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Energiepolitik

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Experten befürchten Wohlstandsverluste - Habeck will Deutschland jetzt auf Energie-Diät setzen

Für Wirtschaft und Klimaschutz in Deutschland zuständig: Grünen-Politiker Robert Habeck IMAGO/Chris Emil Janßen

Für Wirtschaft und Klimaschutz in Deutschland zuständig: Grünen-Politiker Robert Habeck IMAGO/Chris Emil Janßen© IMAGO/Chris Emil Janßen

Nach dem noch nicht beendeten Streit ums Gebäudeenergiegesetz ist vor dem Ärger ums Energieeffizienzgesetz. Denn damit will Klimaschutzminister Habeck Deutschlands Energieverbrauch verschlanken. Wirtschaftsexperten prognostizieren Wohlstandsverluste in der Bundesrepublik.

Vom Gebäudeenergiegesetz (GEG) haben die meisten Bürger wohl schon mal gehört, es ist bekannt geworden als „Habecks Heiz-Hammer“. Diese Woche neu auf dem Markt der Gesetzesvorhaben eingetroffen ist das sogenannte Wärmeplanungsgesetz unter Federführung von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), das sich bislang für Kritiker trotz richtiger Ansätze als wahres Bürokratiemonster liest.

Bereits einen Schritt weiter – und erstaunlicherweise trotzdem weitgehend unter dem Radar – fliegt das Energieeffizienzgesetz mit dem sperrigen Kürzel EnEfG. Deren Inhalt hat es aber ebenfalls in sich: Die Ampel-Koalition will den deutschen Energieverbrauch per Gesetz bis 2030 um über ein Viertel senken. Schon gibt es Kritik sowohl aus den eigenen Reihen als auch aus der Wirtschaft, die es vor allem treffen würde.

Beschlossen wurde die Energie-Diät nach Habeck am 19. April im Bundeskabinett. Am 25. Mai hat der Bundestag erstmals darüber beraten. In Kraft treten soll das EnEfG am 1. Januar 2024 und in den Folgejahren den deutschen Endenergieverbrauch um 26,5 Prozent gegenüber 2008 abspecken. Gegenüber heute sind das 22 Prozent. Anders als der Name suggeriert geht es aber nicht primär um Effizienz, sondern um eine Deckelung des Energieverbrauchs.

Habeck will Energieverbrauch in Deutschland deutlich senken

Mit dem Entwurf eines „Gesetzes zur Steigerung der Energieeffizienz“ greift das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) von Robert Habeck einer noch nicht in Kraft getretenen EU-Richtlinie vor. Um diese „Green-Deal“-Vorschrift umzusetzen, sind aber gerade für Unternehmen kostspielige Maßnahmen vorgesehen, zum Beispiel verpflichtende Energieverbrauchskontrollen.

Zudem soll ausnahmsweise auch die öffentliche Hand hier als Vorbild vorangehen. So definiert das Gesetz für staatliche Stellen konkrete Einsparvorgaben. Und auch explizit für Rechenzentren sollen neue Energiestandards gelten. Habeck ist überzeugt: „Klimaschutz und Energiewende können nur erfolgreich umgesetzt werden, wenn wir auch die Verbrauchsseite stärker in den Blick nehmen.“

Und weiter: „Es muss uns gemeinsam gelingen, den Energieverbrauch in Deutschland deutlich und dauerhaft zu reduzieren. Im letzten Jahr haben wir gemeinsam gezeigt, dass das möglich ist. Mit dem neuen Gesetz schaffen wir jetzt einen klaren Rahmen.“

Wirtschaftspolitik der Bundesregierung wirkt diffus

Aus einem Guss wirkt diese Wirtschaftspolitik indes nicht. Wieso einerseits auf Energieeinsparungen pochen und andererseits einen verbilligten Industriestrompreis von 6 Cent je Kilowattstunde ins Spiel bringen? Doch diesen Widerspruch hat Habeck bislang noch nicht aufgelöst.

Der energiepolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Michael Kruse, mahnte bereits an: „Das Energieeffizienzgesetz soll übergeordnetes europäisches Recht in Deutschland umsetzen. Damit dieser Entwurf ein guter wird, sind noch eine ganze Reihe an Verbesserungen erforderlich: Das Gesetz muss wesentlich mehr Nutzen stiften, als es Kosten verursacht.“

Dies ist Kruse zufolge im aktuellen Entwurf aber nur unter optimistischen Annahmen sichergestellt. Eine Maßnahme, um den Entwurf zu verbessern und insbesondere der Wirtschaft die Umsetzung zu erleichtern, sei das Streichen überflüssiger Bürokratie.

„Habecks Entwurf schießt an dieser Stelle über das Ziel hinaus“

Kruse wörtlich: „Das Gesetz darf kein Goldplating betreiben, also die von Ursula von der Leyen auf EU-Ebene ausgegebenen Ziele nicht noch übererfüllen.“ Und: „Habecks Entwurf schießt an dieser Stelle über das Ziel hinaus.“

Laut Berechnungen der Verfasser aus dem BMWK würde die Wirtschaft, wenn sie das Gesetz umsetzt, dauerhaft Energiekosten in dreistelliger Millionenhöhe jährlich sparen. Die Gegner warnen, dass das Gesetz die Industrie aus dem Land treiben würde.

„Das wird zu einem Wohlstandsverzicht führen müssen, denn viele Unternehmen - vor allem im energieintensiven Bereich - werden deshalb Deutschland verlassen“, warnte etwa der Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertag (BIHK), Klaus Josef Lutz. „Ich spreche vor allem über den Mittelstand.“ Wo bekanntlich ein Großteil der Arbeitskräfte in Deutschland beschäftigt ist, weshalb das Gesetz eben auch Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft haben könnte.

Top-Ökonom Fuest kritisiert Energieeffizienzgesetz

Und auch der renommierte Ökonom Clemens Fuest, Leiter des Ifo-Insituts, warnte in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ : „Falls die Politik den Energieverbrauch in dieser Weise einschränkt, wird das den Wohlstand in Deutschland erheblich schädigen.“

Vor allem aber stößt ihm sauer auf: „All dies ist schlimm genug, wäre aber diskutabel, wenn es für die Kürzung des Energieverbrauchs zwingende ökonomische oder ökologische Gründe gäbe. Aber der Energieverbrauch per se schädigt die Umwelt nicht, sondern die Nutzung fossiler Energie.“

Die deutsche Politik wolle in wirtschaftlich ohnehin schwerer Zeit ein Gesetz verabschieden, das den Energieverbrauch unnötig einschränkt und massive ökonomische Risiken mit sich bringt. Dass die deutsche Politik damit EU-Vorgaben folge, ist für Fuest keine Rechtfertigung, denn an diesen Vorgaben habe die Bundesregierung mitgewirkt.

