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Kriegerische Handlung

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Syrien: US-Armee greift Einrichtungen proiranischer Kämpfer an

 

 

Nach den Raketenangriffen vergangener Woche auf von den USA genutzte Stellungen im Irak hat das US-Militär zum Gegenschlag ausgeholt: Das Ziel waren Einrichtungen von proiranischen Milizen in Syrien.

Das US-Militär hat auf Befehl von Präsident Joe Biden hin Luftangriffe im Osten Syriens geflogen. Das US-Verteidigungsministerium teilte mit, das Ziel der Angriffe seien »mehrere Einrichtungen« an einem Grenzübergang gewesen. Diese seien von Milizen genutzt worden, die vom Iran unterstützt würden, sagte Sprecher John Kirby am Donnerstagabend (Ortszeit). Die Luftangriffe seien eine »verhältnismäßige« Antwort auf jüngste Angriffe gegen US-Soldaten und deren internationale Partner im Irak gewesen.

»Der Einsatz sendet eine klare Botschaft«, so Kirby. Präsident Biden sei bereit zu handeln, wenn es darum gehe, US-Militärangehörige und deren Verbündete zu schützen. Gleichzeitig seien die verhältnismäßigen Angriffe bewusst so durchgeführt worden, um »die Lage im Osten Syriens und dem Irak zu deeskalieren«, sagte Kirby weiter. Nach Angaben des Pentagons wurde die zerstörte Infrastruktur unter anderem von der Schiitenmiliz Kataib Hisbollah genutzt.

Bei einem Raketenangriff auf die nordirakische Stadt Erbil war vergangene Woche ein ziviler Auftragnehmer der internationalen Militärkoalition getötet worden, mehrere Menschen wurden verletzt. Es war das erste Mal seit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Joe Biden im Januar, dass US-Soldaten im Irak beschossen wurden. Für den damaligen Angriff übernahm die bislang kaum bekannte Gruppe »Aulijaa al-Dam« (Blutwächter) die Verantwortung.

Der Angriff hatte Angst vor weiterer Gewalt gegen die US-Truppen und internationale Kräfte im Irak genährt. Insgesamt waren 14 Raketen abgeschossen worden.

 

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USA fliegen Luftangriffe auf pro-iranische Milizen

 

In der irakisch-syrischen Grenzregion haben US-Truppen Luftangriffe auf Ziele mehrerer Milizen durchgeführt, die als pro-iranisch gelten. Von dort seien US-Angehörige attackiert worden – die Angriffe seien daher als Selbstverteidigung zu werten.

Die USA haben am Sonntag in der irakisch-syrischen Grenzregion Luftangriffe auf mehrere Ziele geflogen, die nach US-Angaben von pro-iranischen Milizen genutzt wurden. Das teilte Pentagon-Sprecher John Kirby am Sonntagabend (Ortszeit) in Washington mit.  „Wie heute gezeigt, hat Präsident Joe Biden deutlich gemacht, dass er handeln wird, um US-Streitkräfte zu schützen.“

Von diesen Einrichtungen aus hätten vom Iran unterstützte Milizen mit Drohnen Angriffe auf US-Personal und Einrichtungen im Irak gestartet. Es handele sich um zwei Ziele in Syrien und eines im Irak. Dort seien unter anderem Waffen gelagert worden. US-Präsident Joe Biden habe die militärische Aktion angeordnet, um weitere solcher Angriffe zu unterbinden.

Die USA hätten damit in Übereinstimmung mit ihrem Recht auf Selbstverteidigung gehandelt. Biden habe mit diesem Angriff seine Handlungsbereitschaft deutlich gemacht, US-Angehörige zu schützen.

Unter den Zielen befänden sich die Kata'ib Hisbollah und die Kata'ib Sajjid al-Schuhada. Die Kata'ib Hisbollah ist einer der wichtigsten Milizen im Irak, die Verbindungen zum Iran unterhält. Berichte über Opfer und Verletzte lagen zunächst nicht vor.

 

Das US-Militär hatte bereits Ende Februar im Osten des Bürgerkriegslandes Syrien Luftangriffe geflogen – dabei waren zahlreiche Anhänger pro-iranischer Milizen getötet worden. Es war der erste Militärschlag seit Bidens Amtsantritt gewesen. Auch diesen hatte das US-Verteidigungsministerium als reinen „Defensivschlag“ gewertet – als „verhältnismäßige“ Reaktion auf vorherige Angriffe gegen US-Soldaten und deren internationale Partner im Irak.

Bei einem Raketenangriff auf die nordirakische Stadt Erbil war im Februar zuvor ein ziviler Auftragnehmer der internationalen Militärkoalition getötet worden. Mehrere Menschen wurden dabei verletzt. In den vergangenen Monaten hatte es weitere Angriffe gegeben, bei denen Raketen auf Stützpunkte im Irak abgefeuert worden waren, die von der US-Armee genutzt werden.

Unter Verdacht stehen seit längerem Milizen, die eng mit dem Iran verbunden sind. Sie fordern den Abzug der US-Truppen aus dem Irak, die die irakische Armee im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen. Der Irak, aber auch Syrien haben sich zu Schauplätzen des Konflikts zwischen den USA und dem Iran entwickelt.

Drohnen gelten als Schlüsseltechnologie für den Iran

Erst am Sonntag hatte ein Befehlshaber der Revolutionären Garden Medien zufolge gesagt, der Iran besitze mittlerweile Langstreckendrohnen. „Wir haben unbemannte Drohnen mit einer Reichweite von 7000 Kilometern“, sagte der Kommandeur Hussein Salami laut staatlicher Nachrichtenagentur Irna am Sonntag. Europäer und Amerikaner haben neben dem Verzicht auf die Entwicklung der Atombombe vom Iran auch Gespräche über die Entwicklung von Langstreckenraketen und die Rolle des Landes im Nahen Osten gefordert. Teheran lehnt dies ab. Iran wird von westlichen Ländern wegen seiner Unterstützung etwa der Hisbollah im Libanon oder Bürgerkriegsgruppen im Jemen als destabilisierender Akteur in der Region gesehen.

Westliche Militärexperten halten iranische Angaben über militärische Fähigkeiten teilweise für übertrieben. Drohnen sind aber ein Schlüssel für den Iran etwa in der Überwachung der Grenzen des Landes. Iran und seine Verbündeten in Jemen, Syrien und Irak haben in den vergangenen Jahren verstärkt Drohnen eingesetzt.

Derzeit verhandeln die USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, China und Russland mit dem Iran über eine Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens von 2015, das von dem früheren US-Präsidenten Donald Trump 2018 einseitig aufgekündigt wurde. Die Gespräche laufen jedoch schleppend und gestalten sich schwierig.

 

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Der Fall Kristina Timanowskaja  

Lukaschenko und sein "Krieg ohne Regeln"

Eine Olympionikin setzt einen Hilferuf ab und bittet um Schutz vor ihrem Heimatland Belarus. Die Ängste sind begründet: Sportlern, die zuerst von Lukaschenkos Regime gefeiert wurden, droht jetzt Gefängnis.

Eigentlich waren für den 30. September angenehme 18 Grad gemeldet, doch die Basketballspielerin Alena Leutschanka bekam an diesem Tag die ganze Kälte des belarussischen Regimes zu spüren. Kurz vor Abflug nach Griechenland wurde die Nationalspielerin am Flughafen in Minsk festgenommen.

Offizielle Begründung: wegen der Teilnahme an einer nicht genehmigten Kundgebung. "Es scheint, dass sie bis zum letztmöglichen Moment gewartet haben – es war eine Show-Verhaftung", erzählte die Athletin dem russischen Exil-Medium "Meduza".

15 Tage wurde Leutschanka festgehalten – unter schwierigen Bedingungen. "Die erste Nacht hatten wir Matratzen, Wasser, Abwassersystem. Und am zweiten Oktober fing alles an", erzählte Leutschanka dem Portal. Die Matratzen wurden ihnen weggenommen, sie mussten auf Tischen und Bänken schlafen und "noch am selben Tag wurden Warmwasser und Kanalisation abgestellt und zwei Personen eingeschleust – wir waren zu fünft in einer Vierbettzelle." Die Basketballspielerin sagte nach ihrem Gefängnisaufenthalt: "In Weißrussland gibt es kein Gesetz."

Vor einem ähnlichen Schicksal fürchtete sich wohl auch die Sprinterin Kristina Timanowskaja. Die 24-jährige Athletin befürchtete eine Entführung durch den eigenen Verband, nachdem sie das eigene Trainerteam kritisiert hatte, und suchte vor wenigen Tagen bei den Olympischen Spielen in Tokio Hilfe bei der japanischen Polizei. In Polen hat sie nun Zuflucht gefunden. Mehr dazu lesen Sie hier.

