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Ein britisches Labor bietet viel Geld für die freiwillige Infektion mit dem Coronavirus. Für etwa 3.500 Pfund, umgerechnet etwa 4.000 Euro, sollen sich Testpersonen infizieren und unter Quarantäne stellen lassen.

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Darüber berichtet "The Times".
Die Aktion soll bei der Suche nach einem Impfstoff helfen. Das britische Unternehmen Hvivo leitet die Untersuchung in London und will bis zum Winter einen Impfschutz entwickelt haben. Sobald das Unternehmen die Erlaubnis der britischen Regulierungsbehörde für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte habe, solle die Testphase starten.
Die Freiwilligen sollen laut "Times" in einem Quarantäne-Labor in London mit zwei bekannten, aber weniger gefährlichen Virusstämmen (0C43 und 229E) des Coronavirus infiziert werden. Es handele sich zwar um die gleiche Virusfamilie, aber diese Viren würden nur eine leichte Atemwegserkrankung auslösen. 24 Menschen könnten zeitgleich unter Quarantäne in dem Labor leben. Die Quarantäne, während der die Teilnehmer keinen direkten Kontakt zu anderen Menschen haben dürfen, dauert 14 Tage.
Virus breitet sich weltweit weiter aus
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) werde aktuell an 20 möglichen Impfstoffen weltweit geforscht. Das Coronavirus breitet sich in Deutschland weiter aus. Bundesweit waren es am Montagmorgen 1.112 bestätigte Infektionen, wie das Robert Koch-Institut (RKI) mitteilte. Bis Donnerstagabend waren nach Angaben der EU-Behörde ECDC in Europa rund 5.500 Infektionen registriert. Besonders betroffen ist Italien laut Behördenangaben mit über 360 Toten und mehr als 7.300 Infizierten.

Auch weltweit breitet sich das Virus weiter aus: Besonders betroffen sind China mit mehr als 80.500 Fällen und Südkorea mit über 7.300 Infizierten. Allerdings ging die Zahl der Neuinfektionen und Todesfälle in China zuletzt deutlich zurück.

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Wundermittel in Sicht?

Italiens Gesundheitsminister Roberto Sperenza schürte am Wochenende die Hoffnung, dass dieser Traum von einer Welt ohne Corona Wirklichkeit werden könnte. Von der "einzigen endgültigen Lösung für Covid-19" schrieb er, und dass der Versuchsprozess dafür im Herbst abgeschlossen sei.

Das Wundermittel, von dem Sperenza spricht, heißt AZD1222. Es ist ein Impfstoff gegen Covid-19, der an der Universität von Oxford entwickelt wurde. Der italienische Minister ist nicht der einzige, der auf den Stoff setzt. Am Samstag unterzeichneten vier Länder einen Vertrag über die Abnahme von mindestens 300 Millionen Impfdosen: Italien, die Niederlande, Frankreich und Deutschland.

 

Doch sind die großen Hoffnungen wirklich berechtigt? Sperenzas deutscher Amtskollege Jens Spahn formulierte sein Statement zur Vereinbarung mit dem Pharmaunternehmen AstraZeneca etwas nüchterner. AZD1222 sei in der klinischen Entwicklung unter den mehr als 120 Impfstoff-Projekten weltweit am weitesten fortgeschritten, sagte Spahn. Dass Deutschland sich jetzt ein Zugriffsrecht auf das Mittel sichert, ist deshalb zunächst eine logische Entscheidung.

Bevor der Impfstoff zum Einsatz kommen kann, sind aber noch einige Hürden zu überwinden. Zunächst müssen seine Wirksamkeit und Verträglichkeit an Menschen getestet werden. Das kann mehrere Monate dauern. Und schließlich ist nicht sicher, ob der Impfstoff wirklich schützt – und ob sein Einsatz allein ausreicht, um Covid-19 zu besiegen. Der Erfolg des Wundermittels ist also alles andere als gesichert.

Das Vorgehen der vier Länder wirft zudem weitere Fragen auf. Hatte Kanzlerin Angela Merkel nicht erst Anfang Mai betont, dass ein Impfstoff allen Menschen zugutekommen müsse? Sorgt der Vertrag der Impfallianz nun nicht dafür, dass andere Länder vom Zugriff auf das Mittel ausgeschlossen werden? Spahn versuchte, solche Bedenken am Samstag zu zerstreuen. Alle EU-Staaten, die dabei sein wollten, könnten von dem Deal profitieren.

Es gehört also noch sehr viel "können", "wollen" und "sollen" dazu, bevor der Traum des italienischen Ministers in Erfüllung gehen kann. Es wäre ihm und uns allen sehr zu wünschen. Realistisch gesehen sollten wir uns aber auf ein anderes Szenario einrichten: Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Impfstoff aus Oxford das Coronavirus auf einen Schlag beseitigen wird.

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Corona-Impfstoff: Kleine Spritze, große Hoffnung

 

In Tübingen läuft die deutschlandweit einzige klinische Corona-Impfstoffstudie. Es geht um den Erfolg des Unternehmens CureVac und die Zukunft einer ganzen Technologie.

Es ist eines dieser modernen kubischen Gebäude, die hauptsächlich grau sind und gläsern: Die Zentrale des biopharmazeutischen Unternehmens CureVac liegt auf einem Hügel über der Stadt Tübingen. Daneben Baustellen, ein neues Gebäude ist bereits fertig, da, wo ein zweites entstehen soll, klafft eine sandige Grube. CureVac wächst gerade erheblich, denn bald könnten hier Millionen von Dosen eines Impfstoffes hergestellt werden, der helfen soll, die Covid-19-Pandemie einzudämmen. Wenn es klappt, könnten zwei oder drei Spritzen mit dem Impfstoff der Firma Menschen Schutz vor einer Krankheit bieten, die weltweit Hunderttausende getötet hat.

CureVac testet seit wenigen Wochen seinen Impfstoffkandidaten mit dem Namen CV07050101 in Tübingen, Hannover, München und Gent an Menschen. Nach der Studie des Konkurrenten BionTech aus Mainz ist es erst die zweite klinische Studie in Deutschland und der EU*.