Grüne loben Habeck-Gesetz als zentralen Baustein der Energiewende

Die Grünen-Abgeordnete Kathrin Uhlig sieht das anders und Energieeffizienz als einen wichtigen Baustein der Energiewende. Im Bundestag sagte sie: „Wem der deutsche Wirtschaftsstandort wirklich wichtig ist, der redet nicht nur, der setzt sich für Energieeffizienz ein und macht konstruktive Vorschläge. Deshalb verbinden wir mit diesem Gesetz einen zentralen Baustein der Energiewende mit Planungssicherheit und Anreizen für Innovationen, für einen klimaneutralen und langfristig starken Wirtschaftsstandort.“

Uhlig ergänzte: „Der Markt kann nicht alles regeln.“ Und: „Natürlich erfordert die Umstellung Investitionen“, so die Grünen-Politikerin. „Doch mittel- und langfristig können auch Kosten eingespart werden.“ Ein „Immer-weiter-so“ sei kein Geschäftsmodell.

CDU-Mann Jung: „Das ist nicht Energieeffizienz, das ist Energiebürokratie“

Andreas Jung, Sprecher für Klimaschutz und Energie der Unionsfraktion, kritisierte bereits vor der Debatte im TV-Sender „Phoenix“: „In diesem Gesetz gibt es für Betriebe nur Pflichten, aber keine Förderung. Es gibt viel Bürokratie. Mit der BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, Anm.d.Red.) soll eine Behörde dafür die Zuständigkeit erhalten, die jetzt schon damit überfordert ist, die Anträge für Gebäudesanierung zu bearbeiten. Das ist nicht Energieeffizienz, das ist Energiebürokratie.“

Für das BMWK sind die wichtigsten Regelungen des Energieeffizienzgesetz folgende:

  • Energieeffizienzziele

Das EnEfG legt Ziele für die Senkung des Primär- und Endenergieverbrauchs in Deutschland für 2030 fest. Im Sinne frühzeitiger Planungs- und Investitionssicherheit werden darüber hinaus Ziele für 2040 und 2045 aufgezeigt, die, aber 2027 überprüft und ggfs. angepasst werden sollen.

Für den Endenergieverbrauch bedeuten diese Ziele eine Reduzierung um mehr als 550 TWh bis 2030 (ggü. 2008). Über die Wirkung des Gesetzes und damit auch den Stand der Zielerreichung wird die Bundesregierung den Bundestag künftig regelmäßig zu Beginn einer Legislaturperiode unterrichten und - soweit nötig - über eine Nachsteuerung des Instrumentenmixes entscheiden.

  • Energieeinsparpflichten von Bund und Länder

Der Bund und die Länder werden zur Umsetzung der EU-Vorgaben verpflichtet, ab 2024 Energieeinsparmaßnahmen zu ergreifen, die bis 2030 jährlich Endenergie-Einsparungen in Höhe von 45 TWh (Bund) bzw. 5 TWh (Länder) erbringen. Das Gesetz sieht vor, dass der Bund seine notwendigen Energieeffizienz-Maßnahmen im nächsten sog. Integrierten Klima- und Energieplan (NECP) zusammenfasst und der EU-Kommission übermittelt.

  • Vorbildfunktion der öffentlichen Hand bei der Energieeinsparung

Zur Umsetzung der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand bei der Steigerung der Energieeffizienz von Bund und Ländern werden künftig Energie- oder Umweltmanagementsysteme eingeführt. Zudem sieht das EnEfG die Durchführung von Energieeffizienzmaßnahmen vor mit dem Ziel, jährlich 2 % Gesamtendenergieeinsparung zu erreichen. Über die dazu zu ergreifenden Maßnahmen entscheiden die öffentlichen Einrichtungen von Bund und Länder eigenständig.

  • Einführung von Energie- oder Umweltmanagementsystemen für Unternehmen

Mit dem EnEfG werden Unternehmen mit einem großen Energieverbrauch (Jahresenergieverbrauch von mehr als 15 GWh) verpflichtet, Energie- oder Umweltmanagementsysteme einzuführen und wirtschaftliche Energieeffizienzmaßnahmen in konkreten Plänen zu erfassen und zu veröffentlichen. Über die konkrete Effizienzmaßnahme entscheiden die Unternehmen.

  • Energieeffizienz- und Abwärmeanforderungen für Rechenzentren

Neue Rechenzentren werden zur Einhaltung von Energieeffizienzstandards, einer minimalen Temperatur für die Luftkühlung sowie zur Abwärmenutzung verpflichtet. Bestandsanlagen sollen auf die Effizienz es Stromeinsatzes achten. Insgesamt werden Betreiber von Rechenzentren dazu aufgefordert künftig verstärkt Strom aus erneuerbaren Energien nutzen.

  • Vermeidung und Verwendung von Abwärme

Abwärme soll künftig besser genutzt werden. Hierzu werden Unternehmen verpflichtet, Abwärme aus Produktionsprozessen zu vermeiden oder, soweit eine Vermeidung nicht möglich ist, zu verwenden (Abwärmenutzung).

Dem Ministerium zufolge ergänzen die konkreten Einsparmaßnahmen des Energieeffizienzgesetzes bereits bestehende Fachgesetze, wie zum Beispiel das Gebäudeenergiegesetz, aber auch Förderprogramme und ökonomische Anreize zur Senkung des Energieverbrauchs. Dieser Instrumentenmix ist für das Habeck-Haus die Basis für die Erreichung der Ziele für 2030, 2040 und 2045.

86 lange Seiten

Der Gesetzentwurf umfasst 86 Seiten. Und wie schon in den anderen Gesetzentwürfen zur Energie- respektive Heizwende heißt es unter Alternativen: „Keine.“ Denn: Insbesondere das Kohlendioxid-Preissignal durch den Emissionshandel reiche bei vielen Unternehmen allein nicht aus, die bestehenden Effizienzpotenziale zu realisieren.

In Anbetracht der angespannten wirtschaftlichen Lage, namentlich der Rezession, in die Deutschland abgerutscht ist, drängen Kritiker darauf, dass die Abgeordneten genau prüfen, ob sie die maßgeblichen Unternehmen durch noch mehr Bürokratie und Kosten tatsächlich belasten wollen. Vor allem aber, dass Deutschland die europäischen Vorgaben nicht übererfüllt.

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„Die Stromkosten im Winter will ich sehen“: Bauingenieurin rechnet mit Habecks Heizungsgesetz ab

„Die Stromkosten im Winter will ich sehen“: Bauingenieurin rechnet mit Habecks Heizungsgesetz ab

„Die Stromkosten im Winter will ich sehen“: Bauingenieurin rechnet mit Habecks Heizungsgesetz ab© Bereitgestellt von Berliner Zeitung

Die Ampel würde ihr umstrittenes Heizungsgesetz am besten schon vor der Sommerpause durchziehen. Also tritt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) jetzt noch schnell mit seinen Kritikern in der Wirtschaft in Kontakt und versucht, den Gesetzentwurf mehr oder weniger verdaulich zu machen. Dabei gehören vor allem die Bauingenieure zu den härtesten Kritikern des Dokuments wie Prof. Dr. Lamia Messari-Becker, bekannt durch ihre Auftritte im ZDF. Wir haben mit ihr gesprochen.

