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Das Treffen fand in sehr kleinem Kreise statt. Auf höchster Management-Ebene, streng geheim. Ganz ohne vorher den Aufsichtsrat, den Betriebsrat oder sonst ein Gremium darüber informiert zu haben.

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Die Vorstände von Daimler und Volkswagen trafen sich, um zu erörtern, ob beide Konzerne gemeinsam ein Betriebssystem für Automobile programmieren könnten. Denn die Software ist entscheidend für die Autos der Zukunft. Und im Augenblick hängt Tesla, die Konkurrenz aus den USA, die Deutschen meilenweit ab. Würde man sich zusammentun, könnte man Kosten sparen, aber vor allem Kompetenzen zusammenlegen: Denn Softwareentwicklung ist mühsam, kleinteilig, braucht viel Zeit und viele Programmierer und von beidem haben Deutschlands Autohersteller viel zu wenig. Da wäre es doch logisch, zu kooperieren. Oder?
Als vergangene Woche öffentlich wurde, dass Wolfsburg und Stuttgart womöglich zusammenarbeiten wollten, verursachte das in der Branche ein Erdbeben. Erstens konnten die Bosse vor allem in der Daimler-Zentrale in Stuttgart nicht fassen, dass es trotz des ausgewählt kleinen Kreises an Informierten eine undichte Stelle gab. Und, noch schlimmer: Die Mercedes-Macher stehen jetzt etwas schlecht da vor ihren Kollegen von BMW. Denn mit den Münchnern laufen ebenfalls Annäherungsversuche für ein gemeinsames Betriebssystem.
Mercedes hat parallel mit beiden Konkurrenten geflirtet, das ist jetzt ziemlich peinlich
Es ist eine Konstellation wie in einer Seifenoper aus dem Nachmittagsprogramm: Daimler fährt zweigleisig - und macht die großen deutschen Autokonzerne damit zu den Protagonisten einer skurrilen Dreiecksgeschichte. Wer kriegt die Braut?
Sicher scheint jedenfalls, dass sich nicht alle drei zusammentun können - das wäre kartellrechtlich kaum durchzusetzen und zudem schwer vereinbar mit den auf allen Seiten erheblich ausgeprägten Egos und Eigeninteressen. Daimler wird sich also zwischen BMW und Volkswagen als möglichem Partner entscheiden müssen. Und diese Entscheidung wird für alle drei größtmögliche strategische Konsequenzen haben. Wer am Ende allein dasteht, könnte einen massiven Wettbewerbsnachteil haben. Keiner kommentiert die Gespräche.
Vor allem Volkswagen ist in einer komplizierten Situation. Denn der Konzern hat versprochen, noch in diesem Sommer mit der Auslieferung des ID.3 zu beginnen. Das Auto ist das erste vollelektrisch konstruierte Modell des Konzerns und soll die Elektromobilität in den Massenmarkt bringen. Bis zum Jahresende will der Konzern 100 000 E-Autos auf die Straße bringen. Doch beim ID.3 läuft es mehr als nur ruppig. "Das ist nicht mehr zum Lachen", sagt einer aus dem Konzern. "Das Auto ist weit entfernt von der Marktreife."
Die Einführung von neuen Autos verzögert sich öfter. Das an sich wäre nicht ungewöhnlich. In diesem Fall aber hat Volkswagen keinen Spielraum: Zum einen, weil der VW-Chef Herbert Diess den ID.3 zu seinem Prestigeobjekt gemacht hat. Mit einem Erfolg dieses Autos kann er den radikalen Umbau hin zur E-Mobilität rechtfertigen. Scheitert der ID.3, stünde wohl auch Diess' Position an der Spitze von VW zur Debatte. Zum zweiten, weil Volkswagen den ID.3 auf der Straße braucht, um die CO₂-Vorgaben der EU einzuhalten. Nur wenn VW tatsächlich 100 000 E-Autos bis zum Jahresende auf der Straße hat, wird der Konzern Strafzahlungen vermeiden können.
