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News zum Bundestag

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Bundestag verlängert automatische Diätenanpassung

Der Bundestag hat die geltende Regelung zur automatischen Diätenanpassung bis zum Ende der neuen Legislaturperiode verlängert. Dafür stimmten am Donnerstag im Parlament die Koalitionsparteien SPD, Grüne und FDP sowie die oppositionelle CDU/CSU. AfD und Linkspartei lehnten die Verlängerung ab. Die Diäten folgen damit wie bisher der Einkommensentwicklung.

Die nun weiter geltende Regelung legt fest, dass die Abgeordnetenbezüge jeweils zum 1. Juli eines Jahres an die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Nominallohnindex angepasst werden. Seit Juli 2021 beträgt die Diätenhöhe 10.012,89 Euro monatlich.

SPD-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Fechner begrüßte den Beschluss. "Dieses Verfahren stellt sicher, dass die Abgeordnetenentschädigung nachvollziehbar und angemessen ist", erklärte er in Berlin. Gerade bei den Bezügen der Parlamentarier seien "maximale Transparenz und klare Regeln" notwendig.

Orientierungsgröße für die Höhe des Betrages waren bei Einführung der automatischen Anpassungen die Bezüge der Gehaltsgruppe R6 für Richterinnen und Richter an Oberlandesgerichten. Inzwischen sind die Abgeordnetenbezüge etwas niedriger als die R6-Besoldung, unter anderem weil 2021 die Diäten aufgrund der in der Corona-Krise im Vorjahr gesunkenen Nominallöhne entsprechend abgesenkt worden waren. Zuvor hatte es jeweils Erhöhungen der Diäten gegeben.

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Dieser Plan funktioniert nicht

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

"Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden", hat Rosa Luxemburg geschrieben, und selbst wenn sie den Satz ganz anders gemeint hat, klingt er wunderbar nach Toleranz und Pluralismus. Auf unsere postheroische Gesellschaft übertragen, bedeutet er ganz einfach: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo sie die Freiheit der Mitmenschen einschränkt. Oder, frei nach Schiller: Leben und leben lassen.

In normalen Zeiten kommt man mit dieser Banal-Moral ziemlich weit. Man kann damit Nachbarschaften, kommunales Leben und sogar einen ganzen Staat organisieren. Schwierig wird es, wenn statt Friede, Freude, Eierkuchen ausnahmsweise Krise herrscht, und erst recht, wenn die Krise länger dauert als geplant (was Krisen leider so an sich haben). Dann gelangen auch wohlstandsgesättigte Gesellschaften wie unsere erstaunlich schnell an ihre Grenzen. Dann brechen Konflikte auf, die wir kaum noch für möglich gehalten hätten, und wir stellen verblüfft fest, dass der alte Sigmund Freud wohl doch recht hatte: Der Firnis der Zivilisation ist dünn.

Wie dünn er ist, sehen wir gegenwärtig nicht nur in Sachsen und Thüringen, wo aufgebrachte Leute gegen einen vermeintlich "diktatorischen" Staat protestieren, der sie und ihre Mitbürger doch einfach nur schützen will. Wir sehen Familienväter, denen es nichts ausmacht, neben Neonazis zu marschieren, um ihrem Ärger Luft zu machen. Wir bekommen merkwürdige Whatsapp-Nachrichten von Bekannten, die vor dunklen Mächten warnen: Unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes würden wir jetzt alle versklavt, stand nämlich auf Facebook, und der Stefan von nebenan sagt das auch. Fast ein Drittel der Bevölkerung ist anfällig für Verschwörungstheorien, lesen wir in wissenschaftlichen Studien, und hören, wie Ewigempörte im Brustton der Überzeugung die Impfung gegen Covid verweigern: Das sei ihre "Freiheit".

Wo beginnt die Freiheit und wo endet sie? Je nachdem, wen man fragt, bekommt man nun unterschiedliche Antworten. CSU-Leute wie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und sein Generalsekretär Markus Blume beispielsweise verstehen darunter vor allem die Freiheit von Politikern, den Bürgern Vorschriften zu machen. Weil sie davon ausgehen, dass sich Probleme am besten durch Verordnungen lösen lassen. Und wenn die anderen nicht mitmachen, muss man sie halt zwingen. So ist Herrn Blumes Aufforderung an Bundeskanzler Olaf Scholz zu verstehen, dass der sich gefälligst um "die Corona-Verharmloser in der Ampel" kümmern solle. Mehr als 20 FDP-Politiker haben sich nämlich gegen die allgemeine Impfpflicht ausgesprochen, darunter (natürlich) der widerborstige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki. "Der Bundestag kann eine allgemeine Impfpflicht nicht beschließen, solange er nicht einmal die Häufigkeit der mit der Pflicht verbundenen Schutzimpfungen kennt", schreiben die Parlamentarier. Selbst wenn man das Geschwurbel vieler Impfgegner für Kokolores hält und jedem Verschwörungsjünger am liebsten eine seriöse Tageszeitung abonnieren würde, muss man den FDP-Abgeordneten zugestehen: Da treffen sie einen wunden Punkt.

Der deutsche Staat ist ja nicht nur bei der Digitalisierung hoffnungslos abgehängt, er hat auch seine Verwaltung nicht voll im Griff. Es gibt kein Impfregister, es gibt keine verlässlichen Auskünfte über die Menge verfügbaren Impfstoffs, und vielerorts hakt es ein Dreivierteljahr nach Start der Impfkampagne immer noch mit der schnellen Terminvergabe. Trotzdem wollen der Kanzler und viele Politiker von SPD, Grünen, CDU und CSU die Bürger zum Pflichtpiks verdonnern.