Frau Messari-Becker, Sie werfen dem Gesetzgeber vor, die Normalverbraucher beim Verbot für neue Öl- und Gasheizungen eng in die Pflicht zu nehmen, sich selbst auszunehmen. Schuld ist die Passage im Gesetzentwurf, wo drin steht, die Länder könnten für öffentliche Gebäude zum Zweck der Erfüllung der Vorbildfunktion „von den Vorschriften des Gesetzes abweichen“. Habecks Wirtschaftsministerium kann es auch nicht einleuchtend erklären. Muss die Passage weg?Es darf bei so einer weitreichenden Wärmewende keinen Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Akteuren geben. Ich kenne diesen Passus in vielen Gesetzen, aber hier geht es um große Eingriffe und finanzielle Belastungen einer völlig anderen Dimension. Wenn Länder bei den Klimazielen noch weiter gehen wollen, als das Gesetz es vorschreibt, dann brauchen sie diesen Passus nicht. Was ihnen mit diesem Passus ermöglicht wird, ist also eine tatsächliche Abweichung. Ich sehe dafür keine sachliche Begründung und plädiere: Diese Stelle im Gesetz sollte ersatzlos gestrichen werden.

Wirtschaftsminister Habeck hat sich kompromissbereit gezeigt, das Gesetz zu ändern. An welche Stellen muss er sonst ran?

Das Gesetz versucht, mit vielen Stellen, die Technologien zu beschreiben, vorzugeben oder zu bevorteilen. Im Grunde genommen gibt es zwei Möglichkeiten: einen kompletten Neustart oder grundlegende Änderungen im Gesetz. Und die Bundesregierung muss in beiden Fällen die Ziele im Blick haben. Die Ziele sind doch Energieeinsparung und CO2-Minderung. Der Weg dahin muss maximal offen. Sämtliche Versuche, Technologien zu regulieren, zu beschreiben, hervorzuheben oder einzuschränken, muss man ersatzlos streichen.

Zudem muss die Bundesregierung im Gleichschritt konkret sagen: Wie wird was gefördert und welche kommunale Wärmepläne gibt es? Man darf die Leute nicht im Ungewissen lassen. Auf kommunaler Ebene kann erneuerbare Wärme aus Geothermie, Abfallverwertung, industrieller Abwärme kommen. Wir brauchen ein Hochlaufen für erneuerbare Wärme und die dazugehörige Technologie – kein Hochlaufen für nur eine bestimmte Technologie, egal ob Wärmepumpen oder Kessel. Das ist der Unterschied.

Es gibt seit Jahren Förderprogramme für erneuerbare Energien und Gebäudesanierung. Ist die finanzielle Förderung der Wärmewende damit gut aufgestellt?

Nein, leider nicht. Die Förderung erneuerbarer Energien war bisher Storm-fokussiert, Wärme wurde und wird noch stiefmütterlich behandelt. Die Förderung der Gebäudesanierung sollte, an der CO2-Minderung orientiert, reformiert werden. Sanierung und erneuerbare Wärmeversorgung müssen zudem zusammengedacht werden. Wir müssen Sanierungspläne entwickeln, damit die Leute idealerweise und wenn möglich zuerst ihre Häuser energetisch sanieren, den Energiebedarf also senken und dann auf erneuerbare Energien umsteigen.

Man muss den Menschen die Möglichkeit geben, in ihrem Tempo zu gehen und eben nicht voreilig jetzt irgendwas einzubauen, was nicht effizient funktioniert oder sogar mehr CO2 verursacht. Energieeffizienz durch digitalisierten Heizbetrieb und Nutzerverhalten sollte ebenfalls gefördert werden. Ich erwarte auch, dass die kommunale Energieberatung gestärkt wird. Wir brauchen mehr Anlaufstellen mit mehr Personal, wo die Menschen Informationen über Möglichkeiten und Schritte bekommen können.

Soll das Gesetz verschoben werden? Die Bundesregierung will es schon vor der Sommerpause verabschieden und am 1. Januar 2024 in Kraft treten lassen.

Wenn das Gesetz so viele Ungereimtheiten enthält, nicht umsetzbar, nicht praxistauglich und nur an der Oberfläche technologieneutral ist, dann ist der Umstieg ab dem 1. Januar 2024 nicht machbar. Aber das Datum ist weniger wichtig. Wichtig ist, dass das Gesetz umsetzbar wird und die Realität zwischen Neubau und Bestand anerkennt. Vielleicht könnte man im Bestand ein anderes Eintrittsdatum festlegen und kommunale Wärmepläne vorziehen.

Die 65-Prozent-Regel schon ab dem 1. Januar klingt zudem realitätsfern. Wie kann man schon im nächsten Jahr zu 65 Prozent erneuerbar heizen, wenn die Fernwärme – eine der möglichen Technologien – in den meisten Fällen noch zu 90 Prozent aus Gas und Kohle erzeugt wird?

Richtig. Diese Regel muss konsistent sein, um stehenzubleiben. Und genau das ist sie nicht. Im aktuellen Gesetzentwurf gilt selbst eine Stromdirektheizung automatisch als erneuerbar, obwohl wir wissen: Die erneuerbaren Energien hatten zuletzt einen Anteil von nur 55,8 Prozent am deutschen Strommix. Im Winter ist deren Anteil zudem niedriger und der Anteil von Kohle und Gas höher. Das wird vom Gesetz nicht hinterfragt, genauso wie die aktuelle Fernwärme. An vielen Stellen sind eben wirkliche Logikfehler. Auch die Wärmepumpe arbeitet effizient nur in einem gut gedämmten Haus, insbesondere im Neubau.

Klar, der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix wird weiter steigen, und irgendwann wird auch die Fernwärme überwiegend grün. Aber schon ab dem nächsten Jahr ökologisches Heizen ganz schnell mit der Brechstange erreichen zu wollen und dabei fossilen Strom oder fossile Fernwärme als erneuerbar zu verkaufen, ist nicht vermittelbar.

Deutschlands zweitgrößter Vermieter, die LEG Immobilien, will ab 2027 in Bestandswohnungen Gasetagenheizungen gegen kostengünstige Luft-Luft-Wärmepumpen ersetzen (Split-Klimaanlagen). Wird das funktionieren?

Es gilt der Grundsatz: Je höher der Dämmstandard, je niedriger also der Wärmebedarf ist, desto effizienter arbeitet eine Wärmepumpe. Wir müssen immer unterscheiden: Ist es Neubau oder Bestand, saniert oder unsaniert, liegt ein wassergeführtes oder luftgeführtes Heizsystem vor? Ich kann die Gründe solcher Vorhaben aber nur vermuten.

