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Brexit: Joe Biden warnt Großbritannien in der Nordirland-Frage

 

Das Karfreitagsabkommen brachte Nordirland Frieden - Joe Biden sieht ihn durch die Brexit-Pläne der britischen Regierung gefährdet. Deshalb stellt der US-Präsidentschaftskandidat für ein Freihandelsabkommen mit London Bedingungen.

US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat sich mit deutlichen Worten an Großbritannien gewandt und die Gespräche über ein amerikanisch-britisches Handelsabkommen mit dem Friedensabkommen für Nordirland verknüpft. "Wir können nicht zulassen, dass das Karfreitagsabkommen, das Frieden nach Nordirland gebracht hat, dem Brexit zum Opfer fällt", schrieb Biden auf Twitter. Ein Handelsabkommen zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich müsse den Friedensschluss von 1998 respektieren und die Rückkehr einer harten Grenze zu Irland verhindern. "Punkt", schrieb Biden.

Das Karfreitagsabkommen von 1998 beendete nach Jahrzehnten den blutigen Nordirland-Konflikt. Es sieht eine offene Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland vor.

Der Demokrat teilte unter seinem Tweet einen überparteilichen Brief von vier US-Kongressabgeordneten an den britischen Premier Boris Johnson. Die Parlamentarier warnen darin Großbritannien, dass der Kongress einem Handelsabkommen nicht zustimmen werde, wenn dieses nicht den "britischen Verpflichtungen in Bezug auf Nordirland" gerecht werde. Biden tritt bei den Präsidentschaftswahlen im November gegen Amtsinhaber Donald Trump an.

Der britische Außenminister Dominic Raab hatte am Mittwoch in Washington führende US-Politiker getroffen, um über ein Freihandelsabkommen nach dem Brexit zu sprechen. Nach einem Gespröch mit seinem US-Kollegen Mike Pompeo betonte Raab die Bedeutung einer "sauberen, belastbaren wirtschaftlichen Erholung" von der Corona-Pandemie. Beide Seiten seien gewillt, ein Abkommen zu schließen: "Ich glaube, es gibt eine riesige Gelegenheit für einen Win-Win-Deal, und wir sind überzeugt, dass wir dies erreichen können", sagte Raab.

Die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, warnte der BBC zufolge nach einem Treffen mit Raab ebenfalls davor, dass der EU-Austritt Großbritanniens den Frieden in Nordirland nicht gefährden dürfe. Das Karfreitagsabkommen sei "ein Leuchtfeuer der Hoffnung für friedliebende Menschen in aller Welt".

London bemühte sich am Donnerstag, die Bedenken der US-Demokraten zu entkräften. Die britische Regierung werde das Karfreitagsabkommen unter keinen Umständen gefährden, sagte Gesundheits-Staatssekretär Edward Argar dem Radiosender LBC.

Inmitten der Brexit-Gespräche mit der Europäischen Union hatte ein Gesetzesvorhaben der Regierung in London die Sorge um den Frieden auf der irischen Insel verstärkt. Der britische Premier Boris Johnson will mit dem Gesetz den bereits gültigen Brexit-Deal, den er selbst vor einem Jahr unterschrieben hat, in Teilen aushebeln. Dabei geht es konkret um Sonderregeln für das britische Nordirland, die eine harte Grenze zum EU-Staat Irland und neue Feindseligkeiten dort verhindern sollen.

Johnson beklagt, dass Nordirland durch die Vereinbarung mit der EU vom Rest des Landes abgekoppelt und der Willkür der Europäischen Union ausgesetzt werden könnte. Für die EU handelt es sich bei Johnsons Vorstoß um einen Rechtsbruch - selbst die Regierung in London hat zugegeben, dass ihr Plan internationales Recht verletztBrüssel forderte London daher auf, bis Ende September einzulenken.

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Benzin-Engpässe an britischen Tankstellen  

Britische Armee in Bereitschaft, um "vorsorglich" zu helfen

Die Lage an den Tankstellen in Großbritannien spitzt sich weiter zu. Viele Autofahrer sind verzweifelt, da sie keinen Treibstoff bekommen können. Die Regierung erwägt nun offenbar, das Militär einzusetzen.  

In Großbritannien haben sich infolge der Benzin-Engpässe am Montag erneut lange Schlangen vor den Tankstellen gebildet. Die britische Tankstellenvereinigung PRA führte die Treibstoffknappheit vor allem in den Städten auf Panikkäufe zurück. Die Gewerkschaft Unison forderte, Arbeitnehmer in Schlüsselbranchen vorrangig mit Benzin zu versorgen.

