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EU-Revolution: Rentner müssen künftig ab 70 nachweisen, dass sie noch Autofahren können

Sollen Senioren zu Fahrtests verpflichtet werden? (Symbolfoto)

Sollen Senioren zu Fahrtests verpflichtet werden? (Symbolfoto)© Wolfram Kastl/dpa

EU-Revolution: Rentner müssen künftig ab 70 nachweisen, dass sie noch Autofahren können

Die EU will die Regeln zum Autofahren verschärfen. Nach den Plänen aus Brüssel müssen Senioren ab 70 künftig regelmäßig nachweisen, dass sie noch fahrtauglich sind.

Brüssel – Die Europäische Union hat eine Vision: Bis 2050 soll es in der EU keine Verkehrstote mehr geben, bis 2030 soll die Zahl halbiert werden. Ein höchst ambitioniertes Ziel, vor allem wenn man die aktuellen Zahlen kennt. Im Jahr 2022 kamen 20.600 Menschen im Straßenverkehr ums Leben. Das ist ein Anstieg gegenüber den beiden Pandemiejahren 2020 und 2021, als unter 20.000 Menschen starben. Um das große Ziel zu erreichen, plant die EU eine große Führerscheinreform, die unter anderem die Verkehrssicherheit verbessern soll. Eine der Vorgaben: Künftig soll die Verkehrstauglichkeit von Autofahrern über 70 Jahren alle fünf Jahre überprüft werden.

Führerschein im Alter abgeben: Das gilt aktuell in Deutschland

In Deutschland wird die Fahrtauglichkeit von Senioren aktuell nicht regelmäßig überprüft. Wer seine Führerscheinprüfung bestanden hat, erhält in der Regel eine lebenslange Fahrerlaubnis. Es gibt aber natürlich Situationen, in denen die Behörden entscheiden können, dass eine Person nicht mehr fahren sollte. So kann die Führerscheinbehörde eine Fahrt mit einem Gutachter anordnen, der die Fahrtauglichkeit überprüft – und gegebenenfalls dann den Führerschein entzieht.

Darüber hinaus können Senioren selbst freiwillig entscheiden, den Lappen abzugeben oder eine Fahrt mit einem Gutachter zu organisieren. Vielen fällt dieser Schritt aber verständlicherweise schwer: Zuzugeben, dass man vielleicht nicht mehr in der Lage ist, etwas zu tun, was man fast sein ganzes Leben lang konnte, ist hart. Autofahren steht für Unabhängigkeit und Bewegungsfreiheit.

Trotzdem mehren sich auch hierzulande die Stimmen, die eine regelmäßige Überprüfung der Fahrtauglichkeit bei Senioren fordern. In manchen EU-Ländern wird bei Autofahrern ab 70 Jahren regelmäßig geprüft, ob sie wirklich noch fahren können. Die EU will das jetzt für alle Mitgliedsstaaten einführen.

EU-Führerscheinreform: Gültigkeit der Führerscheine wird verändert

Laut Gesetzesentwurf der Europäischen Kommission sollen mit der Reform die Laufzeiten der Führerscheine verändert werden. Sie wären dann EU-weit 15 Jahre gültig, anstatt bisher zehn Jahre. Außerdem sollen Führerscheine digital werden, damit die Erneuerung dann auch online abgewickelt wird. Die 15-jährige Gültigkeit soll aber für alle ab 70 nicht mehr gelten: Senioren erhalten dann nur noch Führerscheine, die fünf Jahre gültig sind. Und damit soll es möglich sein, regelmäßig die Fahrtauglichkeit der Senioren zu überprüfen.

Inwiefern diese dann überprüft wird, soll weiterhin Entscheidung der Mitgliedsstaaten sein. Das heißt, die Mitgliedsstaaten können es auch dabei belassen, dass der Fahrer selbst bei der Erneuerung seines Führerscheins versichern muss, dass er noch in der Lage dazu ist, zu fahren. Aber, so der Entwurf, sollte es „bei der Abwicklung der Formsachen“ deutlich werden, dass der Antragsteller nicht den medizinischen Standards (mehr) entspricht, dann könne eine medizinische Untersuchung angeordnet werden. Heißt: Wenn die Führerscheinbehörde das will, dann muss ein Gutachter den Fahrer checken.

