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EZB warnt vor riskantem Immobilienboom – Bericht zur Finanzstabilität

Das Finanzsystem ist mit dem Comeback der Konjunktur nach dem Coronaknick wieder stabiler geworden. Doch die schnell wachsenden Häusermärkte in Europa bereiten der Europäischen Zentralbank Sorgen.

Die wirtschaftliche Erholung hat im Euroraum auch die Risiken für die Stabilität des Finanzsystems verringert. Davon geht die Europäischen Zentralbank (EZB) in einem aktuellen Bericht aus. Viele kurzfristige, pandemiebedingte Risiken seien überwunden.

»Das Risiko hoher Ausfallraten bei Unternehmen und Verlusten bei Banken ist heute deutlich geringer als noch vor sechs Monaten«, sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos anlässlich der Veröffentlichung des halbjährlichen Berichts der Notenbank in Frankfurt. »Die von der Pandemie ausgehenden Risiken sind jedoch nicht völlig verschwunden.« Spannungen in den globalen Lieferketten sowie der jüngste Anstieg der Energiepreise bremsten den Aufschwung. Staaten stehen zudem vor der Herausforderung, ihre in der Krise angehäuften Schulden zu tilgen.

Insbesondere am Häusermarkt drohten weiter Gefahren. Das Risiko von Preiskorrekturen habe in Ländern zugenommen, in denen die Bewertungen von Wohnimmobilien bereits vor der Krise erhöht gewesen seien, teilte die EZB mit. »Die Häusermärkte in der Eurozone sind schnell gewachsen, wobei es wenige Anzeichen dafür gibt, dass es in Reaktion darauf zu einer Straffung der Kreditvergabestandards gekommen wäre«, so de Guindos.

Fonds und Versicherer wieder risikobereiter

Die Notenbank verweist darauf, dass im zweiten Quartal die Häuserpreise im Euroraum so rapide gestiegen seien wie seit dem Jahr 2005 nicht mehr. Zugleich habe sich sogar eine Lockerung der Vergabestandards für Hypothekendarlehen abgezeichnet. Der starke Anstieg der Häuserpreise von rund sieben Prozent bleibe »ein Grund zur Sorge«, warnte die EZB. Die Banken in der Eurozone erwarten im Herbstquartal allerdings leicht verschärfte Vergabestandards für Firmenkredite, wie aus der jüngsten EZB-Umfrage unter 146 Finanzinstituten hervorgeht.

Hinzu kommt: Nach Einschätzung der EZB hat auch das Risiko von Preiskorrekturen auf einigen Immobilien- und Finanzmärkten zugenommen. Die Währungshüter erkennen eine höhere Risikobereitschaft bei Nichtbanken wie Investmentfonds, Versicherern und Pensionsfonds: Diese hätten ihr Engagement in Unternehmensanleihen mit niedrigerem Rating weiter erhöht und könnten erhebliche Kreditverluste erleiden, wenn sich die Bedingungen im Unternehmenssektor verschlechtern sollten, warnten die Währungshüter.

Mit Blick auf die gesamte Wirtschaft sieht die Notenbank nun ein deutlich geringeres Risiko als vor sechs Monaten, dass es in größerem Umfang zu Firmenpleiten kommt oder Banken in die roten Zahlen geraten. »Aber die von der Pandemie ausgehenden Risiken sind nicht komplett verschwunden«, sagte De Guindos. Die Notenbank räumte zugleich ein, dass sich die negativen Effekte der Niedrigzinspolitik für die Geldhäuser »mit der Zeit verschlimmern« könnten.

Aus der Bankenbranche waren zuletzt verstärkt Stimmen zu hören, die Zentralbanken sollten angesichts des starken Preisauftriebs die Abkehr von ihrer ultralockeren Linie einleiten. Firmen im Euroraum hätten mit der Wirtschaftserholung im ersten Halbjahr vielfach wieder Gewinne eingefahren, teilte die Notenbank mit. Auch deswegen sei das Niveau der Insolvenzen unter dem Niveau von vor der Krise geblieben.

Allerdings sei es in den von der Pandemie besonders betroffenen Bereichen vermehrt zu Pleiten gekommen. Und deren Zahl könne noch weiter steigen. Auch die Lieferkettenprobleme und der jüngste Anstieg der Energiepreise könnten eine Herausforderung für die Wirtschaftserholung und den Inflationsausblick bedeuten, so das Fazit.

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EZB lässt Corona-Notprogramm auslaufen – Leitzins bleibt bei 0,0 Prozent

Die EZB verabschiedet sich im Frühjahr von ihrem billionenschweren Pandemie-Krisenprogramm. Beendet sind die milliardenschweren Wertpapierkäufe der Notenbank damit aber nicht, der Leitzins verharrt bei null Prozent.

Die Europäische Zentralbank (EZB) beendet ihr in der Coronakrise aufgelegtes Notkaufprogramm für Anleihen Ende März. Das bedeutet, dass die Zentralbank ab April keine zusätzlichen Papiere mehr hinzukaufen wird.

Fällige Tilgungsbeträge sollen jedoch noch bis mindestens Ende 2024 reinvestiert werden. Im kommenden ersten Quartal werden die Zukäufe noch fortgesetzt – allerdings in niedrigerem Tempo als Ende 2021.