Weil die Entwicklung eines Impfstoffes so wichtig ist, ist im Juni der deutsche Staat bei CureVac eingestiegen: Für 300 Millionen Euro kaufte er ein knappes Viertel des Unternehmens. Diese Staatsbeteiligung ist auch eine Wette auf eine Technologie, die schon lange auf ihren Durchbruch wartet. CureVac entwickelt RNA-basierte Impfstoffe und die sind eine vergleichsweise neue Technologie. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler setzten große Hoffnungen darauf, aber bis heute ist kein einziger RNA-basierter Impfstoff auf dem Markt. Die Firma CureVac hat in 20 Jahren kein einziges Mittel auf den Markt gebracht. Ob sich der aktuelle Impfstoffkandidat bewährt, könnte also nicht nur beeinflussen, wie es mit der Pandemie weitergeht, sondern auch, ob sich eine interessante Technologie durchsetzt – oder scheitert.

Von CureVacs Zentrale aus führt eine kurvige Straße hinab ins Tal, durch Wohnviertel, in denen man sein Fahrrad nicht anschließt, und an gleich zwei Max-Planck-Instituten vorbei bis zum Institut für Tropenmedizin, in dem die Studie durchgeführt wird. Am Institut ist es an diesem Dienstagmorgen ruhig. Hinter einer gelben Labortür werden die Impfstoffe aus der Grundsubstanz angemischt, die CureVac liefert. An einem speziell belüfteten, sterilen Arbeitsplatz wird hin und her pipettiert, Luftblasen werden aus Spritzen entfernt, jeden einzelnen Arbeitsschritt liest eine Laborassistentin laut vor und dokumentiert ihn. Die Anweisungen füllen mehrere DIN-A4-Seiten. Nichts, aber auch gar nichts darf vom Protokoll abweichen. Ist die Spritze fertig, müssen die Ärzte den Impfstoff innerhalb kürzester Zeit verabreichen. Eine Eieruhr beginnt zu laufen, sie wird zusammen mit dem Impfstoff in einer Plastikschale durch ein Fenster in den Raum gereicht, in dem die Impfung verabreicht wird.

Mehr als 1.000 Euro für die Probandinnen

Dort sitzt Tabea Stetter. Die 27-jährige Probandin lässt ihre tätowierten Beine von einer Liege baumeln, die dünne Nadel sticht in ihren linken Oberarm. Es dauert nur ein paar Sekunden, dann ist CV07050101 unter ihrer Haut. Stetter wird davon nicht viel spüren, nur ein wenig Kopfschmerz am nächsten Tag. Stetter studiert Ethnologie und hat zuvor am Tropeninstitut bereits an einer Studie zu einem Malariaimpfstoff teilgenommen.

Malaria – dafür sind die Tübinger Wissenschaftler weltbekannt: Ein Impfstoff, an dem sie forschen, gilt als äußerst vielversprechend. Aber momentan dreht sich auch hier fast alles um Corona. Die Tropenmediziner prüfen hier auch, ob das Malariamittel Hydroxychloroquin Covid-19-Infizierten möglicherweise helfen kann. Dass sich Medien und Nichtwissenschaftler derart für ihre Arbeit interessieren, ist für die Tropenmediziner, die sonst zu Malaria und anderen Tropenkrankheiten forschen, ungewohnt. Fernsehteams gingen neuerdings ein und aus, Nachrichtenagenturen berichteten über die Studie zu CV07050101 und ihre Probanden, sagt Peter Kremsner, der das Institut leitet. Manchmal sei das ein wenig zu viel. 40 der rund 70 Mitarbeiter, schätzt Kremsners Stellvertreter Carsten Köhler, arbeiteten momentan an Corona-Projekten.

*Anmerkung: In einer früheren Version hieß es, die Studie von CureVac sei momentan die einzige klinische Studie in Deutschland und der EU. Das ist nicht korrekt. Auch das Mainzer Unternehmen BionTech erprobt einen Impfstoffkandidaten in einer Phase I/II-Studie in Deutschland. Wir haben das korrigiert.

Stetter geht nach der Impfung an gelben Labortüren und einer Vitrine mit Holzstatuen aus Gabun, Mali und anderen afrikanischen Ländern vorbei in die Bibliothek, wo andere Probanden und eine Medizinstudentin warten. Sie muss unter ärztlicher Aufsicht noch vier Stunden im Institut bleiben, für den Fall, dass schwere Nebenwirkungen auftreten. Stetter packt eng bedruckte Papiere und einen Textmarker aus: Uniarbeit.

Mehr als 1.000 Euro bekommen Probandinnen für die Teilnahme. Natürlich sei das ein guter Grund mitzumachen, sagt Stetter, aber nicht der einzige. Sie könne nun "ein Teil davon sein, die Pandemie zu bekämpfen", sagt sie. Und das in einer Zeit, in der man außer Maske tragen, Hände waschen und Abstand halten eben nichts tun könne. Ist da nicht auch die vage Hoffnung, dass sie selbst dann immun sei? Nein, sagt sie, sie habe vor, weiter vorsichtig zu sein.

Innerhalb von vier Wochen bekommt Stetter den Impfstoff zweimal gespritzt. Und über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr muss sie mehr als zehnmal ins Institut kommen. Vor Beginn der Studie schauten die Ärztinnen, ob sie eine Krankheit hat, von der sie nichts wusste. Eine Reihe von Labortests stellte sicher, dass Leber, Niere und das Immunsystem normal funktionieren, ein EKG wurde gemacht und ein Rachenabstrich, um eine akute Infektion mit Sars-CoV-2 zum Zeitpunkt der Impfung auszuschließen. Eine solche Infektion könnte die Ergebnisse verfälschen. Anschließend muss Stetter immer wieder zur Blutabnahme in die Klinik. Die Kernfrage, die die Mediziner sich stellen: Wie reagiert das Immunsystem auf den Impfstoff?

