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Mir statt Visa und MasterCard: Iran will russisches Zahlungssystem einführen

Seit Jahren ist der internationale Zahlungsverkehr für iranische Banken stark eingeschränkt. Die Regierung in Teheran erhält nun eine Alternative aus Moskau. Dort kennt man sich mit westlichen Sanktionen mittlerweile auch aus.

Mir statt Visa und MasterCard: Iran will russisches Zahlungssystem einführen

© Atta Kenare / AFPMir statt Visa und MasterCard: Iran will russisches Zahlungssystem einführen

Seit Russland wegen seines Überfalls auf die Ukraine von westlichen Ländern sanktioniert wird, bemüht sich das Land um enge Beziehungen zu anderen Staaten – zum Beispiel Iran. Beim Versuch, neue wirtschaftliche und diplomatische Partnerschaften aufzubauen, ist dem Kreml dabei in Teheran nun ein Erfolg geglückt.

In Iran soll das russische Zahlungssystem Mir eingeführt werden. Dies gab der iranische Vizeaußenminister Mehdi Safari bekannt, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti berichtete.

»Ich denke, dass dieses Zahlungssystem bald in Iran aktiviert wird«, wurde Safari zitiert. Wegen internationaler Sanktionen sind Iran und Russland beide vom internationalen Zahlungsverkehr weitgehend ausgeschlossen. Geschäftsleute müssen für Investitionen in Iran oft hohe Summen an Bargeld mitbringen.

Alternative zu SWIFT geplant

Damit ist Iran das jüngste Land, das die russische Alternative zu Visa und Mastercard einführt. Auch Südkorea und Kuba akzeptieren seit kurzem Mir, was auf Russisch sowohl »Frieden« als auch »Welt« bedeutet. Die Vereinigten Arabischen Emirate beabsichtigen ebenfalls, die Karte bald zu akzeptieren. Die Karten funktionieren auch in den beliebten Reisezielen Türkei und Vietnam sowie in einigen ehemaligen Sowjetrepubliken.

Nach dem Angriff auf die Ukraine hat der Westen gegen Russland unter anderem Sanktionen im Finanzsektor verhängt. Viele Geldhäuser wurden vom Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift ausgeschlossen. Die weltweit größten Kreditkartenbetreiber Visa und Mastercard setzten ihr Russlandgeschäft aus.

Russische Karten, die von Visa und Mastercard ausgestellt wurden, funktionieren im Ausland nicht mehr, nachdem die beiden größten Zahlungsnetzwerke der Welt Anfang März ihren Betrieb eingestellt haben. Russland trieb daraufhin die Nutzung des vor ein paar Jahren aufgelegten eigenen Systems Mir voran.

Sowohl Russland als auch Iran unterliegen strengen Sanktionen der USA und der Europäischen Union, die ihnen den Zugang zu wichtigen Teilen der globalen Finanzinfrastruktur versperrt haben. Safari zufolge arbeiten beide Länder deshalb auch an der Schaffung eines Konkurrenten für den SWIFT-Zahlungsverkehrsdienst, der den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr in der Weltwirtschaft unterstützt.

Chamenei will Dollar als internationales Zahlungsmittel schwächen

Mehrere russische Banken sind seit dem 24. Februar aus der in Belgien ansässigen »Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication« ausgeschlossen worden, das grenzüberschreitende Zahlungen erleichtert. Vor einigen Wochen war mit der mächtgen Sberbank auch Russlands größtes Geldinstitut aus dem System ausgeschlossen worden.

Auch Iran ist ausgeschlossen, seit das Land im Streit über sein Atomprogramm von Sanktionen getroffen wurde. »Länder, die ihre Transaktionen entdollarisieren wollen, brauchen ein spezielles System ähnlich wie SWIFT«, begründete Safari laut Ria die Pläne. »Die iranische und die russische Seite haben jeweils eine Option vorgeschlagen. Wir haben eine sehr gute Vereinbarung getroffen, auf deren Grundlage wir Währungstransaktionen zwischen den beiden Ländern durchführen können.«

Vor gut einer Woche hatte Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei bei einem Besuch von Kremlchef Wladimir Putin bereits betont, dass Teheran und Moskau wegen westlicher Sanktionen zusammenarbeiten müssten. Chamenei forderte außerdem, den Dollar als internationales Zahlungsmittel zu schwächen.