Damit es nach dem Entzug der auf 1,85 Billionen Euro angelegten Krisenhilfe im Frühjahr nicht zu Marktturbulenzen kommt, will die EZB mit dem neu justierten kleineren Ankaufprogramm namens APP einen Übergang schaffen: Die Ankäufe im Volumen von zuletzt 20 Milliarden Euro pro Monat werden im zweiten Quartal 2022 auf 40 Milliarden Euro verdoppelt, im dritten Quartal dann auf 30 Milliarden Euro zurückgefahren. Ab Oktober kommenden Jahres soll das Ankauftempo dann auf 20 Milliarden Euro gesenkt und so lange beibehalten werden, wie es zur Förderung der Konjunktur notwendig ist.

Dieses im EZB-Jargon als Asset Purchase Programme (APP) bekannte Instrument war bereits Mitte vorigen Jahrzehnts als Konjunkturstütze eingeführt worden. Die schrittweise Abkehr vom Krisenmodus vollzieht sich vor dem Hintergrund rasant steigender Preise. Die Teuerung erreichte im November in der Eurozone ein Rekordniveau von 4,9 Prozent.

Den Leitzins von 0,0 Prozent beließ der EZB-Rat nun wie erwartet auf dem rekordniedrigen Niveau. Auch der Einlagesatz bleibt im Euroraum bei minus 0,5 Prozent. Die Banken müssen daher weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der EZB parken.

Anders auf der anderen Seite des Ärmelkanals: Die britische Notenbank hat kurz vor dem EZB-Ratsbeschluss überraschend eine Zinswende eingeleitet.

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Immobilien-Finanzierung: Experten erwarten steigende Bauzinsen

Dank Niedrigzinsen können viele Immobilienkäufer Wohnungen oder Häuser finanzieren. Unter anderem wegen der Inflation dürften Kredite nun teurer werden, sagen Experten. Interessenten sollten sich aber nicht verunsichern lassen.

Die Zinsen für die Finanzierung von Immobilienkäufen drohen 2022 zu steigen. Denn mit dem Anstieg der Inflation dürften die Bauzinsen etwas teurer werden. Experten raten Immobilienkäufern daher, sich günstige Konditionen lange zu sichern.

»Ich rechne damit, dass die Zinsen für Baufinanzierungen im kommenden Jahr um 0,25 bis 0,5 Prozentpunkte steigen«, sagt Max Herbst, Gründer der Frankfurter FMH-Finanzberatung. Doch selbst bei einem Anstieg der Bauzinsen in diesem Bereich seien die Konditionen »traumhaft«. Zinsen von mehr als drei Prozent sieht Herbst auf lange Sicht nicht kommen.

Kaum jemand glaube an stark steigende Zinsen an den Kapitalmärkten, doch mit der hohen Inflation stünden Zentralbanken unter Druck, ihre Geldpolitik zumindest zu straffen, sagt Herbst. Damit dürfte auch das allgemeine Zinsniveau steigen. Die US-Notenbank Fed hat zuletzt schon mehrere Zinserhöhungen für 2022 signalisiert. Und die EZB will ihr Corona-Notkaufprogramm für Anleihen Ende März auslaufen lassen. Sie rechnet im neuen Jahr mit einer deutlich höheren Inflation.

Neugeschäft der Banken zieht weiter an

Nach Angaben von FMH liegen die Zinsen für zehnjährige Baufinanzierungen derzeit im Schnitt bei knapp einem Prozent pro Jahr. Hausbauern rät Herbst lange Finanzierungen mit 15 bis 20 Jahren Laufzeit. »Weshalb das Risiko eingehen und die heute noch sehr guten Zinsen für langfristige Zinsbindungen nicht mitnehmen?«, meint er. Wer Immobilien dagegen nicht zum Eigennutz, sondern zur Kapitalanlage kaufe, könne auch zehnjährige Zinsbindungen wählen und so flexibler bleiben. »Vermutlich werden die Bauzinsen absehbar leicht schwanken.«

Auch Interhyp rechnet mit Zinsanstiegen. In seinem Trendbarometer, für das der Münchner Immobilienfinanzierer monatlich zehn deutsche Banken befragt, erwartet die große Mehrheit der Experten im Verlauf des neuen Jahres ein höheres Zinsniveau. Vorständin Mirjam Mohr rechnet auch wegen der geldpolitischen Schritte der EZB mittelfristig mit einem leichten Anstieg der Bauzinsen »im Bereich mehrerer Zehntelprozentpunkte«.

Interessenten mit konkreter Immobilie im Blick sollten sich von schwankenden Kreditkonditionen nicht verunsichern lassen, rät Mohr. Wichtiger sei eine solide Immobilie mit einer robusten Finanzierung. »Eigenkapital und Höhe der Tilgung sollten so gewählt sein, dass bei Ablauf der Zinsbindung schon so viel abbezahlt ist, dass die Finanzierung auch bei einem Zinsanstieg gut leistbar bleibt.«

Unterdessen hat sich der Boom bei Baufinanzierungen in Deutschland fortgesetzt, wie eine am Montag veröffentlichte Studie der Beratungsgesellschaft PwC zeigt. Bei Immobilienkrediten stehe ein weiteres Rekordjahr bevor, heißt es darin. Demnach ist das Neugeschäft von Banken und Sparkassen mit Baufinanzierungen von Januar bis Oktober auf 235 Milliarden Euro gestiegen. Im Vorjahreszeitraum waren es 228 Milliarden Euro.

Der Bestand der Baufinanzierungen legte in den ersten zehn Monaten auf 1,47 Billionen Euro zu und übertrifft laut Angaben damit bereits das Volumen im gesamten Jahr 2020 (1,39 Billionen). »Niedrige Zinsen, eine hohe Sparquote und steigende Inflationsraten dürften sich weiter günstig auf den Wachstumstrend bei Baufinanzierungen auswirken«, sagt Tomas Rederer, Partner bei PwC Deutschland.