Die drei Testphasen

Wie viel Arbeit in einer klinischen Studie stecke, sei den meisten Menschen nicht bewusst, sagt Andrea Kreidenweiss, die am Tübinger Tropeninstitut die wissenschaftliche Koordination der Impfstudie übernommen hat. Innerhalb weniger Wochen mussten Anträge für die Zulassung der Studie geschrieben und an die Ethikkommission der Uni Tübingen und das Paul-Ehrlich-Institut geschickt werden, das in Deutschland für die Sicherheit und Zulassung von Impfstoffen zuständig ist und jeder klinischen Studie mit Impfstoffen zustimmen muss. Anträge, in denen bis ins kleinste Detail dargelegt werden musste, dass man in der Lage sei, die Studie durchzuführen, sagt Kreidenweiss: von der Anzahl der Mitarbeiter mit bestimmten Qualifikationen bis hin zum Notstrom für die Kühlschränke, zwischen 100 und 200 Seiten kommen dabei zusammen.

Auch das Studienprotokoll selbst besteht aus sehr vielen Schritten. Insgesamt 168 Probandinnen und Probanden sollen den CureVac-Impfstoff in der Phase-I-Studie bekommen – das sind mehr als sonst bei solchen Studien. Die Phase I dient dazu, den Impfstoff auf Verträglichkeit zu prüfen und der Dosis näherzukommen, die man braucht, um eine solide Immunreaktion auszulösen. Deshalb bekommen verschiedene Probanden auch verschieden stark dosierte Impfstoffe.

Sollten die Ergebnisse gut ausfallen, sollen weitere Studien folgen, möglicherweise schon im September, so sagte es CureVacs Entwicklungschefin, Mariola Fotin-Mleczek, Mitte Juni bei einer Pressekonferenz. Auf die Phase II könne später dann möglicherweise an besonders stark von der Pandemie betroffenen Orten weltweit auch eine Phase-III-Studie mit Tausenden von Probanden folgen. Ehe ein Impfstoff zugelassen wird, muss unter lebensechten Bedingungen gezeigt werden, dass Menschen, die geimpft werden, weniger schwer erkranken. Bis der Impfstoff auf den Markt kommt, sofern er sich als guter Kandidat erweist, dauert es also noch.

CureVac baut aus

CureVac baut vorsorglich seine Produktionskapazitäten trotzdem bereits aus. Pro Jahr, heißt es vom Unternehmen, könne man schon heute Hunderte Millionen Impfdosen herstellen. Eine neue Anlage, die in den kommenden Jahren fertig werden soll, könnte die Kapazitäten auf mehr als eine Milliarde Dosen pro Jahr steigern. Für die Anlage haben die Europäische Entwicklungsbank und die EU-Kommission der Firma 75 Millionen Euro an Darlehen gegeben.

Seit der Pressekonferenz im Juni ist es um die Firma ruhig geworden. ZEIT ONLINE bat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um Gespräche, doch sie dürfen nicht mit Reportern sprechen. Auch die Presseabteilung verweist lediglich auf die Informationen auf der Website. Diese Stille hat, das ist ein offenes Geheimnis, vor allem einen Grund: CureVac wird wohl noch im Juli an die amerikanische Technologiebörse Nasdaq gehen – und will nun keine Turbulenzen.

Seit mittlerweile 20 Jahren sammelt CureVac Geld von Investoren, von großen Stiftungen, aus Kooperationen mit Pharmaunternehmen wie Boehringer Ingelheim und von der internationalen Impfstoffinitiative CEPI. Die Zahl der Mitarbeiter hat sich in den vergangenen drei bis vier Jahren verdoppelt. Für das Unternehmen ist die Pandemie die Chance, weiter zu wachsen. Der Großteil der Mitarbeiter sei auf die eine oder andere Weise an Covid-19-Projekten beteiligt, heißt es.

Dabei hat CureVac es bisher nicht geschafft, ein einziges Produkt auf den Markt zu bringen. Ob eine Lassafieberimpfung, eine Immuntherapie gegen Lungenkrebs oder die neue Covid-19-Impfung – alles befindet sich in vorklinischen Tests oder in einer Phase-I-Studie, ist also weit von einer Markteinführung entfernt. Eine Impfung gegen metastasierten Prostatakrebs zeigte in einer Phase-II-Studie keine Wirksamkeit (Annals of Oncology: Stenzl et al., 2017).

Auch wenn 20 Jahre ohne Marktreife eines Produktes nach einer Ewigkeit klingen – in der Entwicklung von Wirkstoffen sind sie es nicht. Um eine Arznei von der Idee bis in den Arzneimittelschrank von Apotheken und Kliniken zu bringen, brauchen Pharmakonzerne vor allem Zeit. Eine ältere Analyse schätzt, dass von der Idee bis zur Zulassung bei Impfungen, die ja einen Großteil von CureVacs Portfolio ausmachen, im Schnitt mehr als zehn Jahre vergehen (PlosOne: Pronker et al., 2013).

Dass es bisher kein CureVac-Mittel zu kaufen gibt, liegt auch daran, dass das Unternehmen viel Grundlagenforschung betreiben musste. "The RNA people" nennt sich CureVac selbst, die RNA-Leute. Der Ansatz, den das Unternehmen – auch bei der Covid-19-Impfung – verfolgt, ist dabei noch recht neu: Es stellt Arzneien und Impfstoffe her, die auf dem Erbgutmolekül RNA beruhen. Anfang der Neunzigerjahre entdeckten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieses Potenzial. Sie spritzen Mäusen RNA-Moleküle in die Muskeln und sahen, dass die Zellen der Mäuse die Proteine, deren Baupläne auf den RNA-Schnipseln verzeichnet waren, selbst zu bilden begannen (Science: Wollf et al., 1990). Die RNA musste demnach direkt in die Zellen gelangt sein, die Erbinformation ausgelesen und in Proteine übersetzt worden sein. Es ist ein Prozess, der in Körperzellen stetig abläuft: Der Körper bildet RNA, die in Proteine übersetzt wird, die wiederum für die Funktion von Zellen essenziell sind.

Die Gründer von CureVac wiesen dann um die Jahrtausendwende nach, dass RNA auch das Immunsystem stimuliert (European Journal of Immunology: Hoerr et al., 2000). Spritzte man Mäusen den Bauplan für ein Protein, bildeten sie sowohl Antikörper als auch T-Zellen, die sich gegen den Stoff richteten. Beste Bedingungen also für eine Impfung.