Auch weitere Sportler verlassen das Land, wie die Leichtathletin Jana Maksimawa. Auf Instagram schreibt sie zu einem Foto mit ihrem Kind: "Nach langem Nachdenken haben wir uns entschieden, nicht nach Belarus zurückzukehren." Zukünftig lebt Maksimawa in Deutschland. Ebenso soll ein Handballtrainer das Land nach einem 15-tägigen Gefängnisaufenthalt verlassen haben.

Sportler brechen mit Lukaschenko

Das Verhältnis vieler Sportler zu ihrem Land Belarus ist seit dem 9. August 2020 zerrüttet. An dem Tag entschied Machthaber Alexander Lukaschenko die Präsidentschaftswahl erneut für sich.

Doch der Verdacht der Wahlfälschung kam auf. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben das Ergebnis nicht anerkannt. In Belarus kam es zu Protesten, die blutig niedergeschlagen wurden.

Mehr als 1.000 Athleten unterschrieben deshalb im vergangenen Jahr einen offenen Brief und forderten unter anderem, die Wahl Lukaschenkos als ungültig anzuerkennen. Unter den Unterzeichnern waren auch zahlreiche olympische Medaillengewinner sowie Welt- und Europameister. Sportler, mit denen sich Lukaschenko in der Öffentlichkeit gerne präsentierte.

Lukaschenko inszeniert sich mit "Helden der Nation"

Wie wichtig Sport für die Politik Lukaschenkos ist, betonte der Staatschef bereits 2018. "Dank Siegen der belarussischen Athleten wird das Ansehen des Staates gebildet und werden Menschen zum Patriotismus erzogen", sagte der Diktator auf einer Veranstaltung zur Sportentwicklung und machte dabei klar, dass drei Medaillen bei den Olympischen Winterspielen in Südkorea zu wenig waren. Diese wurden vor allem im Biathlon von der Topathletin Darja Domratschewa errungen.

Domratschewa hat mittlerweile ihre Karriere beendet und ist zusammen mit ihrem Mann Ole Einar Björndalen Biathlon-Trainerin im chinesischen Team. Laut Lukaschenko habe der Machthaber der Spitzenathletin persönlich die Erlaubnis dazu erteilt. "Wenn sie dort als Trainerin Erfolg haben wird, werden die Chinesen nie vergessen, dass es Belarussen waren, die ihnen geholfen haben", sagte er.

Als "Heldin Weißrusslands" wird Domratschewa von Lukaschenko bezeichnet, die Topathletin pflegte selbst ein enges Verhältnis zum Regime. Als Sportlerin war sie bis 2014 beim belarussischen Geheimdienst KGB angestellt, posierte für Fotos mit Lukaschenko und ließ sich nach einem sportlichen Erfolg von ihm sogar in die Luft werfen.

Doch selbst Helden der Nation sind nicht vollständig vor der Gewalt des Staates geschützt. Domratschewas Bruder Nikita wurde nach eigenen Angaben von mehreren Polizisten festgenommen und zusammengeschlagen. Offizielle Begründung war die Teilnahme an einer nicht genehmigten Massenveranstaltung. Nikita Domratschew bestreitet dies. Er sei auf dem Weg zu seiner Mutter gewesen.

Seine Schwester äußerte sich Tage später zurückhaltend: Die Nationalheldin rief dazu auf, die Gewalt zu beenden. "Das, was wir an Repression gegen Sportler und die Bevölkerung sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs", sagt Katharina Masoud, Belarus-Expertin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in Deutschland. Der Druck auf die Zivilgesellschaft sei sehr hoch, ergänzt sie.

Verlust der Existenz

Dabei können Domratschewa und andere Sportler in Belarus von der Sportbegeisterung des Diktators durchaus profitieren. Für eine Goldmedaille bekommen die Athleten mehr als hunderttausend Euro, in Deutschland sind es lediglich 20.000 Euro. Doch die Existenz der Athleten hängt meist direkt am staatlichen Sportsystem. Kritik am Präsidenten gefährdet damit ihre Zukunft.

So bekam auch die Basketball-Nationalspielerin Katsiaryna Snytsina für ihre Lukaschenko-Kritik die Konsequenzen zu spüren. In einem neuen Vertrag für das Nationalteam sollte die Basketballspielerin unterschreiben, dass alle ihre öffentlichen Äußerungen vom Ministerium für Sport und Tourismus überprüft werden müssen. Sie lehnte ab.

Auch andere Sportler und Sportfunktionäre verloren seit dem 9. August 2020 ihre Stellung, ihre Stipendien oder wurden aus den Nationalkadern entlassen. Manche Athleten wurden zudem zu Geldstrafen verurteilt, 95 Athleten mussten wie Alena Leutschanka mehrere Tage im Gefängnis verbringen und dort sei Folter weit verbreitet, sagt Masoud.

"Wir haben dokumentierte Fälle, bei denen die Polizei Menschen geschlagen hat, oder ihnen im Gefängnis Nahrung und Wasser entzogen hat", so die Belarus-Expertin.

Lukaschenko: "Ich werde das überleben"

Lukaschenko wäre selbst gerne Sportler geworden. Ähnlich wie Russlands Machthaber Wladimir Putin lässt sich deshalb auch Lukaschenko häufig in sportlicher Aktion filmen, zum Beispiel beim Fußball, Biathlon oder Eishockey.

Doch der Machthaber ist neben solchen PR-Aktionen nicht nur Zuschauer im Sportgeschäft. 1997 wurde Lukaschenko auch Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOC). Sportverbände sind teilweise besetzt mit Vertrauten, weshalb sich einige im Wahlkampf auch für den Präsidenten positioniert haben.

Lukaschenko versucht auch regelmäßig große Sportevents in sein Land zu holen, wie etwa die Europa-Spiele. Dieses Event, das ähnlich gestaltet ist wie die Olympischen Spiele, fand 2019 in Minsk satt. Für seinen "herausragenden Beitrag zur olympischen Bewegung" bekam der Diktator 2008 sogar einen Orden vom Europäischen Olympischen Komitee (EOC) verliehen.

Doch auch die organisierte Sportwelt wendet sich angesichts der Proteste langsam von Lukaschenko ab. Anfang 2021 sollte die Eishockey-Weltmeisterschaft in Belarus stattfinden, doch aufgrund von "Sicherheitsaspekten" und wohl dem Druck der Sponsoren wurde die Weltmeisterschaft in Lettland ausgetragen.

Zuvor musste Lukaschenko bereits im Dezember vergangenen Jahres sein Amt als NOC-Präsident abgeben. Nachfolger sollte sein Sohn, Viktor Lukaschenko, werden, doch den erkennt das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht an. Zudem wurden beide von den Spielen in Tokio ausgeschlossen. Dem belarussischen Verband wurden die finanziellen Mittel weitgehend gestrichen.

"Ich habe seit 25 Jahren nicht mehr an diesen Veranstaltungen teilgenommen und werde das überleben", sagte Lukaschenko, der sowieso eine eigene Auffassung von sportlichem Wettkampf hat. "Heute ist Sport kein Wettbewerb mehr, sondern ein Krieg ohne Regeln", so der belarussische Staatschef bei einem Treffen mit Kanu-Sportlern 2019.

Wie sich Sportler gegen Lukaschenko wehren

Doch die Sportler wehren sich mittlerweile gegen Lukaschenkos "Krieg ohne Regeln". Eine davon ist Aljaksandra Herassimenja. Die Schwimmerin gewann drei Medaillen. Nach ihrer aktiven Karriere arbeitete sie als Schwimmtrainerin an verschiedenen Schulen.

Doch nachdem sie ihre Kritik an Lukaschenko öffentlich geäußert hatte, wurden ihre Verträge gekündigt. Die ehemalige Olympionikin ist mittlerweile in Litauen und Vorsitzende der nach den Protesten gegründeten Organisation Belarusian Sport Solidarity Foundation (BSSF).

Diese setzt sich für Sportler ein, die durch Lukaschenkos Regime unterdrückt werden. In dieser Funktion drohen der Sportlerin nun fünf Jahre Haft. Der Organisation wird "Aufruf zur Gefährdung der nationalen Sicherheit" vorgeworfen. Kristina Masoud von Amnesty International fordert deshalb, dass "die internationale Staatengemeinschaft mehr Druck auf Belarus ausübt", damit sich die Zustände im Land bessern.

Basketballerin Alena Leutschanka ist nach Haftende in Griechenland und spielt dort für Panathinaikos. Doch trotz der Repressionen hat die Athletin die Hoffnung auf ein freies Belarus noch nicht aufgegeben. Sie will zurückkehren und richtet eine Botschaft an ihre Mitstreiter: "Sie müssen durchhalten, es kann ein langer Kampf sein."