Steigende Zinsen treffen Käufer, wenn ihre Finanzierung ausläuft, die Immobilie aber noch nicht abbezahlt ist. Dann können die Zinsen für die Restschuld klettern. Bei schnellen Zinsanstiegen oder auf Kante genähten Finanzierungen kann das gefährlich werden. Bei einem Anstieg der Bauzinsen um 0,2 Prozentpunkte würde die Monatsrate bei einer Finanzierung über 400.000 Euro um 67 Euro im Monat steigen, rechnet Herbst von FMH vor. »Wenn die Finanzierung daran scheitert, sollte man es lieber gleich bleiben lassen.«

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EZB: Zwei Zinserhöhungen stehen für 2022 zur Debatte

Investing.com – Die Europäische Zentralbank (EZB) behält die geopolitischen Spannungen im Zusammenhang mit dem Russland-Ukraine-Krieg genau im Auge. Dennoch wird sie in der zweiten Jahreshälfte zu Zinserhöhungen greifen, wie Morgan Stanley (NYSE:MS) und Goldman Sachs (NYSE:GS) erklärten.

Der Einmarsch Russlands in der Ukraine heizt die Inflation an, die bereits fast das Vierfache des 2 Prozent-Ziels beträgt. Daher wird erwartet, dass die EZB ihre Anleihekäufe im Juli beenden wird.

Während Bloomberg zufolge die Zinserhöhung im September dieses Jahres beginnen könnte, gehen Investmentbanker davon aus, dass die erste Anhebung im Dezember erfolgt. Einige sprechen mittlerweile sogar über zwei Zinserhöhungen in diesem Jahr.

Der Angriffskrieg Russlands hat ein mögliches Rezessionsszenario für die Eurozone heraufbeschworen. Regierungen beraten über ein Energieembargo, das Unternehmen hart treffen würde, berichtet Bloomberg.

Ökonomen sehen den Krieg und die Inflation als die beiden größten Risiken für die Volkswirtschaften an, was die EZB vor ein Dilemma stellt: Der Versuch, die negativen Auswirkungen in den Griff zu bekommen, droht den Aufschwung von der Pandemie abzuwürgen. Die Beibehaltung der Konjunkturpolitik könnte jedoch einen weiteren Anstieg der Inflation auslösen, was es zu vermeiden gilt.

Dem Sitzungsprotokoll zufolge sind sich die meisten EZB-Mitglieder einig. Sie wollen die Ankäufe von Vermögenswerten im Sommer beenden und den Zinserhöhungszyklus bis Ende des Jahres einläuten. Nachdem sie sich im März über ihre Reaktion auf den Krieg uneinig waren, bestehen weiterhin Differenzen darüber, wann und wie die Kreditzinsen kurzfristig steigen sollten.

Bundesbankchef Joachim Nagel und sein niederländischer Amtskollege Klaas Knot sind für September. Ihre belgischen, slowenischen und österreichischen Amtskollegen setzen auf zwei Erhöhungen in diesem Jahr.

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EZB nach Leitzins-Entscheidung der US-Notenbank unter Druck

Angesichts der höchsten Inflationsrate in den USA seit Jahrzehnten greift die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nun durch: Sie erhöht ihren Leitzins deutlich um 0,5 Prozentpunkte und signalisiert eine «rasche» weitere Straffung ihrer Geldpolitik.

«Die Inflation ist viel zu hoch», sagte Zentralbankchef Jerome Powell vor Journalisten. «Wir handeln rasch, um sie wieder zu senken», versprach er. Auch bei den nächsten Sitzungen des Zentralbankrats dürften daher wieder Erhöhungen um je 0,5 Prozentpunkte anstehen, sagte Powell. Zudem baut die Fed ab Juni ihre Bilanzsumme ab, was den Märkten monatlich Liquidität in zweistelliger Milliardenhöhe entziehen wird.

Der entschlossene Kurs der Fed dürfte auch den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhen, die Kurswende hin zur Inflationsbekämpfung zu vollziehen. «Die Fed schreitet mutig voran», kommentierte der Chefvolkswirt der VP Bank Group in Liechtenstein, Thomas Gitzel. «Die EZB sollte den Staffelstab jetzt übernehmen und ebenfalls deutlich machen, dass im laufenden Jahr mehrere Zinsanhebungen zu erwarten sind», schrieb er. Die Fed stärke mit ihrer klaren Kommunikation ihre Glaubwürdigkeit, «die EZB verspielt sie hingegen», schrieb er. Der Chefvolkswirt der Targobank, Otmar Lang, erklärte mit Blick auf EZB-Chefin Christine Lagarde, die EZB solle ein Beispiel an der Fed nehmen: «Frau Lagarde, so geht das!»

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EZB-Straffung plus fiskalische Lockerung schafft brisanten Mix

(Bloomberg) -- Europas Regierungen und Zentralbanker setzen auf einen Mix aus wirtschaftspolitischen Maßnahmen, wie es ihn seit der globalen Finanzkrise nicht mehr gegeben hat, und schaffen damit möglicherweise die Voraussetzungen für eine neue Ära der Verunsicherung an den Märkten.

Während die Europäische Zentralbank eine Zinserhöhung bereits im Juli in Betracht zieht, um die Inflation einzudämmen, versuchen die Regierungen in Europa, die Nachfrage durch expansive Haushaltspolitik zu stimulieren.

Doch während die Zentralbank die Anreize jetzt zurückfahren kann, da die Regierungen mit mehr Stützungsmaßnahmen einspringen, werden die höheren Kreditkosten letztlich die öffentlichen Finanzen belasten - in Ländern wie Italien und anderswo.

