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Energiepolitik

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Solarbranche skeptisch bei Photovoltaikpflicht für Altgebäude

Die von den Grünen geforderte Solarpflicht auch für ältere Gebäude stößt bei der Branche derzeit auf Skepsis. «Grundsätzlich ist es richtig. Aber die Diskussion müssen wir aktuell und in den nächsten fünf Jahren nicht führen, wenn sich an der Auftragslage nicht gravierend etwas ändern sollte», sagte der Geschäftsführer des Solar Cluster Baden-Württemberg, Franz Pöter, der Deutschen Presse-Agentur. Er schätze, dass bis 2035 ohnehin 80 Prozent der Dächer saniert werden und somit mit Solaranlagen ausgestattet werden müssen. Zudem seien die aktuellen Energiepreise die beste Werbung.

Ein Mann montiert Photovoltaik-Module.

Ein Mann montiert Photovoltaik-Module.© Marijan Murat/dpa/Archivbild

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte auf dem Grünen-Parteitag zuletzt auf eine Solarpflicht auch für ältere Gebäude bis 2035 gepocht. Für Neubauten gilt sie schon, ab 2023 müssen auch auf grundlegend sanierte Dächer neue Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen). Die CDU reagierte ablehnend auf den Vorschlag. Am Mittwoch kommt die Solarbranche im Südwesten zu einem Branchentag in Stuttgart zusammen und will diskutieren, wie der Ausbau beschleunigt werden kann. Auch das Umweltministerium ist an der Veranstaltung beteiligt.

Wer früher eine PV-Anlage fürs Hausdach bestellt habe, habe mit vier Wochen Lieferzeit rechnen müssen, sagte Pöter. Heute seien es eher sechs bis neun Monate. Die Nachfrage habe deutlich angezogen - zum einen durch die neue Regierungspolitik der Ampel, zum anderen getrieben durch die hohen Energiepreise. Gerade Unternehmen meldeten sich derzeit oft und erkundigten sich nach schnellen Alternativen.

Zugleich gebe es aber nach wie vor Lieferschwierigkeiten bei einigen Teilen, wie zum Beispiel Wechselrichtern. Der größte Engpass sei aber, genügend Handwerker für die Montage zu finden. «Manchmal war Solar gewollt, dann wieder nicht - das hat zu einer großen Verunsicherung geführt.» Einige Elektriker hätten sich die Finger verbrannt und sich danach aus dem Bereich zurückgezogen. Aktuell werde aber bei vielen Unternehmen wieder Personal aufgebaut. Die Nachfrage sei hoch und die Prognosen besagten, dass es so weitergehe. Außerdem seien fast alle Parteien auf Ausbau gepolt.

Um diesen aber schneller vorantreiben zu können, brauche es unter anderem eine Ausbildungsoffensive. Zudem müssten Genehmigungsprozesse für Solaranlagen priorisiert und vereinfacht werden. Und auch eine eigene Photovoltaikproduktion in Baden-Württemberg sei mit Flankierung des Landes denkbar, sagte Pöter. Derzeit bestehe noch eine große Abhängigkeit vom asiatischen Markt.

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LNG: Europa kauft den Gasmarkt leer

Seit kaum noch russisches Gas fließt, kaufen europäische Importeure auf dem Weltmarkt große Teile des Flüssiggases auf. Das hat drastische Folgen für Länder in Südasien.

Der Tanker Scali Del Pontino vor dem Hafen von Tarragona, Spanien

Der Tanker Scali Del Pontino vor dem Hafen von Tarragona, Spanien© Pau Barrena/​AFP/​Getty Images

Mehr als 35 Tanker dümpeln derzeit im Meer vor der spanischen Küste – beladen mit Flüssiggas, sogenanntem LNG. Sie warten darauf, an einem der sechs spanischen Flüssiggas-Terminals entladen zu werden. Dort kann aber kaum noch weiteres Gas angelandet werden: Die Speicher sind weitgehend voll.

9.000 Kilometer entfernt, in Bangladesch, sehnt man sich nach einer solchen Lage. Eigentlich nach jedem Tanker, der ein bisschen Flüssiggas bringt. Denn die Lieferungen sind in diesem Jahr rar geworden und die Gasspeicher ungewöhnlich leer – mit teils gravierenden Auswirkungen für das Land: Immer wieder fällt der Strom aus. Vom schlimmsten Blackout Anfang Oktober waren etwa 130 Millionen Menschen betroffen.

So unterschiedlich beide Situationen sind, sie hängen zusammen: Seit kaum noch russisches Gas nach Europa fließt, kaufen europäische Energieunternehmen Flüssiggas im großen Stil auf dem Weltmarkt ein und verschiffen es nach Europa, um die eigene Energieversorgung zu sichern. Sie zahlen hohe Preise für Flüssiggas und überbieten dadurch Importeure aus anderen Erdregionen. Zum Leid von weniger kaufkräftigen Ländern.

Bereits zu Beginn des Sommers wies der Vizechef des Mineralöl- und Erdgaskonzerns Shell, Steve Hill, auf diese Entwicklung hin. "Europa saugt das LNG aus den Weltmärkten", sagte der Manager, der auch zuständig für das Flüssiggasgeschäft des Konzerns ist. "Das bedeutet, dass weniger in die Entwicklungsländer fließen wird."

Import geht stark zurück

Der neue Gasmarktbericht der Internationalen Energiebehörde (IEA) bestätigt seine Prognose: In den ersten acht Monaten dieses Jahres kauften europäische Importeure etwa 43 Milliarden Kubikmeter mehr Flüssiggas als im Vorjahreszeitraum, eine Steigerung von 65 Prozent. Gleichzeitig sanken die Importe im asiatisch-pazifischen Raum, dem traditionell größten Markt für Flüssiggas, um etwa 18 Milliarden Kubikmeter. Das sind sieben Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Besonders deutlich ist die aktuelle Entwicklung in südasiatischen Schwellen- und Entwicklungsländern: In Bangladesch ging der Flüssiggasimport um zehn Prozent zurück, in Indien um 14 Prozent und in Pakistan sogar um 19 Prozent. Diese Länder können sich nicht über Pipelines versorgen, ihnen fehlen somit große Mengen Gas, die sie im letzten Jahr noch hatten.

Grund für die Entwicklung sind die limitierten Kapazitäten. "Das LNG-Volumen auf dem Weltmarkt ist relativ begrenzt", erläutert Andreas Fischer, Energie-Ökonom am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Die Herstellung von LNG ist aufwendig: Das Gas muss auf  Minus 162 Grad Celsius heruntergekühlt werden, um es zu verflüssigen und auf ein Sechshundertstel des Volumens von konventionellem Erdgas zu verdichten. Nur so kann es per Schiff transportiert werden. "Kurzfristig lässt sich das Angebot nicht wahnsinnig stark steigern, weil Produktionskapazitäten im Flüssiggassektor dafür noch fehlen und auch die Frachterkapazitäten begrenzt sind."

Preise befeuert

Hinzu komme laut Andreas Fischer, dass große Mengen des produzierten LNG schon über langfristige Verträge vergeben seien. Etwa 70 Prozent des Flüssiggases wird über Verträge mit Laufzeiten von bis zu 20 Jahren gehandelt. Sie sichern den Exporteuren und Importeuren ihre Handelsbeziehung auf Dauer. Nur etwa 30–40 Prozent der LNG-Volumina können kurzfristig gekauft werden.