Und die wären …?

In Mehrfamilienhäuser mit dezentralen Gasetagenheizungen ist es extrem schwierig und mit einer großen Investition verbunden, auf eine zentrale Heizung umzusteigen, egal ob auf Kessel oder Pumpe. Da greifen aktuell viele zu einer Art kleinere Luft-Luft-Wärmepumpe, die einzelne Räume bis Etagen heizen oder auch kühlen kann. Aber wie sieht es mit der Gesamteffizienz und den Stromkosten im Betrieb aus? Ich möchte sie erst mal im Winter sehen. Es kann sein, dass das Gerät extrem günstig ist, aber man muss auch die Betriebskosten im Blick haben. Die tatsächliche Jahresarbeitszahl (JAZ) einer Wärmepumpe, also die Leistung des Geräts im Zusammenspiel mit dem Gebäude und weiteren Randbedingungen, kann in der Realität deutlich niedriger sein als im Katalog.

Sie haben Ende März bei Markus Lanz gesagt, man müsse die Stromproduktion mit Photovoltaik am eigenen Gebäude fördern, damit die Haushalte aus dem Überschussstrom mithilfe der Elektrolyse selbst Wasserstoff produzieren, diesen in Flaschen im Keller lagern und damit im Winter heizen. Ist es nicht zu kompliziert für einen Haushalt oder auch zu teuer?

Das sind zwei getrennt erfolgte Aussagen. Einerseits, dass tatsächlich PV-Anlagen für Haushalte attraktiver werden müssen. Das Gegenteil ist aber zurzeit der Fall. Die Einspeisevergütung beträgt nur circa 8,2 Cent pro Kilowattstunde, der Einkaufspreis aber nach Verivox-Daten – Stand: 10. Mai 2023 – im Mittel 32,4 Cent pro Kilowattstunde. Das soll wohl geändert werden.

Andererseits habe ich auf eine technologische Entwicklung hingewiesen. Niemand bezweifelt ernsthaft, dass Wasserstoff wegen Knappheit zunächst in der Industrie und als Reserve genutzt werden sollte. Es gibt aber bereits heute Lösungen für Gebäude, die keinem anderen Sektor Konkurrenz machen. Hier wird Solarstrom am Gebäude im Sommer gewonnen, den Überschuss in Wasserstoff umgewandelt und gelagert, um damit im Winter zu heizen. Wer soll etwas dagegen haben und warum? Klar ist: Zurzeit ist das eine Nischenlösung, die skaliert werden kann. Auch werden kommunale Wärmepläne zukünftig Wasserstoff für Heizungen mitdenken müssen, etwa wenn Industrie in der Nähe ist, die Wasserstoff braucht. Hier könnten auch Gebäude entlang der Strecke Wasserstoff nutzen. Wir müssen größer denken und uns breiter aufstellen.

Trotzdem gehen viele Experten davon aus, dass die Wasserstoffproduktion noch lange teuer bleiben wird. Ist sie also nur eine Option und eher für Neubau?

Alle Lösungen sind Optionen, die ihre Vor- und Nachteile haben und die auch nicht überall gehen. Denn unsere Gebäude haben unterschiedliche energetische Qualitäten, unterschiedliche technischen Voraussetzungen und müssen mit anderen regionalen Gegebenheiten auskommen. Deshalb gibt es nicht die Lösung, die für alle gleich gut funktioniert. Wir Ingenieurinnen und Ingenieure verlieben uns nicht in ein Gerät, sondern wägen rational ab und setzen auf eine Gesamtlösung. Man muss jede Heizlösung im Zusammenspiel mit dem Gebäude und der Situation vor Ort bewerten.

Welche weiteren Heiztechnologien gibt es, die man schon jetzt einsetzen kann?

Im Moment gibt es mehrere funktionierende Heiztechnologien, die teilweise kombinierbar sind, und die natürlich alle Vor- und Nachteile haben: Die Verdichtungstechnik, Stichwort Wärmepumpe; die Brennstoffzelle, die chemische Energie in Strom und Wärme umwandelt; die Eispeichertechnik, die über die Veränderung der Aggregatzustände von flüssig zu fest und von fest zu flüssig Wärme entzieht bzw. abgibt. Und dann gibt es noch die Verbrennungstechnologie, die auch klimafreundliche Energieträger verbrennen kann, etwa Holzpellets und Biomasse und idealerweise in der Zukunft mehr grüne Gase oder synthetische Mittel. Grundsätzlich macht es Sinn, am Gebäude auch Solarthermie für Warmwasser, als Unterstützung für die Heizung und eine PV-Anlage für Strom für den eigenen Bedarf vorzusehen. Neben Einzelgebäudelösungen würden auch Quartiersansätze helfen, wo gemeinsame Projekte umwelteffizienter, kostengünstiger und auch sozialverträglicher gelingen können. Und dann gibt es noch Fernwärme, die Geothermie und Bioenergie nutzen, oder hocheffiziente Blockheizkraftwerke, die gleichzeitig Wärme und Strom produzieren können etc.

Jede Lösung ist individuell und dennoch: Welcher Regel müssen Hauseigentümer folgen, um die Kosten eines Umstiegs auf erneuerbare Energien und dann auch die Betriebskosten maximal zu senken?

Es gibt keinen pauschalen Rat. Grundsätzlich lohnt es sich, zunächst energetisch zu sanieren, und dann auf erneuerbare Wärme umzusteigen. Grundsätzlich plädiere ich für serielles Sanieren. Hierbei werden Dämmplatten modular vorgefertigt und an die Fassade angebracht. Das geht schneller, steigert die Sanierungsrate und ist über den sogenannten Wiederholungsfall kostengünstiger. Oft sind die Kosten dennoch für die Eigentümer kaum tragbar, deshalb plädiere ich einerseits für Quartierslösungen, die das Ganze noch einmal günstiger gestalten können und andererseits für versorgungsseitige Lösungen, wenn eine Sanierung nicht möglich ist. Dazu braucht es ein Angebot auf der kommunalen Ebene, Stichwort Fernwärme oder kommunale Wärmepläne.

Die Bundesnetzagentur hat schon Anfang des Jahres vor einer Überlastung der Netze durch Elektroautos und Wärmepumpen gewarnt. Sollten wir bald mit Blackouts rechnen?

Der Gebäudemarkt ist ein Peak-Markt, wo die Heizleistung in nur wenigen Wochen im Winter abgerufen wird. Und anders als Elektroautos werden Wärmepumpen gleichzeitig gerbraucht. Es wird daher eine große Herausforderung für die Stromnetze werden. Das Problem ergibt sich aber nur, weil man fatalerweise alle Gesellschaftsbereiche, also Industrie, Gebäude und Verkehr elektrifizieren will und zudem überwiegend auf Wind und Photovoltaik setzt. Die Knappheit ist also selbst verursacht. Sinnvoll ist es auch, direkte erneuerbare Wärme zu fördern, etwa über Geothermie, Solarthermie oder Bioenergie. Geothermie ist übrigens grundlastfähig, kann Wärme und Strom liefern und bis zu 25 Prozent des Endenergiebedarfs Deutschlands decken. Daher begrüße ich ausdrücklich die Ankündigung des Bundeskanzlers Scholz, nun stärker auf Geothermie zu setzen.