Fiscal Support | Euro-area governments are spending billions on helping their economies

Wie lange diese Mischung aufrechterhalten werden kann, wird davon abhängen, ob Anleger bereit sind, weiterhin hoch verschuldete Regierungen zu finanzieren, ob die EZB gewillt ist, die Inflation zu bekämpfen und ob es ihr gelingt, die Märkte unter Kontrolle zu halten.

Ökonomen wie Gilles Moec, Chefvolkswirt bei AXA Investment Managers in London, bezweifeln, dass die neue Kombination aus Finanz- und Geldpolitik in der Eurozone allzu weit getrieben werden kann.

“Im Prinzip schafft dies Raum für eine schnellere Normalisierung durch die EZB, aber es gibt Grenzen”, sagte er. “Der Test besteht darin, was der Markt in Bezug auf fiskalische Anreize akzeptiert, die nicht mehr durch eine außergewöhnliche Geldpolitik unterstützt werden.”

Die Bestimmung des richtigen Gleichgewichts zwischen Geld- und Fiskalpolitik wird Gesprächsthema der Finanzminister und Zentralbanker des Euroraums sein, wenn sie diese Woche mit ihren Amtskollegen aus der G7 in Bonn zusammenkommen.

Auch wenn die EZB sich noch nicht an der weltweiten Straffung der Geldpolitik beteiligt, die bereits von den anderen Zentralbanken - von der Fed bis zur Bank of England - durchgeführt wird, deutet auch in Frankfurt alles darauf hin, dass im Juli ein Zinserhöhungszyklus einsetzen wird, um die Rekordinflation in der Eurozone zu bekämpfen. Dieser Monat wird von den Entscheidungsträgern immer häufiger als Zeitpunkt für ihren ersten Zinsschritt genannt, und letzte Woche kam sogar ein Signal von EZB-Präsidentin Christine Lagarde selbst.

Hawkish Stance | ECB is likely to raise interest rates in July

In der Zwischenzeit bleiben die Regierungen entschlossen in ihrem während der Pandemie eingeleiteten Ankurbelungsmodus. Die Haushaltsdefizite des Euroraums werden 2020 und 2021 zusammen rund 7% bzw. 5% betragen, und obwohl die Region ursprünglich geplant hatte, ab dem nächsten Jahr die niedrigeren Schuldengrenzen der Europäischen Union wieder einzuhalten, ist dies nach dem Ausbruch des Krieges nun unwahrscheinlich.

Abgesehen von der Bekämpfung der Inflation sehen sich die Regierungen auch mit einem größeren Investitionsbedarf konfrontiert, um sich von der Abhängigkeit von russischer Energie zu lösen und ihre Armeen zu stärken. Laut einer Analyse von UBS-Ökonomen werden sich die Kosten, zusammen mit Hilfen für Flüchtlinge, bis Ende nächsten Jahres auf insgesamt 2% der Wirtschaftsleistung belaufen, wobei der größte Teil im Jahr 2022 fällig wird.

Bislang hat die lockere Geldpolitik solche Freigiebigkeit noch begünstigt, indem sie die Finanzierungskosten der Regierungen durch extrem niedrige Zinssätze und den Ankauf von Anleihen in Schach hielt. Doch das ändert sich gerade. Die Notfallkäufe von Anleihen wurden bereits gestoppt, und die quantitative Lockerung wird bald ganz eingestellt.

“Bis zum letzten Jahr kaufte die EZB mit dem QE-Programm im Grunde alle Netto-Neuemissionen auf, und jetzt müssen die Länder diese auf den Finanzmärkten platzieren”, sagte Silvia Ardagna, Ökonomin bei Barclays in London. “Der Appetit der Anleger, größere Emissionen zu absorbieren, ist zweifellos preissensibler.

Für den Fall, dass die Anleiherenditen der schwächeren Volkswirtschaften des Euroraums in die Höhe schnellen, arbeiten EZB-Vertreter an einem Kriseninstrument, das nach Einschätzung von Bloomberg Economics möglicherweise schon bald benötigt werden könnte.

Italian, German government yields have edged higher

Laut Ardagna von Barclays müsste in jedem Fall auch eine Neuauflage des in der Pandemiezeit entwickelten Instruments zur Stützung der öffentlichen Finanzen durch die Bündelung der Kreditaufnahme auf EU-Ebene in Betracht gezogen werden.

Ökonomen von Morgan Stanley weisen darauf hin, dass es einige Zeit dauern könnte, bis sich der Druck auf die Regierungen bemerkbar macht, da die Langfristigkeit der Staatsschulden eine gewisse Isolierung bietet. In einem Bericht von letzter Woche betonten sie, dass ein Stopp der EZB-Anleihekäufe und bevorstehende Zinserhöhungen sich nur “über einen längeren Zeitraum” auswirken würden.

Moody’s Investors Service erklärte im November, dass die Zinszahlungen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt in Westeuropa in diesem und im nächsten Jahr durchschnittlich 1,3% betragen werden, was deutlich unter dem Durchschnitt des Jahrzehnts vor der Pandemie liegt.

Dennoch wurde letzte Woche vom Gouverneur der französischen Zentralbank, Francois Villeroy de Galhau, die Erwartung geäußert, dass höhere Zinssätze letztlich Druck auf die Regierungen ausüben werden, die öffentlichen Finanzen zu sanieren.

“Unser EZB-Rat wird so weit wie nötig handeln”, sagte er. “Es ist daher umso wichtiger, dass die Finanzbehörden die Tragfähigkeit der Schulden in einem Kontext steigender Zinsen sicherstellen, der bereits begonnen hat und die kommenden Jahre dominieren wird.”