Die begrenzt verfügbaren Liefermengen befeuern die Preise. Erst Ende September warnten Experten den Bundestag vor der Preisdynamik, die durch das knappe Angebot auf dem LNG-Markt entstehe. "Wenige Anteile der Volumina auf diesem Markt sind frei erhältlich und käuflich. Und jetzt kommen wir und kaufen sie weg", sagte Andreas Goldthau, Professor am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung, im Ausschuss für Internationale Energiepolitik. "Das hat sofortige Effekte, die man global im Preisgeschehen sieht."

Im August erreichten die Preise am europäischen Markt zeitweise einen Rekordwert von über 300 Euro je Megawattstunde. Zum Vergleich: Im Februar vor Kriegsbeginn lagen die Preise noch knapp unter 100 Euro. "Wer auf dem kurzfristigen Markt Flüssiggas erwerben will, kann das nur zu dem Preis machen, den die europäische Konkurrenz zahlt, sonst drehen die Tanker nach Europa ab", sagt Steffen Bukold, Energiemarktexperte und Leiter des Beratungsbüro EnergyComment. "Wirtschaftlich schwache Länder können bei dem Bieterwettstreit nicht mithalten."

Auch wenn Deutschland noch keine eigenen LNG-Terminals hat, spielt es bei der Preisdynamik eine wichtige Rolle. Insbesondere weil auf dem deutschen Markt sehr große Mengen an russischem Gas ersetzt werden mussten. "Das löst einen Ketteneffekt aus", sagt Bukold. "Wenn in Deutschland die Nachfrage hoch ist, kommen automatisch mehr Tanker an den europäischen Häfen an."

Die hohen Preise in Europa haben sogar langfristige LNG-Lieferverträge ins Wanken gebracht. Immer wieder wurden Fälle bekannt, bei denen Gashändler ihre Verpflichtungen aus solchen Verträgen gegenüber Schwellenländern nicht eingehalten haben und bereitwillig die Vertragsstrafe gezahlt haben, die für einen Lieferausfall vereinbart ist. "Die Preise in Europa sind so hoch gewesen, dass sich das Geschäft selbst dann noch für die Rohstoffhändler gelohnt hat, wenn man die Vertragsstrafe in Kauf genommen hat", sagt Bukold. "Vor der Preisexplosion war es sehr selten, dass nicht geliefert wurde."

Europas Gasbedarf hat den Flüssiggasmarkt in den letzten Monaten durcheinandergewirbelt und stellt damit andere Länder vor große Herausforderungen. In Bangladesch macht Erdgas fast drei Viertel der Stromerzeugung des Landes aus. Der Rest wird über Dieselgeneratoren erzeugt. Das Land importierte bis vor kurzem 20 Prozent des verbrauchten Gases aus dem Nahen Osten per Tanker.

Stundenlang fällt der Strom aus

Durch den starken Anstieg der Preise hat der staatliche Energiekonzern PetroBangla im laufenden Jahr Probleme, die nötigen Gasmengen auf dem LNG-Markt zu kaufen. Im Juli musste die Regierung kurzfristige Käufe stoppen, weil sie sich zum Sparen verpflichtet hatte. Außerdem fuhr sie alle Dieselkraftwerke des Landes herunter, da auch der Ölpreis im Zuge des Ukraine-Kriegs zu stark gestiegen war.

Die Konsequenz: In vielen Teilen Bangladeschs fällt oft stundenlang der Strom aus, Anfang Oktober waren 130 Millionen Menschen betroffen, etwa 80 Prozent des Landes. Grund war eine ausgefallene Übertragungsleitung, doch ein weiterer ist laut Experten auch der Mangel. Mittlerweile müssen Gemeindezentren, Einkaufszentren und Geschäfte früher schließen. Auch die für das Land wichtige Textilproduktion leidet – Bangladesch ist hinter China der zweitgrößte Bekleidungsproduzent der Welt.

In Bangladesch wächst deswegen die Wut auf Europa. "Wenn es hart auf hart kommt, ist es der globale Süden, der als erstes im Dunkeln tappt und von den reichsten Ländern der Welt überboten wird", schrieb Khondaker Moazzem vom Centre for Policy Dialogue in Dhaka in einem Meinungsbeitrag. "Wir werden aus der Energieversorgung herausgepreist."

Am härtesten trifft der LNG-Mangel wohl Pakistan. Nach Hitzewelle und Flutkatastrophe im Sommer kommt nun noch Energieunsicherheit. Etwa 25 Prozent seines Stromes produziert das Land mit Flüssiggas. Pakistan hat aber seit mehreren Monaten Probleme, an frei verfügbares LNG zu kommen. "Wegen des Ukraine-Krieges wurde jedes einzelne Molekül, das in unserer Region verfügbar war, von Europa aufgekauft", sagte der pakistanische Erdölminister Musadik Malik dem Wall Street Journal. Deshalb mussten zwei Kraftwerke zwischenzeitlich vom Netz genommen werden.

Preis sinkt langsam

Wie in Bangladesch fällt oft über Stunden der Strom aus; im Juli verhängte die Regierung einen Betriebsstopp in der Textilindustrie, um den Privathaushalten Energie zuzusichern und die Düngemittelproduktion aufrechtzuerhalten. Außerdem arbeitet der öffentliche Dienst kürzer. "Was LNG betrifft, lebt Pakistan derzeit also von der Hand in den Mund und man blickt mit zunehmender Sorge auf den Winter", sagt Niels Hegewisch, Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Pakistan. "Im heraufziehenden Winter wird Gas vor allem für das Heizen der schlecht isolierten Häuser benötigt."

Die Entwicklung der Märkte gibt allerdings ersten Anlass zur Hoffnung. Die Preise für Gas sinken seit einigen Wochen wieder weltweit. Das liegt vor allem daran, dass in Europa die Gasspeicher gut gefüllt sind und dadurch die Nachfrage aus Europa niedriger geworden ist. Wie die Entwicklung weitergeht, hängt laut Experten stark vom Wetter in Europa ab. Bleibt der Winter mild, könnte die derzeitige Entspannung anhalten. Wird er aber rau, leeren sich die europäischen Gasspeicher schneller und Europas Jagd auf Gas beginnt erneut.

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Shell und TotalEnergies fahren erneut Riesengewinne ein

Die Ölkonzerne Shell und TotalEnergies haben angesichts der hohen Preise erneut riesige Gewinne eingefahren: Im dritten Quartal von Juli bis September machte Shell 6,7 Milliarden Dollar (Euro) Gewinn. TotalEnergies wies ein Plus von 6,6 Milliarden Dollar aus. Shell kündigte ein Aktienrückkaufprogramm an, wovon die Anleger profitieren. TotalEnergies kündigte einen Bonus für seine Beschäftigten weltweit an.

Die Ölkonzerne Shell und TotalEnergies haben angesichts der hohen Preise erneut riesige Gewinne eingefahren: Im dritten Quartal von Juli bis September machte Shell 6,7 Milliarden Dollar Gewinn. TotalEnergies wies ein Plus von 6,6 Milliarden Dollar aus.