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Finanzen: Notenbanken kaufen den Goldmarkt leer

Die Geldhüter bunkern so viele Tonnen des Edelmetalls wie seit Jahrzehnten nicht. Dahinter könnten auch düstere Absichten stehen.

Goldbarren sind gefragt wie lange nicht. Beunruhigend im Westen finden Experten, dass viele Käufer es heimlich tun.

Goldbarren sind gefragt wie lange nicht. Beunruhigend im Westen finden Experten, dass viele Käufer es heimlich tun.© Catherina Hess

Notenbanken kaufen den Goldmarkt leer

Wer es in Zeiten von Gaskrise, Atomdrohungen und Stromsorgen mit der Angst zu tun bekommt, der kann im Internet ganze Survival-Pakete kaufen. Neben Wasser, Dosenessen und einer Notstromversorgung kaufen sich manch Hartgesottene auf Wunsch auch ein paar Plättchen Gold. Für den Ernstfall eben.

Angesichts dieser Lage ist bemerkenswert, dass nicht nur Privatleute in diesem Jahr Gold horten, sondern auch die Zentralbanken so viel Edelmetall kaufen wie seit Jahrzehnten nicht. Alleine im dritten Quartal haben sie 399 Tonnen Gold gebunkert, so zeigen es Statistiken des World Gold Council. Im gesamten Jahr lagen die Goldkäufe damit so hoch wie seit 1967 nicht mehr, als der Dollar wohlgemerkt teilweise noch mit Gold gedeckt war. "Das ist eine enorme Menge, die mich wirklich überrascht hat", sagt Christian Brenner vom Goldhändler Philoro.

Unter den größten offiziellen Käufern am Goldmarkt finden sich auffällig wenige westliche Staaten: So war die Türkei im abgelaufenen Quartal mit 31 Tonnen der größte Käufer, gefolgt vom zentralasiatischen Usbekistan mit 26 Tonnen und Indien mit 17 Tonnen. Viele Notenbanken kaufen laut einer aktuellen Umfrage Gold, weil anders als bei Bankeinlagen oder Staatsanleihen kein Ausfallrisiko besteht. Zudem betrachten die Geldhüter das Edelmetall als langfristig inflationssicher und in Krisenzeiten vergleichsweise stabil. Und in der Tat hat Gold seit Jahresbeginn nur rund drei Prozent an Wert verloren, weit weniger als andere Anlageklassen. "In Zeiten geopolitischer Unsicherheit und hoher Inflation scheinen sich die Zentralbanken auf Gold als Wertspeicher zu besinnen", sagt Rohstoffexpertin Ewa Manthey von der ING Bank.

Knapp drei Viertel der Goldkäufe kommen jedoch von Notenbanken, die sich nicht namentlich zu ihren Käufen bekannt haben. Viele Experten vermuten hinter den riesigen Goldkäufen daher weit sinistere Motive: eine Zeitenwende am Finanzmarkt. Bisher investierten viele Notenbanken einen Großteil ihrer Reserven gerne in US-amerikanische Staatsanleihen, die als weitgehend risikolos galten und sich im Zweifelsfall schnell zu Geld machen lassen.

Eine Idee, die sich verbreitet: lieber hartes Gold als sanktionsanfällige Dollars

Seit Russland am 24. Februar jedoch die Ukraine überfiel, ist auch am Finanzmarkt kaum etwas mehr wie es war. So haben die westlichen Staaten Russland weitgehend vom internationalen Dollarsystem abgeschnitten, das Vermögen der russischen Zentralbank eingefroren - und diskutieren nun sogar, es zu konfiszieren. "Wir leben auch mit Blick auf die internationalen Finanzströme in einer zunehmend geteilten Welt", sagt Goldexperte Adrian Ash vom Handelshaus Bullionvault. Wer als Notenbank nicht mit anderen Staaten, Währungen oder Banken zu tun haben will, setzt nun gerne auf das Edelmetall. Die Idee: hartes Gold statt sanktionsanfällige Dollars.