Die französische Zentralbank schätzt, dass ein Anstieg der Zinssätze um 1% nach 10 Jahren zusätzliche Kosten in Höhe von fast 40 Milliarden Euro verursachen würde - fast so viel wie der gesamte Verteidigungshaushalt des Landes.

In Anbetracht der Marktrisiken, die in der Eurozone lauern, ist es eine offene Frage, ob die EZB bei der Inflationsbekämpfung viel Handlungsspielraum haben wird.

“Der Fiskus tut im Moment vielleicht etwas mehr und die Zentralbanken etwas weniger, aber wir wissen, dass sich die derzeitigen Bedingungen sehr schnell verschlechtern können”, sagte Ludovic Subran, Chefökonom der Allianz SE. “Es ist schwierig, sich ein Szenario vorzustellen, in dem die Zentralbanken die Zinsen wirklich erhöhen können, wie sie wollen.”

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Jetzt wird das Geld teuer
Frau hebt Geld ab: Durch die Inflation verliert das Geld an Wert.
Frau hebt Geld ab: Durch die Inflation verliert das Geld an Wert. 

Die Europäische Zentralbank wird wohl in den kommenden Wochen die Anleihekäufe beenden und die Zinsen anheben. Sie handelt zu spät, zögerlich, und tut zu wenig, um die Inflation zu bekämpfen.

So einmütig waren die Notenbanker selten. "Offensichtlich" zum nächstmöglichen Zeitpunkt sollen die Zinsen steigen, sagt der Präsident der französischen Notenbank Banque de France. "Möglicherweise richtig", findet Ignacio Cisco, Chef der italienischen Notenbank, einen Zinsschritt im Sommer. Während die "Tauben" unter den europäischen Notenbankern die Zinswende erst nur kommen sehen, verlangen die "Falken", die Geldpolitiker der Niederländer, Österreicher und Deutschen gleich einen halben Prozentpunkt mehr. Gestritten wird nur noch um die Höhe.

In dieser Woche werden die EZB-Räte diese Zinserhöhung wohl ankündigen, im Juli soll sie dann kommen. Das heißt aber auch: Die Zeit, in denen die Notenbank den europäischen Regierungschefs die Arbeit abnehmen konnte, ist vorbei. Jetzt darf es nicht mehr darum gehen, den Ländern aus ihren Finanznöten zu helfen. Jetzt muss die Inflation bekämpft werden. Jetzt muss Christine Lagarde, die frühere französische Finanzministerin und ehemalige Direktorin des Internationalen Währungsfonds, als Chefin der Europäischen Zentralbank zeigen, dass die Notenbank Europas unabhängig ist.

Zinserhöhung kommt nicht gegen Inflation an

Klar scheint zu sein, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen anheben wird, ein bisschen jedenfalls. Ob das reicht, um die Inflation zu bremsen, ist unwahrscheinlich. Denn die Inflation liegt mit rund acht Prozent im Augenblick meilenweit über dem gewünschten Wert von zwei Prozent pro Jahr. Die Zinsen aber werden maximal um 0,5 Prozentpunkte steigen, wahrscheinlicher ist ein Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten, und dann ein weiterer im Herbst. Die EZB steht in einem Trilemma:

Erstens: Die Geldentwertung. Um die Inflation zu bremsen, müsste die Zentralbank die Zinsen schneller und deutlicher anheben – so wie es die US-Notenbank oder die britische Zentralbank bereits getan haben. Die EZB ist, was die Inflation betrifft, hinter der Kurve: Sie handelt zu spät, zu zögerlich, sie macht zu wenig. Denn längst sind es nicht mehr nur Energie und Nahrungsmittel, die die Geldentwertung treiben. Auch die Kerninflationsrate (ohne Nahrungs- und Genussmittel, Energie) liegt bei knapp vier Prozent, und die Löhne ziehen deutlich an.

Wenn aber die Inflation noch eine Weile auf einem deutlich höheren Niveau bleibt als erwünscht, riskiert die Notenbank ihre Glaubwürdigkeit. Schließlich ist Geldwertstabilität ihr eigentlicher Auftrag. Auch die (ökonomisch vertretbare) Möglichkeit, das Zweiprozent-Ziel aufzugeben, ist nur eine theoretische. Denn das würde das Vertrauen der Bürger in ihr Geld untergraben.

Zweitens: Die Konjunktur. Macht eine Zentralbank das Geld teurer, bremst sie die wirtschaftliche Aktivität. Kredite werden teurer, es wird weniger investiert und gebaut. Die Nachfrage sinkt. Normalerweise ist das in Phasen hoher Inflation gewünscht, denn in der Folge sinken auch die Preise. Diesmal ist es anders.

Denn die Inflation geht – jedenfalls in Europa – nicht auf eine Überhitzung der Konjunktur zurück, sondern auf mangelndes Angebot. Die Corona-Politik Chinas, der Ukraine-Krieg und das Handelsembargo gegen Russland sind vor allem dafür verantwortlich, dass zu wenig Öl und Gas auf dem Weltmarkt sind, dass Lieferketten unterbrochen und Produktionsengpässe entstanden sind.

Drittens: Die Staatsverschuldung. In den vergangenen zehn Jahren konnten sich die Länder der Eurozone darauf verlassen, dass ihre Staatsschulden immer billiger und zudem noch von der Notenbank aufgekauft werden. Diese Politik wird nun gestoppt. Auch die Finanzminister müssen damit rechnen, demnächst wieder Zinsen für ihre Kredite bezahlen zu müssen – selbst wenn die EZB die Zinsen in diesem Jahr nur von Minus 0,5 auf 0 Prozent anheben würde.