Bringt VW die E-Autos nicht auf die Straße, verpassen sie die Klimaschutzziele. Ein Debakel
Von offizieller Seite ist man deshalb auch bemüht, die Probleme beim ID.3 herunterzuspielen. Man werde den Zeitplan einhalten, sagte Konzernchef Diess bei der Jahrespressekonferenz vergangene Woche. Aber intern heißt es: "Es ist ein absolutes Desaster. Wir kriegen einfach die Leute nicht." Tatsächlich tut sich VW als Arbeitgeber schwer, junge Software-Experten für sich zu begeistern. Programmierer werden in allen Branchen händeringend gesucht, viele dieser begehrten jungen Leute entscheiden sich gegen die Autoindustrie. Und mitunter kommen auch noch wichtige Manager abhanden: IT-Chef Martin Hofmann verlässt VW Ende des Monats, er war konzernweit für die IT zuständig und damit auch in einer Schlüsselposition bei der Entwicklung der E-Mobilität tätig.
Wie also soll VW angesichts all dieser Widrigkeiten die ehrgeizigen Pläne des Konzernchefs umsetzen und den ID.3 im Sommer ausliefern? Klar ist: Wenn VW überhaupt ID.3-Autos ausliefert, dann in einer radikal abgespeckten Version. Das räumt der Konzern auf Nachfrage ein. "Super läuft es nicht", sagt ein Sprecher. Man werde "die eine oder andere geplante Funktion" erst mal streichen und dann später über ein Update nachliefern. Ein Konzerninsider geht aber noch weiter und sagt, man sei nicht mal in der Nähe eines industriellen Fertigungsprozesses beim ID.3. Diess werde im Sommer ganz bestimmt ein paar Autos haben, die er herzeigen könne, "aber die basteln wir in Handarbeit hin, damit irgendwas dasteht. Das hat mit Serienproduktion nichts zu tun".
Getrickst werden soll demnach auch in Bezug auf die CO₂-Flottenziele: Intern soll es Überlegungen geben, etwa Porsches Elektroflitzer Taycan in großer Stückzahl in der EU zuzulassen statt in den USA, um die CO₂-Bilanz zu verbessern.
Konzernintern wird der Taycan bei der Zuteilung von Batteriezellen jedenfalls schon bevorzugt: Weil die Zellen des südkoreanischen Herstellers LG Chem derzeit knapp sind, bekommt der Elektro-Porsche den Vorzug vor dem Audi-SUV E-Tron.
Ausreichen wird das trotzdem nicht, wenn es nicht klappt, den ID.3 im großen Stil in den Verkehr zu bringen. Muss Volkswagen Strafzahlungen leisten wegen nicht eingehaltener Klimaschutzziele, wäre das für den Konzern doppelt bitter: Zum einen finanziell, aber schlimmer noch in Hinblick auf das eigene Image. Fünf Jahre nach dem Bekanntwerden des Dieselbetrugs wäre VW in der öffentlichen Wahrnehmung schon wieder der Luftverpester-Konzern. Ein Debakel.
Derzeit werden die ID.3-Fahrzeuge jedenfalls als leere Blechhüllen vorproduziert und auf einem riesigen Parkplatz in Sachsen zwischengelagert - in der Absicht, die Software einzuspielen, wenn irgendwann zumindest eine einigermaßen taugliche Basisversion fertig ist.
Das Bild der Blechbüchsen ohne Innenleben illustriert ganz gut, wovor sich Deutschlands Autohersteller am meisten fürchten: Wenn sie in Sachen Software nicht eilig aufholen, droht ihnen in der Welt der neuen Mobilität der Status als reine Blechbieger: Sie würden dann die Hülle liefern, während das Betriebssystem von großen amerikanischen Konzernen wie Google oder Apple kommt. Aber Experten sind sich einig: Nur wer in Zukunft den Zugriff auf die Daten der Käufer und Fahrer der Autos hat, verdient richtig gutes Geld. Bleiben die Deutschen also ohne konkurrenzfähige Software, verkümmern sie zu schlichten Zulieferern. Ein Horror-Szenario für die stolze deutsche Autobranche.