Der britische Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng sagte am Montag, er habe Wettbewerbsbestimmungen der Branche ausgesetzt, damit die Branche "wichtige Informationen austauschen und besser zusammenarbeiten und so Lieferengpässe minimieren kann". Die Regierung schließe zudem den Einsatz des Militärs bei der Auslieferung von Treibstoff bei einer Verschlechterung der Lage nicht aus. Tankwagen-Fahrer der britischen Armee sollten daher "vorsorglich" eine spezielle Ausbildung erhalten, wurde Kwarteng im britischen Sender Sky News zitiert. Umweltminister George Eustice erklärte jedoch, die Regierung habe "zum jetzigen Zeitpunkt" nicht vor, Soldaten zu entsenden.

In Großbritannien fehlen Schätzungen zufolge rund 100.000 Lkw-Fahrer. Wegen der Situation ist es zu Engpässen an Tankstellen und bei Lebensmitteln gekommen. Tankstellenbetreiber wie Shell, BP und Esso erklärten, es gebe "reichlich Treibstoff in den britischen Raffinerien". Es fehlten aber die Fahrer zum Ausliefern. Die Konzerne rechnen demnach mit einer Normalisierung der Lage in den kommenden Tagen. Sie riefen ihre Kunden auf, "wie gewohnt" Kraftstoff zu kaufen – also keine Hamsterkäufe vorzunehmen.

"Die Menschen sind verzweifelt"

Vor den Tankstellen bildeten sich am Montagmorgen erneut lange Schlangen. Teilweise warteten Autofahrer bereits in der Nacht, um Treibstoff zu ergattern. "Die Menschen sind verzweifelt. Wenn ich jetzt kein Benzin bekomme, kann ich heute nicht mehr arbeiten", sagte David Hart, einer der Wartenden.

"Ich musste fünf verschiedene Tankstellen anfahren", berichtete die Autofahrerin Lisa Wood, die bereits über eine Stunde lang an einer Tankstelle in London wartete. "Mein Tank ist fast leer."

Der PRA-Vorsitzende Brian Madderson machte im Sender BBC "reine Panikkäufe" für die Engpässe verantwortlich: "Eines unserer Mitglieder erhielt mittags einen Tank voll Benzin, und am späten Nachmittag war der Inhalt bereits in den Autos der Leute verschwunden." Aufgrund der starken Nachfrage hatten demnach rund die Hälfte der insgesamt 8.000 Tankstellen am Sonntag keinen Treibstoff mehr.

Kritik an Johnson-Regierung

Großbritanniens größte Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, Unison, forderte, Arbeitnehmer in Schlüsselbranchen wie Ärzte, Lehrer und Polizisten vorrangig mit Benzin zu versorgen. "Die Regierung könnte dieses Problem jetzt lösen, indem sie per Notfallbefugnis Tankstellen für die ausschließliche Nutzung durch Beschäftigte in Schlüsselpositionen ausweist", sagte Generalsekretärin Christina McAnea.

Kritiker werfen der Regierung Untätigkeit angesichts des historischen Mangels an Lkw-Fahrern vor, der durch den Brexit und die Corona-Pandemie entstanden ist. Um die Krise beizulegen, hatte die Regierung am Wochenende eine Lockerung der Visa-Bestimmungen für ausländische Lkw-Fahrer und Fachkräfte aus anderen Branchen beschlossen.

Die angekündigte Visa-Lockerung bedeutet eine klare Abkehr von der restriktiven Einwanderungspolitik von Premierminister Boris Johnson, die er seit dem Austritt aus der EU verfolgt. Johnson hatte wiederholt erklärt, er wolle Großbritanniens Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften beenden.

Scholz macht Brexit verantwortlich

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz machte den Brexit für die Probleme an britischen Tankstellen verantwortlich. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit sei ein Prinzip der EU, erklärte er am Montag in Berlin. "Wir haben hart daran gearbeitet, die Briten zu überzeugen, die Union nicht zu verlassen", betonte Scholz.

Den Lastwagen-Fahrermangel in Großbritannien führte Scholz auch auf mutmaßlich zu niedrige Löhne zurück. "Wenn Sie nicht genug Menschen finden, die den Job machen wollen, hat das möglicherweise mit den Arbeitsbedingungen zu tun."

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Boris Johnson will Brexit-Vertrag brechen

London . Monatelang war der Dauerstreit um den Brexit-Status Nordirlands wie eingefroren. Doch nun holt der britische Premierminister zu einem neuen Schlag gegen die eigens ausgehandelten Abmachungen aus. Die Empörung in Brüssel, Dublin und auch in Belfast ist groß.

