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Die Malariamittel Chloroquin und Hydroxychloroquin gelten bislang als eher chancenlose Kandidaten. • Hoffnungen liegen auf der Substanz Remdesivir, die in die Vervielfältigung von Viren eingreift.

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WHO testet sechs Wirkstoffe gegen Covid-19
Tedros Adhanom Ghebreyesus hat in den vergangenen Wochen wohl kaum ein Wort so oft gebraucht wie das der Solidarität. "Solidarity, solidarity, solidarity", wiederholte der Direktor der Weltgesundheitsorganisation WHO fast gebetsmühlenartig, wenn es um die Frage ging, was der globalen Epidemie mit dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2 Einhalt gebieten könne.
Es ist daher wenig überraschend, dass die UN-Gesundheitsbehörde die erste multinationale Megastudie im Kampf gegen die Pandemie jetzt "Solidarity" getauft hat. Vier Therapien mit insgesamt sechs Wirkstoffen sollen nun getestet werden, an Tausenden Patienten weltweit. Dahinter steht die Gewissheit, dass ein Impfstoff in den kommenden Monaten nicht erhältlich sein wird. "Solidarity" soll daher ein wirksames Medikament identifizieren - auch wenn nicht alle Kandidaten Anlass zu viel Hoffnung geben.
Der größte Hoffnungsträger bislang: Remdesivir, das in die Vermehrung von Viren eingreift
Chloroquin und Hydroxychloroquin zum Beispiel sind Arzneien, die seit den 1950er-Jahren als Prophylaxe und Therapeutikum gegen Malaria eingesetzt werden. Beide Wirkstoffe verändern das Milieu von Zellen und können so die Vermehrung der Malariaparasiten stoppen. Es gibt jedoch keine belastbaren Hinweise, dass die zwei Wirkstoffe auch das neue Coronavirus tatsächlich wirksam bekämpfen. Insbesondere Hydroxychloroquin hat zudem gravierende Nebenwirkungen, es kann das Herz schädigen. Ursprünglich sollten die Mittel in der Solidarity-Studie deshalb gar nicht untersucht werden.
Doch weil die Nachfrage nach den Malariaarzneien zur Behandlung von Covid-19 gestiegen ist und Daten zu Patienten, die in China angeblich erfolgreich mit Chloroquin behandelt wurden, immer noch nicht veröffentlicht wurden, entschied sich die WHO vor einigen Tagen um. Es geht womöglich darum, einen Verzicht auf die Malariamittel in der Behandlung von Covid-19 mit soliden Daten begründen zu können - und die beiden Wirkstoffe für andere Patienten zu reservieren, bei denen sie wirklich helfen. Dazu gehören auch Menschen, die von Amöben befallen sind oder die Autoimmunkrankheit Lupus erythematosus haben.
Wesentlich optimistischer waren Ärzte dagegen zunächst bei einem Kombinationsmedikament aus der HIV-Medizin. Das Mittel mit den Substanzen Lopinavir und Ritonavir ist unter dem Markennamen Kaletra seit fast 20 Jahren auf dem Markt. Es hat sich zudem bei Coronaviren wie dem Mers-Virus als wirksam erwiesen, zumindest im Labor. Doch eine Studie an knapp 200 Covid-19-Patienten endete bereits ernüchternd, es war keine größere Wirkung als durch übliche medizinische Maßnahmen allein zu erkennen. Im Solidarity-Trial sollen die Mittel deshalb zusätzlich kombiniert mit dem antiviral wirkenden Immunbotenstoff Beta-Interferon getestet werden. Auch das ist nicht frei von Risiken, das Interferon könnte die Krankheit vor allem in der späten Phase verschlimmern.
Alle Hoffnung ruht deshalb vorerst auf Remdesivir. Die Substanz greift direkt in die Vervielfältigung von Viren ein, deren Erbgut aus RNA besteht, und wurde im vergangenen Jahr erstmals gegen das Ebola-Virus eingesetzt - wenn auch erfolglos. Laborversuche haben jedoch gezeigt, dass das Mittel die Vermehrung von Coronaviren stoppen kann. Und einzelne Fallberichte von Patienten, die schwer an Covid-19 erkrankt waren und nach Gabe von Remdesivir fast umgehend wieder auf die Beine kamen, schüren nun die Erwartungen. Zahlreiche kleinere Studien und Therapieversuche laufen bereits oder sind geplant.
Die WHO hat angekündigt, in der Auswahl der Therapien flexibel zu bleiben. Tatsächlich gibt es viele mögliche Kandidaten für Covid-19-Behandlungen. Eine bislang nur auf dem Preprint-Server bioRxiv veröffentlichte Arbeit listet knapp 70 Substanzen auf, die aufgrund seiner genetischen Eigenschaften direkt am Virus ansetzen könnten. Hinzu kommen Stoffe wie das Krebsmedikament Tocilizumab, das die heftige Entzündung des Lungengewebes ersten Hinweisen zufolge stark mildern kann. Das Grippemittel Favipiravir wiederum ist ein möglicher nachträglicher Kandidat für Solidarity.
Noch ist unklar, ob eines der Mittel die große Erleichterung bringen wird. Wenn ja, wird es wieder auf die Solidarität der Länder ankommen - um möglichst vielen Patienten weltweit die Behandlung zukommen zu lassen.

