Taiwan sieht sich als unabhängig, China betrachtet es als abtrünnige Provinz. Droht ein Krieg? Und welche Rolle spielen die USA dabei? Die wichtigsten Antworten
© Ann Wang/ReutersEhrenwächter tragen die taiwanesische Flagge auf dem Freiheitsplatz in Taipeh.
Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses reist derzeit durch Asien. Nancy Pelosi war am Montag zunächst in Singapur und landete am Dienstagmorgen in Malaysia. Im Anschluss plant sie, Japan und Südkorea zu besuchen. Nach Angaben aus dem taiwanesischen Parlament wird die ranghohe Politikerin auch in der demokratischen Inselrepublik erwartet. Das sorgt für Spannungen. Auch in Deutschland äußern sich Politiker besorgt.
Worum geht es in dem Konflikt?
Die kommunistische Führung Chinas unter Präsident Xi Jinping betrachtet das demokratische Taiwan als Teil der Volksrepublik und will die Insel mit Festland-China vereinen. Notfalls auch mit militärischen Mitteln.
Taiwan mit seinen 23 Millionen Einwohnern sieht sich hingegen schon lange als unabhängig. Seit 1996 wird dort demokratisch gewählt, Taiwan verfügt über eine eigene Währung und ein eigenes Militär. Dennoch wird Taiwan international von den meisten Ländern nicht als Staat anerkannt und gehört auch den Vereinten Nationen nicht an. Nur 14 überwiegend kleine Staaten unterhalten offizielle diplomatische Beziehungen mit der Regierung in Taipeh.
Welche Rolle spielen die USA?
Die USA pflegen keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Offiziell folgen sie – ebenso wie die EU – der sogenannten Ein-China-Politik, ohne Taiwan genauer einzuordnen. China vertritt hingegen das Ein-China-Prinzip, das besagt, dass es nur ein China gibt – inklusive Taiwan.
Die USA haben sich aber mit dem Taiwan Relations Act 1979 verpflichtet, Taiwan verteidigungsfähig zu halten. Das zeigt sich vor allem in Waffenlieferungen, verpflichtet die USA aber nicht, militärisch einzugreifen, sollte Taiwan angegriffen werden. Dennoch gelten die USA als ein wichtiger Verbündeter Taiwans.
Warum wäre ein Besuch Pelosis problematisch?
Die chinesische Führung empfindet Besuche ausländischer Politiker und Politikerinnen in Taiwan grundsätzlich als Provokation. Vor allem, wenn es sich um ranghohe Politiker wie Nancy Pelosi handelt. Pelosi ist nach Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris die Nummer drei im Staat. Die US-Demokratin hatte davon gesprochen, Taiwan zu besuchen, um damit ein Zeichen gegen Drohungen aus China zu setzen. Der chinesische Verteidigungsminister Wei Fenghe hat bei einer Konferenz in Singapur Mitte Juni gesagt, sollte Taiwan seine Unabhängigkeit erklären, werde China einen Krieg beginnen. "Wir werden um jeden Preis kämpfen und wir werden bis zum Ende kämpfen", sagte Wei Fenghe.
Da China Taiwan als Teil seines Territoriums sieht, verbittet es sich Einmischungen. China drohte sogar, Pelosis Flugzeug abzufangen. Staatschef Xi Jinping telefonierte am Donnerstag mit Präsident Biden und warnte ihn mit den Worten: "Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden daran zugrunde gehen."
Den letzten hochrangigen Besuch eines US-Vertreters in Taiwan gab es 1997: Der Republikaner Newt Gingrich, damals ebenfalls Sprecher des Repräsentantenhauses, reiste auf die Insel. Das war kurz vor der Rückgabe der britischen Kronkolonie Hongkong an China. Die chinesische Reaktion fiel damals gemäßigter aus als heute, da Gingrich vorher Peking besucht hatte. Seitdem gab es vor allem diskrete Solidaritätsbesuche von US-Vertretern.
Droht ein Krieg?
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine wachsen die Sorgen vor einer Eroberung Taiwans durch China.
Spätestens, seit Xi die Freiheitsbewegung in Hongkong brutal niederschlagen ließ, wurde klar, dass er keine Demokratien zulassen wird und auch vor Gewalt nicht zurückschreckt. Der Westen sprach vom Überschreiten einer roten Linie.
Xi beansprucht das Südchinesische Meer und Taiwan für China. Auch dabei könnte China Gewalt anwenden, davon ist der Chef des US-Geheimdiensts CIA, William Burns, überzeugt. In einem Interview mit NBC sagte er am Rande der Sicherheitskonferenz Aspen Security Forum im Juli, dass er von einem Angriff in den kommenden Jahren ausgehe: "Die chinesische Führung versucht, Lehren aus der russischen Invasion zu ziehen, und das hat aber aus unserer Sicht wahrscheinlich weniger Einfluss auf die Frage, ob China in ein paar Jahren Soldaten einsetzt, um Taiwan zu kontrollieren, sondern darauf, wie und wann."
Welchen Standpunkt vertritt Deutschland?
Außenministerin Annalena Baerbock hat China vor einer Eskalation gewarnt. "Wir akzeptieren nicht, wenn das internationale Recht gebrochen wird und ein größerer Nachbar völkerrechtswidrig seinen kleineren Nachbarn überfällt – und das gilt natürlich auch für China", sagte Baerbock am Montag in New York. Es sei mit Blick auf den "brutalen russischen Angriffskrieg" gegen die Ukraine wichtig, klarzumachen, dass die Weltgemeinschaft solches Verhalten nicht akzeptiere.
Warum ist Taiwan wichtig für Deutschland?
Deutschland pflegt inoffizielle Beziehungen mit Taiwan, die deutschen Interessen werden in Taipeh vom Deutschen Wirtschaftsbüro vertreten. Das Land ist Deutschlands fünftwichtigster Handelspartner in Asien, für Taiwan ist Deutschland wiederum der bedeutendste Handelspartner in der EU. Etwa 300 deutsche Unternehmen sind in Taiwan ansässig. Zudem bestehen mehr als 200 Partnerschaften zwischen Universitäten und Forschungseinrichtungen.
Sollte der Konflikt eskalieren, wäre das auch in Deutschland spürbar, davon ist etwa der FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff überzeugt: "Ein Großteil der weltweit produzierten hochleistungsfähigen Halbleiter stammt aus Taiwan, sie werden in Haushaltsgeräten genauso eingesetzt wie in High-Tech-Produkten, von der Waschmaschine bis zum Verkehrsflugzeug."