Seitdem arbeitet CureVac, wie übrigens auch andere Unternehmen und Universitäten, an RNA-Impfstoffen. Sie verpacken RNA-Moleküle mit Bauplänen für die Oberflächenstrukturen von Krankheitserregern auf verschiedene Weise, um das Immunsystem von Menschen so anzuregen, dass es sich gegen die Eindringlinge wehrt (Nature Reviews: Pardi et al., 2018). Im Labor gelingt das immer wieder gut, die Wirkweise ist plausibel. Die Bilanz klinischer Studien an Menschen aber fällt bisher nicht besonders gut aus.

In der Covid-19-Pandemie soll sich das ändern. Längst gibt es ein Wettrennen zwischen verschiedenen Unternehmen, die mit der RNA-Technologie arbeiten. Die Sars-CoV-2-Pandemie soll der Technologie zum Durchbruch verhelfen. Und zumindest einen Teil der Entwicklungskosten für die langjährige Forschung an RNA wieder einspielen. Darauf setzen mehrere Unternehmen. Von den rund 25 Impfstoffen, die bereits an Menschen erprobt werden, sind mindestens sechs RNA-Impfstoffe. Die US-amerikanische Firma Moderna will laut der New York Times schon im Juli mit einer Phase-III-Studie beginnen. Das Mainzer Unternehmen BioNTech testet schon seit Wochen in Deutschland und den USA in einer Phase-I/II-Studie seinen Impfstoffkandidaten.

Dass diese Studien überhaupt zugelassen wurden, kann man als ersten Erfolg werten, denn für die Zulassung klinischer Studien müssen die Unternehmen den Zulassungsbehörden erste eindeutige Belege dafür vorlegen, dass ihr Impfstoff unschädlich und wirksam ist.

Tabea Stetter darf nach den vier Stunden in der Bibliothek nach Hause gehen. Ihr Körper arbeitet weiter. Die RNA aus dem Impfstoff dürfte sich in die ersten Körperzellen geschleust haben, an einigen Stellen dürften diese Zellen sie schon in Proteine übersetzt haben. Vielleicht hat das schon erste Immunzellen angelockt. Kleine Schritte, die für Stetter kaum merklich ablaufen.

 

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Corona-Impfstoff: "Natürlich spüren wir den Druck"

 

Russland hat einen Impfstoff zugelassen. In der EU bei dieser Datenlage undenkbar. Sicherheit gehe vor, sagt der leitende Mediziner der Europäischen Arzneimittel-Agentur.

Das Rennen um den ersten Impfstoff gegen das Coronavirus scheint einen Gewinner zu haben: Russlands Präsident Wladimir Putin verkündete am Dienstag, dass Sputnik V, ein am Moskauer Gamaleya-Institut entwickelter Impfstoff, nun offiziell zugelassen und spätestens ab Oktober für die breite Bevölkerung zugänglich sei. Doch bislang haben die beteiligten Forscher und Expertinnen keine Details zu Sputnik V veröffentlicht. Daten zu den Tests sucht man bislang vergebens. Hans-Georg Eichler ist der leitende Mediziner der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency, EMA). Er erklärt, warum genau dies aber in diesen Zeiten so wichtig ist und unter welchen Bedingungen ein Vakzin in Europa zugelassen werden könnte.

ZEIT ONLINE: Es heißt, der russische Impfstoff habe die dritte Testphase noch gar nicht durchlaufen und sei bislang nur an ein paar wenigen Personen erprobt worden. Welche Risiken bestehen, wenn man das Testverfahren derart abkürzt?

Hans-Georg Eichler: Über den russischen Impfstoff selbst möchte ich nichts sagen, weil ich nicht weiß, an wie vielen Personen er tatsächlich getestet wurde. Grundsätzlich gilt: Bei jedem Arzneimittel muss man den Nutzen gegenüber den Risiken abwägen. Die Daten dazu aus einer kleinen Studie mit nur wenigen Teilnehmern zu erfahren, ist schwierig. Erstens lassen sich so seltene Nebenwirkungen nicht erkennen und zweitens ist nicht hundertprozentig feststellbar, ob der Impfstoff eine protektive Wirkung hat, also vor dem lebenden Virus schützt. Ich kann zwar die Impfung ein paar wenigen Menschen verabreichen, ihnen Blut abnehmen und messen, ob der Impfstoff zu einer Immunantwort geführt hat. Das klingt wunderbar einfach – doch die Bildung von Antikörpern bedeutet nicht gleich, dass sie auch wirklich vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen. Da besteht leider keine hundertprozentige Korrelation. Um das herauszufinden, muss ich viel mehr Personen testen – etwa in einer Phase III.

ZEIT ONLINE: Trotzdem hat Russland seinen Impfstoff zugelassen. Welche Kriterien müssten dafür in Europa erfüllt sein?

Eichler: Als European Medicines Agency sind wir es der europäischen Bevölkerung schuldig, dass die Impfstoffe, die wir zulassen, ein positives Nutzen-Risiken-Verhältnis haben und dass wir die Bevölkerung informieren, was die zu erwartenden Nebenwirkungen sind und ob der Impfstoff auch wirklich schützt. Unser Standard ist der Nachweis der Schutzwirkung im Feld. Wir wollen nicht nur zeigen, dass es zu einer Immunantwort kommt, sondern wir wollen sehen, dass die Menschen draußen im Alltag und nicht nur unter Laborbedingungen tatsächlich geschützt sind. Dafür braucht es mehrere tausend Probanden, die wir eine ganze Weile beobachten müssen.

ZEIT ONLINE: Gerade in dieser Pandemie könnte man aber auch argumentieren, dass der Nutzen einer Impfung ein höheres Risiko rechtfertigt.

Eichler: Das ist eine ethische Frage. Aber ehe ich so ein Urteil fällen kann, muss ich ja wissen, welchen Impfstoff ich da überhaupt vor mir habe. Nur zu sagen: Wir haben einen hohen Druck, da lassen wir einfach alles zu, das ist für die EMA nicht akzeptabel. Natürlich spüren wir den Druck und natürlich wissen wir, dass der Impfstoff möglichst schnell auf den Markt kommen sollte. Aber nur, wenn er wirklich hilft. Deswegen versuchen wir mit den Impfstoff-Herstellern Wege zu finden, wie wir den Prozess beschleunigen können, ohne Abstriche bei Sicherheit und Wirksamkeit zu machen.