Nach dem Energiewirtschaftsgesetz kann der Stromverbrauch verbrauchernaher Geräte ferngesteuert gedrosselt werden. Wärmepumpen sollten zudem nur dann gefördert werden, wenn sie über eine Schnittstelle verfügen, womit sie ferngesteuert vom Stromnetz teilweise abgekoppelt werden können. Wie bewerten Sie das?

Die Bundesregierung sollte so ein Vorgehen unbedingt vermeiden, um die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber Klimaschutz nicht weiter zu gefährden. Dass Wärmepumpen für wenige Stunden abgekoppelt werden können, ist bereits heute der Fall. Allerdings beträgt der Wärmepumpenanteil im Bestand heute auch nur knapp drei Prozent. Bei künftigen 30 Prozent oder mehr wären die Folgen völlig andere, sollte der Netzausbau stocken oder das Netz überlastet sein.

Aber noch mal: Ohne diesen Stromfokus und die selbstverursachte Verknappung wäre das vollkommen unnötig. Sinnvoll ist also eine wirklich diversifizierte und versorgungssichere Energiewende, die neben Strom auch direkte Wärme fördert. Wir können nur erfolgreich sein, wenn wir uns breiter aufstellen, in Sachen Energiequellen, Technologien und Instrumenten.

Wie können sich die Mieter auf die Wärmewende vorbereiten? Von ihnen hängt leider nicht viel ab, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Hauseigentümer am Ende alle Kosten auf sie umlegen werden, die Förderung nicht inklusive.

Eine gute und leider ungeklärte Frage. Weder die Hauseigentümer noch die Mieter wissen, was auf sie zukommt. Die Förderungen müssen die Frage mitdenken, welche Kosten die Vermieter wann auf die Mieter umlegen dürfen. Anders formuliert: Welche Maßnahmen werden als bloße nicht umlagefähige Reparatur, welche als aktive Modernisierung erfasst? Und wie unterstützt man konkret Vermieter und Mieter?

Die Kosten übersteigen auch die alten Kosten, denn wir stehen vor einem Systemwechsel im Heizungskeller. Es kann auch passieren, dass ein Eigentümer eine Heizungsanlage einbaut, ohne das Gebäude vorher gedämmt zu haben: Ohne Vorsorge, werden die Mieter die hohen Heizkosten tragen müssen. Deswegen müssen Sanierungsmaßnahmen auf jeden Fall mitgedacht werden.

Sind Sie optimistisch, dass es zu einem guten Gesetz kommt?

Das bin ich, wenn ich die Zeitachse ausblende. Es kann eine Sternstunde der Demokratie werden, wenn alle Parteien jetzt ihre konstruktiven Vorschläge einbringen, inklusive der Opposition.

Das Gesetz jetzt um jeden Preis schnell schon vor der Sommerpause zu billigen, kann allerdings noch mehr Vertrauen kosten. Die Heizwende ist eine gemeinschaftliche Aufgabe und es betrifft alle Menschen. Eine breite gesellschaftliche Akzeptanz ist die wichtigste Währung für den Klimaschutz.

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Diskussion über neue Holzheizungen: Habeck kompromissbereit

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nimmt an einer Sitzung des Bundestags teil.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nimmt an einer Sitzung des Bundestags teil.© Kay Nietfeld/dpa

In der Diskussion über das geplante Verbot von Holzheizungen in Neubauten hat sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kompromissbereit gezeigt. Man müsse bei den Beratungen in der Koalition jetzt versuchen, in konkreten Punkten eine Lösung zu finden, sagte Habeck am Abend beim «Ständehaus Treff» der Verlagsgruppe Rheinische Post in Düsseldorf.

Gerade im süddeutschen Raum in Bayern und Baden-Württemberg sei das Thema der große Aufreger gewesen, sagte Habeck. Es sei dabei um Betriebe wie etwa Tischlereien im ländlichen Raum gegangen. Die Welt werde aber nicht schlechter, wenn diese Betriebe dann mit Pellets oder mit Holz heizten. «Es werden so viele nicht sein. Ich wäre überrascht, wenn ganz Düsseldorf 2045 mit Holzöfen heizen würde, das wird nicht passieren. Es werden einzelne in Außenlagen liegende Gehöfte, Tischlereien, Gewerke sein.» Auch wenn man das Holz auch in anderen Prozessen verwenden könne, seien dies «so lösbare Punkte, dass sich ein Land darüber nicht zerstreiten muss».

FDP-Fraktionschef Christian Dürr hatte am Wochenende auf mehr Möglichkeiten zum Heizen mit Holz gedrungen. «Holzschnitzel und Pellets sind erneuerbare Energiequellen, und das Heizen mit Holz muss erlaubt bleiben, und auch in Neubauten», sagte Dürr der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (NOZ).

Der vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf für das umstrittene Heizungsgesetz sieht ein Verbot von Holzheizungen im Neubau vor. Holz soll nur in Bestandsgebäuden eine Option bleiben, in denen andere Lösungen nicht machbar oder sinnvoll sind, etwa wegen des Denkmalschutzes.

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480 Windkraftanlagen durften mehr Strom produzieren

Windkraftanlagen hinter Feldern.

Windkraftanlagen hinter Feldern.© Roland Weihrauch/dpa/Symbolbild

Während der Energiekrise hatten Betreiber von Windrädern in Brandenburg für 480 der rund 4000 Energieanlagen eine größere Stromproduktion beantragt. Das teilte das Umweltministerium in Potsdam auf eine Anfrage aus der Landtagsfraktion von BVB/Freie Wähler mit. Die im Oktober 2022 in Kraft getretene Lockerung der Schattenwurf- und Schallgrenzen solcher Anlagen war Mitte April ausgelaufen. In welchem Umfang die Anlagenbetreiber von den erlaubten verlängerten Betriebszeiten tatsächlich Gebrauch machten, konnte das Ministerium wegen fehlender Daten nicht mitteilen.

Wegen der im Juni 2022 ausgerufenen bundesweiten Alarmstufe nach dem Notfallplan Gas sollte die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien kurzfristig erhöht werden. Dafür wurden gesetzliche Regelungen getroffen, wonach Geräuschwerte der Windräder zwischen 22 und 6 Uhr den bisher genehmigten Wert um bis zu vier Dezibel überschreiten durften. Ausnahmen gab es auch für Windkraftanlagen, deren Betriebszeit eingeschränkt war, um Schattenwurf zu vermindern.