 

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Nach uns die Sintflut 

Die Welt ist klein geworden. Aber noch immer gibt es Länder, von denen man kaum jemals etwas hört und bei deren Erwähnung man erst einmal zum Atlas greifen muss. Turkmenistan zum Beispiel: ehemals eine Sowjetrepublik, heute eine Diktatur, in der sich der Alleinherrscher mit einem bizarren Personenkult huldigen lässt. Aber das alles spielt sich fern von uns in den Wüsten und Steppen Zentralasiens ab. Früher hätte Karl May vielleicht seine Helden Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar dort ihre Abenteuer erleben lassen. Heute muss uns Turkmenistan in der Regel nicht interessieren. Deshalb haben wir auch von den gegenwärtigen Truppenbewegungen dort keine Notiz genommen. 

Nebenan gibt es noch ein paar Länder, die man nicht so gut kennt: Tadschikistan zum Beispiel und Usbekistan. Die halten gerade ein gemeinsames Großmanöver ab, bei dem auch russische Soldaten kräftig mitmischen. Aha! Russland sagt uns immerhin etwas. Aber was treiben die alle dort hinten am anderen Ende der Welt? Warum rollen auf einmal Panzer durch die Steppe? Hecken die Russen wieder etwas aus, spielen ihr Machtspiel, wollen klammheimlich eine Region annektieren? Falsch. Die Soldaten lassen nicht aus Übermut ihre Muskeln spielen. Es herrscht die nackte Angst.

 

Wie ein Dornenkranz drückt sich die Krise Afghanistans ins Fleisch der umgebenden Länder. Afghanische Soldaten, die keinen Sinn mehr darin sehen, den Taliban noch länger Widerstand zu leisten, fliehen in Scharen in die Nachbarstaaten. Bei Kämpfen vor wenigen Tagen retteten sich binnen wenigen Stunden mehr als tausend von ihnen nach Tadschikistan. Zwei Drittel der Grenze zwischen den beiden Staaten sollen bereits unter Kontrolle der Taliban sein. Die Islamisten heuern Subunternehmer an: Radikalislamische tadschikische Milizionäre übernehmen im Auftrag ihrer großen Brüder das Management der Grenze. 

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 trat eine internationale Koalition unter Führung der Amerikaner an, den Taliban das Handwerk zu legen. Jetzt, 20 Jahre später, sehen wir den Gotteskriegern beim Durchmarsch zu. Ein Blick auf die Karte zeigt, wie rasch das verbliebene Territorium der Regierung in Kabul zusammenschnurrt. In diesen Tagen wird um mehrere Provinzhauptstädte gekämpft, darunter Lashkar Gah in Helmand, zu dessen Verteidigung britische und amerikanische Truppen große Opfer bringen mussten. Früher. Als sie noch da waren.

 

Afghanistan implodiert vor unseren Augen. Die Schockwellen erfassen die gesamte Region und lassen selbst Großmächte ratlos zurück. China, das in seinem äußersten Westen an Afghanistan grenzt, sucht nach einer Haltung: Soll es mit den extremistischen Aufsteigern kooperieren? Immerhin haben die Taliban Interesse an guten Beziehungen bekundet. Aber Peking hat zugleich allen Grund, einen Schulterschluss der Islamisten mit den Uiguren zu befürchten, die Präsident Xi im eigenen Land brutal unterdrückt. Natürliche Verbündete sehen anders aus. Zurzeit beäugt man sich argwöhnisch.

Was alle wissen: Der Schlüssel zum Aufstieg der Taliban, ihrem jahrzehntelangen Durchhaltevermögen und ihrem Comeback liegt im Nachbarland Pakistan. Dessen mächtiger Geheimdienst war mehr als nur der Geburtshelfer der Bewegung. Initiator trifft es besser. Er hat einst die Taliban zu einer politischen und militärischen Kraft erster Güte aufgepäppelt und mischt bis heute bei ihren Aktionen mit. Doch Druck auf Pakistan auszuüben, um die Kämpfer zur Räson oder gar an den Verhandlungstisch zu zwingen, ist ein heikles Unterfangen. Denn Pakistan ist selbst ein klappriges Gebilde: gebeutelt von Korruption, geplagt von Kriminalität, Terror und eigenen islamistischen Gruppen, hohe Arbeitslosigkeit, katastrophaler Bildungsstandard, 40 Prozent der Erwachsenen können nicht lesen und schreiben. Aber Atomwaffen besitzt Pakistan sehr wohl. Drohungen gegen so ein Land, weitere Destabilisierung, gar Chaos auch dort? Das wollen wir lieber schnell vergessen.

Nun gut: Der Westen hat sich aus Afghanistan zurückgezogen. Die deutschen Soldaten sind schon daheim, und das einzige, was hiesigen Politikern zu dem Debakel noch einzufallen scheint, ist die Diskussion darüber, ob man straffällige afghanische Flüchtlinge vielleicht doch schon mal in ihr "sicheres Herkunftsland" rückführen könnte. Auch die US-Truppen sind eilig auf dem Weg nach Hause, während Afghanistan in die Gewaltherrschaft abgleitet. Was haben wir, der ehemals so engagierte Westen, uns eigentlich gedacht, als wir uns für den Rückzug entschieden haben? Was, glaubten wir, würde denn wohl passieren? Wohl ungefähr dies: Die Taliban sind ja keine Terrortruppe mit internationalen Ambitionen. Die toben sich ja nur zu Hause aus – also tschüss und bye-bye! Nach uns die Sintflut. So sah die westliche Rückzugsstrategie aus, wobei "Strategie" noch zu hoch gegriffen ist.

Der Aufruhr in der Region sollte uns eines Besseren belehren. Während die Taliban das Machtvakuum füllen, das der Abzug der westlichen Koalitionäre hinterlassen hat, entlässt das gebeutelte Land nun Flüchtlinge in die Welt. Bald werden Drogen folgen. Die Taliban haben sich schon früher nicht von ihren radikalen Moralvorstellungen abhalten lassen, die Kasse mit Rauschgiftgeld zu füllen. Auch dass die Terroristen des "Islamischen Staates" in dem Chaos ein geschütztes Eckchen ergattern, um von dort aus ihre Tentakel wieder in alle Welt auszustrecken, ist denkbar.

Was also tun? Unsere Möglichkeiten sind begrenzt. In Afghanistan ist im Moment leider nicht mehr viel zu richten. Aber wenigstens müssen wir unsere Lehren aus dem Debakel ziehen. Vor allem diese: Engagiert man sich in einem Konflikt, dann kann man nicht einfach nach Hause gehen. Jedenfalls nicht, ohne für das folgende Machtvakuum einen klaren, realistischen Plan zu haben. In Afghanistan hat es der Westen vergeigt. Im Irak oder in Mali sollten wir es besser machen.

 

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Nach uns die Sintflut 

Die Welt ist klein geworden. Aber noch immer gibt es Länder, von denen man kaum jemals etwas hört und bei deren Erwähnung man erst einmal zum Atlas greifen muss. Turkmenistan zum Beispiel: ehemals eine Sowjetrepublik, heute eine Diktatur, in der sich der Alleinherrscher mit einem bizarren Personenkult huldigen lässt. Aber das alles spielt sich fern von uns in den Wüsten und Steppen Zentralasiens ab. Früher hätte Karl May vielleicht seine Helden Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar dort ihre Abenteuer erleben lassen. Heute muss uns Turkmenistan in der Regel nicht interessieren. Deshalb haben wir auch von den gegenwärtigen Truppenbewegungen dort keine Notiz genommen. 

Nebenan gibt es noch ein paar Länder, die man nicht so gut kennt: Tadschikistan zum Beispiel und Usbekistan. Die halten gerade ein gemeinsames Großmanöver ab, bei dem auch russische Soldaten kräftig mitmischen. Aha! Russland sagt uns immerhin etwas. Aber was treiben die alle dort hinten am anderen Ende der Welt? Warum rollen auf einmal Panzer durch die Steppe? Hecken die Russen wieder etwas aus, spielen ihr Machtspiel, wollen klammheimlich eine Region annektieren? Falsch. Die Soldaten lassen nicht aus Übermut ihre Muskeln spielen. Es herrscht die nackte Angst.

 

Wie ein Dornenkranz drückt sich die Krise Afghanistans ins Fleisch der umgebenden Länder. Afghanische Soldaten, die keinen Sinn mehr darin sehen, den Taliban noch länger Widerstand zu leisten, fliehen in Scharen in die Nachbarstaaten. Bei Kämpfen vor wenigen Tagen retteten sich binnen wenigen Stunden mehr als tausend von ihnen nach Tadschikistan. Zwei Drittel der Grenze zwischen den beiden Staaten sollen bereits unter Kontrolle der Taliban sein. Die Islamisten heuern Subunternehmer an: Radikalislamische tadschikische Milizionäre übernehmen im Auftrag ihrer großen Brüder das Management der Grenze. 

