Werke aufmachen und in Deutschland ihre Produktion auslaufen lassen“, sagt Treier.
Auch Maschinenbauer spüren Unterschied zwischen Inlands- und Auslandsgeschäft
Doch auch für andere Branchen seien die Standortbedingungen in Nordamerika oft attraktiver als in Deutschland. So sei der Verkauf des Heizungs- und Wärmepumpen-Herstellers Viessmann an einen US-Konzern womöglich sinnbildlich für eine Entwicklung, die größere Teile der deutschen Wirtschaft betrifft, der Verkauf des Familienunternehmens sei „vielleicht nicht nur die Ausnahme von der Regel“.
Die über viele Jahre gültige Wechselwirkung, dass gute Geschäfte für deutsche Firmen im Ausland auch wiederum zu wirtschaftlichem Wachstum und Investitionen in Deutschland führten, sei immer weniger selbstverständlich, heißt es bei der DIHK.
Auch Deutschlands Maschinenbauer spüren den Unterschied zwischen Inlandskonjunktur und Auslandsgeschäft. Das zeigen aktuelle Zahlen des Branchenverbandes VDMA. Danach lagen die Bestellungen aus Deutschland zuletzt deutlich stärker im Minus als die Auslandsorder:
Während die Auftragseingänge heimischer Firmen im März um zehn Prozent eingebrochen sind gegenüber dem Vorjahresmonat, ist das Bestellvolumen mit Kunden jenseits der Grenze nur um vier Prozent gesunken. Und das ausgerechnet in einer der Schlüsselindustrien des Landes.
In Summe gab es im März ein Minus von sechs Prozent bei den Bestellungen im Maschinenbau. Und das ist noch vergleichsweise gut. Denn erstmals seit September 2022 waren die Einbußen damit nicht mehr zweistellig. „Das ist ein kleiner Lichtblick – wohlwissend, dass das Großanlagengeschäft bei diesem Ergebnis etwas nachgeholfen hat“, kommentiert Ralph Wiechers, der Chefvolkswirt des VDMA. Von einer Trendwende könne aber nicht die Rede sein. „Dafür ist es definitiv zu früh.“
Sorgen um Industriestandort Deutschland werden größer
Der VDMA bestätigt daher seine Jahresprognose, nach der die Produktion im überwiegend mittelständisch geprägten Maschinenbau 2023 um zwei Prozent sinken soll. „Wir haben in den vergangenen Wochen einige überraschend positivere Signale aus dem wirtschaftlichen Umfeld bekommen.
Doch nach wie vor sind viele Investoren verunsichert, das weltweite Wachstum ist weiterhin gering, die Inflation hoch“, erklärt Wiechers die Einschätzung. „Was die Maschinenbaufirmen aktuell trägt, ist ein hoher Auftragsbestand.“ Für 11,6 Monate reichen die bestehenden Bestellungen noch aus, rechnet der Statistik-Experte vor.
Die Sorgen um den Industriestandort Deutschland werden auch im Maschinenbau größer. „Wir stehen mitten in einer neuen, intensiven Standortdebatte, die wir mit großer Offenheit führen sollten“, sagt VDMA-Präsident Karl Haeusgen. „Es geht darum, in Gesellschaft und Politik der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der Wirtschaft wieder zu angemessener Bedeutung zu verhelfen. Deutschland und Europa müssen sich im globalen Wettbewerb mehr anstrengen, um mit anderen Weltregionen mithalten zu können“, sagt Haeusgen.
„Mit einer Politik, die die Industrie mit Regulierungen überhäuft und eben nicht auf unternehmerische Freiheit im Wettbewerb setzt, können wir nicht zufrieden sein.“ Der Unternehmer fordert von der Politik klare Ansagen, wie die Industriestandorte Deutschland und Europa in den kommenden Jahren gesichert und gestärkt werden sollen. Die Diskussionen um eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich hält er dabei für wenig sinnvoll. Haeusgen sieht stattdessen sogar die Notwendigkeit einer Debatte über verlängerte Wochen- und Lebensarbeitszeiten.
Nicht nur die USA locken laut DIHK Investitionen an, auch China sei weiter ein attraktiver Standort – allerdings weniger dynamisch als Nordamerika. Besonders stark werde auch von deutschen Firmen in Südostasien investiert, man versuche die auch von der Bundesregierung geforderte geringere Abhängigkeit von China so durch zusätzliche Standorte in der Nachbarregion zu verringern.