Die von den Behörden in Brandenburg genehmigten Ausnahmen wegen Schattenwurfs betrafen 248 Anlagen, bei 232 Anlagen war die Lärmminderung vorübergehend eingeschränkt worden. Die meisten Ausnahmegenehmigungen galten für insgesamt 106 Windräder in der Prignitz, für 100 Anlagen in der Uckermark und 60 im Landkreis Barnim. In den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin und Oberhavel sowie in den kreisfreien Städten Potsdam und Brandenburg an der Havel hatte es keine Ausnahmen von den Schutzbestimmungen gegeben.

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Zinsanstieg: Renditen für Strom- und Gasnetze sollen um 40 Prozent steigen

Sind sie das Herz der Energieversorgung? Auf Strommasten kommt viel zu.

Sind sie das Herz der Energieversorgung? Auf Strommasten kommt viel zu.© dpa

Auf der Stromrechnung sind sie jetzt schon einer der größten Posten: die Netzentgelte für die Nutzung der Leitungen, welche die Energie von Kraftwerken und Windrädern in die Haushalte bringen. Je nach Region machen diese Gebühren oft mehr als ein Fünftel der Rechnung aus. Jetzt könnte es noch weiter nach oben gehen. Grund sind die stark gestiegenen Zinsen, welche die dringend notwendigen Milliardeninvestitionen in den Netzausbau bremsen.

Die Bundesnetzagentur, die in regelmäßigen Abständen Obergrenzen für die zulässigen Netzentgelte festlegt, will den Betreiberunternehmen deshalb höhere Renditen zugestehen. „Wir berücksichtigen die aktuelle Entwicklung des Zinsumfelds. Deswegen wollen wir neue Investitionen besser verzinsen und schaffen so spürbare Anreize für Investitionen bei den Netzbetreibern“, sagte Präsident Klaus Müller.

Der Hebel dafür ist der Eigenkapitalzins, den Betreiber wie Eon und Amprion bei der Kalkulation ihrer Gebühren ansetzen dürfen. Eigentlich sollte er für Stromnetze Anfang 2024 von bisher 6,91 Prozent auf 5,07 Prozent sinken. So hatte es die Netzagentur vor knapp zwei Jahren beschlossen, als die Zinsen einen historischen Tiefstand erreicht hatten.

Steigerung um 40 Prozent

Nun geht es in die andere Richtung: Für Neuinvestitionen will die Marktaufsicht den zulässigen Satz auf 7,09 Prozent nach oben schrauben. Der neue Wert gilt auch für die Erdgasnetze, wo die Renditen Anfang dieses Jahres bereits gekappt worden waren. Gegenüber dem alten Stand entspricht das einer Anhebung der Eigenkapitalrenditen für Strom- und Gasnetze um rund 40 Prozent.

Für das bereits in den Altbestand investierte Eigenkapital dürfen die Unternehmen in den Netzentgelten allerdings keine höheren Zinsen ansetzen. Dort bleibt es bei den im Oktober 2021 festgelegten 5,07 Prozent. Diese Differenzierung schütze die Verbraucher vor einer ungerechtfertigt hohen Belastung, argumentiert die Netzagentur.

Für die Netzbetreiber sei das hinnehmbar, weil sie ihren Bestandsinvestitionen in der vergangenen Niedrigzinsphase auch langfristig sehr günstig hätten finanzieren können. „Die Renditen der Netzbetreiber werden von den Netznutzern bezahlt, also Haushalten, Industrie und Gewerbe. Die Mehrbelastung dort muss auf das Notwendigste begrenzt bleiben“, sagte Müller.

Netze als natürliche Monopole

Die Stromnetze in Deutschland werden von mehr als 800 Unternehmen betrieben, darunter Branchenriesen wie Eon, aber auch zahlreiche Stadtwerke, die sich um die Verteilnetze kümmern. Auf dem Gasmarkt sorgen rund 700 Unternehmen für den Transport des Brennstoffs. Die einzelnen Netze bilden „natürliche Monopole“, weil die Kunden auf den jeweiligen regionalen oder lokalen Netzbetreiber angewiesen sind. Deshalb wacht die Netzagentur darüber, dass die Betreiberunternehmen ihre Position nicht durch überhöhte Preise und unnötige Investitionen missbrauchen.

Seit Monaten kämpft die Branche für eine Anhebung ihrer Eigenkapitalrenditen. Zugeständnisse hatte die Netzagentur bisher nur auf der Fremdkapitalseite gemacht. Dort sollen sich höhere Zinsen künftig schneller in den Netzentgelten niederschlagen dürfen. Auch beim Eigenkapital plant die Netzagentur nun eine Systemänderung: Statt den Zins für fünf Jahre festzulegen, soll er über einen sogenannten Kapitalkostenaufschlag jedes Jahr an die aktuelle Entwicklung auf den Kapitalmärkten angepasst werden.

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FDP fordert in Heizungsgesetz klare Zusagen für Holz und Biomasse

Die FDP stellt im Streit um das Heizgesetz mehrere Bedingungen, um den Entwurf noch vor der Sommerpause in den Bundestag einzubringen. Die Liberalen fordern unter anderem klare Zusagen für Holz und Biomasse.

Die FDP stellt im Streit um das Heizgesetz mehrere Bedingungen, um den Entwurf noch vor der Sommerpause in den Bundestag einzubringen. Die Liberalen fordern unter anderem klare Zusagen für Holz und Biomasse.© Charly TRIBALLEAU

Die FDP stellt im Streit um das Heizgesetz mehrere Bedingungen, um den Entwurf noch vor der Sommerpause in den Bundestag einzubringen. "Es gibt es ein ganzes Bündel an wichtigen Punkten, die vorab zumindest grob geklärt werden müssen, bevor man über den Gesetzentwurf im Bundestag diskutieren kann", sagte der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst, der "Augsburger Allgemeinen" vom Mittwoch.

"Eine erste Lesung ist möglich, wenn wir uns auf gemeinsame Zielpfade einigen können, zum Beispiel, dass im Gesetz Holz und Biomasse nicht länger diskriminiert werden, Hausbesitzer angemessene Übergangsfristen beim Heizungsaustausch erhalten und Ausnahmen gegen eine Überforderung nicht nur für Hochbetagte gelten", sagte Föst. Die Verhandlungen über einen Kompromiss machten Fortschritte, betonte er. "Die Gespräche laufen gut, sachlich und fachlich, aber sie sind natürlich politisch stark aufgeladen."

Für die FDP sei es wichtig, "dass wir am Ende ein gutes Gesetz bekommen. Der Zeitplan ist zweitrangig". Auch mit Blick auf die Landtagswahlen im Herbst bestehe für seine Partei kein Zeitdruck. "Ein schlechtes Gesetz fliegt im Wahlkampf allen Parteien noch viel mehr um die Ohren", mahnte Föst.