Die russische Zentralbank meldet bereits seit Februar ihre Goldkäufe nicht mehr offiziell, was großen Raum für Spekulationen lässt. Im März und April habe man "allenfalls kleinere Käufe" getätigt, sagte Vize-Zentralbankchef Alexei Sabotkin kürzlich. Ob man den Aussagen des Notenbankers trauen darf, ist fraglich. "Ich könnte mir vorstellen, dass Russland einfach einen Großteil seiner eigenen Goldproduktion selbst aufkauft", sagt Goldhändler Henrik Marx vom Metallkonzern Heraeus. Im Nachgang der Krim-Annexion 2014 kaufte die Notenbank Rechnungen zufolge über Jahre mehr als 80 Prozent der heimischen Produktion - und will sich bereits seit Jahren unabhängiger vom Dollar machen.

Zwar ist das Land aktuell vom westlichen Goldmarkt an der Londoner Goldbörse LBMA abgeschnitten, dennoch kann Russland weiterhin mit Gold handeln. "Sie können das Gold sicher in Usbekistan, in der Türkei oder anderen Anrainerstaaten unterbringen", sagt Martin Siegel vom Goldfonds Stabilitas. Dafür müsste die Zentralbank das Gold nicht einmal zwangsläufig physisch in die Nachbarstaaten transportieren, sondern könnte Käuferländern schlicht das Eigentum am Gold in den eigenen Tresoren übertragen - und im Tausch wichtige Güter kaufen und Sanktionen umgehen. Auch China haben viele Goldexperten als heimlichen Goldkäufer im Blick.

Dazu passt eine andere vielsagende Zahl: Traditionell lagerten Zentralbanken einen Großteil ihres Goldes in London, ausgerechnet in Tresoren der Bank of England. Seit Jahresanfang haben die Staaten jedoch rund 490 Tonnen aus dem riesigen Goldbunker abgezogen, vermutlich wohl in Richtung Heimat. "Gold alleine bringt schließlich nichts, wenn man im Ernstfall nicht darauf zugreifen kann", sagt Goldexperte Christian Brenner. Wer als Privatmann die Krise fürchtet, lagert sein Gold schließlich auch nicht im Banktresor - sondern unter dem Kopfkissen.

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"Es kommen furchtbare Zeiten auf uns zu"
Händler an der New Yorker Wall Street: Die Börsianer blicken angespannt auf das internationale Bankenwesen.
Händler an der New Yorker Wall Street: Die Börsianer blicken angespannt auf das internationale Bankenwesen. (Quelle: IMAGO/John Angelillo)

Guten Morgen aus New York, liebe Leserin, lieber Leser,

diese Stadt versteht sich als Mittelpunkt der Welt. Vielleicht ist sie es tatsächlich. Kunst und Kultur, globale Trends, digitale Innovationen und natürlich das große Geld an der Wall Street: So vieles, was das Leben und Wirtschaften rund um den Globus prägt, hat hier seinen Ursprung. Falls Sie schon mal hier waren, werden Sie wissen: Diese Stadt schläft nie. Sie ist "always on". Und im Weltgeschehen omnipräsent.

In diesen Stunden schauen noch mehr Augen auf New York als ohnehin. Nervös, ängstlich, unheilschwanger. In der kalten Luft liegt ein Hauch von Frühling, der Himmel strahlt blau, doch am Horizont ballen sich dunkle Wolken: Die Aussichten an den Finanzmärkten sind zappenduster. Mal wieder kündigt sich in Amerika eine unheilvolle Entwicklung an. Als Gegengift gegen die horrende Inflation haben die Zentralbanken die Zinsen Schritt für Schritt erhöht, damit zugleich aber viele Banken in die Bredouille gebracht. Nun sind die ersten Schockwellen zu spüren. Droht uns eine beispiellose Finanz- und Wirtschaftskrise, um ein Vielfaches größer als das Desaster im Jahr 2008, das der amerikanischen Immobilienblase entsprang und binnen Kurzem die ganze Welt erschütterte, zig Milliarden an Sparguthaben und Steuergeld vernichtete, Abermillionen Menschen in die Armut und Tausende Firmen in die Pleite stürzte, Aufstände in Arabien, Hungerkrisen in Afrika und Flüchtlingsströme in Europa auslöste? Kommt all das nun wieder, nur noch viel schlimmer?