Ist das klug? Das haben mein Kollege Marc von Lüpke und ich einen der besten Juristen gefragt: Hans-Jürgen Papier war früher Präsident des Bundesverfassungsgerichts und zählt zu den bedeutendsten Staatsrechtlern des Landes. Seine Antworten sind bemerkenswert. "Wie wollen Sie denn über zwanzig Millionen Personen zu mehrfachen Impfungen zwingen, die nicht geimpft werden wollen und die keiner Behörde namentlich bekannt sind?", fragt er. "Mithilfe der Polizei? Mit Bußgeldern und Erzwingungshaft? Davon abgesehen würde eine solche Maßnahme das Vertrauen der Menschen in die Politik kaum stärken." Papier weiter: "Es ist immer schlecht, den Bürgern Pflichten aufzuerlegen, die der Staat selbst im Regelfall nicht durchsetzen kann." Und schließlich: "Ich glaube, dass noch lange nicht alle Mittel ausgeschöpft sind, um die Menschen in stärkerem Maße zur Impfung zu bewegen."

Es ist ein Interview geworden, das zu denken gibt. Nicht nur mir, vielleicht auch Ihnen. Ganz sicher aber einigen Entscheidern im Bundestag und in der Regierung. Womöglich kommt der Denkanstoß genau im richtigen Moment. In der Schule würde man sagen: Macht erst mal eure Hausaufgaben, bevor ihr Forderungen stellt.

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CDU gegen Ampel-Koalition: Merz verschärft den Ton

Der designierte CDU-Chef wirft Gesundheitsminister Lauterbach "Übertreibungen" vor und der Ampel eine unsolide Haushaltspolitik. Den Kontakt zur CSU will er verbessern.

Merz verschärft den Ton

Mit Seitenhieben gegen die Bundesregierung und einer Versöhnungsgeste gegenüber der CSU hat Friedrich Merz Kurs auf den CDU-Vorsitz genommen. Der 66-Jährige, der nach einem gewonnenen Mitgliederentscheid im Januar zum CDU-Chef gewählt werden dürfte, wollte sich am Wochenende zunächst mit CSU-Chef Markus Söder verständigen. Auseinandersetzungen zwischen Vertretern von CDU und CSU wie im Bundestagswahlkampf dürften sich "nicht wiederholen", sagte Merz dem Sender Bayern 2. "Wir haben selbst dazu beigetragen, dass wir diese Bundestagswahl so verloren haben."

Gegenüber den Regierungsparteien kündigte der CDU-Politiker eine härtere Gangart an. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beispielsweise, dessen konsequenten Kurs in der Corona-Pandemie die Union oft mitgetragen hatte, warf Merz überzogene Besorgnis vor. Lauterbach "neigt leider in gewissen Situationen zu sehr starken Übertreibungen", sagt er der Bild am Sonntag. Der FDP hielt Merz vor, mit ihrem Nachtragshaushalt Wahlversprechen gebrochen zu haben. 60 Milliarden Euro für Corona-Hilfen in den Haushalt zu verschieben, sei "alles andere als eine solide Haushaltspolitik".

"Der Vorwurf ist lächerlich"

Die Liberalen wiesen die Kritik am Sonntag zurück. "Der Vorwurf ist lächerlich", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der Süddeutschen Zeitung. "Die Union hat vor anderthalb Jahren die Nettokreditaufnahme erhöht, um die gleichen Aufgaben zu erfüllen. Wir machen das jetzt ohne neue Schulden." Er frage sich auch, welche Antworten Merz auf wichtige Zukunftsfragen habe. "Mit den Thesen der 90-er Jahre ist der Wettbewerb um die besten Ideen nicht zu gewinnen." Nötig sei etwa ein Umsteuern in der Migrationspolitik. "Deutschlands Wohlstand hängt entscheidend davon ab, ob es gelingt, gezielt Zuwanderung zu organisieren." Wenn die CDU sich diesem Ziel verweigere, verliere sie wirtschaftspolitische Glaubwürdigkeit, zum Nutzen der FDP. "Wenn die Union die progressive Gesellschaftspolitik hinter sich lässt, wird Platz in der Mitte frei", sagte Dürr.

Auch die Grünen reagierten demonstrativ gelassen. Friedrich Merz stehe "für einen Rücksturz in die Vergangenheit", sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Sonntag. Schaden für die Regierungsarbeit oder seine Partei könne er darin aber nicht erkennen, im Gegenteil. Merz könnte die "Laufzeit der Union in der Opposition verlängern". Andere Grüne allerdings räumen ein, dass die Regierung jetzt zügig Erfolge liefern müsse. Bei Themen wie Klimaschutz, Transformation oder Gleichstellung sei beim mutmaßlich nächsten CDU-Chef nicht mit Nachsicht zu rechnen. Ob er auch die Oppositionsführerschaft im Bundestag anstrebt und im April Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) ablösen will, ließ Merz offen. Erster Zuspruch kam hier aus Ostdeutschland. Der CDU-Fraktionschef im Thüringer Landtag, Mario Voigt, sprach sich im Tagesspiegel dafür aus, "dass Bundestagsfraktion und Partei mit einer kraftvollen und einheitlichen Stimme auftreten."
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Sind Abgeordnete unter den Verdächtigen?  

Geheimnisverrat im Bundestag – Staatsanwaltschaft eingeschaltet

Wie gelangten vertrauliche Dokumente und Informationen aus dem Bundestag an die Öffentlichkeit? Ein Geheimgremium kritisiert die Regierung, die Verwaltung hat die Fälle der Staatsanwaltschaft übergeben.  

Informationen aus geheimen Beratungen und vertraulichen Dokumenten sind aus dem Bundestag oder Regierungskreisen an Medien und Unbefugte gelangt. Die Bundestagsverwaltung bestätigte t-online, dass seit Beginn der vergangenen Legislaturperiode 19 entsprechende Vorfälle an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin weitergeleitet wurden.

In allen Fällen gehe es um die unbefugte Kenntnisnahme von Verschlusssachen. Übersetzt: Jemand, der Zugang zu vertraulichen oder geheimen Informationen hatte, die er nicht weitergeben durfte, hat dies dennoch getan.