Die Ölkonzerne Shell und TotalEnergies haben angesichts der hohen Preise erneut riesige Gewinne eingefahren: Im dritten Quartal von Juli bis September machte Shell 6,7 Milliarden Dollar Gewinn. TotalEnergies wies ein Plus von 6,6 Milliarden Dollar aus.© SHAUN CURRY

Der britische Ölriese Shell hatte im Vorjahresquartal noch einen Verlust von 447 Millionen Dollar ausgewiesen - entsprechend riesig war die Steigerung auf die nun 6,7 Milliarden Dollar Gewinn. Der Konzern will Aktien im Wert von vier Milliarden Dollar zurückkaufen; weil der Bestand so verringert wird, steigt der Aktienkurs.

Der französische Konzern TotalEnergies steigerte den Gewinn im Vergleich zum dritten Quartal 2021 um 43 Prozent. Das Unternehmen kündigte an, alle Beschäftigten würden einen Bonus in Höhe eines Monatsgehalts bekommen.

Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sagte dem Sender BFM Business, der hohe Gewinn erlaube es, den Autofahrern in Frankreich einen Rabatt zu zahlen und die Löhne der Beschäftigten anzuheben. In Frankreich wird auch wie in vielen anderen Staaten über eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne diskutiert.

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Gastbeitrag Christopher Lauer: Bei der Atomkraft wollen die Deutschen alles richtig machen – und machen dabei alles falsch

 

Warum die deutsche AKW-Debatte seiner Meinung nach am Thema vorbeigeht, erklärt Christopher Lauer in seinem Gastbeitrag.

Warum die deutsche AKW-Debatte seiner Meinung nach am Thema vorbeigeht, erklärt Christopher Lauer in seinem Gastbeitrag.© picture alliance/dpa/Armin Weigel/Christoph Hardt/Geisler-Fotopress
Warum die deutsche AKW-Debatte seiner Meinung nach am Thema vorbeigeht, erklärt Christopher Lauer in seinem Gastbeitrag.

Dieser Artikel ist seine Meinung und vermittelt seine Sicht. Hier findet ihr andere Informationen zum Thema.

Glaubt man der Berichterstattung der letzten Wochen, so bestand Deutschland zeitweise aus drei Atomkraftwerken. Denn obwohl Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits am 27. September 2022 ankündigte, dass die Meiler Isar 2 und Neckarwestheim wahrscheinlich bis April 2023 am Netz bleiben müssen, wurde trotzdem eine Grundsatzdiskussion geführt – als ob Habeck und die Grünen gegen einen Weiterbetrieb von Atomkraftwerken seien. Dabei zeigt die Geschichte der deutschen Atomkraft seit 2002, dass die Deutschen zwar immer alles richtig machen wollen, am Ende aber nichts richtig gemacht wird.

Wir erinnern uns: Der Ausstieg Deutschlands aus der Atomkraft wurde 2002 unter Rot-Grün in die Wege geleitet; damals waren noch 19 Kraftwerke am Netz. 2003 und 2005 wurde je ein Kraftwerk abgeschaltet, die restlichen sollten zwischen 2015 und 2020 folgen. Diese Maßnahme wurde durch den Ausbau der erneuerbaren Energien flankiert, denn Atomkraft sollte nicht durch fossile Brennstoffe ersetzt werden.

Mit Schwarz-Gelb kam 2010 dann der Ausstieg aus dem Ausstieg. Durch die sogenannte Laufzeitverlängerung sollten Atomkraftwerke acht bis 14 Jahre länger weiter laufen dürfen als im Atomausstieg beschlossen.

Dann, 2011 – im Jahr, in dem sieben Landtage neu gewählt wurden – kam es am 11. März, 16 Tage vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg, zur Nuklearkatastrophe von Fukushima. Abermals zeigte sich, dass Atomkraft zwar meistens sicher ist, aber wenn es zu einem Zwischenfall kommt, katastrophale Umweltzerstörung verursacht.

Grafik-Karte Nr. 100387, Hochformat 90 x 150 mm, "Übersicht Atomkraftwerke in Deutschland (Aktualisierung: Kennzeichnung drei AKWs die bis April 2023 weiter genutzt werden)", Grafik: J. Reschke, Redaktion: J. Schneider

Grafik-Karte Nr. 100387, Hochformat 90 x 150 mm, "Übersicht Atomkraftwerke in Deutschland (Aktualisierung: Kennzeichnung drei AKWs die bis April 2023 weiter genutzt werden)", Grafik: J. Reschke, Redaktion: J. Schneider© picture alliance/dpa Grafik
Grafik-Karte Nr. 100387, Hochformat 90 x 150 mm, "Übersicht Atomkraftwerke in Deutschland (Aktualisierung: Kennzeichnung drei AKWs die bis April 2023 weiter genutzt werden)", Grafik: J. Reschke, Redaktion: J. Schneider

Plötzlich war Atomkraft nicht mehr opportun, in Baden-Württemberg gab es schon vor der Katastrophe die Chance auf einen grünen Ministerpräsidenten und aus Angst vor Wahlniederlagen beschloss Schwarz-Gelb bereits drei Tage nach dem Reaktorunglück in Japan ein dreimonatiges Moratorium für acht Atomkraftwerke. Am 27. März konnte Grün-Rot bei der baden-württembergischen Landtagswahl eine Mehrheit erlangen, am 6. April 2011 standen die Grünen bei Forsa bundesweit bei 28 Prozent und es wurde öffentlich spekuliert, ob die Partei bei der nächsten Bundestagswahl Joschka Fischer (Grüne) als Kanzlerkandidaten aufstellen sollte.

Merkel ersetzt Kernkraft durch Kohlekraft

Am 30. Juni 2011 beschloss der Bundestag dann den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg: Acht Atomkraftwerke sollten bereits Anfang August, also nur einen Monat später vom Netz gehen. Andere Kraftwerke sollten zwei Jahre länger laufen dürfen, als von Rot-Grün ursprünglich geplant, nämlich bis Ende 2022. Zwischen 2015 und 2021 gingen sechs weitere Atomkraftwerke vom Netz. Da der Ausbau der erneuerbaren Energien unter Angela Merkel (CDU) zum Erliegen kam, mussten die Kernkraftwerke durch Kohlekraftwerke ersetzt werden, was Deutschland dem Ziel, klimaneutral zu werden, natürlich nicht näher brachte. Die plötzliche Abschaltung der Kraftwerke kostete den Steuerzahler dann übrigens 2,43 Milliarden Euro, die an ENBW, Eon, RWE und Vattenfall als Entschädigung für entgangene Gewinne gezahlt wird.

Die aktuelle Debatte geht am Thema vorbei

Angesichts der Tatsache, dass die jetzt bis April 2023 am Netz verbleibenden drei Atomkraftwerke lediglich sechs Prozent des Stroms in Deutschland erzeugen, geht eine Debatte über deren Weiterbetrieb komplett am Thema vorbei. Es ist vollkommen absurd, dass dieses Thema die Öffentlichkeit wochenlang beschäftigte und zu einer veritablen Koalitionskrise führte.

Denn das eigentliche Problem lautet: Die Auswirkungen der Klimakatastrophe führen uns vor Augen, dass Deutschland viel schneller den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren muss, als es das im Moment macht. Gleichzeitig kann Deutschland aber den Ausstoß von Treibhausgasen momentan nicht nennenswert senken, da sich die Politik dafür entschieden hat, aus der Atomkraft auszusteigen, die erneuerbaren Energien nicht auszubauen und deswegen Atomkraft wieder mit Kohlekraft ersetzt werden muss.