Für die zehnjährige Bundesanleihe zahlten Kreditgeber dem Finanzminister bisher noch Geld dazu. Jetzt schon muss er mehr als ein Prozent Zinsen bezahlen. Das ist zwar immer noch wenig. Doch die Problemländer der Eurozone, allen voran Italien, beginnen schon jetzt zu schwitzen. Damit aus diesem Stress keine neue Eurokrise wird, muss die EZB umsichtig vorgehen. Sie könnte gezwungen sein, noch eine Weile länger Staatsanleihen der besonders betroffenen Länder zu übernehmen. Das wäre aus vielen Gründen problematisch – vor allem aber würde es den Kampf gegen die Inflation bremsen.

Dennoch ist das Signal wichtig: Die Europäische Zentralbank wird handeln und sich auf den Kern ihrer Aufgaben besinnen. Für die Finanzminister der Eurozone ist das eine schlechte Nachricht: Auch sie müssen sich wieder auf den Kern ihrer Aufgabe konzentrieren.

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Krisensymptome: Die europäische Einheitswährung ist so schwach wie zuletzt vor 20 Jahren

Europa hat sich in den vergangenen Jahrzehnten geld-, finanz-, wirtschafts- und geopolitisch erheblichen Illusionen hingegeben – und nun zahlt der Kontinent den Preis dafür. Kaum irgendwo lässt sich das besser ablesen als an der Kursentwicklung des Euro. Dieser hat allein seit Jahresanfang knapp 10 Prozent seines Wertes zur amerikanischen Währung verloren, und der Euro-Kurs ist am Dienstag auf 1.0230 Dollar gefallen, also auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren.
Der Wert des Euro sinkt. Kai Pfaffenbach / Reuters

© Bereitgestellt von Neue Zürcher Zeitung DeutschlandDer Wert des Euro sinkt. Kai Pfaffenbach / Reuters

Ist ein Euro bald nur noch einen Dollar wert?

Nachdem er allein in den vergangenen Stunden um bemerkenswerte 1,6 Prozent nachgegeben hat, scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis der Dollar-Wechselkurs unter die Parität fallen wird – so wie jüngst gegen den relativ starken Franken.

Die Diagnose ist relativ einfach. Schliesslich haben die Europäer lange Jahre naiv an den Erfolg ihrer Friedenspolitik geglaubt, zu wenig in die militärische Abschreckung investiert und stattdessen von der «Friedensdividende» profitiert. Was schien naheliegender, als sich im Erfolg der Exportindustrie zu sonnen, der indirekt auf den günstigen Import von Energie aus Russland und Rohstoffen aus den Schwellenländern zurückging – und die damit verbundenen Risiken einfach zu ignorieren. Inzwischen zeigt sich die Kehrseite der Medaille. Seit dem brutalen Überfall Russlands auf die Ukraine müssen die Europäer nicht nur mehr für ihre Verteidigung ausgeben, sondern sie zahlen nun auch deutlich höhere Preise für den Import von Energie und Rohstoffen.

Die Europäische Zentralbank hat die Inflation verschlafen

Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die extremen geld-, wirtschafts- und finanzpolitischen Strategien der vergangenen Jahrzehnte aufgrund der Pandemie richtig überstrapaziert worden sind und zu einer inflationären Überhitzung in den europäischen Dienstleistungs-, Güter- und Finanzmärkten geführt haben. Nun rächt es sich, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die inflationäre Entwicklung völlig verschlafen hat und überhaupt noch nicht auf die geldpolitische Bremse getreten ist, um die Entwicklung nicht ausser Kontrolle geraten zu lassen. Sie kommt zu spät, weil die stark steigenden Preise und das hohe Preisniveau die Investitionstätigkeit und den Konsum belasten, weswegen sich die Konjunktur abkühlt.

«Die Investoren sind sehr besorgt über alles, was Europa betrifft. Die jüngsten Handelsdaten aus Deutschland sind schlecht ausgefallen, und die Befürchtung, dass der Leistungsbilanzüberschuss durch die Energiepreise zunichtegemacht wird, ist weit verbreitet. Hinzu kommen Sorgen über die Fragmentierung der Finanzmärkte und die Befürchtung, dass die Weltwirtschaft nach Süden dreht», so fasst der Währungsstratege Kit Juckes von der französischen Grossbank Société Générale die Stimmung am internationalen Devisenmarkt zusammen.

Sollte sich auch aufgrund der Sanktionen gegen Russland die Energieversorgung nicht entspannen, droht in den Augen von Marktbeobachtern sogar eine Rezession, ohne dass die EZB mangels «Leitzinspuffer» die Möglichkeit hätte gegenzusteuern. Längst steht sogar der Verdacht im Raum, dass die europäischen Geldpolitiker kaum noch die Möglichkeit haben werden, ihre Geldpolitik zu straffen, weil der Kontinent schon vorher in eine Rezession abrutschen könnte. Genau diese Erwartung begrenzt die Zinsphantasie an den europäischen Zins- und Bondmärkten.

Die Amerikaner sind früher dran und haben mehr Spielraum

Ganz im Gegensatz zu den Amerikanern. In den USA kühlt sich die überhitzte Wirtschaft zwar auch ab, aber auf soliderem Niveau. Schliesslich ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten konjunkturell und bei der Energie- und Rohstoffversorgung weitgehend unabhängig vom Ausland, der Binnenkonsum ist bis anhin aufgrund der gewaltigen Stimulierungsmassnahmen der vergangenen Monate noch vergleichsweise robust, der Arbeitsmarkt ist trotz zunehmenden Entlassungen bei «gewinnfreien» Unternehmen im Tech- und Krypto-Bereich noch relativ angespannt – und diese Gesamtkonstellation lässt vermuten, dass die amerikanische Zentralbank (Fed) weiter Ernst macht und der hohen Inflation konsequenter begegnet als die Europäer.