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 trat eine internationale Koalition unter Führung der Amerikaner an, den Taliban das Handwerk zu legen. Jetzt, 20 Jahre später, sehen wir den Gotteskriegern beim Durchmarsch zu. Ein Blick auf die Karte zeigt, wie rasch das verbliebene Territorium der Regierung in Kabul zusammenschnurrt. In diesen Tagen wird um mehrere Provinzhauptstädte gekämpft, darunter Lashkar Gah in Helmand, zu dessen Verteidigung britische und amerikanische Truppen große Opfer bringen mussten. Früher. Als sie noch da waren.

 

Afghanistan implodiert vor unseren Augen. Die Schockwellen erfassen die gesamte Region und lassen selbst Großmächte ratlos zurück. China, das in seinem äußersten Westen an Afghanistan grenzt, sucht nach einer Haltung: Soll es mit den extremistischen Aufsteigern kooperieren? Immerhin haben die Taliban Interesse an guten Beziehungen bekundet. Aber Peking hat zugleich allen Grund, einen Schulterschluss der Islamisten mit den Uiguren zu befürchten, die Präsident Xi im eigenen Land brutal unterdrückt. Natürliche Verbündete sehen anders aus. Zurzeit beäugt man sich argwöhnisch.

Was alle wissen: Der Schlüssel zum Aufstieg der Taliban, ihrem jahrzehntelangen Durchhaltevermögen und ihrem Comeback liegt im Nachbarland Pakistan. Dessen mächtiger Geheimdienst war mehr als nur der Geburtshelfer der Bewegung. Initiator trifft es besser. Er hat einst die Taliban zu einer politischen und militärischen Kraft erster Güte aufgepäppelt und mischt bis heute bei ihren Aktionen mit. Doch Druck auf Pakistan auszuüben, um die Kämpfer zur Räson oder gar an den Verhandlungstisch zu zwingen, ist ein heikles Unterfangen. Denn Pakistan ist selbst ein klappriges Gebilde: gebeutelt von Korruption, geplagt von Kriminalität, Terror und eigenen islamistischen Gruppen, hohe Arbeitslosigkeit, katastrophaler Bildungsstandard, 40 Prozent der Erwachsenen können nicht lesen und schreiben. Aber Atomwaffen besitzt Pakistan sehr wohl. Drohungen gegen so ein Land, weitere Destabilisierung, gar Chaos auch dort? Das wollen wir lieber schnell vergessen.

Nun gut: Der Westen hat sich aus Afghanistan zurückgezogen. Die deutschen Soldaten sind schon daheim, und das einzige, was hiesigen Politikern zu dem Debakel noch einzufallen scheint, ist die Diskussion darüber, ob man straffällige afghanische Flüchtlinge vielleicht doch schon mal in ihr "sicheres Herkunftsland" rückführen könnte. Auch die US-Truppen sind eilig auf dem Weg nach Hause, während Afghanistan in die Gewaltherrschaft abgleitet. Was haben wir, der ehemals so engagierte Westen, uns eigentlich gedacht, als wir uns für den Rückzug entschieden haben? Was, glaubten wir, würde denn wohl passieren? Wohl ungefähr dies: Die Taliban sind ja keine Terrortruppe mit internationalen Ambitionen. Die toben sich ja nur zu Hause aus – also tschüss und bye-bye! Nach uns die Sintflut. So sah die westliche Rückzugsstrategie aus, wobei "Strategie" noch zu hoch gegriffen ist.

Der Aufruhr in der Region sollte uns eines Besseren belehren. Während die Taliban das Machtvakuum füllen, das der Abzug der westlichen Koalitionäre hinterlassen hat, entlässt das gebeutelte Land nun Flüchtlinge in die Welt. Bald werden Drogen folgen. Die Taliban haben sich schon früher nicht von ihren radikalen Moralvorstellungen abhalten lassen, die Kasse mit Rauschgiftgeld zu füllen. Auch dass die Terroristen des "Islamischen Staates" in dem Chaos ein geschütztes Eckchen ergattern, um von dort aus ihre Tentakel wieder in alle Welt auszustrecken, ist denkbar.

Was also tun? Unsere Möglichkeiten sind begrenzt. In Afghanistan ist im Moment leider nicht mehr viel zu richten. Aber wenigstens müssen wir unsere Lehren aus dem Debakel ziehen. Vor allem diese: Engagiert man sich in einem Konflikt, dann kann man nicht einfach nach Hause gehen. Jedenfalls nicht, ohne für das folgende Machtvakuum einen klaren, realistischen Plan zu haben. In Afghanistan hat es der Westen vergeigt. Im Irak oder in Mali sollten wir es besser machen.

 

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Chaotischer Abzug aus Afghanistan  

Selbst die Super-Weltmacht versagt

Die Bilder aus Kabul wecken in den USA traumatische Erinnerungen an das Ende des Vietnamkriegs. Und sie zeigen, wie sehr sich gleich mehrere Präsidenten verkalkuliert haben – auch Joe Biden. 

Bis Sonntag war Rangina Hamidi die Bildungsministerin Afghanistans. Dann erfährt sie, dass Aschraf Ghani, der Präsident, das Land verlassen hat. Und kann es nicht glauben. Wenn das wirklich stimme, sagt sie in einem Interview mit der britischen BBC, sei das eine Schande. "Das Traurigste ist, dass ich das nicht erwartet habe. Ich habe das nicht erwartet von dem Präsidenten, den ich kenne und dem ich vollkommen vertraut habe." Sie werde nun voraussichtlich Konsequenzen zu tragen haben, von denen sie nicht einmal geträumt habe.

Während Rangina Hamidis Stimme bricht, stürmen Tausende ihrer Landsleute verzweifelt zum Flughafen in Kabul, um den Taliban und deren Schreckensherrschaft zu entkommen. Es sind Bilder vom Hindukusch, die pure Todesangst jener Menschen transportieren, die 20 Jahre lang eine Freiheit erlebt haben, die sie nun mit dem Leben bezahlen könnten. Sollten sie es nicht in eines der Flugzeuge schaffen, die aus Kanada, den USA oder Deutschland kommend eine Art Luftbrücke bilden – vornehmlich, um eigene Staatsangehörige auszufliegen.

Biden hüllt sich in Schweigen

Während US-Soldaten Gewehrsalven in die Luft schießen, um die panischen Menschen in Schach zu halten, hüllt sich die Biden-Regierung im Weißen Haus in Washington an diesem denkwürdigen Sonntag in Schweigen. Der US-Präsident weilt in Camp David. Lediglich ein Foto, das Joe Biden bei einer Videokonferenz mit seinen Sicherheitsberatern zeigt, sendet man über Twitter.

Im Kampf um die Macht der Bilder geht es unter. Videos von Bidens Äußerungen vom Juli bestimmen stattdessen die sozialen Medien. Vor wenigen Wochen verstieg sich der Präsident in einer Pressekonferenz zu der Aussage, die Taliban seien in keiner Weise vergleichbar mit der nordvietnamesischen Armee. "Unter keinen Umständen wird es geschehen, dass Menschen vom Dach der Botschaft geholt werden müssen." So wie 1975.

Es geht millionenfach um Leben und Tod

Es ist anders gekommen. Anders, als Joe Biden es prognostizierte und seine Geheimdienste es ihm womöglich mitteilten. Bei der Evakuierung aus Kabul geht es um Leben und Tod. Auf den Straßen peitschen und erschießen die Taliban bereits Menschen, die sie als ihre Gegner ausmachen. Jene, die es nicht zum Flughafen schaffen, verstecken sich in Kellern und verschicken Abschiedsgrüße – auch an befreundete Bundeswehrsoldaten, an Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und an Freunde und Angehörige.

Die Totenstille aus dem Weißen Haus wird an diesem Tag in Washington übertönt von Hunderten wütender Exil-Afghanen. Direkt vor dem Zaun des Präsidentensitzes marschieren Hunderte Menschen im Kreis. Sie rufen: "Free, free Afghanistan!" und "Shame, shame Biden!". Auf ihren Schildern ist zu lesen: "Another US-Failure", "Silence is Violence" und "Biden betrayed us".

Doch die US-Regierung bleibt bei ihrer Sicht, die da lautet: "Unsere Mission ist erfüllt." Dieser Prozess läuft im Grunde spätestens seit 2014. Bereits US-Präsident Barack Obama kündigte den Abzug an. Und Joe Biden war offenbar schon immer ein Skeptiker des 20 Jahre andauernden Einsatzes. Man könnte sagen, das Versagen der Amerikaner hat viele Väter – angefangen bei George W. Bush, der den Einsatz einst befohlen hatte. Wirklich konkret aber wurden die Abzugspläne schließlich unter Donald Trump.