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Wirtschaft steigert Umsatz den dritten Monat in Folge

Berlin (Reuters) - Industrie, Bau, Handel und Dienstleister haben ihren Umsatz im Juli den dritten Monat in Folge gesteigert.

Die gewerbliche Wirtschaft nahm zusammen 1,9 Prozent mehr ein als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Der um verzerrende Saison- und Kalendereinflüsse bereinigte Umsatz liege aber noch um 5,0 Prozent niedriger als im Februar 2020, dem Monat vor Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland.

Die Chancen stehen gut, dass die Erholung anhält. Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft hellte sich im August bereits den vierten Monat in Folge auf, ergab eine Umfrage des Ifo-Instituts unter 9000 Unternehmen. Die Aufholjagd folgt auf einen beispiellosen Konjunktureinbruch im Frühjahr von 9,7 Prozent. Steigende Corona-Infektionszahlen, Reisewarnungen und nicht zuletzt die Gefahr einer Pleitewelle werfen aber weiter einen langen Schatten auf die Konjunktur.

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Ifo - Am meisten Kurzarbeit in Bayern und Baden-Württemberg

Berlin (Reuters) - Im industriestarken Süddeutschland gibt es bundesweit die meisten Kurzarbeiter.

Allein in Bayern waren es im August schätzungsweise 17 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, nach 21 Prozent im Juli, wie das Ifo-Institut am Dienstag zu einer Umfrage mitteilte. Damit sank die Zahl von 1,2 Millionen auf 990.000. In Baden-Württemberg waren es 16 Prozent nach 19 Prozent - oder 750.000 nach 900.000 Menschen. "In Ländern mit großer Automobil- und Zulieferer-Industrie sowie Metallverarbeitung und Maschinenbau wird weiterhin sehr viel Kurzarbeit gefahren", sagte Ifo-Arbeitsmarkt-Experte Sebastian Link.

Insgesamt sank die Zahl der Kurzarbeiter in Deutschland im August auf 14 Prozent der Beschäftigten, nach 17 Prozent im Juli. Das waren nach Angaben der Münchner Forscher im August schätzungsweise 4,6 (Juli: 5,6) Millionen Menschen. Demnach gab es in Hessen 14 Prozent Kurzarbeiter oder 380.000 Arbeitnehmer, in Nordrhein-Westfalen 13 Prozent oder 940.000 Kurzarbeiter. Niedersachsen und Bremen kamen auf zwölf Prozent oder 400.000, Rheinland-Pfalz und das Saarland ebenfalls auf zwölf Prozent oder 220.000 Menschen, und auch Sachsen kam auf zwölf Prozent mit 190.000 Kurzarbeitern.

Weniger Kurzarbeit gab es in Sachsen-Anhalt und Thüringen mit elf Prozent oder 170.000 Arbeitnehmern. Am wenigsten Kurzarbeit gefahren wird laut Ifo in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit zehn Prozent oder 300.000 Kurzarbeitern sowie in Schleswig-Holstein und Hamburg mit ebenfalls zehn Prozent oder 210.000 Menschen.

 Zahl der Kurzarbeit ist im August auf 4,6 Millionen gesunken

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Die Autofahrer stehen zu Unrecht am Pranger

Beim Autogipfel mit der Bundeskanzlerin geht es nicht nur um Subventionen für Autokonzerne. Es geht um die Mobilität der Zukunft: Ist Autofahren eigentlich noch okay?

Paradigmenwechsel kündigen sich langsam an – und dann dreht sich der Mainstream auf einmal mit Wucht. Einen solchen Moment erleben wir gerade in Bezug auf das Auto.

Kein Mitleid mehr mit den Herstellern von Verbrennungsmotoren, tosender Beifall für (offensichtlich nicht ganz legale) Pop-up-Fahrradspuren, ein donnerndes "Weiter so!" für vermeintlich klimafreundliche E-Bike- und Lastenradverkäufer.

Wohin man auch schaut: Die klassische Autoindustrie und ihre Kunden gelten als verantwortungslose Klimafeinde. Zu Unrecht.

Immer noch sind die Autobauer und ihre Zulieferer die wichtigste Industriebranche Deutschlands. Wie kaum eine andere Industrie sorgen sie für stetige Exportüberschüsse, gut bezahlte Arbeitsplätze und sprudelnde Steuerquellen.

