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Folgen des Brexit: EU-Bürger brauchen bald Reisepass für Großbritannien

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Ab Oktober 2021 benötigt man für die Einreise nach Großbritannien einen Reisepass. Die neue Regelung gilt auch für Besucher aus anderen Staaten.

EU-Bürger brauchen von Oktober 2021 an für die Einreise nach Großbritannien einen Reisepass. Das geht aus einem Modell der britischen Regierung für die künftigen Abläufe im europäischen Grenzverkehr hervor, das am Donnerstag in London veröffentlicht wurde.

Personalausweise sollen nicht mehr akzeptiert werden. Die Neuregelung gilt auch für Besucher aus der Schweiz, Island, Norwegen und Liechtenstein. Personalausweise gehörten zu den „am wenigsten sicheren Dokumenten“, hieß es zur Begründung. Mit der Pflicht zum Reisepass werde die Sicherheit Großbritanniens gestärkt.

Das Land hat die Europäische Union Ende Januar verlassen. Bis Ende Dezember gilt jedoch noch eine Übergangsphase, in der sich praktisch nichts ändert. Zum Jahreswechsel droht ohne eine Einigung auf einen Handelspakt ein harter wirtschaftlicher Bruch mit Zöllen und anderen Hürden.

 

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Brexit: Das wird sich für Verbraucher ändern

Zum Jahreswechsel endet die Übergangsphase zwischen der EU und Großbritannien. Für Verbraucher bedeutet das: Beim Einkaufen in britischen Onlineshops oder bei Reisen ändert sich einiges. Doch nicht nur das.

ÜBERBLICK

Keine drei Monate mehr, dann ist Großbritannien endgültig aus der EU ausgeschieden. Ende Januar verließ das Vereinigte Königreich zwar bereits die EU, aber noch gelten die Regeln des Binnenmarkts. Zum Jahreswechsel ist das vorbei, die Übergangsphase endet.

Ein Handelsabkommen zwischen der Ländergemeinschaft und dem Inselstaat gibt es indes noch nicht – und mit jedem verstrichenen Tag wird es unwahrscheinlicher.

Was aber bereits klar ist: Für die deutschen Verbraucher wird sich einiges ändern – selbst wenn es noch ein Abkommen geben wird. t-online zeigt Ihnen, worauf Sie sich einstellen sollten:

Einreise

Sie brauchen ab Oktober 2021 für die Einreise nach Großbritannien einen Reisepass. Das geht aus einem Modell der britischen Regierung für die künftigen Abläufe im europäischen Grenzverkehr hervor.

Personalausweise sollen nicht mehr akzeptiert werden. Ab 1. Januar gilt, dass der Pass noch mindestens sechs Monate Gültigkeit haben muss und nicht älter als zehn Jahre sein darf.

Onlineshopping

Wenn Sie ein Produkt bei einem britischen Onlineshop kaufen, können Sie es noch innerhalb von zwei Wochen zurückgeben – und erhalten den Kaufpreis erstattet. Zudem haben Sie zwei Jahre lang eine Gewährleistung. Sollte das Produkt defekt sein, können Sie also verlangen, dass es ersetzt wird.

 

Doch Sie sollten beachten: Es kann mitunter schwer werden, Ihre Rechte durchzusetzen. Denn es muss sowohl ein deutsches als auch ein britisches Gericht prüfen, ob Ihre Ansprüche gerechtfertigt sind. Ein britisches Gericht kann aber durchaus zu einem anderen Schluss kommen als eines in der EU. Zudem steht Ihnen die EU-Plattform zur Online-Streitbeilegung nicht mehr zur Verfügung.

Zudem kann es sein, dass sich die Preise erhöhen – im Falle eines No-Deal-Brexits. Denn dann kommen auf bestimmte Güter noch einmal Zölle obendrauf. Außerdem kann es sein, dass Lieferungen länger brauchen. Es wird erwartet, dass es wegen der Zollkontrollen zu Staus an der Grenze kommt.

Krankenversicherung in GB

Noch gilt beim Aufenthalt in Großbritannien die Europäische Krankenversicherungskarte – als Teil Ihrer gesetzlichen Krankenversicherung. Ob diese nach der Übergangsphase weiterhin gilt, steht noch nicht fest. Verbraucherschützer raten in jedem Fall, eine Reisekrankenversicherung abzuschließen.

Eine private Krankenversicherung gilt hingegen weltweit – dementsprechend auch in Großbritannien. Prüfen Sie aber vor einer Reise, welche Leistungen übernommen werden und welche nicht. Gegebenenfalls kann eine Reisekrankenversicherung doch sinnvoll sein.

Lebensversicherung

Sofern Sie eine Police bei einer britischen Lebensversicherung haben, sollten Sie sich bei dieser erkundigen, was nach dem Brexit damit geschieht. Viele Lebensversicherer haben bereits eine Tochterfirma oder Niederlassung in der EU gegründet – etwa in Luxemburg, Deutschland oder Frankreich. Ansonsten können sie nach der Übergangsphase in der EU keine Verträge mehr anbieten.

Falls Ihr Lebensversicherer keine Niederlassung gegründet hat und Ihre Verträge angepasst werden müssen, meldet er sich in der Regel bei Ihnen. Falls Sie unsicher sind, können Sie Ihre Lebensversicherung aber auch einfach anschreiben und nachfragen.

