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Klimawandel: Erfordert er eine neue Architekturepoche?

 

Die Beton- und Steinlandschaften unserer Metropolen erwischt der Klimawandel besonders schlimm. Sie können sich zu sommerlichen Glutöfen entwickeln. Und die Prognosen für die kommenden Jahre machen keine Hoffnung auf eine Änderung des Trends: Die Tage im Jahr mit mehr als 30 Grad Spitzentemperatur werden sich vervielfachen. Die gute Nachricht: Wissenschaftler, Ingenieure und Architekten verfügen bereits über einen Katalog von vorbeugenden Maßnahmen. Die müssten wir jetzt nur zügig umsetzen. Das fordert auch Prof. Jürgen Kropp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im Gespräch mit DAS HAUS.

DAS HAUS: Unsere Städte werden im Sommer immer heißer. Worauf müssen wir uns einrichten?

Prof. Jürgen Kropp: Einen wichtigen Einfluss haben Größe und Dichte von Städten. Je mehr moderne Baustoffe wie Beton oder Asphalt verwendet werden, desto wärmer ist es in Städten. Sie speichern die von der Sonne eingestrahlte Energie sehr gut. Dem entgegen wirkt eine aufgelockerte Bebauung mit viel Stadtgrün: Bäume verdunsten viel Wasser und das kühlt. Dennoch, wir müssen uns durch den Klimawandel auf weitere Verschärfungen einstellen. Bereits heute ist die Zahl der Hitzetage in Städten doppelt so hoch wie im ländlichen Umland. Sie könnten sich bis 2100 im schlimmsten Fall sogar verzehnfachen.

Braucht dann bald jeder eine Klimaanlage?

Wer tagsüber in einer aufgeheizten Stadt unterwegs ist, der leidet unter der Stauwärme und will raus in die Sommerfrische – ins Grüne. Das gab es schon immer. Aber das Problem verschärft sich: Ältere Menschen leiden darunter besonders. Die Ursache dafür liegt in der Physiologie des Menschen: Wer sich an Hitze anpassen möchte, der muss schwitzen; denn die Feuchtigkeit auf der Haut kühlt. Ältere Menschen haben jedoch oft ein vermindertes Durstgefühl. Wer aber weniger trinkt, der kann nicht genügend schwitzen. Außerdem ist ihr Herzkreislaufsystem nicht mehr so leistungsfähig wie bei jüngeren Menschen. Wichtig ist deshalb, dass wir in den Städten nachts eine Absenkung der Temperatur erreichen. Dann kann man nach Sonnenuntergang durchlüften. Die Energie, die tagsüber in Materialien gespeichert wurde, wird allerdings nachts wieder abgegeben. Wenn wir nachts nur eine geringe Absenkung erreichen und die Wärme in der Stadt bleibt, dann könnte es sein, dass man eine künstliche Kühlung braucht. Besser ist es jedoch, es nicht so weit kommen zu lassen.

Was kann man tun?

In Heidelberg gibt es zum Beispiel ein Projekt, das häufig genutzte Wege durch Sonnensegel beschatten will. Solche Lösungen sind nicht neu: In warmen Regionen, zum Beispiel Chile, gibt es so etwas schon lange. Grünflächen mit viel Baumbestand schaffen ebenso Erholungsflächen. Für das eigene Gebäude sind Fensterverschattungen eine gute Lösung, um das Aufheizen von Innenräumen zu verzögern, so wie in Südeuropa üblich.

Helfen auch Wasserflächen und Brunnen?

Wasserflächen kühlen tagsüber durch Verdunstung. Gleichzeitig ist Wasser aber ein noch besserer Wärmespeicher als Beton. Wie bei Beton wird die Wärme nachts wieder abgegeben. Deswegen sollte man stehende Gewässer eher vermeiden.

Starkregen, Hochwasser, Überflutungen, die wir so in Deutschland nicht kannten, verwüsteten im Juli ganze Landstriche und forderten Menschenleben. Diese extremen Niederschläge werden durch den Klimawandel zunehmen.

Ja, das ist richtig. Große Wassermassen überfordern die städtische Kanalisation. Um das zu vermeiden, braucht man Flächen, auf denen das Wasser gut versickern kann: Das kann bedeuten, dass wir in Zukunft wieder Flächen entsiegeln müssen. Eine Stadt muss Wassermassen auch für eine Zeit aufsaugen können – so wie ein Schwamm. Einige Städte haben beispielsweise Stadtparks schon als temporäre „Rückhaltespeicher“ gestaltet. Das ist ein guter Ansatz. Auch Dachbegrünungen halten Wasser zurück. Gleichzeitig sind sie eine gute Isolation und mildern Temperaturspitzen im Haus.