Autobauer haben gepennt

Die meisten Autonutzer sind nicht aus Spaß oder Übermut mobil, sondern, weil sie zur Arbeit müssen, ihre Kinder in die Schule bringen sollen oder ihre Waren verkaufen wollen. Beide Seiten, Hersteller und Kunden von Autos,  tragen enorm zu Wachstum und Wohlstand in diesem Land bei. Wenn es ihnen nicht gut geht, kommt auch das Land nicht aus der Krise. Das wird ein Thema für den Autogipfel sein, zu dem die Bundeskanzlerin heute Abend eingeladen hat.

 

Klar, beide Seiten haben gepennt. Die Autobauer haben zuerst bei den Abgasen geschummelt und betrogen, und dann geschlafen, als ihre wichtigsten Absatzmärkte auf elektrische Antriebe setzten.

Jetzt stehen sie mit Anfänger-E-Modellen da, während ihnen ausländische Wettbewerber vormachen, dass Strom-Autos mit großer Reichweite, und vernünftige Hybrid-Gefährte für den kombinierten Betrieb machbar sind.

Gerne Auto zu fahren ist keine Sünde

Und die Nutzer? Sie haben die günstigen Benzin- und Dieselpreise der vergangenen Jahre als Garantie dafür genommen, dass fossile Treibstoffe immer günstiger sein werden als Strom. In den Städten haben sie erbittert jeden Parkplatz verteidigt, als ginge es um ihr Leben. Gegen Tempolimits und Tempo-30-Zonen haben sie zu einem Kreuzzug aufgerufen, den sie nicht gewinnen können.

Das war kurzsichtig. Doch im Gegenzug jetzt so zu tun, als sei das Bedürfnis nach individueller Mobilität eine schwere Sünde, und als sei es ein Verbrechen, gerne und schnell zu fahren, ist ebenso weltfremd. Und zu riskieren, dass die Autoindustrie in diesem Land untergeht, ist zumindest leichtfertig.

Wenn die Bundeskanzlerin heute Abend die Branche und die Ministerpräsidenten zusammenschaltet, wird es nämlich nicht nur um die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung einer der wichtigsten Industriezweige des Landes gehen.

Es geht um die Zukunft individueller Mobilität

Unterschwellig wird mitverhandelt, welche Bedeutung das deutsche Modell industrieller Produktion künftig haben wird, und wie viel individuelle Mobilität in Zukunft noch gewünscht ist. Auch die künftige Verteilung des öffentlichen Raums wird sich daran neu ausrichten.

Auf dem Land und in stadtnahen Vorstädten gibt es zum Auto heutzutage keine vernünftige Alternative. Wer seine Kinder dort zum Sport, den alten Vater zum Arzt, sich selbst bis zum nächsten Pendlerbahnhof transportiert, soll sich für ein eigenes Auto nicht rechtfertigen müssen. Dasselbe gilt für den Wochenendeinkauf, die Ferienreise, den Freunde- und Verwandtenbesuch.

Zur Freiheit gehört auch das Recht auf eigene Entscheidungen, wann und wohin man fährt. Das gilt übrigens auch für den städtischen Raum.

Dennoch kann niemand darüber hinwegsehen, dass sich die Prioritäten gerade in den Großstädten ändern. Immer mehr Menschen sind mit dem Fahrrad unterwegs, nutzen die Bahn oder die öffentlichen Verkehrsmittel, und nutzen ein Auto nur noch dann und wann. Wer so unterwegs ist, braucht keinen Parkplatz vor der Tür, und will auch keine Tiefgarage in der Wohnanlage mehr mitfinanzieren.

Autobranche wird weiterhin wichtige Rolle spielen

Anfangs unmerklich, dann immer dynamischer verändert sich auch die Einstellung zum öffentlichen Raum. Während Autobesitzer den Laternen-Parkplatz in der Wohnstraße erbittert verteidigen, finden Nicht-Autofahrer es ganz schön, wenn Kneipen mehr Außensitzplätze anbieten dürfen, oder vor der Einfahrt ein paar Pflanzkübel für das Urban Gardening platziert werden.

Autokonzerne und Autofahrer werden ihre Interessen künftig nicht mehr so einfach durchsetzen können wie bisher. Das ist gut. Doch sie werden weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Es wäre gut, wenn das respektiert würde