Spareinlagen

Wenn Sie bei einer britischen Bank Einlagen haben, brauchen Sie sich zunächst keine Gedanken zu machen. Denn die europäische Einlagensicherung bleibt auch bei einem No-Deal-Brexit bestehen.

So ist Ihr Vermögen im Falle der Pleite der Bank bis 85.000 Pfund (rund 94.000 Euro) geschützt – zumindest erst einmal. Denn es kann sein, dass die Briten eigene Regelungen treffen.

Möglich ist auch, dass manche Banken ihre Geschäfte auf in der EU zugelassene Banken übertragen. In diesem Fall würde die Einlagensicherung von 100.000 Euro gelten – denn nun muss man nicht mehr Pfund in Euro umrechnen.

Zudem bieten viele Banken – auch britische – eine freiwillige Einlagensicherung. Diese gilt in der Regel auch nach dem Brexit.

Roaming

In der EU durfte das Telefonieren oder Surfen im Internet nicht mehr kosten als im Heimatland. Mit dem Brexit ist es gut möglich, dass sich das ändert. Denn Ihr Mobilfunkanbieter muss sich nicht mehr an die EU-Roaming-Regel halten. Er könnte also höhere Preise verlangen, wenn Sie sich in Großbritannien aufhalten.

 

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No-Deal-Brexit nur mit Trump?  

Was die US-Wahl mit dem Brexit zu tun hat

Spielt Boris Johnson beim Brexit auf Zeit, um das Ergebnis der US-Wahlen abzuwarten? Mit Biden als Präsident, der Johnson als "physischen und emotionalen Trump-Klon" bezeichnete, würde es ungemütlich für Johnson.

Der britische Premierminister Boris Johnson hat Behauptungen zurückgewiesen, er würde die Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt mit der EU bis zur US-Wahl hinauszögern. Präsident Donald Trump gilt als Brexit-Anhänger und bezeichnete den EU-Ausstieg als "wundervolle, wundervolle Sache". Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden ist hingegen mehr der Europäischen Union zugetan. Zu Spekulationen, er würde einen eventuellen No-Deal-Brexit nur verkünden, falls Trump wieder Präsident würde, sagte Johnson am Montag: "Das sind zwei ganz verschiedene Dinge."

Er sei froh, dass bei den Brexit-Verhandlungen beide Seiten wieder an einem Tisch sitzen. "Wir werden sehen, was die Gespräche bringen", sagte der Premierminister zu Journalisten bei einem Besuch im Royal Berkshire Hospital in Reading westlich von London.

Seine Bemerkungen bezogen sich vor allem auf einen Bericht des "Observer" vom Wochenende, demzufolge Johnson angeblich das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl am 3. November abwarten wolle. Bei einem Wahlsieg Trumps würde Johnson dann umgehend ein Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien abschließen – ein zentraler Punkt, wenn der Brexit zu einem Erfolg werden soll.

Fakt ist jedoch, dass Johnson mit einer Wiederwahl Trumps Rückenwind für seinen Brexit-Kurs – notfalls auch einen No-Deal-Brexit – bekommen würde. Der US-Präsident hat sich mehrfach als "Fan" des Brexit geoutet und den Briten einen "phänomenalen" Handelsvertrag mit den USA versprochen. Biden dagegen äußerte sich kritisch über Johnson Pläne zum EU-Ausstieg. Er stellte schon im September klar: Sollte er gewählt werden und Großbritannien mit seinen Brexit-Plänen den Frieden zwischen Irland und Nordirland gefährden, wird es keinen Handelsdeal mit den USA geben.

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Brexit: Showdown zwischen London und Brüssel

 

An diesem Montag entscheidet sich, ob Großbritannien und die EU sich in Güte trennen. Ein Austritt ohne Abkommen wäre Gift für die Wirtschaft.

Showdown zwischen London und Brüssel

Im Brexit-Streit wollen Großbritannien und die Europäische Union einen letzten Anlauf unternehmen, um ein Freihandelsabkommen zu erreichen. "Dies ist der finale Würfelwurf", sagte ein britischer Regierungsvertreter am Samstagabend, "es muss ein fairer Deal geschlossen werden, der für beide Seiten funktioniert." Zuvor hatten sich der britische Premierminister Boris Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem Telefonat darauf verständigt, die Verhandlungen trotz erheblicher Differenzen fortzusetzen. Am Montagabend wollen sie erneut miteinander sprechen und Klarheit darüber schaffen, ob die drei verbleibenden Streitpunkte bis dahin aufgelöst werden konnten.

Ungeklärt sind noch immer die Fangquoten für EU-Fischer in britischen Gewässern, Vorgaben für fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen in Großbritannien und in der EU sowie die Frage, wie Streitfälle geschlichtet werden sollen. London und Brüssel warfen einander am Wochenende vor, die Verhandlungen mit neuen Forderungen zu überziehen und so eine Einigung zu erschweren. In Diplomatenkreisen wurde dies als sogenanntes Blame Game gewertet, bei dem keine der beiden Seiten an einem Scheitern der Gespräche schuld sein will.

Ohne Handelsvertrag droht in nicht einmal vier Wochen ein harter Bruch: Das Vereinigte Königreich hat die EU zwar bereits Ende Januar verlassen, aber Bürger und Unternehmen werden das erst Anfang Januar richtig spüren. Denn zum Jahreswechsel endet die Brexit-Übergangsphase, in der Großbritannien noch Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion ist. Gelingt im Dezember nicht der Abschluss eines Handelsvertrags, werden von Januar an Zölle und Zollkontrollen eingeführt, zum Schaden der Firmen und Verbraucher.

