Der Internationale Währungsfonds sagt eine Rezession voraus. Und diesmal kann der Staat nicht alle retten.
Teilnehmer des IWF-Herbsttreffens in Washington, D.C.© Stefani Reynolds/AFP/Getty Images
Es sieht nicht gut aus. Die Welt sei in einer "volatilen" Phase, schreibt der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem neuen Weltwirtschaftsausblick, der gestern anlässlich der Herbsttagung der Organisation in Washington, D.C., vorgestellt wurde. Das ist noch eine freundliche Beschreibung der Lage. Das weltweite Wirtschaftswachstum wird nach Einschätzung der Experten des IWF im kommenden Jahr nur noch bei 2,7 Prozent liegen – das wäre mit Ausnahme der Krisenjahre 2020 (Corona) und 2009 (Finanzkrise) der niedrigste Wert seit 20 Jahren. In Deutschland wird die Wirtschaftsleistung demnach sogar schrumpfen, die Bundesregierung kommt in ihrer eigenen Prognose zu ganz ähnlichen Ergebnissen.
Nun sind Krisen kein Schicksal, zumindest gilt das für die meisten Wirtschaftskrisen. Der Staat kann einen Ausfall der privaten Nachfrage in aller Regel durch eine Ausweitung der öffentlichen Nachfrage ausgleichen. Indem er Brücken baut, Schulen saniert, Geld an die Haushalte verteilt – solche Dinge. Die Sache wird allerdings ein wenig komplizierter, wenn nicht die Nachfrage, sondern das Angebot ausfällt.
Mit Geldpolitik die Inflation "zähmen"
Und auch das ist eine Botschaft dieser Herbsttagung: Die Zeit der Knappheit wird nicht vorbei sein, auch wenn der Krieg in der Ukraine zu Ende ist. Die Umstellung der Wirtschaft auf eine klimaneutrale Produktion mag für viele Unternehmen neue Geschäftschancen eröffnen. Sie ist aber unter dem Strich mit einem Verlust an materiellem Wohlstand verbunden. Alte Produktionsanlagen werden entwertet, neue müssen erst errichtet werden. Das weltweite Wirtschaftswachstum wird dadurch nach Schätzungen des IWF bis 2030 um 0,15 bis 0,25 Prozentpunkte gebremst, die Inflationsrate steigt um 0,1 bis 0,4 Prozentpunkte.
Das bedeutet nicht, dass der Klimaschutz zu teuer wäre und deshalb unterbleiben sollte. Denn die Berechnungen des Währungsfonds zeigen auch: Der Schaden einer ungebremsten Erderwärmung wäre noch größer. Aber die Transformation ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie verursacht Kosten.
Für den IWF ist die Sache klar: Die Nachfrage muss so weit heruntergebremst werden, dass sie zu dem verringerten Angebot passt. Um das obige Beispiel noch einmal aufzugreifen: Wenn statt zwei Äpfeln nur noch ein Apfel geerntet wird, dann kann man auch nur einen Apfel kaufen. Aus diesem Grund empfiehlt der Fonds den Zentralbanken, mit ihrer Geldpolitik vor allem die Inflation zu "zähmen". Das heißt konkret: Sie sollen die Zinsen anheben, damit weniger Geld da ist und die Menschen sich weniger leisten können.
In den großen Währungsbehörden trifft diese Einschätzung weitgehend auf Zustimmung. Sowohl die Europäische Zentralbank als auch die Bank of England oder die amerikanische Notenbank Federal Reserve haben weitere Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. Es gebe keinen "schmerzfreien" Weg im Kampf gegen die Teuerung, sagt der Federal-Reserve-Chef Jerome Powell. Und damit hat er vermutlich recht.
Doch inzwischen weisen Ökonomen wie Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman darauf hin, dass die Sache auch schiefgehen kann. Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen, ist in der Praxis eine recht komplizierte Angelegenheit. Schließlich lässt sich der exakte Wert für die anzusteuernde Nachfragemenge nicht einfach ausrechnen. So besteht die Gefahr, dass die Zentralbanken aus Angst vor der Inflation die Nachfrage stärker einschränken und mehr Leid verursachen, als es eigentlich nötig wäre.
Währung in Schwellenländern unter Druck
Das gilt umso mehr, als die Geldpolitik der großen westlichen Notenbanken immer weltweite Auswirkungen hat. Wegen der steigenden Zinsen in den Vereinigten Staaten ziehen viele Investoren ihr Kapital aus ärmeren Staaten ab, weil es nun auch auf dem sicheren amerikanischen Markt höhere Renditen abwirft. Dadurch geraten die Währungen vieler Schwellenländer unter Druck. Die Weltbank warnt bereits vor einer "Flut nationaler Schuldenkrisen", sollte die Federal Reserve die Zinsen zu schnell nach oben nehmen.
Als das Coronavirus sich auf der Welt verbreitete, stand die Wirtschaft für einige Monate still, wurde danach aber schnell wieder hochgefahren. Diese Krise ist anders, sie ist das Resultat einer Anpassung an die geostrategischen und klimapolitischen Realitäten des 21. Jahrhunderts. Sie wird länger anhalten, aber dafür möglicherweise weniger heftig ausfallen – wenn niemand nervös wird.