ZEIT ONLINE: Wie sieht so eine Beschleunigung aus?

Eichler: Wir verwenden mehr Ressourcen auf die schnellere Beurteilung von Impfstoffen und können so rascher arbeiten. Und wir können Entwicklungsschritte parallelschalten, statt sie seriell ablaufen zu lassen, wie das bei gewöhnlichen Impfstoffentwicklungen der Fall ist. Zum Beispiel könnte man Tierversuche parallel zu ersten Humanversuchen laufen lassen – natürlich ohne die Gesundheit der Versuchspersonen zu gefährden. Oder man kann einzelne immunologische Studien aus der Phase II zeitgleich mit Phase-III-Testungen machen. Das heißt, wir verschachteln die einzelnen Schritte, um Zeit zu sparen. Außerdem gibt es zwischen solchen Schritten immer sogenannte white spaces, in denen nicht viel passiert, weil man den nächsten Schritt vorbereitet. Da können schon mal sechs Monate verloren gehen. Die Zeit haben wir aber gerade nicht.

ZEIT ONLINE: Der Druck ist nun jedenfalls noch größer. Welche Auswirkungen hat der russische Vorstoß auf andere Impfstoffprojekte?

Eichler: Das kann ich nicht sagen. Für die Arbeit der europäischen Zulassungsbehörde macht es jedenfalls keinen Unterschied. Denn wir brauchen nicht irgendeinen Impfstoff, sondern einen, der sicher und wirksam ist. Nur, weil es jetzt in einer anderen Region der Erde einen Impfstoff gibt, von dem wir nichts Genaueres wissen, werden wir an unseren Kriterien nichts ändern. Uns interessiert nicht, woher ein Impfstoff kommt, sondern vielmehr, ob die Daten glaubwürdig sind.

ZEIT ONLINE: Angenommen, es lägen genug Daten vor, um den russischen Impfstoff beurteilen zu können: Würden Sie die offiziellen Anforderungen runterschrauben, wenn die Daten ergäben, dass der Impfstoff verträglich und wirksam ist?

Eichler: Bei manchen Impfstoff-Studien gibt es Zwischenanalysen. Stellen Sie sich vor, der Impfstoff hat eine hundertprozentige Wirkung und praktisch keine Nebenwirkung. Wäre es dann noch ethisch, zusätzlich zu den bereits getesteten 20.000 Menschen weitere 10.000 Personen zu testen, nur weil das so vorgeschrieben ist? Vielleicht nicht – und darum macht man Zwischenanalysen. So kann man sagen: Die Evidenz ist so überwältigend, dass wir aus ethischen Gründen die Studie stoppen und den Impfstoff zur Verfügung stellen sollten.

ZEIT ONLINE: Welche Gruppen sollten den Impfstoff am ehesten erhalten, wenn denn auch in Europa einer zugelassen wird?

Eichler: Wir wissen, dass die Nutzen-Risiko-Abschätzung nicht für alle Personen die gleiche ist. Ältere Menschen haben beispielsweise ein schwächeres Immunsystem, die Wirksamkeit einer Impfung könnte bei ihnen also geringer sein oder sie bräuchten eine höhere Dosis. Es ist unsere Aufgabe, das Nutzen-Risiken-Verhältnis für die einzelnen Subgruppen abzuschätzen und den optimalen Gebrauch des Impfstoffes auszuloten.

ZEIT ONLINE: Das heißt, die Gruppen mit dem besten Nutzen-Risiko-Verhältnis kriegen den Impfstoff als Erstes?

Eichler: So einfach ist das nicht: Wir können nur darstellen, bei welchen Subgruppen die Nutzen-Risiko-Abschätzung positiv ist. Sollte sich bei einer Gruppe herausstellen, dass die Bilanz negativ ist, würden wir diese Gruppen aus der Zulassung herausstreichen, das nennt man dann Kontraindikation. Der Rest unserer Arbeit ist beschreibend. Es liegt letztlich an den verschreibenden Ärztinnen und Ärzten, den Einzelpersonen oder auch an den Entscheidungsträgern, zu sagen: Wem wollen wir den Impfstoff primär zur Verfügung stellen?

ZEIT ONLINE: Wie wird es weitergehen, wenn ein Impfstoff zugelassen und verfügbar ist?

Eichler: Es besteht oft der fälschliche Eindruck, dass das Ende der Forschung erreicht ist, wenn ein Impfstoff zugelassen wird. Das stimmt nicht: Auch nach der Markteinführung müssen noch weitere Studien und Beobachtungen durchgeführt werden. Denn selbst nach einer Testung mit 20.000 Personen können wir noch nicht alles über einen Impfstoff wissen. Ob er etwa auch die Spätfolgen einer Corona-Infektion vermeiden kann oder ob es umgekehrt zu Spätfolgen durch die Impfung kommen kann.

ZEIT ONLINE: Was kann man aus der aktuellen Lage für zukünftige Impfstoff-Entwicklungen lernen?

Eichler: Nach dieser Pandemie werden wir sicher etwas gelernt haben, wie wir Studien beschleunigen können zum Beispiel oder wie wir die Entwicklung im vorklinischen Bereich verkürzen können. Da werden wir definitiv Lernprozesse haben und sind dann hoffentlich für eine nächste Krise dieser Art besser vorbereitet.

Ich meine: Bis ein zu 100% wirkungsvoller Impfstoff gefunden wird, vergehen Jahre und dennoch sind dann immer noch nicht alle Nebenwirkungen von diesem bekannt!

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Zulassung noch dieses Jahr möglich  

Impfstoff-Hoffnung aus Oxford: Das Mittel wirkt gleich zweifach

Für einen Impfstoff der Universität Oxford und des Pharmakonzerns AstraZeneca könnte noch dieses Jahr der Antrag auf Zulassung gestellt werden. Experten geben eine positive Prognose ab.