"Das bilaterale Abkommen zwischen der Regierung von Donald Trump und den Taliban, unter Umgehung der gewählten afghanischen Regierung, war der Kardinalfehler", sagt Constanze Stelzenmüller, Transatlantik-Expertin der Brookings Institution in Washington. Damit seien auch die Hilfsorganisationen und die Zivilgesellschaft hilflos den Aufständischen ausgeliefert worden.

"Das sind alles schwere Fehler"

Dennoch, der amtierende Präsident Joe Biden hätte nicht an Trumps verkündetem Abzug festhalten müssen. Die Verantwortung, zumindest die für die vergangenen Monate, liegt bei ihm. "Er fühlt sich offensichtlich auch innenpolitisch unter Druck, den Abzug zu beenden – beziehungsweise war er der Ansicht, es würde ihm schaden, Trumps Entscheidung rückgängig zu machen", so Stelzenmüller.

Womöglich eine schwere Fehleinschätzung von Biden, die ihm nun außen- und auch innenpolitisch schwere Probleme bereiten dürfte. Insbesondere die Republikaner kritisieren den Präsidenten heftig. Sein Vorgänger Donald Trump ließ über seine Sprecherin Liz Harrington bereits vor dem Wochenende verkünden: "Tragisches Durcheinander in Afghanistan, eine völlig offene und kaputte Grenze, Kriminalität auf Rekordniveau, Ölpreise, die in die Höhe schnellen, die Inflation steigt und wir werden von der ganzen Welt ausgenutzt – Do you miss me yet?"

Tatsächlich wirkt der Abzug hochgefährlich und chaotisch. Dass das US-Außenministerium dann bekannt gab, es würden schnell noch 1000 weitere Soldaten zur Absicherung nach Kabul geschickt, verstärkte den Eindruck der Kopflosigkeit nur noch mehr.

Für Constanze Stelzenmüller hat Biden aus vielen Gründen versagt: Sie nennt die Hast des Abzugs, die Verbindung mit dem Jahrestag von 9/11, die Entscheidung, den Abmarsch noch mal auf den amerikanischen Unabhängigkeitstag vorzuziehen, die mangelnde Absprache mit den Verbündeten und die fehlende Fürsorge für die Helfer und die zurückgelassenen Afghanen. "Das sind alles schwere Fehler", sagt Stelzenmüller.

Das Ansehen der Biden-Regierung werde nun auch bei den Freunden angeschlagen sein. "Seine Feinde – innen und außen – werden sich ermutigt fühlen." Und das sei auch für Europa, auch für Deutschland ein Problem.

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Afghanistan im Newsblog  

Taliban berichten von zwölf Toten am Kabuler Flughafen

Seit der Machtübernahme der Taliban herrscht am Flughafen in Kabul Chaos. Laut den Islamisten soll dabei ein Dutzend Menschen getötet worden sein. Alle Informationen im Blog.

Die Taliban haben binnen weniger Tage den Großteil Afghanistans und die Hauptstadt Kabul eingenommen – und damit offenkundig die Nato-Staaten überrascht. Einzig der Flughafen in der Hauptstadt ist noch unter US-Kontrolle. Die Bundesregierung hat eine eilige Evakuierungsaktion gestartet, um deutsche Staatsbürger und afghanische Ortskräfte in Sicherheit zu bringen.

Die fortlaufenden Ereignisse lesen Sie hier im Blog:

Taliban: Zwölf Tote am Kabuler Flughafen 

Die Taliban fordern alle Menschen ohne Reisegenehmigung auf, den Flughafen zu verlassen. Ein Vertreter der Islamisten erklärt zudem, seit Sonntag seien zwölf Menschen bei Massenpaniken gestorben oder erschossen worden. "Wir wollen niemanden am Flughafen verletzen", sagt der Taliban-Vertreter, der namentlich nicht genannt werden will.

Deutscher Hilfsflug wartet auf Landegenehmigung

Ein Hilfsflugzeug für die Evakuierungsaktion in Afghanistan hat den Flughafen Hannover noch nicht verlassen. "Das hängt an der Landegenehmigung in Taschkent", sagte am Donnerstag ein Sprecher des niedersächsischen Verkehrsministeriums. Der Abflug war eigentlich für die Nacht zu Donnerstag vorgesehen gewesen. Eine zunächst gegebene Abfluggenehmigung war nach Angaben des Sprechers kurz darauf wieder zurückgenommen worden.

Linke: Deutschland steht besonders in der Pflicht

Deutschland steht aus Sicht der Linkspartei ganz besonders in der Pflicht, afghanischen Flüchtlingen Asyl anzubieten. "Als reichster Staat in der Europäischen Union muss Deutschland natürlich einen großen Teil dieser Menschen aufnehmen, die jetzt aus Afghanistan kommen", sagt Linken-Spitzenkandidatin Janine Wissler der Funde Mediengruppe.

Rund 250 Afghanen nach Paris und Madrid ausgeflogen

Die französische und die spanische Regierung haben rund 250 Menschen aus Afghanistan nach Paris und Madrid ausgeflogen. Am Flughafen Roissy Charles-de-Gaulle bei Paris trafen mit einer Maschine der französischen Luftwaffe am Mittwochabend rund 200 Passagiere ein, darunter 25 Franzosen. Auf dem spanischen Militärstützpunkt Torrejón de Ardoz bei Madrid wurden 53 Passagiere in Empfang genommen, darunter fünf Spanier.

"Das sind wir Ihnen schuldig", twitterte der französische Präsident Emmanuel Macron zur Begrüßung der Menschen. Einer der Eingetroffenen zeigte sich "sehr erfreut", dass er und seine Familie ausreisen konnten, "um wenigstens die Grausamkeiten der Taliban zu überleben". Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian erklärte, die evakuierten Afghanen seien "bedroht" gewesen und hätten es "verdient, dass Frankreich ihnen Asyl gewährt".

Taliban wollen Mitgliedern alter Regierung Posten anbieten

Die Taliban wollen Mitgliedern der früheren Regierung Posten in ihrer neuen Regierung anbieten. Das kündigt ein Vertreter der Taliban an. Nach seinen Angaben dauern die Gespräche zwischen Vertretern der Taliban und der alten Regierung an. Der Sprecher erklärt auch, Frauen sollten bei der Bildung der neuen Verwaltung gehört werden. Ihnen sollten auch neue Rollen in der Verwaltung angeboten werden.

Bericht: Italien will G20-Gipfeltreffen zu Afghanistan 

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi bemüht sich um ein Gipfeltreffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20), berichtet die Zeitung "la Repubblica". Italien hat dieses Jahr die G20-Präsidentschaft inne. Der Afghanistan-Gipfel solle möglicherweise vor dem regulären G20-Gipfel im Oktober stattfinden.

Bundeswehrverband: Vertrauen in Politik geht verloren

Die Bundeswehr trifft nach Ansicht des Bundeswehrverbandes keine Schuld am späten Start der Evakuierungen. "Es ist immer eine Frage der politischen Lagebewertung, der politischen Entscheidung. Und die ist sehr spät gefallen", sagt Verbandschef Andre Wüstner in der ARD.

Viele Bundeswehrsoldaten treibe die Frage um, ob der Verlust an Menschenleben gescheiterte Ehen und Traumatisierungen den Einsatz in Afghanistan wert waren. Es gehe Vertrauen verloren in die Politik. "Über das Thema Verantwortung muss noch gesprochen werden."

Bundeswehr fliegt über 200 weitere Personen aus

Die Bundeswehr-Maschine mit 211 Passagieren an Board ist in der Nacht in Taschkent gelandet. Im Tagesverlauf werde die Evakuierung aus Kabul mit weiteren Flügen fortgesetzt, kündigte die Bundeswehr an. Hier lesen Sie mehr.

Weitere Lufthansa-Maschine mit Evakuierten in Frankfurt gelandet

Am Frankfurter Flughafen ist am frühen Donnerstagmorgen eine Lufthansa-Maschine mit rund 250 Menschen gelandet, die aus Afghanistan in Sicherheit gebracht worden sind. Das Flugzeug war wenige Stunden zuvor in der usbekischen Hauptstadt Taschkent gestartet. Die Menschen an Bord waren zuvor mit einer Bundeswehr-Maschine von Kabul nach Taschkent geflogen worden. Die Bundeswehr hatte in dieser Woche ihre Rettungsaktion für Deutsche und Afghanen begonnen, um sie nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban in Sicherheit zu bringen.