Schon vor dem Wochenende war dieser Montag in Brüssel und London als letzte Frist genannt worden, bis zu der klar sein muss, ob eine Einigung möglich ist. Danach würde ein Abschluss noch schwieriger, weil Johnson am Montagabend sein umstrittenes Binnenmarktgesetz wieder ins Unterhaus einbringen will. Der Rechtsakt würde Teile des gültigen Austrittsvertrags aushebeln und wird daher von Brüssel als Provokation und Vertrauensbruch angesehen. Würde das Gesetzgebungsverfahren weiterlaufen, wäre das eine enorme Belastung der Gespräche über den Handelsvertrag. Gäbe es auf der anderen Seite bis Montagabend eine Einigung auf ein Abkommen, würde Johnson dieses Gesetz gar nicht mehr benötigen.

Downing Street machte am Sonntag deutlich, dass der Premierminister auch im Fall eines No-Deal-Szenarios die volle Unterstützung seines Kabinetts habe. Zuvor hatten Brexit-Befürworter in Johnsons Konservativer Partei vor einer Revolte gewarnt, sollte der Premier sich an die EU verkaufen. Ein britischer Regierungsvertreter erklärte, dass es nur zu einer Einigung mit Brüssel kommen werde, wenn die Europäische Union bereit sei, die Souveränität des Vereinigten Königreichs zu respektieren.

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Sechs Monate EU-Handelsvertrag: Der Brexit treibt die Kosten

 

Neue Zollhürden und drohender Fachkräftemangel: Ein halbes Jahr nach der Trennung vom EU-Binnenmarkt zieht die Wirtschaft ein kritisches Brexit-Fazit.

Die ersten Monate ließen keinen positiven Trend erkennen, sagte York-Alexander von Massenbach von der Britischen Handelskammer in Deutschland (BCCG) der Deutschen Presse-Agentur. Im Gegenteil: «Ich hätte hier mit mehr Pragmatismus gerechnet, jedoch erscheinen beide Seiten wenig kompromissbereit.»

Von «teething problems», Kinderkrankheiten, spricht die britische Regierung oft, die sich schon einruckeln würden. Doch schon nach sechs Monaten ist absehbar, dass es dauerhafte Probleme geben wird.

Gedämpftes Wirtschaftswachstum

Wegen neuer Zollanforderungen sind Aufwand und Kosten höher, wie Ulrich Hoppe, Chef der Deutsch-Britischen Handelskammer AHK in London, der dpa sagte. «Wann Lieferketten wieder genauso reibungslos wie vor dem 31. Dezember 2020 operieren werden, ist unklar. Deswegen haben viele Unternehmen unter anderem in längerfristige Lagerkapazitäten investiert», sagte Hoppe. Das treibt die Kosten - und dämpft das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal um ein Prozentpunkt, wie Michal Stelmach von der Beratungsgesellschaft KPMG schätzt.

Großbritannien war zum 1. Januar 2021 nach schwierigen Verhandlungen auch aus der EU-Zollunion und dem Binnenmarkt ausgeschieden. Daraufhin kam es zu Lieferproblemen - Grund waren neue Vorschriften und Formalitäten. In einigen Branchen gelten trotz des Abkommens nun Zölle.

Eine Flut von Vorschriften

Ein halbes Jahr danach stellen sich die Unternehmen zwar langsam auf die neuen Anforderungen ein. «Die Einschnitte waren auch zuletzt deswegen so drastisch, weil das Abkommen sehr spät kam und Unternehmen sich praktisch über Nacht mit einer Flut von neuen Vorschriften konfrontiert sahen», sagte von Massenbach. Doch gerade kleinere und mittelständische Unternehmen dürften es schwer haben, sich auf dem Markt zu behaupten, zumal viele nicht über das nun notwendige Personal verfügen, um die Bürokratie zu stemmen.

Vor allem britischen Firmen fehlt zudem die Anbindung an die EU. Ein gesteigertes Interesse an einem eigenen Standort in Deutschland hat von Massenbach ausgemacht. Denn jede Lieferung von Großbritannien über den Ärmelkanal muss nun aufwendig deklariert werden. Das merken vor allem Branchen, die stark von internationalen, reibungslos funktionierenden Handelsketten abhängen wie die Autoindustrie, die allein etwa ein Viertel des deutsch-britischen Handels ausmacht.

Die Folgen des EU-Austritts seien schädlich für die Wirtschaft, kommentierte die britische Zeitung «Independent». «Bereits jetzt haben sie zu einem Trauma in Teilen der Landwirtschaft und der Fischerei geführt und einen Verlust an Investitionen in der verarbeitenden Industrie und in der Wirtschaft insgesamt bewirkt.» Um 2,5 Prozent werde das britische Bruttoinlandsprodukt wegen langfristiger Brexit-Folgen niedriger sein, schätzt KPMG-Experte Stelmach.

Erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen 1997 handelte Großbritannien im ersten Quartal mehr mit Nicht-EU-Ländern als mit der Gemeinschaft. Die britischen Lebensmittelexporte in die EU brachen um fast die Hälfte (47 Prozent) auf rund 1,7 Milliarden Pfund (2 Mrd Euro) ein. Der Branchenverband Food and Drink Federation sprach von einem «Desaster» und warnte, dies sei ein klares Anzeichen, was die Zukunft bringe.