Sind unsere Städte genügend gerüstet, um mit dem Klimawandel umgehen zu können?

Städte sind gleichzeitig Verursacher und Opfer des Klimawandels. Insgesamt mehr als 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen stammen aus Städten. Die Bewältigung des Klimawandels muss also vorwiegend in den Ballungsräumen erfolgen. Der ökologische Umbau von Städten ist jedoch ein gewaltiges Vorhaben. Vor allem der Gebäudesektor ist hier zu nennen. Insgesamt ist er in Deutschland für fast 40 Prozent der Emissionen verantwortlich. Diese stammen aus der Verwendung mineralischer Baustoffe wie Beton, dazu sind die Gebäudehüllen energetisch unzureichend isoliert. Bislang passiert da leider viel zu wenig, denn in Deutschland haben wir zurzeit noch nicht mal eine Renovierungsrate von einem Prozent!

Das heißt, wir bräuchten 100 Jahre, um uns auf den Klimawandel einzustellen.

Ein paar Jahre schneller geht es schon. Aber ja, für eine wirkliche Transformation der bebauten Umwelt müssten wir sehr viel ambitionierter werden. Vor allem müssen wir mineralische Baustoffe, die sehr viel CO2 freisetzen, zum Beispiel durch Holzbau ersetzen, wo es möglich ist. Dadurch können wir sogar CO2 speichern. Weil Gebäude ja eine lange Standzeit haben, würde man dadurch CO2 langsam aus der Atmosphäre entfernen.

Welche Städte sind momentan besser gerüstet?

Städte mit viel Grün, wie Berlin, haben einen Vorteil bei hohen Temperaturen. In anderen Städten, wie zum Beispiel Tokio, wächst in einigen Vierteln kaum ein Baum. Das macht einen großen Unterschied. Je kompakter die Bebauung, desto schwieriger wird die Situation bei Hitze. Eine Auflockerung der Städte hat aber ihren Preis, denn diese Städte sind weitläufiger, die Entfernungen sind größer. Das bedeutet mehr Individualverkehr und damit zurzeit noch mehr CO2- Ausstoß. Das ist ein typischer Zielkonflikt: Um Verkehr zu vermeiden, wären verdichtete Städte günstig, für erträgliche Temperaturen eher locker bebaute. Lösungen dürfen also nicht isoliert betrachtet werden. Ich bin überzeugt, dass Nachhaltigkeit in einer Stadt so gestaltet werden kann, dass sie ihren Beitrag zur Lösung von Klima- und Umweltfragen leistet. Wir könnten zum Beispiel auch in weitläufigeren Siedlungen leben, wenn wir effiziente und nicht fossil basierte Transportmöglichkeiten schaffen oder neue integrierte, innovative Lösungen für Wohnen und Arbeiten entwickeln.

Ist das die einzige Lösung?

Klar ist, die nutzbare Fläche ist begrenzt, denn Land ist teuer. Im Moment neigen wir dazu, Städte nachzuverdichten. Das ist keine gute Idee. Aber wir können ja drei Dimensionen nutzen. Warum nicht Gebäudekonzepte entwickeln, die durch horizontale und vertikale Gärten und Transportsysteme integriert sind? Also die nachhaltige Stadt dreidimensional gedacht. Innovationen für zukunftsfähige Städte gibt es viele, nur werden sie oft nicht schnell genug umgesetzt.

Werden wir in Zukunft anders bauen müssen?

Der im Baustoff Beton verwendete Zement verursacht große Mengen CO2, außerdem wird Sand bald knapp. Wir brauchen neue, alternative Baustoffe. Wenn möglich, organische Stoffe wie Holz, aber nicht nur. Denn weltweit werden wir schwerlich alle Konstruktionen aus Holz bauen können. Es gibt sogar Betonmodifikationen, die wenig oder gar kein CO2 produzieren. Die eine Lösung dürfte es nicht geben. Wir müssen stattdessen Ressourcen dort nutzen, wo sie lokal produziert und nachhaltig verwendet werden können. Das gilt für Holz, Tone, aber auch natürliche mineralische Betonbindemittel, wie zum Beispiel vulkanischen Tuff, den bereits die Römer für ihre Bauten nutzten. Und wie wir alle wissen, stehen Kolosseum und Pantheon noch heute. Holzbauten sind allerdings das beste Mittel. Grob gerechnet könnten wir, wenn wir unseren jährlichen heimischen Holzeinschlag vollständig nutzten, an die 700.000 Einfamilienhäuser bauen. Das würde bis 2050 etwa eine Gigatonne CO2 in diesen Häusern einschließen. Das wäre dann deutlich mehr als das CO2, welches Deutschland in einem ganzen Jahr ausstößt.

