Russland hat über mehrere Flanken einen Angriff auf die Ukraine gestartet. Nach Angaben des ukrainischen Grenzschutzes sind russische Bodentruppen in das Land vorgedrungen. In mehreren nördlichen Regionen und von der annektierten Halbinsel Krim aus habe die Armee mit Panzern und weiterem schweren Gerät die Grenze passiert, teilte der Grenzschutz am Donnerstag mit.
Die russischen Streitkräfte haben derweil nach eigenen Angaben die Luftabwehr des Landes komplett unschädlich gemacht. Die Stützpunkte der ukrainischen Luftwaffe seien mit „präzisionsgelenkter Munition“ außer Betrieb gesetzt worden, teilte das Verteidigungsministerium am Donnerstag in Moskau mit. Infolge russischer Luftangriffe sind ukrainischen Angaben zufolge mindestens 7 Soldaten getötet und 15 weitere verletzt worden. Zudem würden 19 Soldaten vermisst, teilte das Innenministerium in Kiew mit. Eine Brücke über den Fluss Inhulez in der Südukraine sei zerstört worden.
Laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax wurden Ziele in der ganzen Ukraine angegriffen. Die Separatisten haben derweil die Einnahme von zwei Kleinstädten in der Ost-Ukraine gemeldet. Es handele sich dabei um Stanyzja Luhanska und um Schtschastja. Demnach sind russische Truppen über den Fluss Siwerskyj Donez vorgedrungen, der bisher die Frontlinie bildete. Die Behörden in Kiew bestätigten zugleich das Vordringen der prorussischen Kräfte auf das von ukrainischen Regierungstruppen kontrollierte Gebiet.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sprach von einer „groß angelegten Invasion der Ukraine“. Die Welt „kann und muss Putin stoppen. Es ist Zeit, jetzt zu handeln“, forderte er. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, Russland attackiere „unsere militärische Infrastruktur“. Er verhängte das Kriegsrecht. Die Regierung rechnet laut eigenen Angaben nicht mit russischen Angriffen auf zivile Ziele. Es würden keine Angriffe auf Wohngebiete und die zivile Infrastruktur erwartet, sagte ein Berater des Innenministeriums in Kiew.
Putin hatte kurz zuvor in einer nächtlichen Fernsehansprache eine „Militäroperation“ in der Ukraine angekündigt. Die Angaben über Manöver lassen sich zunächst zumeist nicht unabhängig verifizieren und basieren auf Meldungen der jeweiligen Streitkräfte.
Wo in der Ukraine Angriffe gemeldet werden:
Hauptstadt Kiew
Reporter von CNN, AFP und Reuters hörten Explosionen nahe der Hauptstadt Kiew. Es habe mindestens zwei Explosionen in der Innenstadt von Kiew gegeben, die bei Fahrzeugen Alarm auslösten.
Charkiw
Reporter des US-Senders CNN meldeten außerdem, dass sie laute Explosionen in Charkiw hörten. Man nehme „eine andauernde Kette lauter Explosionen“ wahr, so die Reporter vor Ort.
Charkiw (auch Charkow), ist nach Kiew mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Ukraine. Sie liegt im Osten des Landes.
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Dnipro
Ein Einwohner von Dnipro berichtet CNN von „ein paar Explosionen“. Dnipro ist mit etwa einer Million Einwohnern nach Kiew, Charkiw und Odessa die viertgrößte Stadt der Ukraine.
Saporischschja
Auch auf Saporischschja wurden Angriffe gemeldet. Saporischschja ist die Hauptstadt der Region Saporischschja in der südlichen Ukraine und mit etwa 760.000 Einwohnern die sechstgrößte Stadt des Landes.
Hafenstadt Mariupol
AFP-Reporter berichteten von drei Explosionen in der am Asowschen Meer gelegenen Hafenstadt Mariupol. Mariupol ist eine Stadt in der Region Donetzk mit rund 440.000 Einwohnern.
Odessa
Laut Nachrichtenagentur Interfax gibt es Angriffe vom Wasser aus. Es werden Landungsoperationen der Schwarzmeerflotte im Aswoschen Meer und in Odessa gemeldet. Das ukrainische Militär weist die Meldungen als falsch zurück.
Kramatorsk
WELT-Reporter Steffen Schwarzkopf berichtet von „Explosionen nahe Kramatorsk in der Ukraine“. Auch gegenüber CNN bestätigen Einwohner in der ostukrainischen Stadt, die rund 120 Kilometer von Donezk entfernt liegt, von „zwei gewaltigen Explosionen“.
Donezk
In der ukrainischen Stadt Donezk, die von den von Russland unterstützten Separatisten kontrolliert wird, ist laut Augenzeugenberichten Artilleriefeuer zu hören.
Region Luhansk
Auch an der Frontlinie zu den ostukrainischen Separatisten-Gebieten waren Explosionen zu hören. Pro-russische Separatisten griffen laut Interfax eine Stadt in der Nähe ihres Gebietes Luhansk an, die unter ukrainischer Kontrolle steht. Das berichten Augenzeugen der Nachrichtenagentur.
Grenze zu Belarus
Die Ukraine wird nach Angaben des ukrainischen Grenzschutzes auch von Belarus aus von der russischen Armee angegriffen. Mit „Artillerie“ werde die Ukraine „von russischen Truppen aus Russland und Belarus“ beschossen, erklärte der Grenzschutz am Donnerstag. Die ukrainischen Streitkräfte würden das Feuer erwidern.
Der russische Staatschef Wladimir Putin hatte zuvor mit seinem belarussischen Kollegen Alexander Lukaschenko telefoniert, um ihn über den Beginn der russischen „Militäroperation“ gegen die Ukraine zu informieren, wie das Präsidialamt in Minsk mitteilte. Gegen 05.00 Uhr morgens (Ortszeit; 03.00 Uhr MEZ) habe es ein Telefonat der beiden Staatschefs gegeben. Dabei habe Putin über die Lage an der ukrainischen Grenze und in der Ostukraine informiert.