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 USA erlauben Covid-19-Behandlung mit Blutplasma

 

Washington. Das Verfahren ist seit über 100 Jahren bekannt. Doch Belege für die Wirksamkeit der Behandlung mit Immunplasma bei Covid-19 sind noch dürftig. In den USA soll es nun häufiger eingesetzt werden. Präsident Trump feiert das als „Durchbruch“.

Die US-Regierung erteilt eine Notfallgenehmigung für die Behandlung der Erkrankung Covid-19 mit Blutplasma, das Antikörper gegen das Coronavirus enthält. Bei der sogenannten Immunplasma-Therapie bekommen Patienten Plasma von Menschen, die nach einer natürlichen Infektion Antikörper gebildet hatten. Plasma wird seit über 100 Jahren genutzt und gilt als sicher für Patienten. Bislang noch unklar ist aber, wie wirksam Plasma tatsächlich ist, um die Covid-Sterblichkeitsrate zu senken. Der Chef der zuständigen Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA), Stephen Hahn, sprach von begrenzten, aber bislang „vielversprechenden“ Daten zur Wirksamkeit.

US-Präsident Donald Trump, der zuletzt öffentlich Druck auf die Behörde gemacht hatte, um schnellere Fortschritte verkünden zu können, bezeichnete die Notfallgenehmigung als „sehr historischen Durchbruch“. Trump dürfte die Ankündigung vom Sonntagabend (Ortszeit) sehr gelegen kommen: Am Montagabend beginnt der Parteitag der Republikaner, bei dem er diese Woche offiziell als Kandidat für die Wahl im November nominiert werden soll.

Die Behandlungsmethode mit Plasma ist in den USA aber bereits weit verbreitet. Von einem Durchbruch zu sprechen, scheint daher eher übertrieben. Im Rahmen einer klinischen Sondergenehmigung haben bereits rund 70.000 Menschen Plasma erhalten, wie die FDA erklärte. Die Notfallgenehmigung entspricht zudem keiner formellen Zulassung, für die wesentlich höhere Hürden gelten. Auch ist das Plasma-Angebot begrenzt, da es nur aus Blutspenden Genesener gewonnen werden kann.

Der Schritt der FDA mache vor allem den Handel mit Plasma einfacher und dürfte Herstellern helfen, ihre Kosten zu decken, wie der frühere FDA-Chef Scott Gottlieb vorab dem Fernsehsender ABC sagte. Es handle sich aber insgesamt nur um einen kleinen Schritt, sagte er.