Einige der Vorfälle betreffen das Parlamentarische Kontrollgremium, das die Tätigkeit der deutschen Nachrichtendienste überwacht. Ihm gehörten in der vergangenen Legislaturperiode neun Abgeordnete an. Theoretisch ist es möglich, dass sie, ihre engen Mitarbeiter, damit befasste Beamte in den zuständigen Ministerien oder die jeweiligen Minister Informationen weitergegeben haben. Wie es tatsächlich abgelaufen ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch unklar.

Informationen wurden in Medien veröffentlicht

Im Bericht, den das Kontrollgremium Ende Dezember dem Parlament vorlegte, heißt es, "dass Informationen aus seinen geheimen Beratungen gelegentlich in Medienveröffentlichungen thematisiert wurden und so unbefugten Dritten zur Kenntnis gelangten". Es habe derartige Verstöße gegen die Geheimschutzordnung der Bundestagsverwaltung gemeldet.

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Bundestagsvize: Kubicki stellt Büros für Merkel und Schröder in Frage

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hat die Bundestagsbüros für die Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) und Angela Merkel (CDU) infragegestellt. „Ich halte es für unabdingbar, die grundsätzliche Diskussion zu führen, inwieweit diese Nachlaufbüros von Bundeskanzlern im Zweifel noch über Jahrzehnte personell voll ausgestattet sein müssen“, sagte Kubicki den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Mittwochsausgabe). „Daher ist die Frage berechtigt, ob Bundeskanzlerin Merkel ein doppelt ausgestattetes Büro dauerhaft benötigt, während bei den ranghöheren Bundestagspräsidenten eine zeitliche Befristung gilt“, sagte er weiter.
Haushaltsausschuss prüft Altkanzler-Privilegien

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, bestätigte indessen Berichte, wonach der Haushaltsausschuss des Bundestages die grundsätzliche Kürzung der Altkanzler-Privilegien prüft. „Es finden aktuell Gespräche über die Überarbeitung der Regeln zur Amtsausstattung ehemaliger Bundeskanzler statt“, sagte Mihalic dem RND. „Diese Reform würde dann auch den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder betreffen.“

„Dabei geht es jedoch nicht um eine willkürliche Kürzung von Bezügen, das ist im Rechtsstaat keine Option“, betonte sie. „Das Agieren Schröders und seine engen Kontakte zum Putin-Regime verurteilen wir unabhängig davon auf das Schärfste.“ Während die Ruhebezüge von Bundespräsidenten und Bundeskabinettsmitgliedern gesetzlich geregelt sind, zählt die Ausstattung mit Büros samt Personal zur Haushaltshoheit des Bundestages.

„Bereitstellung von Büroräumen aus pragmatischen Gründen ergibt keinen Sinn“

Gerhard Schröder stehen derzeit neun Stellen für sein Altkanzler-Büro zu, für die im vergangenen Jahr laut Bundestag 407.000 Euro aus der Staatskasse geflossen sind. Derzeit sind sie aber unbesetzt, weil die Mitarbeiter nach Kriegsausbruch gekündigt hatten und noch keine Nachfolger gefunden sind. Deshalb prüft der Haushaltsausschluss nun, die Stellen im Bundes-Etat für 2023 zu kürzen.

Vizepräsident Kubicki sagte dem RND dazu: „Ich gehe davon aus, dass der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages sehr sorgsam mit den Steuermitteln umgehen und eine weise Entscheidung in dieser Frage treffen wird.“ Wenn die Personalstellen bei Gerhard Schröder aktuell ohnehin nicht besetzt seien, „ergibt die Bereitstellung von Büroräumen aus pragmatischen Gründen keinen Sinn“.

Schröder steht in der SPD wegen seiner Tätigkeit für russische Staatskonzerne stark in der Kritik. SPD-Chefin Saskia Esken hatte ihn deshalb zuletzt zum Austritt aus der Partei aufgefordert. Gegen Schröder läuft auch bereits ein Parteiordnungsverfahren, das zu seinem Ausschluss aus der SPD führen könnte.

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Waffenlieferungen : Der eigentliche Machtkampf kommt erst noch

Die Union war vorgeprescht, nun legt die Ampel einen eigenen Entwurf zu Waffenlieferungen an die Ukraine vor. Doch eigentlich sind die Anträge ein Nebenschauplatz.

Seit Tagen streitet die Ampel-Koalition darüber, in welchem Umfang und mit welcher Art Waffen die Bundesregierung die Ukraine unterstützen soll. Im Zentrum des Konflikts steht Bundeskanzler Olaf Scholz: Seine Zurückhaltung wurde zuletzt sogar den eigenen Parteifreunden und den Abgeordneten von Grünen und FDP zu viel. Zugleich setzt die Union die Ampel-Fraktionen unter Druck, indem sie einen Antrag präsentierte: Sie fordert darin, "aus verfügbaren Beständen der Bundeswehr" alles, was möglich ist, zu liefern, "inklusive 'schwerer Waffen'".

Nun ist es den drei Koalitionsfraktionen immerhin gelungen, sich auf eine gemeinsame Position zu einigen: "Frieden und Freiheit in Europa verteidigen – umfassende Unterstützung für die Ukraine" ist ihr Antrag überschrieben, den sie gemeinsam in den Bundestag einbringen wollen. Sie versprechen darin, "die Lieferung benötigter Ausrüstung an die Ukraine fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtausches zu erweitern". Mit Ringtausch ist eigentlich ein Kettengeschäft gemeint: Drittländer liefern Waffen an die Ukraine, Deutschland ersetzt diese Waffen anschließend und bezahlt sie auch.

Die Ampel fordert außerdem, die "kurz-, mittel- und langfristige Ausbildung" ukrainischer Soldaten bei der Bedienung der gelieferten Waffensysteme zu ermöglichen. Vorausgesetzt, dass die eigene Verteidigungsfähigkeit nicht gefährdet wird und alles mit den westlichen Partnern abgestimmt ist.