Noch sei es aber zu früh, von einer Trendwende zu sprechen, sagte Stelmach. Die britische Wirtschaft habe sich zu Jahresbeginn mit Brexit und der Pandemie in einem «perfekten Sturm» befunden. Vieles ist auch nach sechs Monaten noch unklar - zumal der Vertrag einige Fragen offen gelassen hat, etwa die Rolle der gerade für Großbritannien wichtigen Finanzbranche.

Viele kleinere britische Finanzdienstleistungsunternehmen machten sich erst jetzt Gedanken, ob sie für die Beratung deutscher Kunden eine Lizenzierung oder Genehmigung der deutschen Finanzaufsicht Bafin benötigten, sagte von Massenbach, der das Londoner Büros der Wirtschaftskanzlei Luther leitet.

Fachkräfte aus der EU fehlen

Ein Problem, das sich zudem in seiner ganzen Dimension noch gar nicht ausgewirkt hat, sind die neuen Hürden für Arbeits- und Aufenthaltsrecht sowie für Dienstleistungen. «Manchen Unternehmen wird es schwerer fallen, geeignete Arbeitskräfte zu finden - erste Stimmen äußern sich hier schon deutlich», warnte AHK-Chef Hoppe. Betroffen ist etwa das Gastgewerbe, das wegen der Corona-Krise etliche EU-Kräfte verlor, von denen wohl nach der Pandemie nur ein Teil zurückkehren wird. Die heimischen Angestellten können das Defizit nicht aufwiegen. Landwirtschaft und Pflege sind weitere Bereiche, in denen Fachkräfte aus der EU fehlen.

BCCG-Vertreter von Massenbach warnt in diesem Zusammenhang vor einer weiteren Gefahr. So werde auch der akademische Austausch, etwa in Form von Praktika «faktisch unmöglich gemacht», sagte er. «Die neuen Migrationsbestimmungen sind für mich daher eine der gravierendsten Folgen des Brexits, deren Auswirkungen sich im vollem Umfang noch zeigen werden.»

 

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London will Brexit-Abkommen wieder aufmachen

London. Der Brexit führt weiterhin zu diversen Konflikten. Einer davon dreht sich um Nordirland, das sich auch weiterhin an die Regeln des EU-Binnenmarktes hält, aber zu Großbritannien gehört.

Die britische Regierung geht im Streit um die Brexit-Regeln für Nordirland weiter auf Konfrontationskurs mit Brüssel. Es brauche „erhebliche Änderungen“ an den im Brexit-Abkommen als Nordirland-Protokoll festgehaltenen Regeln, sagte der Brexit-Beauftragte David Frost am Mittwoch im Londoner Oberhaus. „Wir glauben, dass diese Änderungen in der Situation, in der wir uns gerade befinden, notwendig sind“, so das Kabinettsmitglied.

Hintergrund des Streits ist die im Brexit-Abkommen festgeschriebene Regelung, dass Nordirland weiterhin den Regeln des EU-Binnenmarkts folgt. Damit sollen Warenkontrollen zwischen der britischen Provinz und dem EU-Mitglied Republik Irland verhindert werden. Ansonsten wird mit einem Wiederaufflammen des Konflikts in der ehemaligen Bürgerkriegsregion gerechnet. Die mehrheitlich katholischen Befürworter einer Vereinigung mit Irland bestehen auf einer offenen Grenze zu dem Nachbarn.

Die bisherigen Regelungen seien nicht geeignet, den Frieden in der ehemaligen Bürgerkriegsregion zu sichern, sagte Frost. „Während wir versucht haben, das Protokoll umzusetzen, ist klar geworden, dass seine Lasten zur Quelle von erheblicher und andauernder Beeinträchtigung für Leben und Lebensunterhalt geworden sind“, so Frost weiter. Daher müsse nun ein neues Gleichgewicht geschaffen werden, das den Handel mit Waren zwischen Großbritannien und Nordirland erleichtere. Auch sollten EU-Institutionen wie der Europäische Gerichtshof keine Rolle mehr bei der Überwachung der Einhaltung des Abkommens spielen.

Frost schlug der EU eine sogenannte „Periode des Stillstands“ vor, in der bislang geltende Übergangsfristen verlängert und rechtliche Streitigkeiten pausiert werden sollten.

Das sogenannte Nordirland-Protokoll erschwert den Handel zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs. Auch das sorgt für Spannungen, vor allem bei den überwiegend protestantischen Anhängern der Union mit Großbritannien. Brüssel wirft der britischen Regierung vor, das Protokoll nicht richtig umzusetzen. London bezichtigt hingegen die EU-Kommission, die Vereinbarung allzu kleinlich auszulegen.

 

 

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Britische Gaskrise eskaliert - Firmen vor der Pleite, Fleisch könnte knapp werden

 

Die innerhalb kürzester Zeit massiv gestiegenen Gaspreise sorgen im Vereinigten Königreich für erhebliche Probleme.

Die BBC berichtete unter Berufung auf den Branchenverband Oil & Gas UK, die Großhandelspreise für Gas seien seit Januar dieses Jahres in Großbritannien um 250 Prozent gestiegen, um 70 Prozent allein seit August. Dafür werden unter anderem eine weltweit hohe Nachfrage, Probleme bei einigen Unternehmen sowie eine geringere Energiegewinnung durch Wind und Sonne verantwortlich gemacht.