Im Gegensatz zu den europäischen Schlafmützen ist das Fed schon im März zur Tat geschritten und hat den Leitzins seitdem drei Mal angehoben auf zuletzt 1,75 Prozent. Weitere Drehungen an der Zinsschraube sind ebenso zu erwarten wie auch die Verringerung der Wertpapierbestände in der Bilanz. Schliesslich muss die amerikanische Notenbank die ungewöhnlich gewaltige Geldlawine verkleinern, die sie in den vergangenen Monaten losgetreten hatte. Faktisch zwängen sich deren «inflationäre Folgen» seither durch die Wirtschaft des Landes wie der Buckel im Bauch einer Python, die sich mit einem Wildschwein voll gefressen hat und danach für die Verdauung einige Zeit braucht.

Der Dollar – auch stark wegen der Navy?

Im Gegensatz zum Euro ist der Dollar derzeit also trotz einer hohen Staatsverschuldung und trotz notorischen Leistungsbilanzdefiziten der USA nicht nur wegen des erwarteten Zins- und Wachstumsvorteils gefragt, sondern natürlich auch wegen seiner einzigartig dominierenden Stellung im Welthandel und im internationalen Finanzsystem, die wiederum ohne das militärische Potenzial im Hintergrund undenkbar wäre. «Nicht der Internationalismus macht den Freihandel unter Verwendung der amerikanischen Währung möglich, sondern es ist die amerikanische Navy», so argumentiert der konservative amerikanische Historiker Victor Davis Hanson. Auf dieser Basis lässt sich die relative Stärke des Dollar in den vergangenen Monaten erklären. Ein Trend, der erfahrungsgemäss länger anhalten kann als allgemein erwartet.

Er würde in den Augen von Fachleuten erst infrage gestellt, wenn sich die wirtschafts- und geopolitische Lage entspannen sollte. Wie George Saravelos von der Deutschen Bank beobachtet hat, ist der Dollar üblicherweise in Zeiten der Wachstumsverlangsamung gefragt. Sobald jedoch die ersten Marktteilnehmer das Ende der möglichen Rezession antizipieren, ist es mit der Herrlichkeit zumindest für eine gewisse Zeit wieder vorbei. Das gilt vor allem, wenn im Vorfeld hohe Inflationsraten im Spiel waren. In seinen Augen ist der Dollar bereits ziemlich weit gestiegen, und «die nächste grosse Bewegung geht eher nach unten als nach oben», so seine Einschätzung.

Die Bundesbank kritisiert die Europäische Zentralbank

Wenn er diese Rechnung nur nicht ohne den «europäischen Wirt» gemacht hat. Schliesslich scheint in Europa eine weitere Strukturkrise nicht ausgeschlossen zu sein, nachdem der Bundesbankpräsident Joachim Nagel die Europäische Zentralbank für die geplante Einführung von Instrumenten zur «Bekämpfung» von Renditeunterschieden in den europäischen Bondmärkten kritisiert hat. Er argumentiert: «Allenfalls in Ausnahmesituationen und unter eng gesteckten Voraussetzungen lassen sich ungewöhnliche geldpolitische Massnahmen gegen die Fragmentierung rechtfertigen.»

Sonst könne Europa «schnell in gefährliches Fahrwasser» geraten, falls es keine harten Kriterien für ihre Verwendung geben sollte. Diese Formulierung deckt sich mit den rechtlichen Bedenken, die das deutsche Bundesverfassungsgericht schon früher geäussert hat, wo die Zulässigkeit eines solchen Instruments letztlich überprüft werden könnte.

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EZB - Banken verschärfen Richtlinien für Kreditvergabe beträchtlich

Berlin/Frankfurt (Reuters) - Angesichts der Folgen des Ukraine-Krieges und trüber Konjunkturaussichten kommen Firmen im Euroraum schwerer an Bankkredite.

ARCHIV: Das Logo der Europäischen Zentralbank (EZB), Frankfurt, Deutschland, 23. Januar 2020.

© ReutersARCHIV: Das Logo der Europäischen Zentralbank (EZB), Frankfurt, Deutschland, 23. Januar 2020.

Im Frühjahr haben die Finanzinstitute ihre internen Richtlinien hierfür beträchtlich verschärft, wie aus der am Dienstag veröffentlichten Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) unter 153 Banken hervorgeht. Für das laufende Sommer-Quartal dürften sie die Standards weiter straffen. Die befragten deutschen Banken verschärften im zweiten Quartal ihre Vergaberichtlinien zwar nur geringfügig, wie die Bundesbank mitteilte. Bei privaten Wohnungsbaukrediten fiel die Verschärfung jedoch so stark aus wie noch nie seit Einführung der Umfrage.

Dabei spielten die laut Bankangaben eingetrübten Aussichten auf dem Wohnimmobilienmarkt sowie eine geringere Kreditwürdigkeit die wichtigste Rolle. Für das dritte Quartal planen die Banken, noch restriktiver vorzugehen. Strengere Standards legten sie bereits im zweiten Quartal bei der Vergabe von Konsumenten- und sonstigen Krediten an den Tag. Dies begründeten die Banken in erster Linie mit einem ihrer Ansicht nach gestiegenen Kreditrisiko.