Zwar hatte Bundeskanzler Scholz einen solchen Ringtausch bereits in der vergangenen Woche angekündigt. So sollte Slowenien T-72 Kampfpanzer sowjetischer Bauart an die Ukraine abgeben und zum Ausgleich Marder und Fuchs-Transportpanzer aus Deutschland erhalten. Es kommt aber aufs Detail an: Die Waffenlieferungen sollten "etwa im Rahmen des Ringtausches" erweitert werden, heißt es in dem Antragstext. Andere Möglichkeiten werden also nicht ausgeschlossen. Damit geht die Koalition zumindest ein wenig über ihre bisherige Position hinaus. Zudem wird angekündigt, man wolle "prüfen, ob weitere Waffen abgegeben werden können" – auch dabei bezieht man sich allerdings auf die Methode des Ringtausches und nicht auf direkte Lieferungen an die Ukraine.

Mehr als nur Waffenlieferungen

Allerdings stimmte die Bundesregierung unabhängig von diesem Antrag bereits direkten Lieferungen an die Ukraine zu – aus Industriebeständen: So dürfe der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW) gebrauchte Flugabwehrpanzer des Typs Gepard liefern, kündigte Verteidigungsministerin Christina Lambrecht bei einem Treffen der US-Regierung mit Verbündeten auf dem US-Stützpunkt Ramstein an. KMW hat nach eigenen Angaben derzeit über etwa 50 Gepards auf Lager, die man "relativ schnell" einsatzfähig machen könne. Sie wurden vor etwa zehn Jahren aus der Bundeswehr ausgemustert.

Der Antrag der Ampel-Fraktionen geht neben den Waffenlieferungen auch auf weitere Unterstützung der Ukraine ein. So sollen etwa "weitere Schritte mit Blick auf den Ausschluss russischer Banken aus Swift" folgen. Hinsichtlich des russischen Gasimports wird betont, dass Deutschland "schnellstmöglich unabhängig von Energie- und Rohstoffimporten" werden müsse. Dies war unter anderem SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wichtig, der betonte, die Debatte dürfe sich nicht allein auf militärische Aspekte konzentrieren. "Ich finde, die Diskussion der letzten Tage hat eine massive militaristische Schlagseite", kritisierte er in der ARD.  Die große Sorge, nicht nur von Mützenich, sondern auch von Scholz ist, dass sich durch Waffenlieferungen der Krieg ausweitet, im schlimmsten Fall sogar nukleare Waffen eingesetzt werden könnten – wie dies auch die jüngsten Drohungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow befürchten lassen. Unionspolitiker halten derartige Ängste für überzogen.

Da die USA, Frankreich und die Niederlande bereits schwere Waffen lieferten, gebe es keinen Grund zu der Annahme, dass ausgerechnet die Lieferung deutschen Materials die Lage eskaliere, sagte etwa Unionsfraktionsvize Johann Wadephul im Deutschlandfunk. Indem man diesen Zusammenhang herstelle, gebe man Russland vielmehr eine Eskalationschance und sende das falsche Signal, dass man nicht bereit sei, gegen Russland anzutreten.

Auch Kritiker zufrieden

Die Koalitionsfraktionen scheinen mit dem Antrag gleichwohl fürs Erste geeint. "Die Ausweitung des Ringtausches und die Lieferung der Gepard-Panzer ist ein sehr guter weiterer Schritt, den ich sehr befürworte", sagt etwa Ex-Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Er wirbt seit Wochen für die Lieferung schwerer Waffen und gehörte zu den schärfsten Kritikern der Scholzschen Zurückhaltung.

Dass man sich bei Grünen und FDP auch weitergehende Zusagen hätte vorstellen können, ist gleichwohl ein offenes Geheimnis. Dass der ein oder andere Abgeordnete der Ampel-Fraktionen deswegen der Unionsopposition den Gefallen tut, deren Antrag zuzustimmen, ist aber mehr als unwahrscheinlich.

Stattdessen soll nun die Union dazu bewegt werden, den Ampel-Antrag zu unterstützen. Man habe der Union den Antrag der Ampel-Fraktionen zukommen lassen und biete ihr an, Mitantragsteller zu werden, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel. Gemeinsames Handeln in wichtigen sicherheitspolitischen Fragen habe in Deutschland eine lange Tradition.

Gut möglich, dass die Unionsfraktion darauf eingeht: Deren Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz hatte sich am Montagabend grundsätzlich verhandlungsbereit gezeigt. Ähnlich zuversichtlich sind auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und der Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei. "Was man lesen kann, mutet sehr hoffnungsvoll an", sagte Frei. "Wir lehnen keinen Regierungsantrag ab, nur weil er von der Regierung ist." Dobrindt nannte den Antrag der Ampel eine "gute Basis" für gemeinsame Entscheidungen. Der Antrag der Union habe also "Wirkung auf die Ampel" gezeigt. Auch der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), nannte es einen Erfolg, dass die Bundesregierung sich nun klar zur Lieferung schwerer Waffen bekenne.

Zwischen dem Antrag der Union und dem der Ampel-Fraktionen besteht allerdings ein wesentlicher Unterschied: Während die Ampel vom Ringtausch spricht, fordert die Union stattdessen schlicht, "unverzüglich" und in "größtmöglichem Umfang" zu liefern. CDU und CSU zählen zudem ausführlich auf, was damit konkret gemeint sein könnte: "gepanzerte Waffensysteme (darunter Kampfpanzer und Schützenpanzer) und Artilleriesysteme, weitreichende Aufklärungsmittel, Führungsausstattungen, Schutzausrüstungen, Mittel zur elektronischen Kampfführung, Gewehre, Munition, Flugabwehrraketen, Panzerabwehrwaffen sowie aller weiterer erforderlichen Mittel zur Bekämpfung der russischen Invasionstruppen".

Die Ampel braucht die Union noch

Auch wenn es aus der Union positive Signale Richtung Ampel-Mehrheit gibt, behält sie sich derzeit weiter vor, doch den eigenen Antrag ins Plenum einzubringen – auf der Tagesordnung steht er bereits. Man werde abwarten und beobachten, ob die SPD-Fraktion am Dienstagabend noch Änderungen am Ampel-Antrag vornehme.