Auch in Deutschland droht nach Branchenexperten ein Preisanstieg, der auch die Privatverbraucher treffen wird - zahlreiche Anbieter bereiten laut der Nachrichtenagentur dpa derzeit Preiserhöhungen für Gas vor.

Der britische Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng hielt am Wochenende deshalb mehrere Krisentreffen mit Vertretern der Branche ab, während der für die Klimakonferenz COP26 zuständige Staatssekretär Alok Sharma im BBC-Interview am Sonntag zu beschwichtigen versuchte. Es gebe „im Moment kein Risiko bei der Versorgung“, sagte Sharma. Die erneuerbaren Energien müssten aber dringend schnell weiter ausgebaut werden.

Der Premier vertraut auf dem Markt - doch reicht das?

Auch Premierminister Boris Johnson äußerte sich. Er warnte, dass die Energiekrise noch Monate dauern könnte. Es brauche Zeit, bis sich die globale Industrie von den Folgen der Corona-Pandemie erholt, sagte Johnson in der Nacht zum Montag bei einem Besuch in New York. „Es ist, als ob am Ende einer TV-Sendung jeder den Wasserkocher anstellt. Es ist eine enorme Belastung der weltweiten Versorgungssysteme zu sehen.“

Zugleich versuchte Johnson, die Verbraucher zu beruhigen. Die Störungen seien nur vorübergehend. „Die Marktkräfte werden das sehr schnell ausgleichen, und wir werden alles tun, um zu helfen.“

Erwartet wird, dass die Konzerne staatliche Unterstützung fordern. Die Regierung wolle kleinere Versorger jedoch nicht vor der Pleite schützen, wie die Zeitung „The Guardian“ berichtete. Damit solle verhindert werden, dass die Verbraucherpreise weiter steigen. Die Kunden sollen demnach an größere Unternehmen versteigert werden.

Die Krise trifft auch Nahrungsmittel- und Getränkehersteller. Der Lebensmittelproduzent Bernard Matthews warnte, das Weihnachtsessen könne „abgesagt“ werden. Der starke Anstieg der Gaspreise hat beispielsweise auch dazu geführt, dass zwei große Düngemittelfabriken, die Kohlenstoffdioxid (CO2) als Nebenprodukt produzieren, geschlossen wurden.

Müssen bald Tiere gekeult werden?

CO2 wird unter anderem für Vakuumverpackungen bei Fleisch oder für Bier benötigt. Schon warnen Branchenvertreter vor einem gewaltigen Rückstau bei Schlachtungen. Das Gas spiele eine zentrale Rolle im Herstellungsprozess und sei unersetzlich, betonte der Verband der Fleischproduzenten BMPA. Nach BMPA-Angaben könnten manche Schlachtbetriebe in weniger als 14 Tagen keine Vorräte mehr haben.

„Dann können Unternehmen keine Tiere mehr annehmen und müssen Produktionslinien schließen“, so der Verband. Das führe zu einem Rückstau bis auf die Bauernhöfe. „Diese Situation gibt es schon bei Schweinefleisch-Produzenten, dort steht eine Keulung auf einigen Farmen kurz bevor.“

Doch auch die Gesundheitsbranche ist betroffen. Wegen des CO2-Mangels könnten Operationen abgesagt werden, teilte der Gesundheitsdienst NHS mit. Damit würde der enorme Rückstau in den Kliniken noch vergrößert.

 

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Leere Regale zu Weihnachten?  

Britische Lebensmittelriesen warnen vor Panikkäufen

Bereits seit Monaten fehlen Lkw-Fahrer in Großbritannien. Nun schlagen große Lebensmittelfirmen Alarm: Es könnten Panikkäufe zu Weihnachten drohen.

Mehrere britische Lebensmittelfirmen und Verbände haben angesichts der angespannten Versorgungslage Alarm geschlagen und vor Hamsterkäufen in der Weihnachtszeit gewarnt.

Die Lebensmittelversorgung des Landes stehe "auf Messers Schneide", schrieb die Chefin des Bauernverbandes National Farmers' Union, Minette Batters, in einen Brief an den Premierminister, der von mehreren Lebensmittelverbänden unterzeichnet wurde.

Man brauche Notfallvisa, um ausländische Arbeitskräfte rekrutieren zu dürfen. "Ohne das werden wir mehr leere Regale haben, und Verbraucher werden Panikkäufe machen, um durch den Winter zu kommen", schrieb Batters.

Tesco fürchtet Fotos von leeren Regale

Auch der Lebensmittelkonzern Tesco warnte vor Panikkäufen in der Vorweihnachtszeit. Seit Juli versucht das Unternehmen neue Mitarbeiter mit einen Bonus von 1.000 Pfund (rund 1.165 Euro) zu werben.

Doch das reiche nicht aus, um die fehlenden Mitarbeiter auszugleichen, wie Tesco-Vertriebschef Andrew Woolfenden erklärte. Dem Fernsehsender ITV News sagte er: "Unsere Sorge ist, dass die Bilder leerer Regale bis Weihnachten zehn Mal schlimmer werden und es dann Panikkäufe geben wird."