Selbst als notorischer Optimist kann man in diesen Tagen Sorgenfalten bekommen. Die Pleite der kalifornischen Silicon Valley Bank und die Last-Minute-Rettung der Schweizer Credit Suisse könnten tatsächlich die ersten Eruptionen eines neuen Finanzbebens sein, das sich diesmal jedoch selbst mit staatlichen Notprogrammen nicht mehr beruhigen lässt. Die Verunsicherung an den Börsen, in den Chefetagen von Versicherungen und in Regierungszentralen ist mit Händen zu greifen. Selbst die Beteuerungen von Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner, das europäische Bankensystem sei mittlerweile "stabil", wirken fadenscheinig. Zwar haben die EU-Staaten den Finanzsektor nach 2008 strenger reglementiert – doch krisenfest ist er bis heute nicht. Noch immer können Banker mit geliehenem Geld zocken, bis es kracht. Noch immer ist die Bankenunion nicht vollendet. Und falls in den USA oder in China die Dämme brechen, wird auch in der EU kein Halten sein. Dann dürfte binnen Stunden in Frankfurt, Berlin und Brüssel Panik ausbrechen. Dann werden sich auch deutsche Sparer fragen, ob ihr Geld bei der Sparkasse oder der Postbank noch sicher ist, ganz zu schweigen von Aktiendepots.

Downtown Manhattan: New York setzt globale Trends.
Downtown Manhattan: New York setzt globale Trends. (Quelle: F. Harms)

Auslöser der Krise 2008 waren faule Kredite. Diesmal ist es ein gigantischer Schuldenberg: Um nach der Immobilien-, Finanz- und Euro-Krise die Wirtschaft anzukurbeln, fluteten die Zentralbanken den Markt mit unzähligen Milliarden und verlangten dafür keine Zinsen. So wurden zwar Sparer enteignet, aber Unternehmen gefördert. Jahrelang liehen sich Firmen, Banken und Finanzminister Unsummen an billigem Geld – und viele spielten damit wie mit Bauklötzchen: Sie häuften Schuldenmilliarde auf Schuldenmilliarde und errichteten immer wackeligere Türme.

Heute stehen diese Schuldentürme überall: In Zürich und in Hongkong, in Paris und in London, und die höchsten stehen natürlich hier in New York, in der Welthauptstadt der Börsenzocker. "Das Schuldenmachen ist völlig außer Kontrolle geraten – das betrifft Staaten, Unternehmen und Privatleute gleichermaßen", hat der amerikanische Star-Ökonom Nouriel Roubini vor vier Monaten im Interview mit t-online gewarnt. Angesichts des jüngsten Bankenbebens erscheinen seine düsteren Prophezeiungen erschreckend zutreffend:

"Konjunkturmaßnahmen erzeugen gewaltige Spekulationsblasen. Und was tun solche Blasen irgendwann zwangsläufig? Sie platzen! Und das in einer Zeit, in der die Industrie- und Schwellenländer so hoch verschuldet sind wie nie zuvor. Sicherheitsnetze gibt es auch nicht mehr, die Politik hat ihre Mittel der Finanz- und Geldpolitik ausgeschöpft. Zentralbanken und Finanzbehörden sind verdammt, wenn sie etwas tun, und sie sind genauso verdammt, wenn sie nichts tun. Erhöhen sie die Leitzinsen drastisch, um die Inflation zu bekämpfen, werden Realwirtschaft und Finanzmärkte einen ziemlich harten Aufschlag auf dem Boden der Realität erleben. Lassen sie die Zinsen unten, wird die Inflation steigen und steigen. Wir müssen uns auf das Schlimmste gefasst machen, es kommen furchtbare Zeiten auf uns zu."