Ein Holzhaus ist nicht nur gut für die Öko-Bilanz: Es bietet auch ein sehr angenehmes Raumklima, kann schneller gebaut werden, braucht weniger Stahl. Und ist heute, anders als viele glauben, gegen Feuer sehr widerstandsfähig.

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Immobilien: Baustoffe: Das sind die Vorteile der Öko-Varianten von Beton

Der klassische Baustoff gilt als Klimakiller. Welche neuen Varianten gibt es, und wo liegen ihre Stärken und Schwächen? Drei Ideen für die Zukunft.

Arbeiter leeren auf einer Baustelle eines Neubaus einen Behälter für Beton. Der Baustoff ist beliebt – gilt aber als klimaschädlich. Foto: dpadata-portal-copyright=

Arbeiter leeren auf einer Baustelle eines Neubaus einen Behälter für Beton. Der Baustoff ist beliebt – gilt aber als klimaschädlich. 

Er steckt in fast jedem Haus – doch er gilt als Klimakiller: der klassische Baustoff Beton. Der Grund dafür: Beim Herstellen von einer Tonne Zement, der ein wichtiger Inhaltsstoff für Beton ist, werden rund 700 Kilogramm Kohlendioxid in die Luft abgegeben.

Allein die Zementindustrie trägt rund sieben Prozent zu dem weltweiten CO2-Ausstoß bei. „Wir können Häuser nicht mehr bauen, wie wir sie in den vergangenen Jahren gebaut haben“, betonte jüngst der Bauingenieur und Architekt Werner Sobek, der zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen zählt.

Doch das Ringen um eine klimaneutralere Zukunft am Häuser- und Wohnungsmarkt ist zäh und komplex. Denn einfach lässt sich der Baustoff, der stabil, bezahlbar und langlebig ist, nicht ersetzen.

Längst arbeiten allerdings Forscher, Entwickler und Baufirmen an weniger klimaschädlichen Varianten des Rohstoffs, um dessen CO2-Fußabdruck zu verringern. Welche neuartigen Baustoffe gibt es also, und wo liegen ihre Stärken und Schwächen?

Im Folgenden mehrere Ideen, wie der Klassiker eine klimafreundlichere Zukunft haben könnte.

1. Hanfbeton

Der Einsatz von Hanf als Baustoff hat eine lange Tradition. In Großbritannien, Italien und den Niederlanden wird der Stoff schon länger auch als Betonersatz eingesetzt. In Deutschland ist diese Art des Betons dagegen noch wenig verbreitet. Doch erste Firmen aus dem deutschsprachigen Raum setzen darauf, etwa das Bauunternehmen Schönthaler aus Südtirol, das eigenen Hanfbeton herstellt.

Diese Variante weist eine negative CO2-Bilanz auf und schont Ressourcen. Obwohl er im Namen steckt, befindet sich im Hanfbeton selbst nämlich kein Beton.

Für die Herstellung werden nur zwei Materialien benötigt: Hanf und Kalk. Diese werden in einem Kaltluftverfahren zu einem Ziegel gepresst. Verbindet sich das Silizium des Hanfs mit dem Magnesit des Kalkes, versteinert das Material.

Ein Hektar Hanf liefert in fünf Monaten ausreichend Biomasse für ein Einfamilienhaus, schreibt der Südtiroler Hersteller auf seiner Homepage. Die Baukosten sind allerdings noch etwas höher als bei einer konventionellen Bauweise, Experten schätzen den Aufpreis auf zehn bis 15 Prozent.