Darum fehlen in Großbritannien 100.000 Lkw-Fahrer

In den vergangenen Monaten waren in Großbritannien immer wieder Engpässe bei verschiedenen Produkten aufgetreten, sodass einige Regale leer blieben. Der Branchenverband Road Haulage Association geht von rund 100.000 fehlenden Fahrern aus. Das hat auch damit zu tun, dass nach dem Brexit viele Fahrer aus Europa das Land verlassen haben. Nun sind komplizierte und teure Visa-Verfahren notwendig, weshalb kaum neue hinzukommen.

Außerdem gehen jeden Monat Tausende Fahrer in Rente und es gibt nicht genug Nachwuchs. Durch die Pandemie sind Zehntausende Fahrprüfungen ausgefallen.

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Krise in Großbritannien  

Es droht der Kollaps im Winter

Kein Benzin an den Tankstellen, leere Supermarktregale, die Corona-Infektionszahlen explodieren: Großbritannien wird zunehmend von Krisen in die Zange genommen. Die Angst vor dem Winter-Chaos wächst.

Der Schock sitzt in Großbritannien noch immer tief. Am vergangenen Freitag stach ein Mann in einer Bürgersprechstunde mehrfach auf den konservativen Politiker David Amess ein, der Politiker wurde brutal getötet. Das Tatmotiv war offenbar islamistischer Terror, Amess ist laut Polizei ein zufälliges Opfer des Täters gewesen. Ein Schock für das ganze Land und für seine Familie. Amess hinterlässt eine Frau und fünf Kinder.

Diese Bluttat wird Großbritannien verändern, seither tobt auf der Insel eine Debatte über die Sicherheit von Politikern. Immer wieder erhalten britische Abgeordnete Morddrohungen, in den vergangenen Jahren stieg die Zahl rasant an. Auch Amess wurde kurz vor dem Mord bedroht, neben seinem Bett hatte er einen Sicherheitsknopf installiert. Trotzdem hielt er an seinen Bürgersprechstunden fest, eine wichtige britische Tradition, um als Politiker mit den Menschen in Kontakt zu kommen.

Eben diese Bürgerkontakte werden für Politiker immer gefährlicher, Abgeordnete berichteten in den vergangenen Jahren von einer massiven Zunahme der Drohungen gegen sie: Die britische Gesellschaft ist noch immer gespalten, viele Menschen sind wütend. Die Folgen des EU-Austrittes wurden in den letzten Monaten immer katastrophaler. Zu dem wirtschaftlichen Übel steigen auch die Corona-Infektionen rasant an, die Sorge in der Bevölkerung vor erneuten Einschränkungen wächst.

Dabei versprach Premierminister Boris Johnson den Briten ein neues goldenes Zeitalter nach dem Brexit. Nun aber gibt es immer mehr Menschen in seinem Land, die sich von den Brexiteers betrogen fühlen. Im kommenden Winter droht der Kollaps, das gegenwärtige Chaos droht sich zu verschärfen. Und der Premier scheint zunehmend die Kontrolle zu verlieren.

Wirtschaftliche Verwundbarkeit nach dem Brexit

Die versprochene Brexit-Utopie ist für zahlreiche Briten mittlerweile zur Dystopie geworden. Wütende Autofahrer ringen um Kraftstoff, es fehlt an Nahrungsmitteln in den Supermärkten, besonders Fleisch wird knapp. Der Mangel an Lastwagenfahrern führt zur Lähmung ganzer Wertschöpfungsketten: Hühner und Schweine sitzen auf Farmen fest, weil es an Betäubungsmitteln und Personal für die Verarbeitung fehlt. Läden müssen schließen, weil sie keine Lieferungen mehr bekommen. Auch beispielsweise Nachtclubs haben Probleme, es fehlt ihnen an Türstehern.

Die wirtschaftlichen Probleme bestimmen längst den Alltag der britischen Bevölkerung. Die Preise für viele europäische Importe sind massiv gestiegen, die Heizkosten haben sich fast verdoppelt. Laut einer britischen Wohltätigkeitsorganisation könnte das eine Million Haushalte dazu zwingen, sich im Winter auf Decken zu verlassen. Das Jahr, in dem Bevölkerung und Unternehmen die Vorteile eines freien, globalen Großbritanniens kennenlernen sollten, ist für viele Menschen zum Albtraum geworden.

Konkret rechnet die US-Nachrichtengruppe "Bloomberg" zwar immer noch mit einem Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent im vierten Quartal 2021, aber dafür mit einer Inflation von 3 Prozent bis Mitte 2022.

Viele Probleme, wenige Maßnahmen

Boris Johnson versprach, dass sich die wirtschaftliche Situation bis Weihnachten entschärfen wird, doch das ist mit bisherigen politischen Maßnahmen der Regierung unwahrscheinlich.

Es gibt zahlreiche Probleme:

  • Im Oktober werden über 10.000 Arbeitsvisa für ausländische Lastwagenfahrer und Arbeiter in der Fleischindustrie vergeben. Die Zahl der fehlenden Lastwagenfahrer wird aber auf über 100.000 geschätzt und die Visa sind nur bis Februar 2022 gültig. Ein kurzes Engagement ist für viele ausländische Arbeitskräfte wenig attraktiv.
  • Die Forderung der britischen Regierung, Firmen sollten keine billigen Arbeitskräfte aus dem Ausland beschäftigen, klingt für viele Unternehmer kurzfristig wie blanker Hohn. "Zu sagen, dass wir eine gut bezahlte und gut ausgebildete Volkswirtschaft brauchen, ist gut", erklärt Nigel Upson, Geschäftsführer eines Geflügelbetriebs, dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". "Aber welche Qualifikation braucht man, um Hühnchen in eine Box zu stopfen?"
  • Die britischen Versorgungslinien erweisen sich nach dem Brexit als kompliziert und teuer. Der Transport einer LKW-Ladung Kühlschränke aus Italien nach Großbritannien kostet beispielsweise fast 25 Prozent mehr als vor dem Brexit.
  • Lieferungen in das Königreich werden ab dem 1. Januar 2022 neuen Zollkontrollen an der Grenzen zur Europäischen Union ausgesetzt. Ab Juli 2022 gelten für Lebensmittelprodukte verschärfte bürokratische Vorschriften und Kontrollen.