Ist die Lage wirklich so dramatisch? Auch in Krisenzeiten haben Politiker Möglichkeiten, den Raubtierkapitalismus zu bändigen. Dafür müssen sie sich mit Bankern anlegen und viel einstecken können. In so einem Kampf bekommt man selten schöne Presseschlagzeilen, kann jedoch mehr zum Wohle von Millionen Menschen tun als mit anderen politischen Initiativen. Der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte das verstanden. Leider fand er im Bemühen, die Geldinstitute zu regulieren und sie zu einer höheren Eigenkapitalquote zu verpflichten, weltweit zu wenige Verbündete. Manche Staatschefs erdreisteten sich sogar, strengere Regeln bald wieder zu lockern.

So wie hier in Amerika: 2010 setzte der damalige Präsident Barack Obama den "Wall Street Reform and Consumer Protection Act" durch, ein weitreichendes Gesetz, das die Zocker an der Wall Street bändigte. Doch acht Jahre später lockerte der nächste Präsident Donald Trump die Vorschriften für kleine und mittelgroße Banken und gestattete ihnen unter dem Beifall der Republikaner wieder das hemmungslose Schuldenmachen. Prompt ging die Zockerei von vorne los. Fünf Jahre später ist mit der Silicon Valley Bank nun das erste dieser mittelgroßen Institute in die Pleite geschlittert und werden Bankkunden wieder mit Steuermilliarden entschädigt. Viele der Republikaner, die damals am lautesten applaudierten, rüsten sich nun für die nächsten Präsidentschafts- und Kongresswahlen.

Geschichte wiederholt sich nicht, heißt es. Dummheit schon. Politiker, Bankmanager und Spekulanten haben das globale Finanzsystem allen Warnungen zum Trotz schon wieder gefährlich nahe an den Abgrund getrieben. Sie spielen mit den Schicksalen von Millionen Menschen. Dieses zynische Spiel muss ein Ende haben. Der erste dringend notwendige Schritt: Jede Bank braucht eine verpflichtende Eigenkapitalquote von 30 Prozent, damit sie auch im Krisenfall genügend Geld besitzt, um nicht zusammenzubrechen. Zugleich würde so den Bankern in Zürich, Frankfurt und New York das Spielgeld gekürzt. Sie müssten endlich seriöser wirtschaften. Es ist höchste Zeit.

Nicht nur die Zukunft des Finanzwesens wird in New York entschieden. Auch für den Journalismus werden hier die Weichen gestellt. Die Algorithmen künstlicher Intelligenzen haben unsere Branche in Aufregung versetzt. Seit der Bot ChatGPT Schlagzeilen macht, wird man als Journalist gefühlt jeden zweiten Tag gefragt, ob man schon einen Termin beim Arbeitsamt gemacht hat. Wer das jüngste Interview mit Chat-Boss Sam Altman sieht, dem kann heiß und kalt werden: Einerseits spricht er von der "großartigsten Technologie, die die Menschheit bisher entwickelt hat" und prophezeit, diese werde unsere Gesellschaften "verwandeln". Andererseits raunt er von "echten Gefahren", wenn Diktatoren künstliche Intelligenz einsetzen, um Millionen Menschen fremdzusteuern.

Für uns Journalisten sind die Chatbots, die neben Texten auch Bilder kreieren können, aber auch eine Chance. Wer als Redakteur nicht mehr umständlich Agenturmeldungen umschreiben muss, hat mehr Zeit für kreativere Beiträge. Zudem knüpfen die Algorithmen Zusammenhänge, die Menschen oft übersehen. Gleichzeitig ist kaum vorstellbar, dass eine Maschine investigative Enthüllungen und exklusive Recherchen zustande bringt, wie sie beispielsweise meine Kollegen Jonas Mueller-Töwe und Annika Leister veröffentlichen. Oder dass eine Software eine brisante Entwicklung so originell und kenntnisreich kommentiert wie meine Kollegen Miriam Hollstein und Steven Sowa.