Die Zulassung eines britisch-schwedischen Corona-Impfstoffes kann Forschern zufolge möglicherweise noch in diesem Jahr beantragt werden. Bis dahin könnten genügend Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit des Mittels vorliegen, berichtete Andrew Pollard von der Universität Oxford dem Sender BBC. Er ist mit einer Forschungsgruppe an der Entwicklung des Vakzins beteiligt.

Es handelt sich um ein Mittel des britisch-schwedischen Pharmakonzerns AstraZeneca und der Universität Oxford, das zum Kreis der erfolgversprechenden Impfstoffkandidaten zählt. Nach einer eventuellen Zulassung müsste der Impfstoff aber erst noch in großen Mengen produziert werden, bis große Bevölkerungsgruppen damit versorgt werden könnten.

Experten hatten zuvor in der britischen Medizin-Zeitschrift "The Lancet" berichtet, dass der Impfstoff sicher zu sein scheint und das Immunsystem ankurbelt. Das Mittel wirkt den Angaben zufolge gleich zweifach: Es fördert sowohl die Bildung von spezifischen Antikörpern als auch von T-Zellen - beide sind für die Immunabwehr wichtig. Ob das Mittel aber tatsächlich vor einer Coronainfektion schützt, ist noch nicht endgültig nachgewiesen.

Deutschland sicherte sich Dosen des Impfstoffs

Wie die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für Deutschland bereits 54 Millionen Dosen des Impfstoffes gesichert. Zusätzlich gebe es die Option auf 18 Millionen weitere Dosen.

Derzeit befinden sich weltweit einige wenige Impfstoff-Kandidaten in der entscheidenden klinischen Erprobungsphase, darunter das Mittel von AstraZeneca und der Uni Oxford. Das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) schätzt, dass frühestens Ende dieses, Anfang nächsten Jahres ein Mittel zugelassen werden könnte.

Der britisch-schwedische Impfstoff werde in GroßbritannienBrasilien und Südafrika an insgesamt 20.000 Menschen getestet, berichtete Pollard. Auch in den USA soll das Vakzin erprobt werden. Der Wissenschaftler geht insgesamt von etwa 50.000 Personen aus, die den Impfstoff erhalten.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte kürzlich erste Studien-Ergebnisse zu dem Impfstoff als "gute Nachricht" begrüßt. "Dennoch ist es noch ein langer Weg", sagte ein WHO-Experte

 

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Biontech will Werk für Impfstoffproduktion übernehmen

 

 

Für die Herstellung eines möglichen Corona-Impfstoffs will das Mainzer Unternehmen Biontech von dem Schweizer Pharmakonzern Novartis dessen Produktionsstätte in Marburg übernehmen.

Das Geschäft soll noch vor Jahresende abgeschlossen werden, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Biontech plant unter Vorbehalt der behördlichen Genehmigung, in dem Werk bereits im ersten Halbjahr bis zu 250 Millionen Dosen des möglichen Impfstoffs herstellen zu können. In dem Werk in Marburg sind den Angaben zufolge rund 300 Mitarbeiter beschäftigt.

Über den Kaufpreis machten weder Biontech noch Novartis Angaben. Der Vertrag wurde am Mittwochabend unterzeichnet. Die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten in Marburg bleiben laut Novartis von der Übernahme unberührt.

Das Mainzer Biopharma-Unternehmen und sein US-Partner Pfizer wollen im Falle eines Erfolgs der aktuell laufenden klinischen Studie zu ihrem möglichen Corona-Impfstoff im Oktober den Antrag auf Marktzulassung stellen. Beide Unternehmen hatten Ende Juli einen weltweiten Test zu dem möglichen Impfstoff mit derzeit 29.000 Probanden gestartet. Für die klinische Untersuchung der Phasen II/III - mit dem Ziel einer Überprüfung der Wirksamkeit sowie möglicher Nebenwirkungen und der Bestimmung der geeigneten Dosis - war der Wirkstoff BNT162b2 als Hauptkandidat ausgewählt worden.

«Dieser Zukauf unterstreicht Biontechs Engagement, die Produktionskapazitäten erheblich zu erweitern, um nach Marktzulassung eine weltweite Versorgung mit einem potenziellen Impfstoff zu ermöglichen», sagte Finanzvorstand Sierk Poetting. «Wir arbeiten eng mit Novartis zusammen, um einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen.»

Heinrich Moisa, Geschäftsführer von Novartis Deutschland, sagte: «Wir sind davon überzeugt, dass Biontech die richtigen Voraussetzungen vorfindet, um mitzuhelfen, die aktuell wohl größte globale Herausforderung zu bekämpfen und den Pharmastandort Marburg als wichtigen Teil der Pharma- und Impfstoffproduktion in Deutschland und Europa zu stärken.»

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Pharmabranche : Johnson & Johnson will Corona-Impfstoff Anfang 2021 auf den Markt bringen

 

Der US-Pharmakonzern startet die letzte Impfstoffstudie mit 60.000 Teilnehmern. Damit befinden sich nun schon vier Kandidaten eines Wirkstoffs gegen Covid-19 in der finalen Testphase.

In der Pharmaindustrie hat auf breiter Basis die entscheidende Phase bei der Suche nach einem Corona-Impfstoff begonnen. Am heutigen Mittwoch läutet der US-Konzern Johnson & Johnson (J &J) die letzte klinische Forschungsstudie für seinen Impfstoffkandidaten ein.

Es wird der bisher größte Test eines Corona-Schutzwirkstoffs am Menschen: Weltweit sollen nach Angaben des Unternehmens 60.000 Erwachsene an der Studie teilnehmen. Zeigt die Impfung eine Schutzwirkung, und erweist sie sich als verträglich und sicher, könnten die ersten Impfstoffe für den Notfalleinsatz Anfang nächsten Jahres zur Verfügung stehen.

J &J ist damit das vierte Pharmaunternehmen, das nach vielversprechenden Daten die alles entscheidende dritte Testphase begonnen hat. Die deutsche Biotechfirma Biontech prüft ihren Impfstoff bereits an rund 45.000 Menschen weltweit, beim US-Biotechkonzern Novavax sind es 26.000 Personen. Der britische Pharmakonzern Astra-Zeneca wird seine finalen Tests auf 44.000 Viruserkrankte ausweiten.

