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ignorante Politiker

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So viel Realitätsverleugnung

Autosuggestion ist eine tückische Kunst. Wer sie beherrscht, redet sich so lange etwas ein, bis er selbst daran glaubt. In der Geschichte deutscher Regierungsbildungen gab es immer wieder Politiker, die sich der Autosuggestion hingaben, und meistens endete es damit, dass sie sich kolossal lächerlich machten. Gerhard Schröder gebärdete sich in der TV-Elefantenrunde nach der Bundestagswahl 2005 wie ein Gorilla und sprach der Wahlsiegerin Angela Merkel die Fähigkeit ab, eine Regierung mit seiner SPD zu bilden. Es dauerte Wochen, bis er seine Niederlage endlich einsah. Dann war er weg vom Fenster. Martin Schulz schloss nach seinem Wahldebakel 2017 eine Neuauflage der großen Koalition vehement aus und wollte partout nicht als Minister unter Frau Merkel dienen. Doch als die Jamaika-Sondierungen platzten und die SPD doch wieder in ein schwarz-rotes Bündnis schlitterte, fiel ihm plötzlich ein, dass er gerne Außenminister sein würde. Seine Glaubwürdigkeit war im Eimer, er landete auf den hinteren Bänken des Bundestags.

Nun übt sich auch Armin Laschet in Autosuggestion. Als Spitzenkandidat der Union hat er die Bundestagswahl krachend verloren, seine persönlichen Umfragewerte sind noch viel schlechter als die seiner Partei – trotzdem redet er sich selbst ein, dass er doch einen prima Kanzler abgeben könnte. Gestern klangen seine Ansagen etwas weniger forsch als am Wahlabend, weil man im Bundesvorstand der CDU zu begreifen beginnt, dass man als Mäuschen lieber nicht den starken Max spiele sollte – doch die Selbsttäuschung wirkt immer noch: Herr Laschet will mit den Grünen und der FDP "auf Augenhöhe" über ein Jamaika-Bündnis verhandeln. Auch den Rettungsanker des Fraktionsvorsitzes der Bundestagsfraktion hat er ausgeschlagen: Ralph Brinkhaus dürfte heute wiedergewählt wählen, falls Markus Söder ihm seinen Segen gibt. Damit bleiben Armin Laschet nur zwei Wege: Entweder humpelt er doch noch ins Kanzleramt, indem er sich von den Grünen und der FDP sämtliche Wünsche diktieren lässt (Tempo 130, vorgezogener Kohleausstieg, Bürokratiebremse, Milliarden für Bildung, außerdem das Finanz-, Außen-, Verkehrs-, Umwelt- und ein Digitalisierungsministerium – mindestens). Oder er landet wie weiland die Herren Schröder und Schulz im politischen Aus.

Man kann Armin Laschet für seine nonchalante Sturheit Respekt zollen. Was dieser Mann seit Monaten an Kritik und Tiefschlägen wegsteckt, ist beeindruckend – und das demokratische Prozedere eröffnet eben auch dem Zweitplatzierten einer Bundestagswahl die Chance aufs Kanzleramt. Oder man schüttelt den Kopf über so viel Realitätsverleugnung, wie es auch viele unserer Leserinnen und Leser tun. "Laschet ist der große Wahlverlierer! Aber er fühlt sich berufen, die neue Regierung zu bilden. Damit würde der Wählerwille auf den Kopf gestellt", schreibt Jürgen Beller. "Laschet war und ist nicht imstande, seine Niederlage einzugestehen! Typisch und üblich für die Schwarzen", kritisiert Renate Dietrich. "Ich bin sehr erschüttert zu hören, dass Herr Laschet andenkt, der Kanzler für uns zu sein. Hier spiegelt sich das Abbild der Machtbesessenheit. Es geht ihm nicht um uns Menschen in diesem Land, sondern nur um seine Position", meint Andreas Ruthe. Und Oliver Paskowski kündigt sogar an: "Wenn Laschet Kanzler wird, wähle ich nie wieder, denn dann fühle ich mich betrogen."

