Die Bundesregierung will sich laut der neuen Umweltministerin in Brüssel gegen die geplante Einstufung der Kernenergie als förderwürdige Technologie positionieren. Doch dies wird wenig bringen.
Die Bundesregierung wird sich nach Angaben von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bei der EU-Kommission eindeutig gegen deren Vorschlag aussprechen, die Atomkraft als nachhaltig und damit förderwürdig einzustufen.
Die Stellungnahme der Bundesregierung werde »ein klares Nein« zur Aufnahme der Atomkraft in die sogenannte Taxonomie beinhalten, sagte Lemke am Sonntag in der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin«. Sie halte die Chancen für eine erfolgreiche Blockade allerdings für gering, räumte die neue Ministerin ein. Die deutsche Positionierung sei »rechtlich nicht bindend«.
Die ablehnende Haltung zum Kommissionsvorschlag werde von der Ampel-Regierung »geschlossen« vertreten, erklärte die Grünen-Politikerin: »Das ist gut so, und das werden wir an die Kommission so übermitteln.« Es liege dann in der Entscheidung der Brüsseler Behörde, »wie sie mit ihrem Taxonomie-Vorschlag weiter umgeht«.
Der Bundesregierung fehlen Mitstreiter
Nach Angaben der Bundesumweltministerin soll die Stellungnahme der Bundesregierung zu der Taxonomie-Empfehlung »in den nächsten Tagen« fertig sein und an die Kommission übermittelt werden. Doch für eine Blockade im EU-Ministerrat hat Berlin offenbar nicht genügend Mitstreiter in anderen Hauptstädten.
»Eine Abstimmung im Ministerrat wird es nur geben, wenn sich eine ausreichende Anzahl von Mitgliedstaaten zusammenfindet, um einen Einwand gegen diesen Text zu erheben«, sagte Lemke dem »Tagesspiegel« (Montagsausgabe). »Und hier muss ich zur Kenntnis nehmen, dass die Wahrscheinlichkeit dafür zurzeit als nicht sehr groß eingeschätzt wird.«
Um den Vorschlag der EU-Kommission zu stoppen, müssten mindestens 20 der 27 EU-Mitgliedsländer mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung dagegen stimmen – oder eine absolute Mehrheit des Europaparlaments. Beides ist nicht in Sicht.
Die Brüsseler Behörde hatte ihren Vorschlag für die sogenannte Taxonomieverordnung am Silvesterabend an die EU-Mitgliedstaaten geschickt, die seither rund zwei Wochen Zeit für ihre Stellungnahme haben.
Die Taxonomie ist eine Art Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten und kommt einer Einstufung als förderwürdig und einer Empfehlung an Investoren gleich. Die EU-Kommission schlägt unter anderem vor, Investitionen in neue Atomkraftwerke oder zur Laufzeitverlängerung von bestehenden Anlagen unter bestimmten Umständen als nachhaltig und klimafreundlich zu klassifizieren.
Es gehe letztlich darum, Finanzströme in nachhaltige Investitionen zu lenken, sagte Lemke dem »Tagesspiegel«. Dieses Ziel werde durch die Kommissionspläne »kaputt« gemacht. »Nun droht uns, dass privates und öffentliches Geld in problematische Entwicklungen gelenkt wird und nicht, wie dringend benötigt, in erneuerbare Energien und in die Wasserstoffwirtschaft«, sagte Lemke.
Auch die Nachhaltigkeitseinstufung für Erdgas hält die Ministerin nach eigenen Angaben für falsch. Die Ampel-Parteien hätten im Koalitionsvertrag zwar festgehalten, dass Deutschland das fossile Gas als Brückentechnologie brauche, und dazu müsse es auch Investitionen in entsprechende Kraftwerke geben. Diese sollten von vornherein auch mit klimafreundlichen Energieträgern aus Wasserstoff funktionieren. Aber dafür hätte laut Lemke des Taxonomie-Labels »definitiv nicht bedurft«