2. Karbonbeton

Anders als im Hanfbeton befindet sich im Karbonbeton tatsächlich Beton. Dennoch gilt auch er als nachhaltige Alternative und Baustoff der Zukunft. „Der Vorteil des Karbonbetons liegt vor allem in der Reduzierung“, erklärt Professor Manfred Curbach von der Technischen Universität Dresden. „Mit Karbonbeton lassen sich rund 50 Prozent des Betons und Sandes sowie bis zu 70 Prozent CO2 einsparen.“

Der Bauingenieur und Hochschullehrer ist einer der führenden Köpfe in der Entwicklung von Karbonbeton. Seine Prognose: In den nächsten 20 Jahren könnte Stahlbeton durch umweltschonende Baustoffe ersetzt werden.

Noch ist Karbonbeton in Deutschland aber nicht zugelassen. Ähnlich wie bei Medikamenten sind auch die Zulassungsverfahren für Baustoffe lang und kompliziert. Solange die Zulassung fehlt, braucht jedes einzelne Bauprojekt mit Karbonbeton die Zustimmung des jeweiligen Bundeslandes – das macht den Einsatz für Bauherren sehr mühsam. Bislang konnten über 100 Bauprojekte deutschland- und europaweit realisiert werden.

3. Geopolymerbeton

Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) forschen ebenfalls zu Baustoffen der Zukunft, etwa dem zementfreien Geopolymerbeton, Porenbeton oder den RC-Baustoffen. Viele dieser Baustoffe bestehen ganz oder zumindest überwiegend aus sekundären Rohstoffen. So wird der Sand im Porenbeton größtenteils durch Altbeton ersetzt. Für die Herstellung von RC-Baustoffen oder der Geopolymere werden Aschen, Schlacken oder Stäube verwendet.

Doch Geopolymere verhalten sich beim Verarbeiten anders als Beton. Beim Rühren oder Schütteln werden sie flüssig. Das Handling für die Bauarbeiter ist deshalb ungewohnt. Auf Dauer kann der Rohstoff Beton nur ersetzen, wenn er eine gleiche Konsistenz aufweist, glauben Experten.

„Es geht nicht ohne Beton“, lautet das klare Verdikt des Bauingenieurs Sobek. Wer anderes sage, agiere unseriös. „Aber wir müssen ihn besser, gekonnter verwenden.“ Die Branche müsse endlich die Emissionen betrachten, die bei der Herstellung, beim Betrieb und beim Um- und Rückbau der Gebäude entstehen.

Der Ansatz der Forschenden am Fraunhofer-Institut geht darum über die Erarbeitung neuartiger Baustoffe hinaus: Sie wollen langfristig neue Materialkreisläufe entwickeln. Denn bislang recycelt die deutsche Bauwirtschaft zu wenig: Nur rund 80 Millionen Tonnen Bauschutt werden jährlich fürs Bauen wiederverwendet. Benötigt werden aber rund 600 Millionen Tonnen mineralischer Rohstoffe.

Die Praxis sieht häufig jedoch noch anders aus. Philipp Bouteiller, Geschäftsführer von Tegel Projekt, einer Gesellschaft des Landes Berlin, die das Areal des ehemaligen Flughafens Tegel entwickelt, gab jüngst auf einem Kongress einen entnervten Einblick in den Alltag. Der Antrag, Recyclingbeton einzusetzen, werde dann „von einem kleinen Beamten im Bezirk“ nicht genehmigt – mit der Begründung, dass eine Zertifizierung fehle.

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Selbstheilender Beton: Regen schließt die Risse

Beton aus dem antiken Rom ist besonders haltbar. Nun konnten Forschende ein Rezept für den Baustoff rekonstruieren, der ihm Selbstheilungskräfte verleiht.

Die Römer hatten ein, heute verschollenes, Betonrezept, das Bauten wie den Pantheon in Rom Jahrhunderte überdauern ließ.

Die Römer hatten ein, heute verschollenes, Betonrezept, das Bauten wie den Pantheon in Rom Jahrhunderte überdauern ließ.© Foto: Tony Gentile

Fast 2000 Jahre alt ist das Pantheon in Rom. Mehrere Erdbeben haben sein Fundament in dieser Zeit erschüttert. Und doch: Im Gegensatz zu jüngeren Bauwerken brachen seine Mauern nie ein. Auch andere altrömische Bauwerke sind heute noch verblüffend gut erhalten.

Das Geheimnis liegt in dem antiken Beton, aus dem sie gebaut sind. Der Baustoff verfügt über eine attraktive Eigenschaft: Er kann Risse selbst heilen lassen, die mit der Zeit in ihm entstehen. Gerät rissiger Beton mit Wasser in Kontakt, schließen sich feine Schäden, bevor sie zu großen Rissen auswachsen und Mauern einstürzen lassen.