Auch viele professionelle Beobachter fällen ein klares Urteil. "Wenn Armin Laschet Anstand und Haltung hat, muss er zurücktreten", sagt der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder im Interview mit meinem Kollegen Marc von Lüpke. "Für alle Beteiligten wäre eine schnelle Entscheidung besser als eine wochenlange Hängepartie." Selbst aus der Union kommen erste Rücktrittsforderungen. "Ich wünschte, es gäbe eine Selbsterkenntnis", schrieb die CDU-Politikerin Ellen Demuth gestern in einem vielbeachteten Tweet. "Armin Laschet, Sie haben verloren. Bitte haben Sie Einsicht. Wenden Sie weiteren Schaden von der CDU ab und treten Sie zurück."

Solche Stimmen als Einzelmeinungen abzutun, wäre falsch. Man hört sie überall im Land. Eine ARD-Umfrage bestätigte gestern Abend den Trend. Demnach favorisiert die Mehrheit der Bürger eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. 62 Prozent der Befragten wünschen sich Olaf Scholz als Kanzler, nur 16 Prozent Armin Laschet. Umfragen geben nur ein Stimmungsbild wieder, und Stimmungen können sich auch wieder drehen. Aber dieses Bild ist eindeutig, gegen eine derart klare Mehrheit lässt sich kaum eine breit akzeptierte Regierung bilden.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat gestern eine "klare, schonungslose Analyse" der Wahlniederlage versprochen. Diese müsse "brutal offen sein", es gebe "keinen Grund, irgendetwas schönzureden". Wenn er sowie Volker Bouffier, Julia Klöckner, Jens Spahn und die anderen CDU-Vorstände dieses Versprechen ernst meinen, sollten sie schnell den naheliegenden Schluss ziehen: Der Wahlkampf war ein Reinfall, der Griff nach dem Kanzleramt ist angesichts der Wahlpleite geradezu peinlich, und das Beste, was CDU und CSU jetzt passieren kann, ist ein Neuaufbau in der Opposition. Andernfalls könnte die Autosuggestion nicht nur Herrn Laschet, sondern auch noch weitere Unionsleute ins politische Aus befördern.

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Angela Merkel über Flüchtlingskrise: „Ja, wir haben das geschafft“

 

Deutschland hat aus Sicht der geschäftsführenden deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel die Aufnahme von Hunderttausenden Flüchtlingen ab dem Jahr 2015 bewältigt. In einem am Sonntagabend veröffentlichten Interview der Deutschen Welle sagte Merkel auf die Frage, ob „wir“ dies geschafft hätten: „Ja, wir haben das geschafft. Aber wir waren wirklich viele, viele Menschen in Deutschland, die mit angepackt haben, viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, viele Ehrenamtliche, viele, die heute noch Patenschaften haben.“

Im Spätsommer 2015 war Merkels Satz „Wir schaffen das“ prägend für die deutsche Migrationspolitik. Die Kanzlerin sprach auch von „wunderbaren Beispielen von gelungenen menschlichen Entwicklungen“ unter den Migranten, etwa von jenen, die hier Abitur gemacht hätten.

Merkel erinnert an Kölner Silvesternacht

Es sei aber nicht alles ideal gelaufen, räumte die CDU-Politikerin ein. „Und es gibt auch schlimme Vorfälle, wenn ich an die Kölner Silvesternacht denke“, betonte sie. Auf der Kölner Domplatte waren in der Silvesternacht 2015/2016 Hunderte Frauen bestohlen, sexuell bedrängt und teils vergewaltigt worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Köln stammte ein Großteil der Beschuldigten aus Algerien und Marokko. Die Vorkommnisse in Köln machten weltweit Schlagzeilen.

Merkel bezeichnete den Flüchtlingszustrom und die Corona-Krise als die größten Herausforderungen ihrer 16 Amtsjahre. Mit Blick auf die Migration zählte sie eine Reihe von Defiziten auf internationaler Ebene auf. „Geschafft haben wir natürlich noch nicht, dass die Ursachen der Flucht bekämpft wurden. Wir haben es noch nicht geschafft, dass Europa ein einheitliches Asyl- und Migrationssystem hat. Wir haben also noch keine selbstwirkende Balance zwischen den Herkunftsländern und den Ankunftsländern. Und wir müssen noch sehr viel mehr machen an Entwicklungshilfe, an legaler Migration.“ Schlepper und Schleuser hätten „immer noch die Oberhand“.

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