US-Militär: Halten Kampfflugzeuge und Bomber bereit

Zusätzlich zu den aktuell mehr als 4.500 US-Soldaten am Flughafen in Kabul hat das US-Militär nach eigenen Angaben bei Bedarf Zugriff auf zahlreiche Kampfflugzeuge, Bomber und Drohnen in der Region. In Kabul selbst gebe es zudem eine "bedeutende Zahl" Hubschrauber, darunter Kampf- und Transporthubschrauber, sagte Generalstabschef Mark Milley am Mittwoch im Verteidigungsministerium. Unter anderem stünden in der Region Staffeln der Kampfflugzeuge der Typen F-16 und F-18 sowie die als "Reaper" (Sensenmann) bekannten Drohnen vom Typ MQ-9 und Langstreckenbomber vom Typ B-52 bereit.

Das US-Militär hat die Kontrolle über den Flughafen der afghanischen Hauptstadt übernommen, vor allem um die Evakuierung von Amerikanern und früherer afghanischer Mitarbeiter der US-Behörden und Streitkräfte zu organisieren. In Kürze soll die Zahl der US-Soldaten dort auf bis zu 6.000 steigen. Der Flughafen ist damit quasi zu einer Insel inmitten des von den Taliban kontrollierten Landes geworden.

Ex-US-Sicherheitsberater Bolton warnt vor nuklearen Risiken

John Bolton, früherer Sicherheitsberater der USA, warnt vor einem Griff der Taliban nach Atomwaffen. "In Afghanistan drohen neue nukleare Risiken, nicht morgen oder in 30 Tagen, aber mittelfristig", sagt Bolton dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

"Unsere Präsenz dort hat immer auch dazu gedient, Informationen aus zwei problematischen Nachbarländern mit Nuklearprogrammen zu sammeln, Pakistan und Iran. Unsere Fähigkeit die Region zu durchleuchten wird jetzt durch den Abzug reduziert." Dass auch die Taliban an Atomwaffen interessiert sind, wisse die US-Regierung bereits seit 2001. "Wir dürfen jetzt bitte nicht naiv sein", sagt Bolton. "Die haben sich doch nicht 20 Jahre lang mühsam versteckt, um jetzt zu sagen: Ok, nun ist ein guter Moment gekommen, um unsere Grundsätze aufzugeben."

Raisi: Iran zu Kooperation mit Peking und Moskau bereit

Der Iran ist nach den Worten seines neuen Präsidenten Ebrahim Raisi zur Zusammenarbeit mit Russland und China bereit, um "Stabilität und Frieden" in Afghanistan zu sichern. In einem Telefonat mit Chinas Präsident Xi Jinping sagte Raisi, Teheran wolle sich auch für die "Entwicklung, den Fortschritt und den Wohlstand" in Afghanistan einsetzen, wie es auf der offiziellen Website der iranischen Präsidentschaft am Mittwoch hieß.

Auch während eines Telefonats mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin habe Raisi die Bereitschaft des Iran zu "jeglicher Kooperation" deutlich gemacht, um "Frieden und Ruhe in Afghanistan durchzusetzen". Der Iran sei der Ansicht, "dass alle afghanischen Gruppen zusammenarbeiten" und den Rückzug der US-Truppen in einen "Wendepunkt für dauerhaften Frieden und Stabilität in Afghanistan verwandeln sollten".

Die Beziehungen zwischen Teheran und den Taliban sind historisch schwierig. Im Jahr 1998 hatten Taliban-Kämpfer das iranische Konsulat im nordafghanischen Masar-i-Scharif überfallen und mehrere Diplomaten sowie einen Journalisten getötet. In der Folge war es beinahe zu einem iranischen Einmarsch in Afghanistan gekommen.

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Bundeswehr-Veteran zu Afghanistan: "Deutschland erlebt jetzt sein Vietnam"

 

Robert Müller war dreimal in Afghanistan im Einsatz. Er schämt sich dafür, dass das Land alleingelassen wird – und fürchtet, dass die Bundeswehr wieder zurückmuss.

Mit diesen Bildern aus Kabul hat er nicht gerechnet – zumindest nicht so schnell. Frauen sind in der Öffentlichkeit fast gar nicht mehr zu sehen, überall fahren Talibankämpfer umher mit eroberten Jeeps der afghanischen Polizei, auf Motorrädern oder mit den typischen weißen Pick-ups. An den Straßen haben bärtige Männer mit Kalaschnikows zahlreiche Checkpoints errichtet, kontrollieren Autos, suchen nach Gegnern. Am Himmel über Kabul kreisen Chinook-Helikopter der US-Streitkräfte.

Müller schaut sich in seiner Mittagspause auf seinem Smartphone die Bilder aus Kabul an. Einige der Orte, die er zu sehen bekommt, kennt er nur zu gut: die Straße zum Flughafen, den Präsidentenpalast, die deutsche Botschaft. Dreimal war der Unteroffizier in Afghanistan im Einsatz. Er hat dort Freunde verloren. Und er ist dort selbst fast gestorben. Müller überlebte nur knapp die Explosion einer Rakete. Kameraden hatten dabei weniger Glück. Der Vorfall hat Müller traumatisiert. Er leidet seitdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Er gilt deswegen als schwerbehindert.

"Deutschland erlebt jetzt sein Vietnam", sagt Müller. Den raschen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan findet er beschämend. Die Afghanen würden alleingelassen, vom Westen und auch von Deutschland. "Natürlich fühlt es sich so an, als ob alles umsonst war", sagt der ehemalige Soldat. Er sei aufgewühlt wie lange nicht mehr.

Nach dem Feierabend, wenn er zu Hause ist, sitzt er stundenlang vor dem Fernseher in seinem Wohnzimmer. "Das fühlt sich wie ein richtig schlechter Film an, man hat immer wieder das Gefühl, das kann alles gar nicht sein", sagt Müller über die Bilder aus den Nachrichtensendungen. "Ich will eigentlich gar nicht hinschauen, aber ich mache zu Hause den Fernseher an."

Von Stade aus, einer Kleinstadt vor den Toren Hamburgs, wirkt Kabul sehr fern. Aber Müller, der selbst Fallschirmjäger war und für Evakuierungsmissionen ausgebildet worden ist, weiß, was die deutschen Soldaten nun erleben, die den Flughafen in der Stadt absichern helfen, Staatsbürger und Ortskräfte retten sollen. Müller fiebert mit – und tauscht sich mit Kameraden ständig über Facebook und andere soziale Netzwerke aus. "Schwer zu ertragen, diese ganzen Nachrichten und Entwicklung", schreibt ihm ein Kamerad. "3x dort gewesen und jetzt fragt man sich nur noch wofür das Ganze." Ein anderer Soldat antwortet: "War selber 2x dort. Sch... auf die Talibs." Viele Veteranen sind entsetzt, wie schnell die Taliban vorgerückt sind, wie wenig bisher getan wurde, um Afghanen, die als Dolmetscher, Reinigungskräfte oder als Fahrer für die Deutschen gearbeitet haben, herauszuholen.

Für Müller sind das anstrengende Tage. Die ganze Zeit muss er an seine Einsätze denken, in Afghanistan und im Kosovo, belastende Gedanken begleiten ihn ständig. Vor allem an einem Tag im Jahr 2002 denkt er immer wieder. Damals war er dabei, als dänische Sprengmeister eine Rakete entschärfen wollten. Müller war Hundeführer und wollte sehen, ob er mit seinem Rüden Idor, der Sprengstoff suchen konnte, an dem Ort trainieren könne. Er sah, wie einer der Entschärfer mit einem Hammer auf die Rakete schlug. Dann explodierte das Geschoss.

Die Druckwelle riss Müller um, seine Trommelfelle platzten, er überlebte nur knapp. Drei dänische und zwei deutsche Soldaten starben. Mit einem Spezial-Airbus, einem fliegenden Krankenhaus, brachten ihn Sanitäter nach Deutschland zurück, Militärärzte flickten ihn in einem Bundeswehrkrankenhaus zusammen. Seine Wunden am Körper heilten bald, aber gesund wurde er nie. Das Trauma blieb. "Ich habe meine Gesundheit in Afghanistan verloren", sagt Müller, "zwei Ehen sind danach in die Brüche gegangen, ich bin Kriegsversehrter."

Momentan wohnt ein alter Kamerad bei Müller. Sie sprechen viel miteinander. Das hilft ihm, die Bilder aus Afghanistan zu verarbeiten. Er fühlt Wut, Verzweiflung und Traurigkeit. 20 Jahre Einsatz der deutschen Armee dürfen doch nicht so enden, sagt er. "Ich kann allen Veteranen, insbesondere den Afghanistan-Veteranen in dieser besonderen Situation nur raten, versucht das nicht mit euch allein auszumachen", schreibt er auf Facebook. Und weiter: "Ruft eure Familien, Buddys, Kameraden, Vorgesetzten oder die BW-Hotline 0800-588-7957 an und redet! Kotzt euch aus! Aber macht keinen Blödsinn. Bleibt stark und sucht euch Hilfe." Müller hat selbst lange gebraucht, um Hilfe zu suchen und anzunehmen.