Antiker Beton ist für die moderne Baustoffforschung deshalb sehr attraktiv. Nicht nur, weil er Gebäude haltbarer machen würde: Seine Herstellung ist auch wesentlich CO₂-ärmer als die von modernem Beton. Allein die Herstellung von Zement verursacht heutzutage acht Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes.

Jäger des verlorenen Rezepts

Doch wie genau im antiken Rom Beton angemischt wurde, ist heute unbekannt. Alle Aufzeichnungen gingen mit dem Untergang des römischen Reichs verloren. Analysen haben ergeben, dass für seine Herstellung Materialien wie Vulkangestein, Vulkanasche und mineralische Zutaten verwendet wurden, die unter anderem weiße Kalkbröckchen entstehen ließen. Nun wollen Forschende aus den USA, der Schweiz und Italien herausgefunden haben, wie diese Zutaten einst vermengt wurden, um Beton die gewünschten Eigenschaften zu verleihen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachblatt „Science Advances“.

Das Team um Admir Masic und Linda Seymour vom MIT untersuchte für seine Studie Proben der rund 2000 Jahre alten Stadtmauer von Privernum, einer archäologischen Stätte nahe Rom. Mithilfe verschiedener mikroskopischer Methoden analysierten sie die Zusammensetzung des Gesteins. Anschließend mischten sie die gefundenen Materialien so an, dass die im Vorbild beobachteten Strukturen entstanden.

Masic, Seymour und ihr Team berichten, dass demnach für die Herstellung von Beton damals Calciumoxid, auch Branntkalk genannt, verwendet wurde. Branntkalk gewann man im antiken Rom, indem Kalkgestein bei mehr als 600 Grad Celsius erhitzt wurde. Auch bei diesem Prozess wurde CO₂ freigesetzt, jedoch wesentlich weniger als bei der modernen Herstellung von Zement, bei der Kalk zusammen mit Tonmineralien bei rund 1450 Grad Celsius erhitzt wird.

Gerät Branntkalk mit Wasser in Kontakt, entsteht sehr viel Wärme und Löschkalk. Frühere Studien nahmen an, dass im antiken Rom dieser Löschkalk anschließend mit weiteren Substanzen vermischt wurde, um Beton herzustellen. Doch entstehen bei diesem Verfahren nicht jene typischen weißen Kalkklümpchen, die römischer Beton enthält.

Branntkalk, Vulkanasche und Wasser

Das Team um Masic und Seymour ging daher anders vor. Sie mischten zunächst den Branntkalk mit Vulkangestein und -asche und fügten erst im letzten Schritt der Mischung Wasser bei. In der darauf folgenden chemischen Reaktion entstanden tatsächlich weiße Kalkbröckchen im Beton. Sie waren möglicherweise kein Zufallsprodukt, sondern ein erwünschtes Ergebnis der Herstellung.

Trifft Wasser auf jene Kalkbröckchen, wird zunächst Kalzium ausgewaschen, das anschließend Kalziumkarbonat entstehen lässt. Es reagiert mit dem Vulkangestein im Beton, was vorhandene Risse auffüllt – und schließt, bevor sie sich weiter fortpflanzen könnten.

„Über diese Klümpchen habe ich mich schon immer gewundert“, sagt Studienleiter Masic in einer Pressemitteilung. „Im antiken Rom war der Baustoff über viele Jahrhunderte optimiert worden. Warum sollten die Bauleute dann bei der Mischung nachlässig gearbeitet haben?“

Um den selbstheilenden Effekt der Kalkbröckchen zu belegen, formte das Team anschließend den gewonnenen Beton zu zylinderförmigen Säulen, denen sie Risse zufügten. Dann ließ das Team Wasser durch die entstandenen Lücken rinnen. Nach zwei Wochen war der Strom versiegt – die Risse hatten sich geschlossen.

Waren tonartige Mineralien entscheidend?