Viel Taktiererei und viel Symbolik – dennoch: Im Kern ist der Antrag ein Nebenschauplatz. Er verpflichtet die Bundesregierung zu nichts, fordert sie lediglich auf. Und das kann der Bundestag tun, egal, ob die Union mitstimmt oder nicht. Eine einfache Mehrheit reicht.

Viel relevanter ist hingegen das geplante Sondervermögen für die Bundeswehr: 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Truppe, von Bundeskanzler Scholz angekündigt, als Russland die Ukraine überfiel. Das steht am Mittwochnachmittag in erster Lesung auf der Tagesordnung im Bundestag. Und weil dafür das Grundgesetz geändert werden soll – was nur mit Zweidrittelmehrheit geht –, sind hier die Stimmen der Union unverzichtbar, denn von der AfD oder der Linken ist keine Zustimmung zu erwarten. Noch laufen die Verhandlungen. Über die Stimmung gibt man sich zugeknöpft.

Die Union fordert konkret: Ein Wirtschaftsplan soll her – das heißt, es soll konkret benannt werden, wofür das Geld überhaupt ausgegeben werden soll. Außerdem verlangt die Union neben weiteren Bedingungen einen Tilgungsplan für diesen Schuldenberg. Besonders strittig ist, ob das Geld ausschließlich für militärische Zwecke ausgegeben werden soll, wie die Union das will, oder ein erweiterter Sicherheitsbegriff zugrunde gelegt werden soll, wie die Grünen sich das wünschen. Dazu gehörte dann etwa auch die Förderung der Energieunabhängigkeit oder Maßnahmen zur Verbesserung der Cybersicherheit. Der eigentliche Machtkampf zwischen Ampel und Union steht also noch aus.

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Der Fall Schröder soll Folgen haben: Bei den Kosten für Altkanzler-Büros bahnt sich eine Reform

Über 400.000 Euro kostete 2021 die Ausstattung des Büros von Gerhard Schröder, bei Angela Merkel wird es noch viel mehr. Nun plant die Ampel eine Kostenbremse.

Der Flur ist verwaist, die Türen sind zu. Seit Gerhard Schröders Mitarbeiter gekündigt haben, wirkt die Etage mit mehreren Büros im Bundestagsgebäude Unter den Linden 50 verlassen. Der Fall des Altkanzlers, der nicht mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin brechen und auch nicht seine Aufsichtsratsmandate für russische Konzerne niederlegen will, wird nun Konsequenzen haben.

Bei den Kosten für die Altkanzler-Büros bahnt sich eine generelle Reform an, unabhängig davon, ob Schröder wegen seines Sonderfalls die Finanzierung sofort gekappt werden könnte, die Union attackiert ihn scharf.

Auch für Altkanzlerin Angela Merkel könnte die Folgen haben. Ihr Büro verfügt immerhin über neun Stellen. Aber seit ihrem Ausscheiden aus dem Amt tritt die CDU-Politikerin fast gar nicht mehr öffentlich in Erscheinung. Auch zu ihrer Russland-Politik will sie sich bisher nicht erklären, weshalb in der Ampel-Koalition nach dem Sinn und Zweck der sehr üppigen Ausstattung gefragt wird.

Was die Büros bisher kosten - Merkel hat allein neun Stellen

Eine dem Tagesspiegel vorliegende Auflistung gibt Einblick in die Ausgaben für ihr Büro. So umfasst es zwei B6-Stellen, eine wurde zuletzt mit 10.883 Euro im Monat vergütet, die andere mit 12.746 Euro im Monat. B6 entspricht dem Rang eines Präsidenten einer mittleren Bundesbehörde. In Schröders Büro gibt es immerhin noch eine – derzeit unbesetzte – B6-Stelle.

Für das Merkel-Büro fallen nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt bisher etwa 66.000 Euro im Monat an. Das Schröder-Büro kostete nach der vorliegenden Auflistung im vergangenen Jahr den Steuerzahler an Personalkosten insgesamt 418.531 Euro, davon 11.789 Euro an Reisekosten. Merkels Büro könnte im laufenden Jahr knapp 800.000 Euro kosten.

Was als Reform diskutiert wird: Vier Jahre üppige Finanzierung, dann weniger

Doch im Haushaltsausschuss des Bundestags wird nach Tagesspiegel-Informationen nun folgende Reform diskutiert - bis zur sogenannten Bereinigungssitzung am 19. Mai soll diese stehen: So könnten zum Beispiel alle vier Jahre Mitarbeiter reduziert und andere Nebenverdienste mit einberechnet werden, um die Kosten deutlich zu drücken - das ist ein Vorschlag der FDP.

Auch das Kanzleramt ist eingebunden, letztlich geht es um eine Regelung, die später auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) betreffen wird. Über die Büros werden unter anderem Termine, Auftritte, Publikationen, öffentliche Anfragen und Schirmherrschaften organisiert.

Die Finanzierung ist komplex: Über das Bundeskanzleramt werden die Personalkosten getragen. Die Büroräume selbst werden wiederum über die Bundestagsfraktion zur Verfügung gestellt, deren Partei der Altkanzler angehört. Wenn zum Beispiel Schröder aus der SPD ausgeschlossen würde, könnte ihm die Fraktion auch die Büroetage Unter den Linden 50 entziehen. Die Organisation von Dienstfahrzeugen und Personenschutz läuft wiederum über das Bundesinnenministerium.

Kubicki stellt vor allem Merkels Ausstattung in Frage

Vor allem die FDP macht in der Ampel-Koalition Druck für Einsparungen, allerdings müssten dann auch die Regelungen für frühere Bundes- und Bundestagspräsidenten vereinheitlicht werden.

„Ich halte es für unabdingbar, die grundsätzliche Diskussion zu führen, inwieweit diese Nachlaufbüros von Bundeskanzlern im Zweifel noch über Jahrzehnte personell voll ausgestattet sein müssen“, hatte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki zuletzt dem RND gesagt. Daher sei auch die Frage berechtigt, ob Merkel ein doppelt ausgestattetes Büro dauerhaft benötige, „während bei den ranghöheren Bundestagspräsidenten eine zeitliche Befristung gilt“.