Die Frage der Endlagerung des Atommülls konnte in 70 Jahren ziviler Nutzung der Atomkraft noch immer nicht geklärt werden. Das Risiko dieser Technologie ist zu hoch und Versicherungen sehen das offensichtlich auch so, denn gegen den größten anzunehmenden Unfall kann man sich nicht versichern, ergo trägt die Gesellschaft die langfristigen Kosten und Risiken dieser Technologie, während die aus ihr erwirtschafteten Gewinne privatisiert werden. Deswegen ist ein Weiterbetrieb der Kraftwerke über den April 2023 hinaus nicht sinnvoll.

Es wäre also besser gewesen, Angela Merkel hätte sich einfach an den Plan von Rot-Grün gehalten und die Kapazitäten der deutschen Atomkraftwerke sukzessive durch erneuerbare Energien ersetzt. Aber es ist auch müßig, sich über die komplett verhunzte Energiepolitik der vergangenen 16 Jahre aufzuregen – der Schaden ist da.

Jedes Gramm CO2 ein Gramm zu viel

Was also tun? Der Bau neuer Atomkraftwerke ist aus den oben genannten Gründen keine Lösung. Hinzu kommt der Faktor Zeit: Die Menschheit kann es sich schlichtweg nicht leisten, erst ab 2030 oder später den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Denn neue Atomkraftwerke bauen kostet Zeit. Jedes Gramm CO2, das wir momentan in die Atmosphäre pumpen, ist ein Gramm zu viel. Wir müssen unseren CO2-Ausstoß jetzt reduzieren und zwar mit Technologien, die jetzt zur Verfügung stehen und nicht erst zum Beispiel 2028, wenn ein vom Atomkraft-Startup Terrapower gebautes Kraftwerk in Wyoming ans Netz gehen soll.

Selbst wenn es morgen zum Durchbruch in der Kernfusion käme und wir sichere, saubere Fusionskraftwerke bauen könnten: Es würden Jahre, eher Jahrzehnte vergehen, bis diese die bisherige Stromproduktion ersetzen können.

Anreize zum Energiesparen schaffen

Nach wie vor sind Solarenergie, Photovoltaik, Biogas und Windkraft die Mittel der Wahl, um Strom und Wärme klimaneutral zu erzeugen. Dazu muss ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der Anreize setzt, Strom zu sparen. Sei es durch Vorgaben, was Geräte verbrauchen dürfen oder durch einen deutlich höheren CO2-Preis, der dann vor allem die Menschen trifft, die einen Treibhausgas-intensiven Lebensstil haben. Das bedeutet auch mehr öffentliche Aufklärung darüber, wie man Strom und Energiesparen kann. Warum bedarf es erst eines Krieges und einer Energiekrise, damit in den Medien erklärt wird, wie man sinnvoll und einfach seinen Energieverbrauch reduziert?

Es ist gut und richtig, dass die Bundesregierung Menschen bei den explodierenden Energiepreisen unter die Arme greift. Es kann aber dauerhaft keine Lösung sein, die Nutzung fossiler Energieträger zu subventionieren.

2023 muss eine Solar-Pflicht kommen

Als im März klar wurde, dass Russland sein Gas als Waffe gegen Europa einsetzt, hätte es einer breiten und ambitionierten Initiative der Politik bedurft, so viele deutsche Haushalte wie möglich auf erneuerbare Energien umzustellen. Doch eine solche Initiative blieb aus – das darf sich 2023 nicht wiederholen.

2023 muss das Jahr der erneuerbaren Energien in Deutschland werden. Dazu gehört eine Solarpflicht. Allein Berlin könnte bis zu 60 Prozent seines Stromverbrauchs durch Solarzellen, die auf dafür geeigneten Dächern angebracht werden, bedienen. Überall, wo in Deutschland ein Gerüst aufgebaut wird, um ein Dach zu reparieren, muss zugleich eine Photovoltaik-Anlage installiert werden.

Ausbau der Erneuerbaren mithilfe neu ausgebildeter Fachkräfte

Und wenn für diesen Ausbau die Fachkräfte fehlen, dann braucht es hier eben auch eine Initiative, um Menschen die Fähigkeiten zu vermitteln, die für den Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig sind.

Angesichts von fast 2,5 Millionen Arbeitslosen ist es doch absurd, wenn die Energiewende daran scheitert, dass es nicht genügend Facharbeiter gibt, die Dämmung, Solarzellen und Wärmepumpen installieren. Wie kann Deutschland Menschen, die sich hier eine Existenz aufbauen wollen, an der Grenze abweisen, wenn der Bedarf an qualifizierten Arbeitern so hoch ist?

Weiterhin müssen bürokratische Hürden abgeschafft werden, die den Ausbau der erneuerbaren Energien sinnlos verzögern, wie Abstandsregeln für Windkraftanlagen oder Zertifizierungspflicht für Solaranlagen mit einer Leistung unter einem Megawatt. Eine Regelung, dass Solaranlagen auf 70 Prozent ihrer Leistung abgeregelt werden müssen, ist für Anlagen, die nach dem 14. September 2022 ans Netz gehen, bereits gefallen. Aber auch alte Anlagen müssen jetzt unbürokratisch 100 Prozent ihrer Leistung erbringen dürfen.

Wir brauchen eine neue Infrakstruktur

Zu guter letzt muss natürlich auch die Infrastruktur geschaffen werden, um den Strom von A nach B bringen zu können. Es ist grotesk, dass durch politisches Missmanagement der Windstrom aus dem Norden nicht in den Süden kommt, weil die Leitungen fehlen.

Als Politiker konnte man in Deutschland in den letzten Jahrzehnten gut mit Ankündigungspolitik Karriere machen. Es reichte anzukündigen, dass der Bund für dieses und jenes so und so viele Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Ob die Mittel dann überhaupt abgerufen wurden, hat nicht interessiert: Wenn von Medien nachgefragt wurde und sich herausstellte, dass nichts passiert ist, war das oft einfach eine Randnotiz. Das muss sich ändern. Deutschland kann sich Politiker, die nicht Teil der Lösung sind, nicht leisten. Die sind dann nämlich ein weiteres Problem – und Probleme haben wir im Moment schon genug.

Christopher Lauer ist Politiker und Journalist, war von 2009 bis 2014 Mitglied der Piratenpartei. Nach einem kurzen Stopp bei der SPD ist er nun bei den Grünen. Von 2011 bis 2016 war er Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus. Zudem war er 2015 als Berater für Datensicherheit beim Axel Springer Verlag tätig, zu dem auch Business Insider gehört.

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Strompreise explodieren - Stromsperre: Wann darf der Energieversorger den Strom abstellen?

Hunderttausende Haushalte ohne Strom

Von jetzt auf gleich ist der Haushalt ohne warmes Wasser und ohne Strom. Lebensmittel können nicht mehr kühl gelagert und mit Blick auf die kalte Jahreszeit kann auch nicht mehr geheizt werden. Genau mit diesem Problem mussten im Jahr 2020 insgesamt 230.015 Haushalte in Deutschland umgehen, wie aus dem Monitoringbericht 2021 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt hervorgeht.

Dies entspricht einem Rückgang um rund 20 Prozent im Vergleich zu 2019. Der Grund hierfür liegt in dem Leistungsverweigerungsrecht, das Verbraucher im ersten Halbjahr der Corona-Pandemie in Anspruch nehmen konnten. Zudem gaben rund 72 Prozent der im Monitoringbericht befragten Stromlieferanten an, freiwillig auf Sperrungen ihrer Kunden verzichtet zu haben.