Für die FDP sei es "ein ganz wichtiger Punkt, dass Holzheizungen weder im Bestand noch im Neubau verboten oder diskriminiert werden". Auch Biomethan und alle Biogas-Derivate müssten in dem Gesetz als Erneuerbare Energien für Neubau und Bestand gelten. "Man muss zudem den finanzstarken Gasversorgern eine realistische Chance für eine Transformation ihrer Gasnetze geben, anstatt sie zu verprellen", forderte Föst.

Zudem müsse es eine Abstimmung auf die kommunalen Wärmepläne geben: "Nichts wäre dümmer, als Privateigentümer zum Einbau einer teuren Wärmepumpe zu zwingen, wenn sie zwei Jahre später von ihrer Stadt einen günstigen Fernwärmeanschluss bekämen."

SPD-Forderungen nach einem schärferen Mieterschutz bei der Umlage der Investitionskosten wies Föst zurück. "Die Mieterinnen und Mieter sind durch das geltende Recht sehr gut geschützt, hier sieht die FDP beim Heizungsgesetz keinen Änderungsbedarf", sagte er.

Der FDP-Politiker zeigte sich allerdings dafür offen, nötigenfalls klarzustellen, dass Vermieter bei Investitionen nur die tatsächlichen Kosten abzüglich der staatlichen Zuschüsse gelten machen dürften. "Die staatliche Förderung muss an die Mieterinnen und Mieter eins zu eins weitergeben werden", betonte Föst. "Der Rest darf umgelegt werden, maximal acht Prozent pro Jahr."

Die Koalition streitet seit Wochen über künftige Vorgaben für Heizungen. Eigentlich war geplant, das Gesetz vor der Sommerpause im Bundestag zu beschließen, da es zum Jahreswechsel in Kraft treten soll. Dafür wird aber mittlerweile die Zeit knapp. Ein erster Beratungsdurchgang müsste in der nächsten Sitzungswoche ab dem 12. Juni erfolgen. Danach sind nur noch zwei weitere Sitzungswochen vor der parlamentarischen Sommerpause vorgesehen, die mit der zweiten Juliwoche beginnt.

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Papier aus Habeck-Ministerium - Von wegen billiger! Strom bleibt 20 Jahre so teuer wie jetzt

Papier aus Habeck-Ministerium: Von wegen billiger! Strom bleibt 20 Jahre so teuer wie jetzt Federico Gambarini/dpa

Papier aus Habeck-Ministerium: Von wegen billiger! Strom bleibt 20 Jahre so teuer wie jetzt Federico Gambarini/dpa© Federico Gambarini/dpa

Eigentlich soll Strom durch den Ausstieg aus der Atomenergie und den Ausbau von Sonnen- und Windenergie künftig deutlich billiger werden. Eine Auflistung aus dem Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck zeigt aber nun, dass in den nächsten 20 Jahren nicht damit gerechnet wird.

Derzeit kostet Strom in Deutschland 41,93 Cent je Kilowattstunde (kWh). Damit liegt der Strompreis auf dem Niveau des Rekordjahres 2022. Statt dauerhaft billiger zu werden, wie auf Bundesebene häufig angekündigt wird, rechnet aber das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck mit ähnlichen Preisen in den kommenden 20 Jahren.

Aktuell setzt sich der Strompreis aus knapp 20 Cent für die Beschaffung, zehn Cent Netzentgelten, neun Cent Mehrwertsteuer und vier Cent für weitere Abgaben zusammen. 2021 war vor allem die Beschaffung noch günstiger und kostete nur rund die Hälfte.

Von wegen billiger! Strom bleibt laut Ministerium 20 Jahre so teuer wie jetzt

Eigentlich sollten der Atom-Ausstieg sowie der Ausbau erneuerbarer Energiegewinnung aus Sonne und Wind den Strompreis in Zukunft wieder deutlich drücken. Doch daran glaubt auch das Habeck-Ministerium offenbar nicht, wie eine Auflistung zeigt, über die „Bild“ berichtet. Die Union hatte die Zahlen beim Ministerium angefragt.

Papier aus Habeck-Ministerium: Von wegen billiger! Strom bleibt 20 Jahre so teuer wie jetzt. Boris Roessler/dpa

Papier aus Habeck-Ministerium: Von wegen billiger! Strom bleibt 20 Jahre so teuer wie jetzt. Boris Roessler/dpa© Boris Roessler/dpa

Für die Jahre 2024 und 2025 soll es mit 37 Cent pro Kilowattstunde zunächst einmal billiger werden. Danach geht es aber bis 2042 wieder schrittweise nach oben bis auf 40,27 Cent pro kWh. Treffen die Schätzungen zu, bleibt das Strompreisniveau in den nächsten 20 Jahren auf dem aktuellen Niveau. Experten erwarten zudem, dass die Netzentgelte in den nächsten Jahren aufgrund des notwendigen Ausbaus der Stromnetze steigen werden.

Habeck-Ministerium schätzt: Auch Wärmepumpen-Strom bleibt teuer

Auch der günstigere Strom für Wärmepumpen wird laut Ministerium auf dem derzeit hohen Niveau verweilen. Während die Kilowattstunde derzeit 33,55 Cent kostet, soll der Preis 2024 und 2025 auf 30 Cent sinken. Bis 2042 nähert er sich aber mit 32,65 Cent pro kWh wieder am aktuell hohen Niveau an.

Diese Preise machen CSU-Parlamentschef Stefan Müller wütend. „Deutschland bekommt von der Ampel auf Jahrzehnte Teuer-Strom. Die Abschaltung der Kernkraftwerke erweist sich als dauerhafter Fehler. Die grüne Energiepolitik macht die Deutschen immer ärmer“, moniert er gegenüber „Bild“. Seine Forderung: „Habecks Heizungswahn muss endlich gestoppt werden.“

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Energiepreisbremse: Kartellamt leitet Prüfverfahren gegen Stromanbieter ein

Gas- und Fernwärmeversorger mussten sich Fragen des Kartellamts bereits stellen, jetzt ist eine »zweistellige Zahl von Stromversorgern« im Visier. Der Verdacht: Missbrauch im Zusammenhang mit den staatlichen Energiepreisbremsen.

Energiepreisbremse: Kartellamt leitet Prüfverfahren gegen Stromanbieter ein

Energiepreisbremse: Kartellamt leitet Prüfverfahren gegen Stromanbieter ein© Wedel / Kirchner-Media / IMAGO

Das Bundeskartellamt hat eine dritte Tranche Prüfverfahren gegen Energieversorger wegen des Verdachts des Missbrauchs im Zusammenhang mit den staatlichen Energiepreisbremsen eingeleitet. Nachdem zunächst Gas- und dann Fernwärmeversorger ins Visier genommen worden waren, folgte nun »eine zweistellige Zahl von Stromversorgern«, wie die Bonner Behörde am Donnerstag erklärte.