FDP-Chef: Schröders Büro kann nicht mehr vom Steuerzahler bezahlt werden

Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner ist dafür, dass als Erstes die staatliche Unterstützung für Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) gestrichen wird. „Ehemalige Inhaber von Spitzenämtern, die offenbar an der Seite verbrecherischer Regierungen stehen, können nicht auf die Unterstützung dieses Staates zählen“, sagte Lindner der „Funke“-Mediengruppe.

Es sei für ihn nicht mehr vorstellbar, dass Schröder weiter ein Büro vom Steuerzahler gestellt werde. Frühere Kanzler und Bundespräsidenten sollten grundsätzlich weiterhin Büros und Mitarbeiter zur Verfügung gestellt bekommen, weil sie nach dem Ausscheiden noch Verpflichtungen hätten. Allerdings nähmen diese mit der Zeit ab. „Also es wäre ratsam, die Ausstattung ehemaliger Inhaber von Spitzenämtern zu vereinheitlichen und mit der Zeit zu reduzieren.“

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Der Coup
Während Kanzler Scholz noch immer die ukrainische Absage an den Bundespräsidenten verarbeitet, reist der Oppositionsführer nach Kiew. Merz schafft zweierlei: die Ampel zu düpieren und ein wichtiges Signal an die Ukraine zu senden.

Friedrich Merz ist zu spät. Der Zug, der den deutschen Oppositionsführer in die ukrainische Hauptstadt brachte, verzögerte sich ein wenig. Nichts Ungewöhnliches für ein Land im Kriegszustand. Russland hatte zuletzt auch Bahnstrecken mit Raketen angegriffen. Immer wieder fallen Züge aus oder müssen Umwege nehmen. Keine ungefährliche Reise also, der Merz-Zug kommt dennoch heil in Kiew an.

Politisch ist Merz nicht zu spät, im Gegenteil. Er ist früher als alle anderen. Vor allem: früher als Kanzler Scholz und seine Ampelregierung. Weil er "nur" Oppositionschef ist, also keine konkreten Zusagen mitbringen kann, reiste der CDU-Chef begleitet von reichlich Kritik in die ukrainische Hauptstadt. "Kriegstourismus", sagten die einen. Andere warfen ihm parteitaktisches Kalkül vor: Ihm ginge es nur darum, den Kanzler zu düpieren, weil der zu Hause bleibt.

CDU-Chef Friedrich Merz (l.) mit dem Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter (2.v.l.) und t-online-Reporter Daniel Mützel (2.v.r.) in Kiew.
CDU-Chef Friedrich Merz (l.) mit dem Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter (2.v.l.) und t-online-Reporter Daniel Mützel (2.v.r.) in Kiew. (Quelle: Pavlo Bagmut/imago-images-bilder)

Kiew "weiterhin keine sichere Stadt"

Vor einem Hotel in Kiew, dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht erwähnt werden darf, erspäht man ihn am Dienstagvormittag kurz auf dem Treppenaufgang. Er spricht mit seinem Begleiter, CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter, dann verschwindet er in dem hohen Gebäude.

Medienwirksamer Auftritt: Merz' Besuch in Irpin wurde von zahlreichen Reportern begleitet.
Medienwirksamer Auftritt: Merz' Besuch in Irpin wurde von zahlreichen Reportern begleitet. (Quelle: Daniel Mützel/T-Online-bilder)

Ein Mitglied aus Merz' Delegation erscheint mit ballistischer Schutzweste, die das Bundeskriminalamt zur Verfügung gestellt hat. "Immerhin haben wir Ausrüstung bekommen. Mitkommen wollten sie nicht", scherzt er.

Wenig später geht es los. Die Reisegruppe Merz brettert mit Sirene und Vollgas durch die Straßen und die Checkpoints der Hauptstadt. Lastwagen und Autos müssen weichen, das ukrainische Sicherheitsprotokoll ist strikt.

Der Konvoi fährt vorbei an der zerstörten Brücke des Kiewer Vororts Irpin, die provisorisch wieder aufgebaut wurde nach der Befreiung von russischen Truppen. Die Bilder des eingefallenen Brückendachs gingen um die Welt, als Zivilisten verzweifelt versuchten, während der russischen Angriffe über den Fluss zu fliehen.

Irpin ist Merz' erste und einzige Station außerhalb der ukrainischen Hauptstadt. "Kiew ist weiterhin keine sichere Stadt", hatte Bürgermeister Vitali Klitschko vor wenigen Tagen gewarnt. Zuvor war ein russischer Marschflugkörper in ein Wohnhaus geflogen und hatte eine Journalistin getötet. Anlass war vermutlich der Kiew-Besuch des UN-Generalsekretärs António Guterres. Eine toxische Grußbotschaft aus Moskau. Auch während des Merz-Aufenthalts könnten Raketen einschlagen. "Es ist kein Geheimnis, dass Kiew ein Ziel der Angreifer war und ist", so Klitschko vergangene Woche.

Merz' erster Stopp in Irpin ist das zerbombte Kulturzentrum der Stadt. Der Bürgermeister erklärt dem deutschen Oppositionschef, wie brutal die russische Armee in dem Ort vorgegangen ist. "50 Prozent der Stadt sind zerstört. 300 Bewohner wurden getötet", erklärt Oleksandr Markushyn dem ernst blickenden Merz. Ohne den beherzten Kampf der ukrainischen Armee wären es noch mehr geworden, so Markushyn.

Kühlschränke gefüllt mit toten Soldaten

"Sie kämpfen einen heldenhaften Kampf. Das ist großartig", sagt Merz und nickt anerkennend. Es ist ein bedeutender Moment: Der Bürgermeister dieser vom russischen Vernichtungswillen gezeichneten Stadt erzählt dem Chef der größten deutschen Oppositionspartei, was Putins Truppen angerichtet haben. Markushyn redet schnell, detailreich. Man spürt, ihm ist das Gespräch wichtig.