Doch ab wann darf der Energieanbieter dem Verbraucher den Strom sperren und inwieweit muss der Verbraucher vor Eintreten dieser Maßnahme darüber in Kenntnis gesetzt werden?

Zahlungsverzug von mehr als 100 Euro

Der Stromversorger darf dem Verbraucher nicht grundlos und ohne Mitteilung die Energieversorgung versagen. Nach Angaben der Verbraucherzentrale kann der Stromanbieter bereits ab einem Zahlungsrückstand von mehr als 100 Euro den Strom oder das Gas abstellen. Dies darf allerdings nur geschehen, wenn die Sperre vier Wochen und der Vollzug drei Werktage vorher angekündigt wurde. Außerdem muss die Sperre verhältnismäßig sein und der Verbraucher muss die Möglichkeit haben, dem Energieversorger in Aussicht zu stellen, seinen Zahlungspflichten nachzukommen. Im November 2021 wurde zudem die Strom- und Gasgrundversorgungsverordnung überarbeitet. "Konkrete Gefahr für Leib und Leben" wurden nun als Grund für eine Unverhältnismäßigkeit einer Sperrung genannt. Weiterhin ist diese auch nur dann möglich, wenn der Kunde mindestens das Doppelte eines Monatsabschlags beziehungsweise ein Sechstel des Jahresbetrags in Verzug ist.

Auch bezüglich der Gasversorgung wurde erheblich weniger Haushalten die Zufuhr versagt. Laut dem Monitoringbericht wurden im Jahr 2020 rund 24.000 Sperrungen gemeldet - ein Rückgang von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch hier spielten das Leistungsverweigerungsrecht und die Kulanz der Gaslieferanten die entscheidende Rolle.

Strom- und Gaskosten steigen 2022 an

Laut dem Vergleichsportal Verivox sollen die Strom- und Gaspreise auch im Jahr 2022 weiter ansteigen. 280 regionale Stromversorger haben demnach Preiserhöhungen von durchschnittlich sieben Prozent angekündigt. Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden bezahlt dann durchschnittlich 91 Euro mehr. "Deutschland bleibt wohl auch im kommenden Jahr Strompreisweltmeister. Die EEG-Umlage sinkt zwar deutlich, doch steigende Netzgebühren und hohe Beschaffungskosten sorgen für Preisdruck", so Energieexperte Thorsten Storck gegenüber Verivox.

Die Gaspreise steigen noch deutlicher an. 599 regionale Gasversorger kündigten hier eine Preiserhöhung von durchschnittlich 21 Prozent an. Ein Einfamilienhaus mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden muss durchschnittlich 310 Euro mehr bezahlen.

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Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft

  •  Wer wird gefördert?
  •  Was kann gefördert werden?
  •  Wie sind die Konditionen?

Infografik (PDF, 428 KB, nicht barrierefrei)

GEFÖRDERT DURCH

Logo des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages

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Wirtschaftsministerium warnt vor Versorgungsengpässen beim Rohöl

Die Bundesregierung kann vorübergehende Versorgungsengpässe und Preiserhöhungen nicht ausschließen, wenn in gut zwei Wochen das Importverbot für russisches Rohöl in Kraft tritt.

Für die PCK-Raffinerie in Schwedt im Nordosten Brandenburgs werden neue Handelspartner gesucht Quelle: dpa/Patrick Pleul

Für die PCK-Raffinerie in Schwedt im Nordosten Brandenburgs werden neue Handelspartner gesucht Quelle: dpa/Patrick Pleul© dpa/Patrick Pleul

Die Situation könnte mit der in diesem Sommer vergleichbar sein, als der niedrige Wasserstand des Rheins den Transport von Rohstoffen und anderen Gütern behinderte, schrieb das Wirtschaftsministerium in einer Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion.

Das Embargo von Deutschland und anderen europäischen Ländern gegen russisches Pipeline-Rohöl tritt am 5. Dezember in Kraft. Bereits zuvor waren wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine Sanktionen gegen Rohöllieferungen auf dem Seeweg beschlossen worden.

Für die Raffinerien PCK Schwedt und TRM Leuna, die von der Druschba-Pipeline gespeist werden, wäre die Umstellung auf andere Lieferquellen “hinsichtlich der zu substituierenden Mengen anspruchsvoll, aber beherrschbar”, so das Ministerium. So würden etwa die Transportkosten steigen. Die Referenzsorte Brent wird derzeit um durchschnittlich 20 Dollar pro Barrel über dem russischen Ural-Rohöl gehandelt.

Neue Lieferanten für Raffinerie gesucht

Die Bundesregierung hat beide Raffinerien angehalten, ihre Vorräte zu maximieren. Sie führt auch Gespräche mit Warschau, um eine langfristige Lösung für die PCK-Raffinerie in Schwedt zu finden, die bereits unter dem Rückgang der russischen Öllieferungen leidet, seit Berlin im September die deutsche Tochter des russischen Ölkonzerns Rosneft übernommen hatte.

Laut der Auskunft haben mehrere Unternehmen Interesse an einer Beteiligung an der Raffinerie in Schwedt gezeigt. Diese versorgt Berlin und große Teile Ostdeutschlands mit Kraftstoff.

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Ölembargo, Öl-Preisdeckel, Dieselkrise: Warum der Ölpreis bald wieder die 100 Dollar-Marke brechen könnte

In weniger als zwei Wochen ist es so weit: Die EU-Sanktionen gegen Russlands Ölindudstrie treten in Kraft. Vieles spricht dafür, dass der Ölpreis nach seiner jüngsten Erholung bald wieder massiv in die Höhe klettert.

Ölembargo, Öl-Preisdeckel, Dieselkrise: Warum der Ölpreis bald wieder die 100 Dollar-Marke brechen könnte

Ölembargo, Öl-Preisdeckel, Dieselkrise: Warum der Ölpreis bald wieder die 100 Dollar-Marke brechen könnte© Getty Images

Mit dem Rückgang der Energiepreise lastet seit einigen Wochen etwas weniger Druck auf der Wirtschaft. Die Flut von Flüssigerdgas (LNG) aus Übersee, das milde Wetter und die vollen Gasspeicher in Europa haben den Gaspreis massiv nach unten gedrückt – von rund 280 Euro pro Megawattstunde im August auf 116 Euro diese Woche. Der Gaspreis bewegt sich damit immer noch auf dem siebenfachen Niveau wie vor der Gaskrise. Nun aber zeichnet sich ein neuer Risikofaktor ab: der Ölpreis.

Auch dieser Brennstoff ist in den vergangenen Wochen deutlich günstiger geworden. So kostete ein Fass der Rohöl-Nordseesorte Brent statt 115 Dollar wie im Sommer zuletzt nur noch 87 US-Dollar pro Fass. Wichtige Ursache für den Preisrückgang war Chinas Null-Covid-Politik und die deswegen gesunkene Nachfrage auf den Märkten. Vieles spricht jedoch jetzt für eine Wende.