Trotzdem: Wer in der Medienbranche relevant bleiben will, sollte sich für die neuen Technologien interessieren. Besser, als sie zu ignorieren und den Fehler vieler Printjournalisten beim Siegeszug des Internets zu wiederholen. Auch deshalb ist New York ein lohnendes Reiseziel: Hier residieren einige der einflussreichsten Medienhäuser und interessantesten Start-ups, die Publizistik und Algorithmen kombinieren. Auch deshalb bin ich hier – verspreche Ihnen aber schon mal vorsorglich: Der Tagesanbruch wird auch künftig von einem menschlichen Gehirn ersonnen.

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Gastbeitrag von Gabor Steingart - Hemmungslose Staatsverschuldung treibt uns in die nächste Weltfinanzkrise

US-Präsident Joe Biden, CEO von "JPMorgan Chase & Co" James Dimon, Bundeskanzler Olaf Scholz. The Pioneer

US-Präsident Joe Biden, CEO von "JPMorgan Chase & Co" James Dimon, Bundeskanzler Olaf Scholz. The Pioneer© The Pioneer

Die Regierungen in Europa und den USA treiben die Staatsverschuldung hemmungslos in die Höhe. Von einem vernünftigen Umgang mit den Staatsfinanzen kann keine Rede sein. Die Folgen sind fatal: Die nächste Weltfinanzkrise ist die am besten vorhersehbare der Weltgeschichte.

Wenn es um neue Schulden geht, sind Politiker überall auf der Welt nicht rechts oder links, sondern hemmungslos. Die steigenden Zinsen, die sie eigentlich zur Ordnung rufen und zur Seriosität zwingen sollten, werden ignoriert oder fantasiereich umgangen.

Die Regierungen in Deutschland, Europa und den USA wollen jetzt nicht sparsam, sondern unvernünftig sein. Nur mit kollektiver Unvernunft glaubt man, die Bürger am Wahltag gewinnen oder besser gesagt kaufen zu können. Dafür werden internationale Verträge gebrochen, Verfassungsvorschriften ignoriert und die großen Lehren der Finanzkrise von 2009 in ihr Gegenteil verkehrt.

Fünf-Punkte-Programm des vorsätzlichen Wahnsinns

Es wirkt, als hätten sich die Regierungen in Berlin, Washington und die EU-Kommission in Brüssel auf ein geheimes Fünf-Punkte-Programm des vorsätzlichen Wahnsinns verständigt:

Wahnsinn 1: Nie wieder sollte ein einziges privatwirtschaftliches Institut „too big, to fail“ sein. Barack Obama versprach im Januar 2010: „Never again will the American taxpayer be held hostage by a bank that is ‚too big to fail‘. “ Und nun? Der durch die amerikanischen Regionalbanken in Bedrängnis geratene Staat ermuntert seine großen Banken, noch größer zu werden.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama (r) wird von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Bundeskanzleramt verabschiedet. Michael Kappeler/dpa

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama (r) wird von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Bundeskanzleramt verabschiedet. Michael Kappeler/dpa© Michael Kappeler/dpa

JP Morgan hat die First Republic Bank für rund elf Milliarden Dollar übernommen und konnte damit Kundenstamm, Bilanzsumme und Börsenwert enorm steigern. Nie war ein privates Geldhaus mächtiger als JP Morgan. In der Schweiz, wo die UBS die angeschlagene Credit Suisse retten sollte und damit ebenfalls ihre Marktdominanz entscheidend stärkte, beobachten wir dasselbe Spiel. Die UBS wurde dadurch zur drittgrößten Bank der westlichen Welt. Ein The-Winner-Takes-It-All-System entsteht.

Die Top 100 US-Banken: Bilanzsumme der 100 größten US-Banken im 4. Quartal 2022, in Milliarden US-Dollar. The Pioneer / FDIC

Die Top 100 US-Banken: Bilanzsumme der 100 größten US-Banken im 4. Quartal 2022, in Milliarden US-Dollar. The Pioneer / FDIC© The Pioneer / FDIC

 

Wahnsinn 2: Die von steigenden Zinsen normalerweise ausgehenden Wirkungen – eine vorsichtigere Kreditvergabe und die durchaus gewollte Kontraktion der Volkswirtschaft – werden gezielt unterlaufen. Der Finanzgigant Blackstone, eine Private-Equity-Gruppe mit einer Marktkapitalisierung von 100 Milliarden US-Dollar, wird von der Notenbank der USA aufgefordert, den notleidenden Regionalbanken Liquidität in Form neuer Kreditlinien zur Verfügung zu stellen.