Diese Projekte werden von den USA im Rahmen der Warp-Speed-Initiative gefördert, für die der US-Kongress rund zehn Milliarden Dollar bewilligt hat. Unter anderem will das US-Gesundheitsministerium damit erreichen, dass ab Januar 2021 in den USA 300 Millionen Dosen eines sicheren und wirksamen Vakzins zur Verfügung gestellt werden können. Alle vier Firmen haben aber auch mit der EU Lieferabkommen in Millionenhöhe abgeschlossen, wenn die Mittel dort zugelassen werden.

„Ein weiterer wichtiger Impfstoff geht in die dritte Forschungsphase“, kommentierte US-Immunologe Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) der USA, mit Blick auf Johnson & Johnson. Damit ein Zulassungsantrag gestellt werden kann, muss ein Impfstoff insgesamt drei Phasen der Erprobung am Menschen erfolgreich durchlaufen.

Der Impfstoff von J &J hat eine andere Wirkungsweise als die Projekte von Biotechfirmen. Es sei wichtig, eine Bandbreite an verschiedenen Impfstoffen zu haben, erläutert Francis Collins, Direktor des amerikanischen Gesundheitsinstituts NIH. Denn Verträglichkeit und Wirksamkeit können sich je nach Bevölkerungsgruppe unterscheiden. Grundsätzlich soll zudem möglichst schnell eine möglichst große Menge an Mitteln zur Verfügung stehen.

Moderna und Biontech setzen auf gentechnisch veränderte Botenstoffe

Die Impfstoffe von Moderna und Biontech basieren auf einem gentechnisch veränderten Botenstoff (mRNA-Technologie), der den Körper zur Produktion von Antikörpern gegen das Sars-CoV-2 Virus anregen soll. J &J hingegen setzt auf einen Vektor-Impfstoff, bei dem ein harmloses Virus als Transportvehikel für den Impfstoff fungiert. Der enthält bestimmte Proteine des Coronavirus, die die Immunantwort des Körpers anregen. Diesen Weg geht auch Astra-Zeneca mit seinem Impfstoff.

Die Technologie ist von Johnson & Johnson bereits seit Jahren erprobt. Sie wurde unter anderem auch bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Ebola, das Zika-Virus und HIV eingesetzt, sodass bereits viele Sicherheitsdaten aus mehr als 100.000 Impfungen zurückliegender Studien vorliegen, wie J &J-Forschungschef Paul Stoffels betonte. US-Immunologe Fauci und Stoffels haben über Jahre in gemeinsamen Forschungsprojekten zu HIV zusammengearbeitet.

Das J &J-Mittel könnte einen weiteren Vorteil haben: Während bislang bei den Covid-19-Impfstoffen vielfach von einer zweimaligen Impfung ausgegangen wird, um die notwendige Immunantwort zu erzielen, erprobt der Konzern in seinen Studien eine einmalige Dosis.

Die Ergebnisse der klinischen Phase eins und zwei hätten die guten Ergebnisse der präklinischen Studien fortgesetzt, sagte Stoffels. „Wir sind überzeugt, dass die einmalige Dosis sehr wirksam ist“, so der Forschungschef. Er betonte zugleich, dass der Impfstoff auch gut verträglich gewesen sei.

Ergebnisse der bisherigen klinischen Studien will J &J in Kürze veröffentlichen. Die Phase-3-Studie des Impfstoffs soll in den USA, Südafrika, verschiedenen südamerikanischen Staaten und Mexiko laufen. Die Kosten von mehr als 480 Millionen Dollar für die Phase-3-Studie werden von den US-Instituten NIH und NIAID sowie J &J gemeinsam getragen.

Johnson & Johnson war im Januar, als die genetische Sequenz des neuartigen Coronavirus verfügbar war, in die Suche nach einem Impfstoff eingestiegen. Wie viele andere Unternehmen hat der Pharmakonzern die Entwicklung, die normalerweise viele Jahre dauert, in wenigen Monaten vorangetrieben. Das Unternehmen arbeitet dabei auch mit dem Barda-Institut zusammen, das zum US-Gesundheitsministerium gehört.

Impfstoff soll zunächst zum Selbstkostenpreis abgegeben werden

Ende März gelang es dem Unternehmen, aus einer Vielzahl von Impfstoffkandidaten einen vielversprechenden Wirkstoff gegen Covid-19 zu identifizieren. Nach positiven Studiendaten aus Tierversuchen und Abstimmung mit den Zulassungsbehörden konnte die erste Studie am Menschen Mitte Juli dieses Jahres starten – und damit zwei Monate früher als geplant. Seit Ende August läuft eine Phase-2-Studie unter anderem auch an drei klinischen Zentren in Deutschland: an der Berliner Charité, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und dem Uniklinikum Rostock.

Johnson & Johnson will im Laufe des kommenden Jahres global mehr als eine Milliarde Impfdosen zur Verfügung stellen. Deshalb werden parallel zur klinischen Entwicklung bereits weltweit die Produktionskapazitäten erhöht. Dazu kooperiert J &J unter anderem mit den US-amerikanischen Herstellern Emergent BioSolutions sowie Catalent Biologics. Beide Firmen reservieren ab dem kommenden Jahr Produktionskapazitäten für den J &J-Impfstoff.

J &J hatte bereits angekündigt, in der akuten Pandemiephase den künftigen Impfstoff zum Selbstkostenpreis abzugeben. Mit der US-Regierung wurde im August eine Vereinbarung getroffen, dass 100 Millionen Dosen für den Notfallgebrauch zur Verfügung gestellt werden, sobald der Impfstoff durch die amerikanische Zulassungsbehörde FDA für den Notfallgebrauch zugelassen ist. Im Rahmen einer Folgevereinbarung kann die US-Regierung dann weitere 200 Millionen Impfdosen des Impfstoffkandidaten erwerben.