Schon in wenigen Tagen treten die Sanktionen der Europäischen Union (EU) gegen Russland in Kraft – den wichtigsten Öllieferanten der EU. Ab dem 5. Dezember darf dann kein russisches Rohöl mehr über See in die EU fließen. Zeitgleich wird als weitere Sanktion ein Preisdeckel für russisches Öl eingeführt, gemeinsam mit den G7-Staaten. Und im Februar wird dann als dritte Maßnahme das EU-Embargo auch gegen russische Ölprodukte erweitert. All das wird massiven Einfluss auf den Markt haben.

Versicherungsverbot an Rohöl-Embargo geknüpft

Dabei drohen die Sanktionen Anfang Dezember zum größten Preistreiber zu werden. Mit dem sechsten Sanktionspaket hatten die Mitgliedstaaten der EU im Mai beschlossen, dass sie vom 5. Dezember an den Import von russischem Rohöl über den Seeweg boykottieren. Zu einem vollständigen Boykott hatte sich die EU aufgrund großer Abhängigkeiten einzelner Staaten nicht durchringen können. Vor allem Bulgarien, Kroatien und Tschechien sperrten sich; sie profitieren jetzt von Ausnahmeregelungen. Rohöl-Importe über Pipelines wie die Druschba, die beispielsweise Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Deutschland versorgt, bleiben vorerst vom Embargo ausgenommen.

Deutschland hatte sich damals dazu verpflichtet, auch auf das Pipeline-Öl zu verzichten, was vor allem die ostdeutschen Raffinerien in Leuna und Schwedt unter Druck setzte, Ersatzlieferungen zu finden. Nach den jüngsten Warnungen der Bundesregierung ist dort jetzt mit Engpässen und höheren Preisen zu rechnen. "Je nach Szenario sind lokale, temporäre Versorgungsengpässe und Preissteigerungen nicht auszuschließen, vergleichbar mit den Auswirkungen des Rheinniedrigwassers in Teilen Süddeutschlands in diesem Sommer", teilte die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von CDU/CSU mit.

Aber auch auf dem Weltmarkt ist ein Preisanstieg zu erwarten. Denn an das Ölembargo sowie die Preisobergrenze für russisches Öl, die am selben Tag in Kraft tritt, ist auch ein Versicherungsverbot geknüpft. Die Maßnahme verbietet es Unternehmen in der EU, den Transport von russischem Öl in Drittländer, insbesondere über Schiff, zu versichern und zu finanzieren. Auch das dürfte erhebliche Folgen haben.

Auf Initiative der G7-Staaten, wozu neben Deutschland, Italien und Frankreich auch Kanada, die USA, das Vereinigte Königreich und Japan zählen, darf Öl aus Russland nur noch versichert und verschifft werden, wenn es zu oder unter einem bestimmten Preis gehandelt wird. Reeder mit Sitz in der EU und den G7-Staaten transportierten im September 55 Prozent der russischen Rohölexporte aus der Ostsee und dem Schwarzen Meer. Die G7 schätzt, dass etwa 95 Prozent der weltweiten Öltankerflotte von Schifffahrtsversicherern in den G7-Ländern gedeckt werden. Kurz gesagt: Die Sanktionen schränken Russlands Option massiv ein, weiterhin Rohöl und Erdölerzeugnisse in die übrige Welt zu exportieren.

Weltmarkt könnten 1 bis 2 Millionen Barrel fehlen

Um die Preisobergrenze zu umgehen, baut Russland laut Marktbeobachtern derzeit eine eigene "Schattenflotte" auf. Vermutet wird, dass sie größtenteils aus ausgedienten Tankern besteht. Aber selbst wenn Moskau mehr Schiffe für sich gewinnen kann, werden Russlands Ölexporte durch die Sanktionen in diesem Winter erheblich zurückgehen, erwartet Russell Hardy, Chef des weltweit größten unabhängigen Energiehändlers Vitol.

"Es ist zu erwarten, dass sich fast alle europäischen Unternehmen von Geschäften abwenden werden, die nicht sanktionskonform sind", sagte der Vitol-CEO der "Financial Times". So dürften die Exporte laut Hardy trotz der Paria-Flotte um bis zu 1 Million Barrel pro Tag einbrechen. Im Dezember 2021 exportierte Russland laut Internationaler Energieagentur (IEA) rund 5 Millionen Barrel pro Tag. Allein durch die logistischen Probleme dürfte also zumindest kurzfristig ein bedeutender Teil des globalen Ölangebots wegfallen.

Zu sehen ist dieser Trend schon jetzt. Die aus Russland verschifften Gesamtmengen fielen laut Daten von Bloomberg vergangene Woche auf ein Neun-Wochen-Tief von nur noch 2,67 Mio. Barrel pro Tag. Damit hat Russland zwei Wochen vor dem Inkrafttreten der Sanktionen bereits mehr als 90 Prozent seines Marktes in Nordwesteuropa verloren, der bisher die Hauptstütze der Lieferungen von den baltischen und arktischen Terminals war. Die wöchentlichen Einnahmen des Kremls aus dem Ölhandel über Seetransporte fielen entsprechend auf 109 Millionen Dollar, den niedrigsten Stand seit Anfang Januar. Im April hatte Moskau zwischenzeitlich 232 Millionen Dollar eingenommen.

Zwar habe Russland in der Zeit seit dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine im Februar mehr als eine Million Barrel Rohöl pro Tag in die Abnehmerländer IndienChina und Türkei umgeleitet, hieß es auch im jüngsten Monatsbericht der IEA. Dies reiche aber nicht, um die weggebrochenen Lieferungen in westliche Industriestaaten vollständig auszugleichen. Und die Lückenfüller könnten ihr Limit erreicht haben, so die IEA-Experten. Sie gehen davon aus, dass die russische Fördermenge bis Ende März 2023 um fast 2 Millionen Barrel unterhalb des Vorkriegsniveaus liegen dürfte.

Russlands Reaktion auf Preisdeckel ist entscheidend

Entscheidend für die Auswirkungen der Sanktionen auf den Ölpreis ist nun vor allem Russlands Reaktion auf die Preisobergrenze. Der Preisdeckel, der dazu gedacht ist, Russland daran zu hindern, sein Öl teuer außerhalb der EU zu verkaufen, wird voraussichtlich zwischen 65 und 70 Dollar pro Barrell russisches Rohöl liegen. Noch haben sich die G7-Staaten nicht auf eine Höhe geeignet.

Für die Allianz ist die Maßnahme ein schmaler Grat. Einerseits wollen sie Russlands Einnahmen aus dem Ölgeschäft reduzieren, mit denen der Kreml den Ukraine-Krieg finanziert. Andererseits müssen sie Moskau einen Anreiz geben, weiterhin Öl zu fördern. Beim Wegfall des russischen Angebots droht ein exorbitanter Anstieg des Ölpreises.

Kreml warnt, nur Öl ohne Preisdeckel zu handeln

Russland hat bereits zu verstehen gegeben, dass die staatlichen Ölkonzerne Rosneft, Lukoil und Co. kein Öl unterhalb der Preisobergrenze verkaufen werden. Das bedeutet: Entweder müssen Russlands Ölriesen alternative Lieferketten entwickeln, um die Maßnahmen zu umgehen, oder Ölförderstätten stilllegen.