„Die Studie liefert eine gute Teilerklärung für die lange Haltbarkeit von altrömischem Beton“, sagt Volker Thome. Er ist Abteilungsleiter für Mineralische Baustoffe und Baustoffrecycling am Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Valley. Dort forscht er zu antiken Baustoffen und beschäftigt sich ebenfalls mit dem Geheimnis des römischen Betons. Obwohl im Fall der Studie sogar versuchsweise ein Beton angemischt wurde, der entstandene Risse selbst heilt, zweifelt Thome daran, dass es sich um eine exakte Rekonstruktion der antiken Rezeptur handelt. Der Grund dafür liegt in der chemisch-physikalischen Zusammensetzung des Baustoffs: den Mineralphasen. So werden die Substanzen genannt, die beim Erstarren vom Beton entstehen und die letztlich Sand und Kies in dem Baustoff zusammenhalten.

„Wir haben festgestellt, dass die bisherigen Strukturmodelle von Mineralphasen, die man im römischen Beton entdeckt hat, zu einfach sind und nicht den realen Strukturen entsprechen“, sagt Thome. In echtem antiken Beton lassen sich demnach Strukturen finden, deren Entstehung auch durch die aktuelle Studie nicht erklärt werden können.

Allein die Zugabe von Branntkalk reicht deshalb vermutlich nicht, um die Selbstheilungskräfte des römischen Betons zu erklären, vermutet Thome. Er nimmt an, dass etwas anderes dem Beton seine Resilienz verleiht: noch unbekannte tonartige Mineralien, die bei der Mischung des Baustoffs ebenfalls hinzugefügt wurden. Derartige Mineralien im Nanometerbereich haben er und sein Team bereits in altrömischem Beton nachweisen können.

Im Sommer wollen sie den Baustoff mittels Synchrotron-Strahlung genauer untersuchen. Dabei wird das Gestein mit hochenergetischer Röntgenstrahlung beschossen, was Einblicke bis in die atomaren Strukturen eines Materials ermöglicht. Thome und sein Team erhoffen sich davon Aufklärung über die realen Mineralstrukturen, die in römischem Beton vorliegen.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Forschende den Selbstheilungskräften von antikem Beton nähern und sogar versuchen, sie zu rekonstruieren. 2015 entwickelte ein niederländischer Forscher einen Beton, der ebenfalls selbstheilende Eigenschaften hat – jedoch auf lebendige Weise. Hendrik Jonkers präsentierte eine Mischung, die Tonpellets mit eingeschlossenen Bakterien und Nährstoffe enthält. Trifft Wasser auf die Tonpellets, bilden die Mikroorganismen ebenfalls Kalk, der feine Risse im Beton verschließt. In den Niederlanden wurde diese Technik bereits beim Bau eines Wasserbeckens angewendet.

Auch Masic und Seymour arbeiten nun an der Vermarktung ihrer Betonmischung. Ließe sich selbstheilender Beton beim Bau anwenden, würde das Reparaturkosten verringern und die Lebensdauer von Gebäuden verlängern – und letztlich Betonbauten nachhaltiger machen.

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Abgerissene Villa in Dresden muss wieder aufgebaut werden

Eine Statue der Justitia hält eine Waage und ein Schwert in der Hand.

Eine Statue der Justitia hält eine Waage und ein Schwert in der Hand.© Arne Dedert/dpa/Symbolbild

Eine 2014 im Dresdner Stadtteil Tolkewitz abgerissene Villa muss nach einem Gerichtsurteil an gleicher Stelle vom Eigentümer wieder aufgebaut werden. Grund: Das Gebäude stand unter Denkmalschutz, für den Abriss lag keine Genehmigung vor. Wie die Stadt am Dienstag mitteilte, wurde parallel zu dem Verfahren über die «denkmalschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnung» eine Klage des Eigentümers abgewiesen. Er wollte eine Baugenehmigung erzwingen, um auf dem nun freien Baufeld ein Mehrfamilienhaus zu errichten. Es bestehe die Pflicht zum Wiederaufbau an gleicher Stelle, erklärte das Gericht. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig.

Nach Ansicht der Stadt ist die Pflicht zur Wiederherstellung ein wirksames Mittel, den Belangen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege Geltung zu verschaffen. Das Gericht habe mit seiner Entscheidung unterstrichen, dass man sich durch eine ungenehmigte Zerstörung eines Kulturdenkmals nicht seiner denkmalschutzrechtlichen Pflichten entledigen könne, erklärte Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke). Sie verwies auf «generalpräventive Auswirkungen» der Entscheidung für all jene Eigentümer, die auch mit dem Gedanken spielen, ein Kulturdenkmal ohne erforderliche Genehmigung abzureißen oder abreißen zu lassen.