»Es handelt sich um Vertriebsgesellschaften großer Energiekonzerne ebenso wie Stadtwerke, Regionalversorger und auch kleinere Discounter sowie Anbieter mit Schwerpunkt erneuerbare Energien«, sagte Kartellamtschef Andreas Mundt. »Sie repräsentieren rund 20 Prozent der von den Versorgern insgesamt beantragten Entlastungssummen für die Belieferung von Privathaushalten und Kleingewerbe.« Auch gegen einige Versorger von Großabnehmern wird demnach ermittelt.

Die Preisbremsen für Gas, Strom und Fernwärme gelten seit März, rückwirkend auch für Januar und Februar. Der Staat deckelt damit den Preis für 80 Prozent des Verbrauchs und zahlt den Versorgern die Differenz zum Marktpreis. Von vornherein gab es Befürchtungen, dass Unternehmen dies ausnutzen und Preise über dem Marktpreis verlangen könnten. Das Kartellamt hatte daher eine neue Abteilung zur Prüfung von Verdachtsfällen aufgebaut.

Erste Missbrauchsverfahren hatte die Behörde Mitte Mai gegen eine zweistellige Zahl von Gasversorgern eingeleitet, Ende Mai folgten Ermittlungen gegen Fernwärmeanbieter. Werden Verstöße festgestellt, müssen die Anbieter die zu viel erhaltenen Gelder zurückzahlen. Außerdem drohen Bußgelder.

Für den Bereich Strom hat das Kartellamt eigenen Angaben zufolge »sämtliche Antrags- und Meldedaten der Monate Januar 2023 bis Mai 2023« analysiert. Die Daten stammen von den Übertragungsnetzbetreibern. »Die als auffällig identifizierten Versorger werden nun insbesondere zu ihren Preisen und Kosten sowie zu deren Entwicklung im Zeitverlauf befragt«, erklärte die Behörde. Preiserhöhungen müssten dann gerechtfertigt werden.

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"Bild": Habeck will Förderung von privater Solarstromerzeugung verstärken

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will den Ausbau der Solarenergie in Deutschland mit einem "Solarpaket I" fördern und sowohl auf Dächern wie Freiflächen vorantreiben. Das berichtet die "Bild" unter Berufung auf den Gesetzentwurf.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will den Ausbau der Solarenergie in Deutschland mit einem "Solarpaket I" fördern und sowohl auf Dächern wie Freiflächen vorantreiben. Das berichtet die "Bild" unter Berufung auf den Gesetzentwurf.© Christof STACHE

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will den Ausbau der Solarenergie in Deutschland mit einem "Solarpaket I" fördern und sowohl auf Dächern wie Freiflächen vorantreiben. Das berichtet die "Bild" (Montagsausgabe) unter Berufung auf den Entwurf des Gesetzes zum Ausbau der Solarstromerzeugung, das noch vor der Sommerpause vom Kabinett verabschiedet werden soll.

Demnach soll jedes zweite Solarpanel, das in den nächsten Jahren gebaut wird, auf Dächern installiert werden. Die andere Hälfte ist auf Freiflächenanlagen geplant. Insbesondere sollen Privatleute verstärkt an der Energiewende beteiligt werden, schreibt die "Bild" weiter. Dafür würden laut dem Entwurf die Regelungen zur Errichtung von sogenannten Balkon-Kraftwerken, Solarpanels für zu Hause, vereinfacht.

Insbesondere soll zukünftig bei der Installation einer Balkon-Solaranlage nur noch die Meldung bei der Bundesnetzagentur erforderlich sein. Die aufwendige Meldung beim Netzbetreiber soll dem Bericht zufolge entfallen. Außerdem soll der Zubau auf dem Dach erleichtert werden. Auch hier sollen nach Informationen der "Bild" Regeln vereinheitlicht und vereinfacht werden.

Bereits errichtete oder konkret geplante Gebäude im Außenbereich sollen für die Vergütung von Solar-Dachanlagen zugelassen werden, zitiert die Zeitung zudem aus dem Entwurf. Damit könne mittels Solarpanels erzeugter Strom auch von Eigentümern verkauft werden, deren Gebäude weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans noch innerhalb eines bebauten Ortsteils liegen.

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Solaranlagen-Offensive: Neue Habeck-Pläne sorgen für Zoff

Photovoltaik-Ausbau

Solaranlagen-Offensive: Neue Habeck-Pläne sorgen für Zoff

Photovoltaik

Photovoltaik© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Wirtschaftsminister Habeck hat ehrgeizige Ziele für den Ausbau der Solarenergie. Doch die geplante Nutzung von Freiflächen sorgt bei den Grünen für Kritik. Der Bauernverband ist alarmiert.

Berlin – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will ein Comeback der Solarindustrie in Deutschland fördern – auch finanziell. Das Wirtschaftsministerium teilte am Freitag mit, für Unternehmen mit der Absicht, Produktionskapazitäten in der Solarindustrie auf- oder auszubauen, wolle das Ministerium eine Förderung auf den Weg bringen.

Bis 2030 soll zudem der jährliche Photovoltaik-Ausbau verdreifacht werden. Die Hälfte des künftigen Zubaus von Photovoltaik-Anlagen soll auf Freiflächen geschehen, also etwa auf Feldern. Dafür müssten ausreichend Flächen zur Verfügung stehen und Planungs- und Genehmigungsverfahren schneller werden, so das Ministerium. Das sorgt allerdings für Zoff.

Habecks Solaranlagen-Offensive: Umweltministerium kritisch

Die Sorge ist groß, dass nun in großem Stil Photovoltaik-Anlagen auf Ackerflächen installiert werden. Das gefällt einigen von Habecks Parteikollegen überhaupt nicht. Nach Angaben des Handelsblatts ist man in den Ministerien der Grünen-Minister Cem Özdemir und Steffi Lemke alles andere als begeistert.

Für das Umweltministerium sei „der sparsame Umgang mit Flächen“ prioritär. „Angesichts ohnehin hoher Flächenkonkurrenzen und einer nach wie vor zu hohen Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsprojekte und damit einhergehender Zersiedelung der Landschaft werden Erleichterungen für den Bau von Solaranlagen im Außenbereich kritisch gesehen“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums laut focus.de.

Bauernverband berichtet von „systematischem Abfragen“

Doch schon jetzt zeigen Solaranlagen-Investoren vermehrt Interesse an landwirtschaftlich genutzten Flächen. „Dort, wo Photovoltaik möglich ist, beispielsweise an Autobahnen, fragen die Investoren Landwirte und Grundstückseigentümer systematisch ab“, berichtet Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, gegenüber focus.de.

Sein Verband habe eine Vielzahl von Investorenanfragen registriert. „Die Begehrlichkeiten haben deutlich zugenommen, was in der Tendenz zu steigenden Pacht- und Kaufpreisen führt“, so Rukwied. Das habe fatale Konsequenzen für Landwirte: „Die Flächenkonkurrenz nimmt zu. Es besteht die Gefahr, dass Landwirte Pachtflächen und damit ihre Bewirtschaftungsgrundlage verlieren.“