Wahrscheinlich ist, dass der Ölpreis zumindest kurzfristig anzieht. Analysten erwarten zwar, dass Russland versuchen wird, die Sanktionen auszuhebeln. "Wir gehen davon aus, dass ein großer Teil des russischen Rohöls über nicht-westliche Schiffsversicherungen und -dienstleistungen transportiert werden wird", schätzt Shin Kim, Leiter der Abteilung Öl- und Gasversorgungsanalysen bei S&P Global Commodity Insights in einer Analyse. Aber Russland werde es wohl nicht schaffen, das gesamte boykottierte Öl umzuleiten. Für das erste Quartal 2023 rechnen die Analysten mit 1,5 Millionen Barrell pro Tag, die dem Weltmarkt aufgrund der Exporthürden aus der russischen Ölförderungen fehlen. Mit der Zeit dürfte der Preis aber wieder nachgeben, wenn Russland weitere Umgehungsmöglichkeiten für die Sanktionen findet und wieder mehr Öl am Markt verfügbar wird.

Hilfe dürfte Wladimir Putin (70) dabei von seinem neuen Verbündeten Iran bekommen, der Erfahrung damit hat, Strafmaßnahmen etwa mit Öltransporten auf hoher See unter dem Radar zu umgehen. Und fraglich bleibt auch, ob sich die großen Abnehmer Indien und China die Preise vom Westen vorschreiben lassen. US-Finanzministerin Janet Yellen (76) sagte kürzlich, Indien könne weiterhin so viel russisches Öl kaufen, wie es wolle, auch zu Preisen über dem Preisdeckel – solange das Land sich von westlichen Versicherungs-, Finanz- und Seedienstleistungen fernhält. So oder so: Russland werde es sehr schwer haben, wenn die EU kein russisches Öl mehr kauft, sagte Yellen. "Sie werden auf der Suche nach Käufern sein. Und viele Käufer sind auf westliche Dienstleistungen angewiesen." Es gibt also Gründe genug anzunehmen, dass das Angebot sinkt und der Preis für Rohöl in den kommenden Wochen kurzfristig in die Höhe schießen könnte.

Dieselkrise in Europa steht bevor

Spätestens im neuen Jahr dürften dann auch die Dieselpreise ordentlich zulegen. Denn am 5. Februar greifen die nächsten Sanktionen: das Embargo der EU für russische Ölprodukte. Das betrifft etwa Importe von Heizöl und Diesel. Nach Einschätzung von Experten steht Europa dann ein Schock bei der Versorgung mit Diesel bevor.

Russland ist immer noch Europas größter Diesellieferant. Daran hat sich auch neun Monate nach Beginn des Kriegs nichts geändert. Von Februar an dürfte Europa mehr Diesel aus dem Nahen Osten und Indien, die zweit- und drittgrößten Diesellieferanten Europas, beziehen. Das ist aber mit enormen finanziellen Kosten verbunden, so Benedict George, Dieselexperte beim Preisberichterstatter Argus Media kürzlich in einer Analyse. "Jedes zusätzliche Barrel, das Europa kauft, muss von asiatischen Käufern zu immer höheren Kosten gewonnen werden."

Preistreibend wirken auch die ungewöhnlich geringen Lagerbestände. Aufgrund der derzeitigen Preisstruktur am Terminmarkt, der sogenannten Backwardation, lohnt es sich für die Verkäufer mehr, den Diesel jetzt zu verkaufen als ihn einzulagern. Im Frühjahr werden die Dieselvorräte in Nordwesteuropa daher auf den niedrigsten Stand seit mindestens 12 Jahren fallen, prognostiziert das Beratungsunternehmens Wood Mackenzie. Jetzt füllen die Händler ihre Läger noch einmal mit russischem Diesel auf, bevor ihr Hauptlieferant in zwei Monaten wegfällt.

Hört das denn gar nicht auf, Rohstoffe, welche dringend gebraucht werden zu sanktionieren!

Ein weiterer Schritt in Richtung unsere Wirtschaft zu schädigen / zerstören!!!

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Der Mittelstand zittert - „Das Preisniveau ist tödlich für uns, aber auch viele andere Industrien“

Die Gas- und Strompreise sind wegen des Ukraine-Kriegs massiv angestiegen. Das macht nicht nur einzelnen Verbrauchern, sondern auch Unternehmen zu schaffen. Längst gibt es Berichte über Massenentlassungen und Betriebsschließungen.

Der Mittelstand hat mit der Energiekrise zu kämpfen. imago images/Future Image

Der Mittelstand hat mit der Energiekrise zu kämpfen. imago images/Future Image© imago images/Future Image

Wenn Wolfgang Mannheim über die KTS, die Kärlicher Ton- und Schamottewerke Mannheim & Co. KG, spricht, geht er gerne ins Detail. Er berichtet nicht nur vom Tonbergbau und der Rohstoffveredelung, also den wesentlichen Geschäftsbereichen.

Mannheim erklärt auch, wo überall KTS „drinsteckt“: in Motoren, Windrädern, Bleistiftminen. „Uns gibt es jetzt seit 1867, also seit mehr als 150 Jahren“, sagt er im Gespräch mit FOCUS online. Der 53-Jährige ist stolz auf das, was er und seine Familie erreicht haben.

Genau das scheint nun jedoch in Gefahr zu sein. Denn den Schamottewerken machen die gestiegenen Energiekosten zu schaffen - wie vielen der rund 3,8 Millionen kleineren und mittleren Unternehmen in Deutschland.

Die Schamottewerke stecken in der Energiekrise

„Das Preisniveau ist tödlich für uns, aber auch viele andere Industrien“, sagt Mannheim. Er arbeitet seit 25 Jahren für die KTS, leitet das Familienunternehmen bereits in der 5. Generation. Der 53-Jährige beschreibt „Kostensteigerungen auf fast allen Ebenen“, vor allem bei Strom, Gas und Diesel.

Die KTS ist eine Firma, in der Ton nicht nur abgebaut, sondern auch gemischt, zerkleinert, getrocknet, gemahlen, verpackt und gebrannt wird. Strom, Gas und Diesel sind also zentral für das Funktionieren der Betriebsabläufe.

Zwar kaufen die Schamottewerke über Tranchenverträge einen Teil ihrer Energie im Voraus ein. Schon bevor die Preise in die Höhe schossen, hatte sich der Betrieb mit Gas für 2022 eingedeckt. Beim Strom lief es jedoch anders.

„Da hatten wir uns im Januar nur zu 30 Prozent abgesichert. Ich habe Anfang des Jahres Strom nachgekauft“, erzählt Geschäftsführer Mannheim. Allerdings - wegen des Ukraine-Kriegs - zu deutlich höheren Preisen als im vergangenen Jahr.

Mannheim musste 2022 dreimal die Preise erhöhen

Die gestiegenen Energiekosten führten dazu, dass Mannheim 2022 dreimal die Preise für seine Kunden erhöhen musste. „Ich habe ihnen erklärt, dass es keinen Verhandlungsspielraum mehr gibt“, sagt er.

Bisher tragen seine Geschäftspartner die Erhöhungen mit. „Beim dritten Mal meinten manche aber, dass mittlerweile derartige Dimensionen erreicht werden, dass sie weitere Steigerungen nicht mehr stemmen können oder wollen.“

Der Grund ist laut Mannheim vor allem, dass diese Klienten die Erhöhungen in ihren Märkten nicht mehr weitergeben können. Er erinnert sich an einen Kunden, der wegen zu hoher Energiekosten Insolvenz anmelden musste.