Die Idee hinter der Plasma-Behandlung ist bestechend: Weil es noch keinen Impfstoff gibt, der die Bildung von Antikörpern gegen Sars-CoV-2 anregt, verabreicht man Patienten Antikörper von Menschen, die diese nach einer natürlichen Infektion gebildet haben. Zu dem Verfahren laufen weltweit Studien, auch in Deutschland. Bislang gibt es aber keinen überzeugenden Nachweis, ob und wie sehr Plasma Covid-Patienten tatsächlich hilft.

In den USA haben Forscher Daten aus der Anwendung der Mayo Clinic zu 35.000 zumeist schwer erkrankten Patienten erfasst. Ihre bislang unveröffentlichte Studie zeigt, dass Patienten, die drei Tage nach einer Covid-Diagnose eine Transfusion bekamen, eine etwas geringere Sterblichkeitsrate hatten als jene, die später behandelt wurden. Allerdings gab es bei der Studie keine Kontrollgruppe, die Ergebnisse sind also nur sehr begrenzt aussagekräftig. Weitere Studien, bei denen ein Teil der Probanden nur ein Placebo bekommt, laufen noch.

Trump wiederum sprach bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus von einer „wirkmächtigen Therapie“ mit einer „unglaublichen Erfolgsrate“. Seine Aussagen waren aber nicht von der schriftlichen Genehmigung der FDA gedeckt, die angesichts der bislang unzureichenden Datenlage vorsichtig von einer möglichen positiven Wirkung sprach.

Trump war am Wochenende in die Kritik geraten, weil er Druck auf die FDA machte, Behandlungsmöglichkeiten und Impfungen möglichst schnell zu genehmigen. Trump hat wiederholt gesagt, er hoffe, dass es in etwa bis zur Wahl im November einen einsatzbereiten Corona-Impfstoff gebe. Derzeit laufen mehrere große klinische Studien zu Impfstoffen. Eine Verfügbarkeit vor nächstem Jahr gilt jedoch bei einer Prüfung unter Einhaltung der wissenschaftlichen Kriterien als unwahrscheinlich.

Die Behandlung mit Plasma, dem sogenannten Rekonvaleszenten-Plasma, hat folgenden biologischen Hintergrund: Im Verlauf einer Infektion bildet das Immunsystem eines Menschen unter anderem Antikörper, um den eingedrungenen Erreger zu beseitigen. Diese Antikörper bleiben nach einer Infektion zumindest eine Weile im Körper erhalten. Man kann also aus dem Blut Genesener die Antikörper gewinnen und diese dann akut Erkrankten verabreichen - damit sie auch bei ihnen das Virus bekämpfen und die Schwere der Erkrankung abmildern.

Die Corona-Pandemie ist in den USA weiterhin völlig außer Kontrolle. Die Behörden haben bisher rund 5,7 Millionen bestätigte Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 gemeldet. Fast 177.000 Menschen starben.

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Bill Gates erwartet bis zu vier Corona-Impfstoffe Anfang 2021

Bill Gates rechnet Anfang des kommenden Jahres mit einem Durchbruch in der Impfstoffforschung. "Ich erwarte, dass mit etwas Glück im ersten Quartal drei oder sogar vier davon zugelassen werden", sagt der Microsoft-Gründer der Zeitung "Bild". Die Herausforderung sei dann, das Mittel in Massen zu produzieren. "Um den Impfstoff sieben Milliarden Menschen zur Verfügung zu stellen, brauchen wir fast 14 Milliarden Dosen. Das wurde zuvor noch nie gemacht", so Gates.

Über die Verbreitung von Desinformation und Lügen im Internet zeigte Gates sich besorgt. "Diese verrückten Ideen verbreiten sich irgendwie schneller in den sozialen Medien als die Wahrheit. Ich bin überrascht, dass mein Name in diesen Verschwörungstheorien auftaucht", sagte Gates.