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Neue medizinische Mindestanforderungen für den Führerschein

Die medizinischen Mindestanforderungen, die eine Person erfüllen muss, um einen Führerschein zu bekommen oder ihn erneuern zu lassen, sind sehr umfangreich. Im Folgenden eine Kurzfassung der Anforderungen:

  • Autofahrer müssen mit Brille oder Kontaktlinsen mindestens 0,5 Sehstärke aufweisen
  • Sollte eine Augenkrankheit festgestellt werden, muss der Autofahrer regelmäßig die Sicht ärztlich prüfen lassen
  • Bei Krankheiten des Bewegungsapparates, die das Nutzen eines Fahrzeugs erschweren, soll kein Führerschein ausgestellt werden
  • Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen muss ein Arzt die Fahrtauglichkeit bescheinigen
  • Autofahrer, die Diabetes haben, sollen alle zehn Jahre auf Fahrtauglichkeit überprüft werden
  • Wer regelmäßig unter einer schweren Unterzuckerung leidet, soll keinen Führerschein (mehr) haben.
  • Autofahrer mit neurologischen Beschwerden brauchen eine Bescheinigung vom Arzt über die Fahrtauglichkeit (gilt insbesondere für Menschen mit Apnoe)
  • Autofahrer mit Epilepsie können einen Führerschein nur dann haben oder behalten, wenn sie seit einem Jahr keinen Anfall hatten; Epileptiker brauchen regelmäßige ärztliche Untersuchungen, außer sie hatten seit fünf Jahren keine Anfälle mehr
  • Führerscheine werden nicht an Personen ausgestellt, die schwere kognitive oder intellektuelle Störungen aufweisen. Dazu gehören auch altersbedingte Veränderungen
  • Führerscheine werden nicht an Personen ausgestellt, die regelmäßig Alkohol oder Drogen missbrauchen

In vielen dieser Fälle wird auch schon jetzt in Deutschland die Fahrtauglichkeit durch Ärzte geprüft. So ist das auch bei Demenz oder Alzheimer der Fall.

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Vorschlag auf dem Prüfstand

„Dann bin ich mit 70 ausgegrenzt“ – Empörung über EU-Führerschein-Plan für Rentner

Der EU-Entwurf zu Regeländerungen beim Führerschein sorgt für Wirbel. Rentner und junge Menschen sind besonders betroffen. Die Reaktionen im Netz haben eine klare Stoßrichtung.

München – Beschränkung der Führerscheingültigkeit bei Senioren, Tempolimit und Nachtfahrverbot für Fahranfänger und vieles mehr. Die neuen Pläne der EU haben revolutionären Charakter – und stoßen nicht nur Automobilverbänden oder Politikern auf.

Die aus Brüssel geplante Änderung der Führerscheinrichtlinie sieht umfangreiche Neuerungen für Autofahrerinnen und Autofahrer vor, die dazu beitragen sollen, dass sich die Zahl der Verkehrstoten EU-weit bis 2050 auf Null reduziert. Der Berichtsentwurf stammt von der französischen Grünen-Abgeordneten Karima Delli. Vor allem aus Deutschland kommt Kritik, doch was sehen die Pläne im Detail vor?

ADAC und VdK kritisieren Führerschein-Pläne der EU

Menschen ab 60 sollen ihren Führerschein nur noch für eine Dauer von sieben Jahren erhalten. Ab 70 wäre er fünf Jahre gültig. Der Führerschein für Senioren ab 80 Jahren soll sogar schon nach zwei Jahren seine Gültigkeit verlieren. Dabei müssten Betroffene nach Ablauf der Frist jeweils eine erneute Beantragung des Führerscheins vornehmen – die Seniorinnen und Senioren sollen sich zudem eines medizinischen wie psychologischen Tests unterziehen. Die hierfür anfallenden Kosten müssten die betroffenen Menschen offenbar noch selbst tragen.