Seit wenigen Tagen ist Müller kein Soldat mehr. Anfang August hat er eine Lehre bei einem Apfelbauern im Alten Land angefangen. Mit 43 Jahren macht er einen Neustart. Als Obstbauer will er endlich Afghanistan hinter sich lassen.

Müller betreut drei afghanische Männer, die als Ortskräfte für die Bundeswehr gearbeitet haben und bereits in Deutschland sind. Von ihnen hat er erfahren, wie groß die Sorge um ihre Verwandten ist. Die Taliban, so haben sie erzählt, gehen von Haus zu Haus und suchen nach Leuten, die für Ausländer gearbeitet haben.

In seiner Vitrine im Wohnzimmer verwahrt Müller Orden, Einsatzmedaillen und Erinnerungen an seine Missionen in Afghanistan. Und in seinem Keller hängen eine Einsatzweste mit Isaf-Aufnäher und Bilder, die Müller in Uniform zeigen. 23 Jahre war er bei der Bundeswehr. Müller hat ein Buch über seine Bundeswehrzeit geschrieben, er hat in Talkshows und zahlreichen Interviews über seine Zeit in Uniform gesprochen. Oft hat er über Afghanistan mit Politikern geredet, mit hochrangigen Militärs, aber auch mit Freunden und Verwandten. Zuletzt habe sich kaum noch jemand für Afghanistan interessiert, sagt Müller. "Nun ist das freundliche Desinteresse einem massiven Interesse gewichen."

Jetzt, nach dem Vormarsch der Taliban, scheint plötzlich jeder ein Afghanistan-Experte zu sein. Die Lage vor Ort aber kennen die meisten Kritiker gar nicht, sagt er. So seien die Taliban stets unterschätzt worden. Das seien überwiegend gute Kämpfer, sagt Müller, wer das nicht sehe, sei arrogant. "Wir Veteranen haben Politiker oft gewarnt, ihr nehmt das alles nicht ernst", sagt er. "Deutschland ist nicht einmal in der Lage, die eigenen Leute ohne amerikanische Hilfe zu evakuieren." Dass mit dem ersten Evakuierungsflug nur sieben Leute in einem A400M ausgeflogen worden seien, das sei einfach nur bitter.

Müller hat durchaus Verständnis für die afghanischen Sicherheitskräfte, die den Taliban kaum Widerstand leisten konnten. "Warum soll der einfache Soldat kämpfen, wenn seine Regierung abhaut?", fragt er. "Viele Männer sind nicht freiwillig zur afghanischen Armee gegangen, die brauchten den Sold zum Überleben. Sterben wollten die nicht für die Regierung in Kabul."

Müller fürchtet, dass die Bundeswehr irgendwann erneut nach Afghanistan in den Einsatz ziehen muss. "Wir werden sehen, ob in drei, vier Jahren eine Gefahr von Afghanistan für die Welt ausgeht, ob Terror exportiert wird", sagt der frühere Fallschirmjäger. Dann wird Müller auf keinen Fall wieder mit dabei sein. Aber ein wenig beneidet er seine Kameraden, die nun in Kabul die Evakuierung voranbringen. Dafür sei auch er schließlich ausgebildet worden. Afghanistan lässt Müller einfach nicht los.

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Nach tödlichen Anschlägen in Kabul  

Biden droht Terroristen mit Vergeltung: "Wir werden euch jagen"

Bei Explosionen am Flughafen Kabul sind mindestens 85 Menschen getötet worden, auch US-Soldaten. US-Präsident Biden hat nun versprochen, die Attentäter zur Rechenschaft zu ziehen.

US-Präsident Joe Biden hat nach den tödlichen Anschlägen in der afghanischen Hauptstadt Kabul Vergeltung angekündigt. "Wir werden nicht vergeben. Wir werden nicht vergessen", sagte Biden am Donnerstag im Weißen Haus an die Adresse der Verantwortlichen für die Attacken gerichtet. "Wir werden euch jagen und euch büßen lassen."

Die USA machen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) für den Doppelanschlag vor dem Flughafen von Kabul verantwortlich, bei dem 13 US-Soldaten getötet worden waren. Laut einem Kliniksprecher in Kabul liegt die Zahl der getöteten Zivilisten bei mindestens 72. Der IS hat bislang einen Selbstmordanschlag für sich in Anspruch genommen.

Biden sagte, er habe die US-Streitkräfte angewiesen, Pläne für Angriffe gegen den regionalen IS-Ableger Provinz Chorasan (ISKP) – in den USA als ISIS-K bezeichnet – auszuarbeiten. "Wir werden mit Kraft und Präzision antworten (...) an dem Ort und zu dem Zeitpunkt, den wir aussuchen."

Biden: Mission wird trotz Anschlägen fortgesetzt

Biden würdigte die bei dem Doppelanschlag getöteten US-Soldaten als "Helden". Sie seien an einer "gefährlichen, selbstlosen Mission" beteiligt gewesen, "um das Leben von anderen zu retten". Es war das erste Mal seit Februar 2020, dass in Afghanistan US-Soldaten getötet wurden.

In seiner Ansprache bekräftigte Biden zudem, der laufende Evakuierungseinsatz zur Rettung von US-Bürgern und afghanischen Ortskräften werde fortgesetzt. "Wir können und müssen diese Mission zu Ende bringen, und das werden wir", sagte der Präsident. "Wir werden uns nicht von Terroristen abschrecken lassen. Wir werden nicht zulassen, dass sie unsere Mission stoppen."

Die USA wollen den Militäreinsatz bis zum 31. August – dem kommenden Dienstag – beenden und bis dahin möglichst viele Menschen außer Landes bringen.

Biden verteidigt Abzugspläne

Auch bekräftigte Biden, dass er seine Entscheidung für den raschen Truppenabzug nicht bereue. "Es war an der Zeit, einen 20-jährigen Krieg zu beenden", so Biden. Auf die Frage eines Journalisten, ob er hinter seiner Entscheidung stehe, sagte er: "Ja, das tue ich." Weiter sagte Biden: "Ich war nie der Meinung, dass wir amerikanische Leben opfern sollten, um eine demokratische Regierung in Afghanistan zu etablieren."

Die Flaggen in den USA wurden unterdessen auf halbmast gesetzt. Damit sollen die Opfer der "sinnlosen Gewaltakte" geehrt werden, wie die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Jen Psaki, sagte. Die Flaggen-Anordnung werde bis zum Montagabend für das Weiße Haus, alle öffentlichen Gebäude und Militäreinrichtungen in den USA sowie US-Botschaften und konsularische Vertretungen weltweit gelten.

 

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Dieser Tag ist auch ein Sieg für China und Russland

 

Die USA verlassen Afghanistan. Das ist nach knapp 20 Jahren eine historische Zäsur. Nun setzt Washington auf eine Ausreise westlicher Bürger und einstiger Ortskräfte. Machen sich die USA, macht sich der Westen nicht längst schon wieder etwas vor?

Auftritt Antony Blinken, mit erheblicher Verspätung, zwischen Säulen und Gold-gerahmten Gemälden, unter einem Kristalllüster. Von einem „neuen Kapitel“ in Afghanistan spricht der amerikanische Außenminister. „Der militärische Einsatz ist vorüber“, sagt Blinken: „Ein neuer diplomatischer Einsatz hat begonnen.“

Das klingt fast feierlich. Symbolkraft hat Blinkens Auftritt allemal. Hier redet weder der amerikanische Verteidigungsminister noch ein Kommandeur über Afghanistan. Es geht plötzlich nicht mehr um Evakuierungen, um Ziffern zu Flügen und Ausgeflogenen. Es redet der oberste Diplomat der USA – aus deren Perspektive ist für Afghanistan fortan das State Department zuständig, nicht mehr das Verteidigungsministerium. Der Außenminister redet, naturgemäß, über: Diplomatie.

Dabei dankt Blinken den US-Soldaten der „heldenhaften Arbeit“ der letzten Tage, würdigt die „globalen Anstrengungen“ bei der Evakuierung aus Kabul und erinnert an die jüngsten Todesopfer, 13 US-Soldaten, erheblich mehr Afghanen.

Illusionen und politische Naivität

Doch während Blinken die künftige amerikanische „Diplomatie“ in Afghanistan beschwört, stellt sich die Frage: Machen sich die USA, macht sich der Westen nicht längst schon wieder etwas vor? Geben sich die USA, wie so oft in den letzten 20 Jahren, sogleich neuen Illusionen hin? Schwingt nicht schon wieder politische Naivität mit, wie so oft in der Geschichte einer Politik mit Afghanistan?