Die Kreditnachfrage der Unternehmen legte erneut zu, vor allem nach kurzfristigen Darlehen. Als Grund führten die Geldhäuser laut der Bundesbank nahezu ausschließlich den gestiegenen Mittelbedarf für Lagerhaltung und Betriebsmittel an. So hätten viele Firmen angesichts instabiler Lieferketten bei Vorprodukten und der verstärkten Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg ihre Lagerhaltung vergrößert. Falls Russland der EU den Gashahn komplett zudrehen sollte, drohe in der zweiten Jahreshälfte 2022 eine Rezession, warnte EU-Kommissar Paolo Gentiloni jüngst.

Für die nächsten drei Monate erwarten die Finanzinstitute in Deutschland einen Rückgang der Nachfrage bei Unternehmens- und Wohnungsbaukrediten. Bei den Konsumenten- und sonstigen Darlehen rechnen sie dagegen mit einem weiteren Anstieg der Nachfrage. An der Umfrage nahmen in Deutschland 33 Banken teil.

Die Finanzinstitute im Euro-Raum erwarten laut EZB für das laufende dritte Quartal zugleich eine moderat nachlassende Nachfrage nach Firmenkrediten. Im Frühjahr hatte diese noch zugelegt. Die Umfragedaten wurden vom 10. bis 28. Juni erhoben. Die Ergebnisse dieses in der Fachwelt als "Bank Lending Survey" (BLS) bekannten Berichts sind für die Währungshüter eine Orientierungshilfe. Die nächste Zinssitzung steht am Donnerstag an. Der EZB-Rat dürfte dabei angesichts der Rekordinflation erstmals seit 2011 die Zinsen erhöhen.

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EZB-Leitzinserhöhung: So reagieren Ökonomen und Wirtschaftsvertreter

Besser spät als nie: So lassen sich viele Reaktionen auf die historische Leitzinserhöhung der EZB zusammenfassen. Deutliche Kritik gibt es an Zentralbankchefin Lagarde – und einem neuen Anti-Krisen-Instrument.

EZB-Leitzinserhöhung: So reagieren Ökonomen und Wirtschaftsvertreter

© WOLFGANG RATTAY / REUTERSEZB-Leitzinserhöhung: So reagieren Ökonomen und Wirtschaftsvertreter

Erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt hat die EZB am Donnerstag den Leitzins erhöht. Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag, den sogenannten Hauptrefinanzierungssatz überraschend deutlich um einen halben Punkt auf 0,50 Prozent zu erhöhen. Die Zinswende der EZB gilt als historisch: Zuletzt hatte sie 2011 den Preis des Geldes verteuert.

In ersten Reaktionen lobten Analysten und Wirtschaftsvertreter den Schritt, kritisierten ihn zum Teil aber auch deutlich als verspätet. »Die heutige Entscheidung für eine echte Zinswende war überfällig angesichts der galoppierenden Inflation«, sagte Helmut Schleweis vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband. »Wir haben schon lange darauf hingewiesen, dass die EZB geldpolitisch umso härter gegensteuern muss, je länger sie ihren Kurswechsel hinauszögert.« Die jetzige Entscheidung müsse der »Startschuss für eine Reihe weiterer Zinserhöhungen sein«.

»Weitere wohldosierte Zinsschritte müssen folgen«, forderte auch Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Da die Inflation zum großen Teil importiert sei, müsse auch die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen. »So sollte sie sich zum Beispiel für funktionierende Lieferketten, neue Handelsverträge sowie den Abbau von Zöllen stark machen.«
Die erste Zinserhöhung seit 2011 sei »zweifellos ein besonderer Moment«, sagte Jörg Asmussen vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. »Sie kommt spät, ist aber richtig.« Dass die Zinsen stärker als angekündigt erhöht werden sei »durch die Datenlage für die Eurozone gerechtfertigt«. Auch Asmussen forderte, die Erhöhung »nur ein erster Schritt in einer Reihe gewesen sein«.

Das Ende der Negativzinspolitik sei mit der Erhöhung besiegelt, befand Bastian Hepperle von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. »Es bleibt dennoch ein schaler Beigeschmack, da EZB-Präsidentin Christine Lagarde bis zuletzt einen großen Zinsschritt erst für September in Aussicht gestellt hatte. Dass sie es sich binnen kurzer Frist anders überlegt hat, trägt nicht zu einer besseren Berechenbarkeit der geldpolitischen Entscheidungen bei.« Durch ein parallel zur Zinserhöhung angekündigtes Anti-Krisen-Programm (TPI) laufe die EZB zudem Gefahr, »sich noch mehr der fiskalischen Dominanz auszusetzen. Anreize zu einer soliden Finanzpolitik werden damit untergraben. Um die innere Stärke des Euroraums steht es weiterhin nicht gut.«

Das TIP berge »große Gefahren«, warnte auch Friedrich Heinemann vom ZEW-Institut. »Die EZB wird damit immer mehr zur Instanz, die über die Finanzierbarkeit hoher Staatsschulden und damit auch über das Schicksal von Regierungen entscheidet«, so Heinemann. »Das ist nicht mit der geldpolitischen Aufgabe einer unabhängigen Zentralbank vereinbar.«

Der Euroraum brauche eine Serie großer Zinsschritte, mahnte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. »Aber die EZB schielt auf die hoch verschuldeten Länder wie Italien, die weiter auf niedrige Leitzinsen drängen dürften, obwohl die EZB heute ein Hilfsprogramm für diese Länder beschlossen hat. Die Inflation dürfte noch viele Jahre deutlich über den versprochenen zwei Prozent liegen.«

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