 Der britische Premierminister Boris Johnson.

Der britische Premierminister Boris Johnson.

Nur eine Woche nach dem überstandenen Misstrauensvotum in seiner Fraktion hat der britische Premierminister Boris Johnson einen neuen Streit mit der EU vom Zaun gebrochen. Ein am Montag ins Unterhaus eingebrachter Gesetzentwurf soll die mit Brüssel vereinbarte Brexit-Regelung für Nordirland einseitig ändern. Kritik an den Plänen kam sowohl aus Brüssel als auch von der irischen Regierung in Dublin und der Mehrheit der Abgeordneten im nordirischen Regionalparlament. Begrüßt wurde der Schritt hingegen von der unionistisch-protestantischen Partei DUP in Nordirland.

Das Gesetz sei notwendig, um Stabilität und den Frieden in der früheren Unruheprovinz zu sichern, sagte die britische Außenministerin Liz Truss. Sie fügte hinzu: „Wir sind weiterhin offen für Gespräche mit der EU.“ Fortschritte könne es aber nur geben, wenn Brüssel Änderungen an der als Nordirland-Protokoll bezeichneten Vereinbarung akzeptiere.

London droht, die in dem Protokoll vereinbarten Warenkontrollen zum Schutz des EU-Binnenmarkts zu stoppen und durch eine freiwillige Regelung zu ersetzen. Zudem soll die Rolle des Europäischen Gerichtshofs drastisch beschränkt werden. London will sich auch freie Hand bei Regelungen zur Mehrwertsteuer geben. Nach Ansicht einer großen Zahl von Experten wäre das ein klarer Bruch internationalen Rechts. Die Regierung in London bestreitet das jedoch.

EU-Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic machte deutlich, dass eine Neuverhandlung des Nordirland-Protokolls nicht infrage kommt. „Das würde für die Menschen und Unternehmen in Nordirland einfach nur weitere rechtliche Unsicherheit bedeuten“, so Sefcovic am Montagabend in Brüssel. Die EU-Kommission werde nun erwägen, das wegen früherer Verstöße begonnene, dann aber auf Eis gelegte, rechtliche Verfahren gegen London wieder aufzunehmen. Auch die Einleitung weiterer Vertragsverletzungsverfahren, die den europäischen Binnenmarkt schützen könnten, werde geprüft.

Irlands Premierminister Micheal Martin bezeichnete den Schritt als „neuen Tiefpunkt“, es sei „sehr bedauerlich für ein Land wie Großbritannien, ein internationales Abkommen zu brechen“.

Gegenwind für Johnson kam auch aus Nordirlands Hauptstadt Belfast. In einem von 52 der 90 Abgeordneten im nordirischen Regionalparlament unterzeichneten Brief hieß es, der Gesetzentwurf stehe im Widerspruch zum ausdrücklichen Wunsch von Unternehmen und Menschen in Nordirland.

Scharfe Kritik kam von der katholisch-republikanischen Partei Sinn Fein, die bei der Regionalwahl im Mai erstmals stärkste Kraft in Nordirland wurde. „Es ist skrupellos, es ist schändlich und es dient in keiner Weise dem Interesse der Menschen hier“, sagte die designierte nordirische Regierungschefin und Sinn-Fein-Vizepräsidentin Michelle O'Neill.

Lobende Worte fand hingegen Jeffrey Donaldson, der Chef der protestantisch-unionistischen Partei DUP, die in Nordirland aus Protest gegen das Protokoll die Bildung einer Einheitsregierung blockiert. Was die Regierung in London vorgelegt habe, sei eine Lösung und das sei es, was man derzeit brauche, so Donaldson.

Das Nordirland-Protokoll ist Teil des 2019 geschlossenen Brexit-Abkommens. Es sieht vor, dass die zum Vereinigten Königreich gehörende Provinz weiter den Regeln des EU-Binnenmarkts und der Europäischen Zollunion folgt. Damit sollen Warenkontrollen zum EU-Mitglied Republik Irland verhindert werden, um ein Wiederaufflammen des Konflikts zwischen Gegnern und Befürwortern einer Vereinigung der beiden Teile Irlands zu verhindern. Dafür ist nun aber eine innerbritische Warengrenze entstanden.