Der CEO von Blackstone, John Gray, ist laut einem Bericht der „Financial Times“ in Gesprächen mit den großen regionalen US-Banken, um ihnen zusätzliche Mittel zur Kreditvergabe zu verabreichen. Damit werden die Risiken nicht, wie nach der großen Finanzkrise beabsichtigt, breit gestreut, sondern sie werden in den Händen weniger Menschen gebündelt.

Die neue Normalität

Wahnsinn 3: Der Staat ändert die Spielregeln für die Banken so, wie es ihm passt. Und im Moment passt es ihm, dass in den Bilanzen auch wertlos gewordene Vermögenswerte zu Fantasiepreisen in den Büchern stehen dürfen. Banken müssen Verluste aus Anleihen rechtlich gesehen nicht mehr abschreiben, wenn sie bis zum Ende der Laufzeit gehalten werden.

Diese Verluste kommen erst zum Vorschein, wenn die festverzinslichen Wertpapiere vorzeitig verkauft werden müssen. Ansonsten aber können die Banken, trotz objektiv gesunkener Vermögenswerte und damit auch geschrumpfter Eigenkapitalmittel, auf dieser verschmälerten Basis weiterhin ihre Kreditgeschäfte betreiben. Das wäre vor wenigen Tagen noch Bilanzbetrug gewesen. Jetzt ist es die neue Normalität.

Ursula von der Leyen (CDU), Präsidentin der Europäischen Kommission. Philipp von Ditfurth/dpa

Ursula von der Leyen (CDU), Präsidentin der Europäischen Kommission. Philipp von Ditfurth/dpa© Philipp von Ditfurth/dpa

Wahnsinn 4: Die im Stabilitäts- und Wachstumspakt verbindlich festgeschriebenen Schuldenquoten für die Euro-Staaten sollen nicht länger verbindlich sein. Die EU-Kommission hat Vorschläge für individuelle Fiskalregeln – und das heißt eine weiterhin großzügige Schuldenaufnahme – unterbreitet, die von der Mehrzahl der Schuldenstaaten freudig, um nicht zu sagen begierig, aufgenommen wurden.

Schuldenunion: Staatsverschuldung in den EU-Ländern in Relation zum BIP in Q4 2022, in Prozent. The Pioneer, Eurostat

Schuldenunion: Staatsverschuldung in den EU-Ländern in Relation zum BIP in Q4 2022, in Prozent. The Pioneer, Eurostat© The Pioneer, Eurostat

Das bei der Euro-Einführung von Helmut Kohl und seinem Finanzminister Theo Waigel gegebene Versprechen, „der Euro wird so stark wie die D-Mark“, haben die Nachfolger stillschweigend kassiert. Der Euro hat gegenüber dem Dollar seit seinem Höchststand am 15. Juli 2008 rund 33 Prozent seines Wertes verloren.

Wann werden die Politiker aufwachen?

Wahnsinn 5: Auf der anderen Seite des Atlantik das gleiche Spiel: Kongressabgeordnete auf Capitol Hill wollen erneut die in der Verfassung festgelegte Schuldengrenze für den Staatshaushalt der USA anheben. Die Schuldenobergrenze wurde erstmals 1917 mit dem „Second Liberty Bond Act“ eingeführt und auf 11,5 Milliarden US-Dollar taxiert.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben der Kongress und der Präsident die Schuldenobergrenze mehr als 100 Mal erhöht – zuletzt im Dezember 2021 um 2,5 Billionen US-Dollar auf 31,4 Billionen US-Dollar.