Angemessen oder doch bevormundend? Senioren müssten ihre Fahrtauglichkeit regelmäßig unter Beweis stellen.

Angemessen oder doch bevormundend? Senioren müssten ihre Fahrtauglichkeit regelmäßig unter Beweis stellen.© Julian Stratenschulte/dpa

Der ADAC kritisiert in einem Statement: „Eine Verpflichtung zu Überprüfung der Fahreignung für bestimmte Altersgruppen lehnen wir ab. Zwar kann es mit zunehmendem Alter zu Leistungseinbußen kommen, dennoch ist das Unfallrisiko älterer Autofahrer nicht außergewöhnlich hoch.“

Der mit gut 2,2 Millionen Mitgliedern größte Sozialverband Deutschlands, VdK, kritisiert ebenfalls. „Eine Verpflichtung zu Auffrischungskursen, allein aufgrund des Alters, grenzt an Altersdiskriminierung“, sagt Präsidentin Verena Bentele auf Anfrage von hna.de von IPPEN.MEDIA. Testverfahren seien nur bedingt aussagekräftig. „Sie lassen außer Acht, dass ältere Autofahrerinnen und Autofahrer in der Regel erfahrener und umsichtiger im Straßenverkehr sind. Statt den geplanten Fahrtauglichkeitstests braucht es mehr Beratung und Angebote auf freiwilliger Basis“, so Bentele.

Diese weiteren Vorschläge enthält der Entwurf unter anderem:

Grüne aus Deutschland stellen sich gegen EU-Pläne zum Führerschein

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat Karima Delli mittlerweile aufgefordert, „diesen an der Realität vorbeigehenden Vorstoß offiziell zurückzuziehen“. Klar sei, Deutschland werde den Vorschlägen in dieser Form nicht zustimmen.

Auch Deutschlands Grüne halten von dem Vorstoß wenig. Die Grünen-Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg kritisierte ihre Parteifreundin ebenfalls. „Wir als deutsche Grüne haben von Anfang an aus deutscher Sicht starke Bedenken angemeldet“, sagte die Verkehrspolitikerin. Via X (ehemals Twitter) beschwichtigt sie: „Wir sind ganz am Anfang des parlamentarischen Prozesses.“

Führerschein-Pläne: Bürger äußern Sorgen im Netz

Und wie reagieren die Menschen im Netz auf derlei Postings? Auf X (vormals Twitter) zeigt sich ein Sturm der Entrüstung. „Die Regelungswut sollten sie schleunigst lassen. Die Stimmung droht auch da zu kippen. Wir haben bestimmt wichtigere Themen“, warnt ein User die Europäische Union. Einige sind in Sorge. „Ich bin 57. Dann bin ich mit 70 ausgegrenzt“, schreibt ein Nutzer. Ein anderer: „Das passt übrigens: Bis 70 arbeiten, aber eine Führerscheinnachschulung absolvieren müssen.“ Ein weiterer wiederum fürchtet „enorme Kosten, die Rentner selber bestreiten sollen.“

Nur wenige beruhigen und machen auf die vielen Unfälle auf den Straßen aufmerksam. „Fahranfänger und alte Leute verursachen die meisten Unfälle. Überschätzung der eigenen Fähigkeiten ist dabei oft mit im Spiel.“ Tatsächlich bestätigt das die Statistik. Bei tagesschau.de erklärte im März 2023 Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer: Bezogen auf die Fahrleistung sei Senioren eine ähnliche Unfallhäufigkeit zuzurechnen „wie der Hochrisikogruppe der 18- bis 25-Jährigen“.

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destasis) starben im Jahr 2022 allein in Deutschland 2.788 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr. Die Zahl der Verletzten belief sich auf 361.134 Personen. Bis zum großen Ziel von null Verkehrstoten sind wohl noch einige Reformen nötig. Dass der aktuelle Entwurf in Brüssel in der Form beschlossen wird, gilt als unwahrscheinlich.