Der britische Premierminister Boris Johnson hatte die Vereinbarung im Wahlkampf 2019 gegen den Willen der DUP durchgesetzt und als großen Durchbruch gefeiert. Anschließend gewann er eine deutliche Mehrheit bei der Parlamentswahl. Inzwischen ist er aber wegen der Affäre um Lockdown-Partys im Regierungssitz in Bedrängnis geraten. In der vergangenen Woche musste er sich einer Misstrauensabstimmung in der eigenen Fraktion stellen. Er konnte sich zwar durchsetzen, gilt aber als politisch angezählt. Nach Einschätzung von britischen Kommentatoren will er sich mit dem Schritt die Unterstützung der Brexit-Hardliner in seiner Fraktion sichern.

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Großbritannien verabschiedet sich von zentralem Brexit-Versprechen

Strenge Einwanderungsregeln waren Kern der Brexit-Kampagne. Doch fehlende Trucker aus Polen und anderer Fachkräftemangel bedrohen zunehmend die britische Wirtschaft. Das sieht nun offenbar auch die neue Regierungschefin Liz Truss ein.

Großbritannien verabschiedet sich von zentralem Brexit-Versprechen

Großbritannien verabschiedet sich von zentralem Brexit-Versprechen© JOHN SIBLEY / REUTERS

Großbritanniens neue konservative Regierungschefin Liz Truss bricht mit dem Erbe ihres Vorgängers Boris Johnson. Wie mehrere britische Medien übereinstimmend berichten, plant ihre Regierung, die Einwanderungsregeln zu lockern und so die Wirtschaft anzukurbeln.

Das Vereinigte Königreich kämpft seit Wochen mit galoppierender Inflation von fast zehn Prozent und einer ins Haus stehenden Rezession. Dem will Truss nun entgegenwirken, indem sie die sogenannte »shortage occupation list« ausweitet. Branchen auf dieser Liste können durch vereinfachte Arbeitsvisa leichter Mitarbeiter aus dem Ausland anwerben.

Wie der »Guardian« und die »Sun« berichten, soll zudem die Obergrenze von 40000 Visa fallen und die maximale Aufenthaltsdauer von einem halben Jahr aufgehoben werden. Das solle unter anderem der Landwirtschaft helfen, aber auch den vom EU-Austritt gestressten Sektoren Gesundheit und Logistik.

Die Regierung dementierte die Berichte bislang nicht. Man habe schnell etwas unternehmen müssen, um Menschen mit den richtigen Fähigkeiten zu gewinnen und Wirtschaftswachstum zu stimulieren, zitiert der »Guardian« eine Quelle aus Downing Street No. 10, dem Sitz der Premierministerin. »Dazu werden wir die Grenzen in einigen Bereichen anheben, in anderen absenken.« Zudem wolle man Arbeitslose schnell »zurück an die Arbeit bringen«.

Mit dem Brexit hatte Truss' Amtsvorgänger Boris Johnson die Regeln für Arbeitskräfte aus der EU deutlich verschärft. Das Versprechen niedrigerer Zuwanderung und mehr Jobs für Briten war eines der Hauptargumente für den Austritt aus der EU. So wollte er vermuteten Ängsten in der britischen Arbeiterklasse begegnen, Arbeitsplätze an Immigranten vor allem aus Osteuropa zu verlieren. Seither sind aufwendige und teure Visaverfahren nötig.

In der Folge klagten zahlreiche Branchen über einen erheblichen Personalmangel. Durch fehlende Lkw-Fahrer blieben Supermarktregale leer, es kam zu langen Staus an den Tankstellen. Auch die Agrar- und Fleischindustrie klagte über einen erheblichen Mangel.

Nahrungsmittel verrotteten auf den Feldern, etliche Schweine mussten gekeult werden. Viele Hotels und Restaurants reduzierten Angebote und Öffnungszeiten. Vor allem in diesen Bereichen waren sehr viele EU-Bürger beschäftigt.

In vielen Bereichen sind Arbeitnehmer bis heute knapp. Die Wirtschaft fordert daher seit Wochen Visaerleichterungen – und hat damit offenbar im neuen Kabinett Gehör gefunden.

Bereits während ihres Wahlkampfes hatte Truss versprochen, den Mangel an Arbeitskräften mit einer kurzzeitigen Ausweitung der Visaerleichterungen für Saisonarbeiter begegnen zu wollen. Dennoch dürfte sie mit dem jetzigen Plan vor allem Brexit-Unterstützer gegen sich aufbringen.

Ängstlich scheint die Premierministerin immerhin kaum: Erst kürzlich waren ihre Pläne für eine Steuerreform bekannt geworden, die vor allen Dingen wohlhabenden Privatiers und Unternehmen zugutekommt.