US-Schulden: Variable Obergrenze. Staatsverschuldung sowie Schuldenobergrenze der USA seit 1981, in Billionen US-Dollar. The Pioneer / Office of Management and Budget: Treasury Department

US-Schulden: Variable Obergrenze. Staatsverschuldung sowie Schuldenobergrenze der USA seit 1981, in Billionen US-Dollar. The Pioneer / Office of Management and Budget: Treasury Department© The Pioneer / Office of Management and Budget: Treasury Department

Jetzt kämpfen Joe Biden und seine Finanzministerin Janet Yellen erneut mit allerlei apokalyptischen Drohungen darum, die Schuldengrenze anheben zu dürfen, um nur ja nicht sparen zu müssen. Bei einem Treffen der G7-Finanzminister und Zentralbanker in Japan betonte sie gestern: “Ein Zahlungsausfall würde die Errungenschaften gefährden, die wir in den letzten Jahren bei der Erholung von der Pandemie so hart erarbeitet haben. Und er würde einen globalen Abschwung auslösen."

Der „Economist“ widmet dieser Unvernunft in seiner amerikanischen Ausgabe diese Woche die Titelgeschichte („Fiscal Fantasyland – When will politicians wake up?“) und ermahnt die Regierung in Washington zur Wahrhaftigkeit: „Politicians need to get real, fast. Public debts are in danger of becoming unmanageable.“

Fazit: Der Schriftsteller Johann Gottfried von Herder hat gesagt: „Wer der Vernunft dient, kommt der Notwendigkeit zuvor.“ Aber die Staats- und Regierungschefs wollen jetzt nicht der Vernunft dienen, sondern der Augenblicksgier ihrer zu groß geratenen Staatsapparate. Die nächste Weltfinanzkrise ist die bestprognostizierbarste der Weltgeschichte.

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Banken: Pfandbriefbank hält sich bei Gewerbeimmobilien in Großbritannien und USA zurück

Ihre Kommunalkredit-Plattform Capveriant will die Bank verkaufen. Foto: dpadata-portal-copyright=

Ihre Kommunalkredit-Plattform Capveriant will die Bank verkaufen. Foto: dpadata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Handelsblatt

Grund dafür ist ein Gewinneinbruch im ersten Quartal. Bis Ende des Jahres dürften sich die Märkte aber beruhigen, erwartet PBB-Chef Arndt. Wachstumsoptionen werde das Institut nutzen.

Das Ergebnis der Deutschen Pfandbriefbank PBB vor Steuern ist im ersten Quartal um fast ein Viertel auf 32 Millionen Euro zurückgegangen. Das teilte die Bank am Montag mit. 2022 lag es bei 42 Millionen Euro. Damit sieht Vorstandschef Andreas Arndt die Bank auf Kurs, das angepeilte Vorsteuerergebnis von 170 bis 200 Millionen Euro zu schaffen (Vorjahr: 213 Millionen Euro).

„Unsere risikokonservative Strategie hat sich in den vergangenen Wochen einmal mehr als richtig herausgestellt“, sagte Arndt. Die Risikovorsorge ging trotzdem von 18 auf zwei Millionen Euro zurück, weil der Vorstand schon im vierten Quartal mehr Rückstellungen gebildet hatte.

Die Lage auf den Gewerbeimmobilien-Märkten sei schwierig, erklärte Arndt. Zurzeit halte sich die pbb daher vor allem in Großbritannien und den USA mit Neugeschäft zurück. „Wir rechnen mit einer Beruhigung der Märkte bis Ende des Jahres und wollen rechtzeitig Wachstumsoptionen nutzen.“

Derweil will sich die Pfandbriefbank will sich von der Kommunalkredit-Plattform Capveriant trennen. Die Vermittlung von Krediten an Städte und Gemeinden solle „kurzfristig in andere Hände gegeben beziehungsweise eingestellt werden“, heißt es in der Quartalsmitteilung. Konkrete Gespräche liefen bereits.

Die pbb zählt Kredite für die öffentliche Hand nicht mehr zum Kerngeschäft. Bei Capveriant war erst vor zwei Jahren die französische Caisse des Depots (CDC) eingestiegen. Mit der Trennung erfüllt der Immobilienfinanzierer eine erste Forderung des aktivistischen Investors Petrus Advisers. Dieser hatte kritisiert, dass Capveriant innerhalb von fünf Jahren 20 Millionen Euro Verlust erwirtschaftet habe.