Eine fehlende Debatte über die Brexit-Folgen verärgert in Großbritannien immer mehr Menschen. "Was passiert, wenn ein Wendepunkt erreicht ist und die Tatsache, dass Menschen betrogen wurden, offensichtlich wird?", fragt der Journalist John Harris in einer Kolumne für die britische Zeitung "The Guardian".

Doch im Angesicht dieser Probleme agiert die britische Regierung nur vorsichtig. Premierminister Johnson hält an seinem Brexit-Narrativ fest, eine zu laute Kritik am britischen EU-Austritt gilt in seinem Kabinett als unerwünscht. Es ist nicht das erste Mal, dass Johnson ein Problem dieser Dimension zunächst nicht ernst genug zu nehmen scheint.

Vorsprung beim Impfen verspielt

Auch auf den Beginn der Corona-Pandemie reagierte der Premierminister zögerlich. Er wollte die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nicht gefährden, in dem er einen Lockdown verhängt. Bislang forderte das Virus knapp 140.000 Todesopfer, zum Vergleich: in Deutschland sind es etwas mehr als 94.000.

Danach zündete Großbritannien den Impfturbo, schnell waren mehr als 60 Prozent der Bevölkerung geimpft und die Regierung feierte ihren "Freedom Day" am 19. Juli – das Ende aller Corona-Maßnahmen – und beispielsweise auch das Finale der Fußball-Europameisterschaft im Sommer.

Doch das Land verspielte seinen Vorsprung im Kampf gegen die Pandemie. Mittlerweile ist die Quote der vollständig Geimpften auf dem Niveau der Bundesrepublik (um die 66 Prozent), aber der frühere Impfstart auf der Insel macht eigentlich auch frühe Auffrischungen der Immunisierungen erforderlich. Dort liegt das Problem: Erst 41 Prozent derjenigen, die vor mehr als sechs Monaten ihre zweite Impfung erhielten, wurde bisher ein weiteres Mal geimpft.

Neue Corona-Variante im Land unter Beobachtung

Mittlerweile hat Großbritannien wieder eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 450, viele Covid-19-Erkrankungen haben zwar milde Verläufe, aber durch die hohe Anzahl der Neuinfektionen steht das Gesundheitssystem erneut an der Belastungsgrenze. Zuletzt wurden bis zu knapp 50.000 tägliche Neuinfektionen registriert. Die Zahl der täglichen Krankenhauseinweisungen liegt bei fast 1.000. Bei den Todesfällen wurde am Dienstag mit 223 gemeldeten Fällen ein Stand wie zuletzt im März erreicht.

Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid warnte in einer Pressekonferenz, dass die Zahl der täglichen Neuinfektionen sogar bis auf 100.000 steigen könnte. Mit Blick auf den Winter schlagen britische Krankenhäuser Alarm.

Hinzukommt, dass Forscher aktuell eine weitere Corona-Variante im Land beobachten. Man habe die Mutante namens AY4.2 sehr genau im Blick, hieß es in dieser Woche aus dem Regierungssitz Downing Street. Die Variante weist zwei Mutationen auf, die bereits von anderen Versionen des Coronavirus bekannt seien.

Forscher gehen jedoch bislang nicht davon aus, dass die Variante deutlich ansteckender sein könnte als die bisherige Delta-Variante – die Rede ist ersten Schätzungen zufolge von einer möglicherweise zehn Prozent höheren Übertragbarkeit. Dies könne höchstens eine kleine Anzahl an zusätzlichen Corona-Fällen ausgelöst haben, meinte der Biologe Francois Balloux vom University College London. "Das kann nicht der Grund für den aktuellen Anstieg der Fallzahlen in Großbritannien gewesen sein."

Johnsons "Plan B"

Doch unabhängig vom Auslöser der aktuellen Corona-Welle weigert sich die britische Regierung, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Es sei "zum jetzigen Zeitpunkt" noch zu früh, um eine Rückkehr der im Juli abgeschafften Corona-Regeln im größten Landesteil England zu rechtfertigen, sagte Gesundheitsminister Javid.

Es gibt allerdings auch einen sogenannten "Plan B", wenn die Regierung sich doch zum Handeln gezwungen sieht: Dazu gehören Maßnahmen wie verpflichtendes Maskentragen oder Nachweispflicht von Impfungen bei Großveranstaltungen. Trotz Forderungen aus Medizin und Wissenschaft sei das entscheidende Kriterium eines unaushaltbaren Drucks auf den Nationalen Gesundheitsdienst NHS noch nicht erreicht, erklärte Javid. Stattdessen sollten nun die Bemühungen verstärkt werden, so viele Menschen wie möglich zu impfen. Besonders bei Jugendlichen und älteren Menschen, die eine Auffrischungsimpfung erhalten sollen, stockt das britische Impfprogramm derzeit.