Mitte August wurde eine ähnliche Vereinbarung mit der EU-Kommission getroffen. Danach will Johnson & Johnson 200 Millionen Dosen seines Covid-19-Impfstoffkandidaten für den Einsatz in der Europäischen Union zur Verfügung stellen, sobald dieser zugelassen ist. Die EU-Kommission hat darüber hinaus die Option, zusätzlich bis zu 200 Millionen Impfstoffdosen zu erwerben.

Aktuell sind weltweit mindestens 195 Impfstoffprojekte gegen das Sars-CoV-2-Virus angelaufen, das erst seit Neujahr bekannt ist. Das zeigen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation und Recherchen des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller.

 

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Corona-Geimpfte sollen absichtlich dem Virus ausgesetzt werden

In London sollen ab Januar gegen Sars-CoV-2 Geimpfte absichtlich mit dem Erreger in Kontakt gebracht werden – freiwillig. Das Vorgehen ist höchst umstritten. Alle Infos im Newsblog.

Weltweit haben sich laut Johns-Hopkins-Universität mehr als 32,1 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert, mehr als 981.660 Erkrankte sind gestorben (Stand: 26. September).

 
Corona-Geimpfte sollen absichtlich dem Virus ausgesetzt werden 

In London sollen einem Bericht zufolge Menschen für Impfstoff-Tests absichtlich mit dem Coronavirus in Kontakt gebracht werden. Gesunde, erwachsene Freiwillige sollen dabei im neuen Jahr unter kontrollierten Quarantäne-Bedingungen dem Coronavirus ausgesetzt werden, nachdem sie einige Wochen zuvor einen potenziellen Impfstoff verabreicht bekommen haben, wie die "Financial Times" unter Berufung auf Projektbeteiligte schreibt.

Mit diesem Vorgehen kann die Wirksamkeit eines Impfstoff unmittelbar festgestellt werden kann. "Human Challenge Trials", so der englische Name, sind unter Wissenschaftlern allerdings umstritten. Einige betonen den großen Nutzen, den solche Studien für eine ganze Gesellschaft haben könnten. Andere äußern ethische Bedenken und verweisen auf enorme gesundheitliche Risiken, die die Infektion mit einem in vieler Hinsicht noch unerforschten Erreger wie Sars-CoV-2 haben könnte.

Dem Bericht zufolge handelt es sich dabei um die ersten Versuche dieser Art weltweit. Es sollen sich bereits rund 2.000 Freiwillige für das Projekt gefunden haben.

RKI: Wieder über 2.000 Infizierte – wieder zweistellige Todeszahlen

Die Zahl der neuen registrierten Corona-Infektionen in Deutschland liegt weiterhin über der Schwelle von 2.000. Innerhalb eines Tages haben die Gesundheitsämter in Deutschland 2.153 neue Corona-Infektionen gemeldet, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Freitagmorgen bekanntgab. Am Samstag war mit 2.297 neuen bekannten Corona-Infektionen der höchste Wert seit April erreicht worden. Allerdings lag damals die Zahl der Tests noch deutlich niedriger. Am Donnerstag hatte die Zahl der neu gemeldeten Corona-Fälle bei 2.143 gelegen.

Seit Beginn der Corona-Krise haben sich nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Freitagmorgen mindestens 280.223 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert (Datenstand 25.9., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion liegt nach RKI-Angaben bei 9.443. Das sind 15 mehr als am Vortag. Rund 248.500 Menschen haben die Infektion nach RKI-Schätzungen überstanden.

Rio de Janeiro verschiebt Karneval für unbestimmte Zeit

Der weltberühmte Karneval von Rio de Janeiro fällt im kommenden Februar wegen der Corona-Pandemie aus. Das Spektakel werde für unbestimmte Zeit verschoben, teilten die Organisatoren am Donnerstag mit. Beim Karneval von Rio feiern jedes Jahr Millionen von Menschen in den Straßen und an den Stränden.

"Wir sind zu der Schlussfolgerung gelangt, dass das Ereignis verschoben werden muss", erklärte der Chef des Sambaschulen-Verbandes Liesa, Jorge Castanheira. Der Verband organisiert die aufwändigen und spektakulären Karnevalsparaden. Die Sambaschulen hätten nicht ausreichend Zeit und genügend finanzielle wie organisatorische Ressourcen, um die Karnevalsparaden bis Februar vorzubereiten, erläuterte Castanheira.

Brasilien gehört zu dem am schlimmsten von der Corona-Pandemie heimgesuchten Ländern der Welt, Rio de Janeiro zählt dort zu den am stärksten betroffenen Großstädten. Bislang wurden in Brasilien rund 139.000 Todesopfer durch die Pandemie gezählt, das ist nach den USA die zweithöchste Zahl der Welt.

Mehr als sieben Millionen Positiv-Tests in den USA

In den USA sind mittlerweile in mehr als sieben Millionen Fällen Menschen positiv auf das Coronavirus getestet worden. Das ergeben Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Zahl entspricht mehr als 20 Prozent der weltweiten Positiv-Tests. Die USA liegen damit auf Platz eins, gefolgt von Indien mit 5,7 Millionen Fällen und Brasilien mit 4,6 Millionen. Die Zahl der Gestorbenen, die positiv getestet wurden, überstieg in den Vereinigten Staaten vor ein paar Tagen die Marke von 200.000.

Spahn gegen bundesweite Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich gegen eine bundesweite Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen ausgesprochen. "Aus meiner Sicht macht es Sinn, dass das tatsächlich lokal, regional, nach dem Infektionsgeschehen auch passiert", sagte der CDU-Politiker am Donnerstagabend in den ARD-"Tagesthemen". Es komme immer darauf an, was die Quelle für erhöhte Infektionszahlen sei.

"Wir haben ja gewusst, dass mit den Lockerungen, die es gegeben hat über die letzten Wochen und Monate, es auch wieder zu steigenden Infektionszahlen kommen kann", so Spahn. "Wichtig ist, wir sehen ja jetzt vor allem, wo sie passieren. Sie passieren nicht im Einzelhandel, nicht vor allem in Kitas und Schulen, sondern eben vor allem beim Feiern." Deswegen sei es richtig, dass die Städte und Regionen, wo die Infektionszahlen besonders stark gestiegen seien, lokal Maßnahmen ergriffen hätten.