Die KTS ist nur eines von vielen mittelständischen Unternehmen, die mit der Energiekrise zu kämpfen haben. Bäcker, Restaurantbesitzer, Stahlbauer - viele von ihnen bangen um ihre Existenz. Manche Unternehmen stehen bereits vor dem Aus, zum Beispiel der Porzellanproduzent Eschenbach.

Nach 130 Jahren geht im thüringischen Triptis der Ofen aus, allen knapp 100 Mitarbeitern steht die Kündigung bevor. Wie der MDR berichtet, schließt das Unternehmen zum Jahresende seine Türen.

„Energie ist der wichtigste Produktionsfaktor“

„Fast drei Viertel der vom Deutschen Mittelstandsbund Befragten geben an, dass die Energiepreise sie stark oder sehr stark belasten“, sagt Hanno Beck im Gespräch mit FOCUS online. Er arbeitet als Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule Pforzheim.

„Das liegt auch daran, dass Energie mit der wichtigste Produktionsfaktor ist. Verteuert sich Energie, so zieht sich das rasch durch alle Produktionsketten“, sagt er. Nicht nur Gas, Benzin oder Strom kosten also immer mehr, sondern auch andere Vorleistungen, die mit Energie produziert werden.

Besonders von der Energiekrise bedroht sind laut Beck Bäckereien, die Keramik- und Glasindustrie, Papierhersteller sowie die Transport- und Logistikbranche. „Aber auch das Handwerk sowie Gastronomie, Getränkeherstellung, Friseursalons und Garten- und Landschaftsbauer dürften betroffen sein.“

Auch Bäckereien sieht Beck als gefährdet an. IMAGO/Sven Simon

Auch Bäckereien sieht Beck als gefährdet an. IMAGO/Sven Simon© IMAGO/Sven Simon

Bei den Kärlicher Ton- und Schamottewerken ist die Auftragslage momentan zwar gut, Sorgen macht sich Chef Mannheim trotzdem. Für 2023 hat er bislang nur 60 Prozent des benötigten Gases eingekauft. Und die Strompreise haben ihm schon dieses Jahr zu schaffen gemacht.

An Entlassungen will Mannheim im Moment nicht denken

„Wir beobachten die Energiemärkte, erfüllen weiter unsere Aufträge“, sagt er. „Aber wir müssen sehen, ob wir und unsere Kunden die hohen Preise dauerhaft mittragen können.“

Manche Betriebe stehen wegen der angespannten Situation schon jetzt vor harten Entscheidungen. Eine Befragung der DZ Bank unter mehr als tausend Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern ergab, dass viele mittelständische Firmen einschneidende Veränderungen anstoßen müssen.

Umstrukturierungen stehen demnach jedem vierten Unternehmen bevor, jedes fünfte Unternehmen aus der Ernährungsbranche denkt über Entlassungen nach. Auch Mannheim kann sich vorstellen, einzelne Anlagen der KTS zumindest vorübergehend abzuschalten, sollten Strom- und Gaskosten so hoch bleiben wie aktuell.

Die 27 Mitabeiter, die die KTS derzeit beschäftigt, will er aber halten. Wenn es hart auf hart kommt, werden die Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt, sagt er. „Aber daran will ich im Moment gar nicht denken.“

Mittelstand hat eine Stärke, die ihm in der Krise helfen kann

Ökonom Beck glaubt allen düsteren Nachrichten zum Trotz, dass der Mittelstand das Potenzial hat, energiepreisbedingten Pleiten zu entgehen. Nicht nur Sparmaßnahmen, sondern auch „Produkt- und Prozessinnovationen“ könnten ein Weg aus der Krise sein.

„Vielleicht aber auch Anpassungen in der Produktpalette, beispielsweise eine geringere Sortimentsbreite. Vielleicht muss ein Bäcker im Winter nicht unbedingt Erdbeertörtchen anbieten", meint er.

Und ergänzt: „Leider gehört auch – falls möglich – die Verlagerung der Produktion ins Ausland zu den möglichen Strategien.“ Helfen könnten darüber hinaus Strom- und Gaspreisbremse, also Regelungen, die in den nächsten Tagen von der Politik beschlossen werden sollen.

Die Gaspreisbremse, die ab spätestens März wirken soll, sieht einen vom Staat subventionierten Basisverbrauch vor, ebenso wie die Strompreisbremse. Diese soll ab Januar gelten.

Die Tücken der Strom- und Gaspreisbremse

Experte Beck glaubt, dass solche Maßnahmen kurzfristig für Entlastung sorgen können. Er sagt aber auch: „Man muss immer daran denken, dass dieses Geld eines Tages zurückgezahlt werden muss, und das wird letztlich nur über Steuern funktionieren.“

Unklar ist außerdem, ob die staatlichen Hilfen rechtzeitig kommen würden. Viele Unternehmen stehen schon jetzt mit dem Rücken zur Wand, siehe Eschenbach Porzellan.

KTS-Geschäftsführer Mannheim hat jedenfalls eine ganze Liste an Vorschlägen für die Politik erstellt. Es sind Ideen, wie man der Energiekrise begegnen und die Preise für Gas und Strom drücken könnte.

„Wir werden gebraucht“, sagt Mannheim

Er spricht sich zum Beispiel dafür aus, alle funktionstüchtigen Atomkraftwerke am Netz zu lassen, wenigstens bis 2024. „So können wir so viel Strom wie möglich produzieren und haben mehr Planungssicherheit“, sagt er.

„Ich wünsche mir ideologiefreie Maßnahmen, in meinen Augen kann Kohle nicht die Lösung sein.“ Der Unternehmenschef hält es außerdem für sinnvoll, die Steuern auf einzelne Energieformen auf das europarechtlich zulässige Mindestmaß zu senken.

Abgesehen davon müsste die im Jahr 2021 eingeführte CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe, die den Verbrauch durch Teuerungen drücken soll, in Mannheims Augen für mindestens zwei Jahre ausgesetzt werden. Seine Begründung: Energie ist auch ohne sie wesentlich teurer geworden.

Letztendlich glaubt Mannheim nicht, dass sein Betrieb im kommenden Jahr schließen muss, auch wenn die Zeiten schwierig sind. KTS steckt schließlich in so vielen Produkten, betont er. „Wir werden gebraucht. Auch wenn wir uns zeitweise verkleinern müssen, ich denke, wir schaffen das schon irgendwie.

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Katar liefert ab 2026 Flüssiggas nach Deutschland - über Umwege

Deutschland und Katar haben nach Angaben der Regierung des Emirats eine Einigung bei Gaslieferungen getroffen. Wie Energieminister Saad Scharida al-Kaabi bekanntgab, soll Flüssiggas aus Katar ab 2026 an das US-Unternehmen Conoco Phillips verkauft werden, das es weiter nach Brunsbüttel liefere.

LNG-Terminal in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein).

LNG-Terminal in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein).© Daniel Reinhardt/dpa via AP

Die Lieferung soll 2026 beginnen und mindestens 15 Jahre laufen. Jährlich sollen bis zu 2 Millionen Tonnen geliefert werden.

Deutschland braucht das Gas, um die ausgeliebenen Lieferungen aus Russland zu kompensieren. Der Energieminister aus Katar sprach von einer "konkreten Demonstration (...) unseres Engagements für die Deutschen".

Das Gas soll Conoco zufolge bei unterschiedlichen Käufern in Deutschland angeboten werden.