Friedrich Merz schaut in das zerstörte Kulturzentrum von Irpin.
Friedrich Merz schaut in das zerstörte Kulturzentrum von Irpin. (Quelle: Daniel Mützel/T-Online-bilder)

Der CDU-Chef hört bedächtig zu, fragt nach, wenn er mehr wissen will, etwa wie viele Flüchtlinge nach Irpin zurückgekommen sind (Antwort: "Circa 20.000") oder was mit den toten "sowjetischen" Truppen (er sagt das mehrmals, meint aber russische) geschieht. Antwort: "Unsere Kühlschränke sind voll."

Richtig ins Staunen kommt Merz, als er von der massiven Unterlegenheit der ukrainischen Kräfte gegenüber den russischen Angreifern erfährt. "Eins zu acht?" wiederholt er mit ungläubiger Miene und blickt anerkennend zum Bürgermeister.

Auf den Spuren des UN-Generalsekretärs

Bevor es zurück nach Kiew geht, wo der CDU-Chef den politischen Teil absolvieren wird, legt der Konvoi einen weiteren Stopp ein, der das Ausmaß der Zerstörung in Irpin veranschaulicht. Am selben Ort war vor wenigen Tagen UN-Generalsekretär Guterres gewesen. "Krieg ist böse", sagte der Portugiese bei seinem Besuch in den Trümmern, sichtlich mitgenommen von den Spuren der Vernichtung.

Merz findet eine andere Sprache, nüchterner, Merziger. "Der Bürgermeister hat sehr eindrucksvoll gerade geschildert, was hier passiert ist, welche Opfer hier zu beklagen sind, aber auch welche großartige Leistung von der ukrainischen Armee vollbracht worden ist. Ich kann nur sagen: jeden Respekt. Große Anerkennung." Es klingt ein wenig, als würde er einen langjährigen Mitarbeiter verabschieden.

Ein zerstörtes Haus in Irpin: Wochenlang leistete die ukrainische Armee in dem Vorort von Kiew erbitterten Widerstand.
Ein zerstörtes Haus in Irpin: Wochenlang leistete die ukrainische Armee in dem Vorort von Kiew erbitterten Widerstand. (Quelle: Daniel Mützel/T-Online-bilder)

Merz ist die meiste Zeit ernst, nur gelegentlich fällt er aus der Rolle, lächelt in der Traube von Kameraleuten oder scherzt mit der ukrainischen Abgeordneten Halyna Yanchenko, nimmt sie kurz in den Arm.

In einem Twitter-Post kurz zuvor schrieb Merz, er habe eine Nacht im Schlafwagen verbracht und stehe vor einer "interessanten Reise". Es klang ein wenig nach Selbsterfahrungstrip. Doch das war es nicht. Oder zumindest nicht nur.

Die Überraschung

Denn nach der Rückkehr aus Irpin gelingt dem CDU-Chef ein Coup: etwas, das bislang kein deutscher Politiker seit Invasionsbeginn geschafft hat – ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Aus dem Umfeld von Merz hieß es zu t-online, das Gespräch am Dienstagnachmittag dauerte "deutlich über eine Stunde" und war "atmosphärisch und inhaltlich außerordentlich gut". Über die Details der Gespräche wolle Merz zeitnah mit dem Bundeskanzler Scholz sprechen.

Bei Merz' Besuch in der Ukraine gelten strenge Sicherheitsvorkehrungen der Gastgeber.
Bei Merz' Besuch in der Ukraine gelten strenge Sicherheitsvorkehrungen der Gastgeber. (Quelle: Daniel Mützel/T-Online-bilder)

Um Merz zu treffen, nahm Selenskyj sogar zurück, was er westlichen Politikern mal als Mahnung mitgegeben hatte: Sie bräuchten ohne konkrete Zusagen gar nicht erst in Kiew aufzuschlagen. Für den deutschen Oppositionsführer machte der ukrainische Präsident offenbar eine Ausnahme.

Neben dem Präsidenten traf Merz zudem Ex-Präsident Petro Poroschenko sowie die beiden Klitschko-Brüder. Aus deutscher Sicht die bekanntesten Köpfe des ukrainischen Widerstands. Merz bekam sie alle zu Gesicht.

Und so schafft der CDU-Chef mit seinem aus Deutschland viel kritisierten Kurzbesuch gleich zwei Dinge: Er sendet eine symbolisch wichtige Botschaft der Solidarität mit der Ukraine. Und er lässt Bundeskanzler Scholz noch ein wenig kleiner wirken, weil der noch immer an der ukrainischen Absage von Bundespräsident Steinmeier zu kauen hat.

Kurz nach der Bekanntgabe der Merz-Reise hatte übrigens Außenministerin Annalena Baerbock verkündet, sie wolle nach Kiew reisen. Auch wenn Merz sicher parteipolitische Motive für eine solche Reise zum jetzigen Zeitpunkte unterstellt werden können, war sie vielleicht gerade nötig, um den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen.

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Pandemie: Bundestag beschließt Steuererleichterungen

Die Corona-Pandemie tritt im politischen Alltag mehr und mehr in den Hintergrund, ihre Folgen sind aber weiter teils schmerzhaft zu spüren.

Der Bundestag hat deshalb steuerliche Erleichterungen beschlossen, die Bürgern und Unternehmen durch die Krise helfen sollen. Betriebe bekommen damit unter anderem Anreize für mehr Investitionen, die angesichts des Ukraine-Kriegs auszubleiben drohen.

Die Ampel-Koalition besserte den Entwurf der Bundesregierung noch einmal deutlich nach, verlängerte etwa Fristen für die Steuererklärung und hob die Summe an, bis zu der der sogenannte Pflegebonus steuerfrei bleibt. Im Bundestag stimmte schließlich nicht nur die Koalition, sondern auch die oppositionelle Union zu. Viele sinnvolle, noch von der früheren schwarz-roten Regierung eingeführte Regelungen würden verlängert, sagte der Unions-Abgeordnete Fritz Güntzler. Etwa bei der Verlustverrechnung für Unternehmen hätte aber noch mehr passieren müssen.