Blinken selbst gibt zu: Mit Diplomaten wird Amerika künftig gar nicht mehr vor Ort sein, ebenso wenig wie andere westliche Staaten. Der letzte US-Diplomat verließ Afghanistan mit dem letzten Flug.

Was Blinken unerwähnt lässt: China und Russland halten die Stellung in Kabul. Dieser Tag also ist nicht nur ein Sieg für die Taliban, sondern ausgerechnet für jene autoritären Regime, die sich die Regierung von Präsident Joe Biden vorknöpfen will. Ironie der gegenwärtigen Lage: Geht es nach den Taliban, so bewahren die USA und andere westlichen Staaten ihre Botschaften in Kabul. Sie sehen darin eine symbolische wie politisch wirksame Anerkennung der Legitimität ihrer Herrschaft.

Ein Land auf der Flucht pflegt Kontakte mit den Taliban

Amerika aber ist auf der Flucht. Die für Afghanistan zuständige Botschaft wird in Doha ihre Pforten öffnen. Von der Hauptstadt Katars will Amerika konsularisch tätig sein, humanitäre Hilfe unterstützen und, jawohl, Kontakte zu den Taliban pflegen.

Nur auf einer einzigen Basis, so lautet die neue außenpolitische Leitlinie der USA, werde man sich mit den radikalen Islamisten einlassen: Es gehe allein um die eigenen nationalen Interessen, so sagt es Blinken. Wenig später redet er von Grundrechten für Afghanen, etwa Frauen, vom freien Reiseverkehr, von einer „inklusiven Regierung“. Doch scheren sich die USA darum wirklich noch? Oder sind das hohle Formeln, Floskeln?

Seine Regierung „vertraue“ den Taliban nicht, sagt Blinken, glaube nicht deren Worte, sondern messe sie allein an ihren Taten. Jedwede Anerkennung müsse verdient werden. Man ahnt schon: Das kann noch eine komplizierte Operation werden. Schon bald werden die USA etwa klären müssen, ob und inwieweit sie die Taliban-geführte Regierung völkerrechtlich anerkennen.

Mit Gewehrschüssen feiern sie die Übernahme des Flughafens

Blinkens harte Ansage an die Taliban soll nicht zuletzt dazu dienen, jene Bilder zu relativieren, die am Montagabend in amerikanischen Wohnzimmern, Restaurants und Fitness-Studios über die Bildschirme flimmern: Mit Gewehrschüssen feiern die Taliban die Übernahme des Flughafens Kabul. Videos zeigen, wie schwer bewaffnete Taliban einen Hangar des Flughafens betreten, der noch eben von den USA genutzt wurde.

Für zehntausende US-Soldaten, die in Afghanistan gekämpft haben, zumal die verwundeten Veteranen, müssen diese Bilder schwer zu ertragen sein. Derweil wird in Washington betont: Man habe vor dem Abzug diverses eigenes Militärgerät zerstört. Demnach hinterließen die USA den Taliban zertrümmerte Flugzeuge, ein Raketenabwehrsystem und Fahrzeuge. Es wird sich noch zeigen, welches Gerät der USA die Taliban weiter nutzen können – und vor allem wofür.

Mit diplomatischen Anstrengungen wollen die USA nun zunächst bis zu 200 US-Bürger sowie frühere Ortskräfte aus Afghanistan ausreisen lassen. Wie aber können die USA konkret den Afghanen helfen, die das Land verlassen wollen?

Sind die USA sicherer als 2001?

Während die Taliban nun knapp zwei Jahrzehnte nach den Terroranschlägen von 9/11 die Herrschaft in Afghanistan übernommen haben, fragen sich die Amerikaner: Sind die USA nun sicherer als damals? Zweifel sind erlaubt. Die US-Regierung behauptet das.

Längst kooperiert Washington mit den Taliban, dem einstigen Erzfeind. Der Terrororganisation, die noch kürzlich Landsleute erdrosselte, bis Anfang 2020, jenem Abkommen mit Ex-Präsident Donald Trump, US-Soldaten in die Luft jagte. Auch in der wechselvollen Geschichte zwischen den USA und den Taliban beginnt soeben ein neues Kapitel.

Nun also kämpfen sie gemeinsam gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS). Rund 2000 IS-Kämpfer sind in Afghanistan präsent, schätzen die USA. Sie seien, heißt es, eine „Herausforderung für die Taliban“. Man darf hinzufügen: Und für die USA. Mit robusten Anti-Terror-Kapazitäten wollen die USA etwa den IS bekämpfen, aus der Luft, mit Drohnen, die viele Flugstunden von Afghanistan entfernt stationiert sind. Auf dem Boden ist man ja schließlich nicht mehr präsent seit wenigen Stunden.

Rückblende, ein paar Stunden zuvor: Am Montagnachmittag ist es nicht der Präsident, der die historische Nachricht bekannt gibt. Die Nachricht vom Ende des Militäreinsatzes in Afghanistan verkündet der Chef des Zentralkommandos der US-Streitkräfte, General Kenneth McKenzie. Per Video zu einer Pressekonferenz im Pentagon geschaltet, sagt McKenzie: „Ich bin hier, um den Abschluss unseres Abzugs aus Afghanistan und das Ende der Militärmission zur Evakuierung von US-Bürgern, Staatsbürgern von Drittstaaten und gefährdeten Afghanen bekanntzugeben.“

Biden plant Rede an die Nation

Joe Biden meldet sich am Abend des historischen Tages nur mit einem schriftlichen Statement zu Wort. Am Dienstagnachmittag (Ortszeit) will er sich aus dem Weißen Haus mit einer Rede an die Nation wenden. Biden dankt in seiner Erklärung Kommandeuren und Soldaten. In den vergangenen 17 Tagen habe man „die größte Luftbrücke in der Geschichte der USA durchgeführt und mehr als 120.000 US-Bürger, Bürger unserer Verbündeten und afghanische Verbündete der Vereinigten Staaten evakuiert“. Die Soldaten hätten dies mit unvergleichlichem Mut, Professionalität und Entschlossenheit getan. „Nun ist unsere 20-jährige Militärpräsenz in Afghanistan zu Ende“, heißt es in Bidens Erklärung. Es sei die einstimmige Empfehlung der Generalstabschefs und aller unserer Kommandeure vor Ort gewesen, „unsere Lufttransportmission wie geplant zu beenden“.

Eine letzte US-Militärmaschine, eine vierstrahlige Boeing C-17, war in der Nacht auf Dienstag in Kabul, am Montagnachmittag Washingtoner Zeit, abgehoben. Dieser Flug schloss die militärische Evakuierung ab. Trotz des chaotischen Beginns wurden nach Angaben von General McKenzie seit dem 14. August mehr als 123.000 Zivilisten ausgeflogen, 79.000 davon mit US-Militärmaschinen. Die Operation am Flughafen Kabul mit nur einer Start- und Landebahn war hochriskant und logistisch extrem schwierig.

2400 tote US-Soldaten

Für Biden zählt: Er setzte sein Versprechen eines vollständigen Truppenabzugs bis zum 31. August um. Dabei hatte das letzte Kapitel der US-Präsenz in Afghanistan chaotisch begonnen. Ruckartig und ohne Alliierte zu konsultieren, trieb Biden den Abzug voran. Der Präsident wollte den Einsatz um jeden Preis vor dem 20. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September beendet haben. Mitte August musste Biden, quasi aus dem Handgelenk, tausende Soldaten nach Kabul entsenden, um die Evakuierung zu schützen. Doch selbst das gelang nur bedingt. Trauriger Höhepunkt am vorigen Donnerstag: Ein Selbstmordattentäter des IS tötete mehr als 180 Menschen, darunter 13 US-Soldaten, etwa 170 Afghanen. Insgesamt verloren die USA in dem Krieg mehr als 2.400 Soldaten. Die Kosten des 20-jährigen Engagements belaufen sich auf mehr als zwei Billionen Dollar.

Seit Jahren wünscht sich eine Mehrheit der Amerikaner weniger militärische Präsenz in fernen Ländern. Im Präsidentschaftswahlkampf warben Donald Trump wie Joe Biden für ein Ende der „endlosen Kriege“. Biden hielt schon als Vizepräsident 2011 den Afghanistan-Einsatz für falsch. Der Krieg am Hindukusch war unter George W. Bush begonnen worden. Barack Obama und Donald Trump wollten ihn beenden, damit Geschichte schreiben. Das ist nun Joe Biden gelungen. Mit Folgen, die sich heute noch nicht ermessen lassen.

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