Wie auch in der wirtschaftlichen Krise nach dem Brexit wird es in der Corona-Pandemie für Großbritannien zum Problem, dass die britische Regierung vehement eine politische Agenda verfolgt, von der sie nur langsam im absoluten Notfall abweicht. Die Johnson-Administration steht für möglichst wenig Corona-Regeln und für einen Brexit als britische Erfolgsgeschichte – zur Realität passt das allerdings nicht. Damit riskiert der Premierminister nicht nur eine Katastrophe im kommenden Winter, sondern auch große Wut, die durch die gegenwärtige Not im Land ohnehin weiter genährt wird. Eine explosive Mischung.

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Rebellion in der eigenen Partei  

Der Anfang vom Ende des Boris Johnson?

Seine eigene Partei hat Boris Johnson einen herben Dämpfer verpasst. Nur mit den Stimmen der Opposition brachte der Premier neue Corona-Maßnahmen durchs Parlament. Die Frage ist nun, ob der Rückhalt der Tories für Johnson weiter bröckelt.

Nach einer heftigen Rebellion in den Reihen der eigenen Partei hat der Druck auf den britischen Premierminister Boris Johnson erneut zugenommen. Bei einer Abstimmung über verschärfte Corona-Maßnahmen am Dienstagabend stimmten 98 Abgeordnete aus Johnsons Tory-Partei gegen die Einführung der besonders umstrittenen 3-G-Nachweise für Nachtclubs und Großveranstaltungen.

Johnson hat eine Mehrheit von 79 Stimmen im Unterhaus. Der Premier konnte diese Maßnahmen sowie eine Verschärfung der Maskenpflicht und eine Impfpflicht für das medizinische Personal daher nur mit den Stimmen der Opposition durchs Parlament bringen. Es war die größte Rebellion der Tories gegen Johnson seit seinem Wahlsieg im Jahr 2019.

"Der Anfang vom Ende des Boris Johnson"

Die große Frage ist nun, ob Boris Johnson nun bei anderen Vorhaben noch auf die Unterstützung seiner Partei zählen kann – oder ob "der Anfang vom Ende des Boris Johnson" bevorsteht, die bereits manche Zeitungen vor einigen Tagen mutmaßten. Covid-19 ist in Westminster nicht nur als spaltendes Thema präsent - mehrere Abgeordnete, aber auch Hauptstadtjournalisten sind in den vergangenen Tagen positiv getestet worden. Omikron schickt sich an, schon in den nächsten Tagen die in London dominante Corona-Variante zu werden.

Der Tory-Abgeordnete Charles Walker, der zu den Rebellen gehört, sagte der BBC nach der Abstimmung, Johnson habe in der Partei noch immer große Unterstützung, sei aber mit den Impfnachweisen einen Schritt zu weit gegangen. Die Rebellion sei ein "Schmerzensschrei" der Konservativen gewesen, die in den Nachweisen eine erhebliche Beschneidung der individuellen Freiheiten und der persönlichen Verantwortung sehen. Auf die Frage, ob die Abweichler künftig weitere Verschärfungen, die wegen der Omikron-Variante nötig werden könnten, blockieren würden, sagte Walker: "Nicht unbedingt. Aber: Die Stimmung hat sich verändert."

Die rebellischen Konservativen befürchten nicht nur, dass schärfere Restriktionen die Erholung der britischen Wirtschaft hemmen werden. Vor allem führen sie an, dass die Maßnahmen schwer umzusetzen seien, wenn sich offensichtlich nicht einmal Regierungsbeamte oder Johnson selbst an Regeln halten. Berichte über vermeintlich illegale Weihnachtsfeiern in der Downing Street während des Lockdowns im vergangenen Jahr haben für Empörung gesorgt und der Regierung einen herben Vertrauensverlust beschert.

Boris Johnson auch wegen Weihnachtsparty unter Druck

Der "Mirror" setzte indes seine Enthüllungsserie fort und veröffentlichte ein Foto einer Weihnachtsparty, auf dem mehr als 20 Berater und Mitarbeiter der Tories in den Räumlichkeiten der Partei in Westminster dicht aneinander gedrängt neben einem prall gefüllten Büffet zu sehen sind. Die Feier soll am 14. Dezember 2020 stattgefunden haben und ist damit eine weitere, bislang nicht bekannte Lockdown-Weihnachtsfeier im politischen Machtzirkel. In London waren damals nicht einmal Treffen von zwei Haushalten erlaubt. Der konservative Ex-Kandidat für das Amt des Londoner Bürgermeisters, Shaun Bailey, der auf dem Foto zu sehen ist, trat von seinen öffentlichen Aufgaben zurück.

So heikel, wie die Woche für Boris Johnson begonnen hat, dürfte sie auch weitergehen: Zum Ende der Woche sollen Ergebnisse einer Untersuchung zu den vermeintlichen Weihnachtsfeiern bekanntgegeben werden.

Außerdem steht am Donnerstag eine Nachwahl für ein Parlamentsmandat an. Der Abgeordnete Owen Paterson, ein Parteifreund Johnsons, musste wegen seiner Verwicklung in einen Lobbyismusskandal zurücktreten. Nun droht die Konservative Partei den Sitz in der westenglischen Tory-Hochburg North Shropshire an die Liberaldemokraten zu verlieren.

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