Folgende Maßnahmen wurden beschlossen:

Homeoffice-Pauschale auch für 2022

Arbeitnehmer können auch für dieses Jahr in der Steuererklärung eine Homeoffice-Pauschale geltend machen. Pro Tag Arbeit von zuhause kann man fünf Euro ansetzen, maximal aber 600 Euro im Jahr. Das ist unabhängig davon, ob man ein extra Arbeitszimmer hat oder aus Wohnzimmer oder Küche arbeitet. Allerdings zählt die so erzielte Summe zu den Werbungskosten, für die allen Steuerzahlern pauschal ohnehin 1000 Euro angerechnet werden. Nur wer mit seinen Ausgaben über diese 1000 Euro kommt, profitiert also von der Sonderregel. Koalitionsabgeordnete deuteten an, die Regelung in einem weiteren Schritt möglicherweise zu entfristen und dauerhaft anzuwenden.

Degressive Abschreibung

Die degressive Abschreibung für sogenannte bewegliche Wirtschaftsgüter wie Maschinen oder Fuhrparks wird um ein Jahr verlängert. Unternehmen können damit in den ersten Jahren nach einer Anschaffung größere Summen abschreiben als normal. In den Folgejahren sind die Abschreibungsbeträge dafür dann geringer. Das soll einen Anreiz setzen, zu investieren, obwohl die wirtschaftliche Lage gerade unsicher ist.

Verrechnung von Verlusten

Unternehmen können gegenwärtige Verluste in größerem Umfang als bisher mit Gewinnen aus den beiden Vorjahren verrechnen. Dadurch sinken etwa Vorauszahlungen. Außerdem bekommt man zu viel gezahlte Steuern früher zurück. Die erweiterte Verlustrechnung wird bis Ende 2023 verlängert. Für 2022 und 2023 wird der Höchstbetrag zudem auf 10 Millionen Euro angehoben.

Längere Fristen für die Steuererklärung

Steuerzahler bekommen mehr Zeit für die Abgabe ihrer Steuererklärungen. Wer seine Erklärung für 2021 alleine macht, hat nun bis Ende Oktober 2022 Zeit. Wer einen Steuerberater hat, muss erst Ende August 2023 abgeben. Auch in den kommenden Jahren gibt es längere Fristen. Die Steuerberater hatten zuletzt von einem hohen Arbeitsaufkommen berichtet, weil sie für Firmen auch das Beantragen von Wirtschaftshilfen übernehmen und sich um das Kurzarbeitergeld kümmern.

Corona-Boni bis 4500 Euro steuerfrei

Viele Beschäftigte in der Pflege, in Krankenhäusern und Praxen bekommen von ihren Arbeitgebern Corona-Boni. Der Bundestag regelte nun, dass diese Zahlungen bis zu einer Höhe von 4500 Euro steuerfrei bleiben. Bei den Beschäftigten soll möglichst viel von dem Geld auch wirklich ankommen. Das gilt für Sonderzahlungen unter anderem für Mitarbeiter in Krankenhäusern, in der Intensivpflege, für ambulante Pflegekräfte und Beschäftigte in Pflegeheimen, aber auch in bestimmten Rehaeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie im Rettungsdienst.

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Transparenz: Wie viel Geld verdient ein Bundestagsabgeordneter?

Zwei Parlamentarier aus dem Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen legen ihre Einkünfte detailliert offen. Eine Geschichte über Sondertöpfe, Nebenverdienste und die Frage, was genau eigentlich Lobbyismus ist.

Im Deutschen Bundestag werden die Einwohner des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen von zwei Politikern vertreten: Karl Bär von den Grünen und Alexander Radwan von der CSU.

© Kay Nietfeld/dpaIm Deutschen Bundestag werden die Einwohner des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen von zwei Politikern vertreten: Karl Bär von den Grünen und Alexander Radwan von der CSU.

Wie viel Geld verdient ein Bundestagsabgeordneter?

Über Geld, speziell das monatliche Einkommen, zu sprechen, das ist vielen Menschen eher unangenehm. Doch wenn es sich um einen Volksvertreter handelt, der für diese Arbeit über Steuergelder entlohnt wird, gibt es ein berechtigtes Interesse eben jenes Volkes, das da vertreten wird. Denn welche Gelder warum wie an wen fließen, lässt Rückschlüsse darauf zu, welche Interessen da wirklich im Vordergrund stehen. Nur: Was neben den bekannten Diäten sonst noch so im Geldbeutel der Politiker landet und wofür es verwendet wird, ist nicht immer öffentlich notiert. Der Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat aktuell zwei gewählte Vertreter im Bundestag: Karl Bär von den Grünen und Alexander Radwan von der CSU. Beide haben sich freiwillig der Transparenz verschrieben, was ihre Einkünfte und Nebeneinkünfte angeht. Zeit also, die Versprechen auch einzulösen und das Portemonnaie offenzulegen.

Karl Bär ist Grünen-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis 223 Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach, Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Digitales und im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

© Manfred NeubauerKarl Bär ist Grünen-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis 223 Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach, Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Digitales und im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.
Alexander Radwan ist CSU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis 223 Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Außerdem ist er stellvertretendes Mitglied im Unterausschuss Vereinte Nationen, internationale Organisationen und zivile Krisenprävention.

© Claudia KoestlerAlexander Radwan ist CSU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis 223 Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Außerdem ist er stellvertretendes Mitglied im Unterausschuss Vereinte Nationen, internationale Organisationen und zivile Krisenprävention.

"Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages", heißt es im sogenannten Abgeordnetengesetz. Die Volksvertreter sollen ihre Zeit und ihre Arbeitskraft vor allem den Aufgaben im Bundestag und im Wahlkreis widmen. Dafür werden sie bezahlt, aus Steuergeldern. Diese sogenannte Abgeordnetenentschädigung ist im Juli wieder gestiegen: Aktuell sind es 10 323,29 Euro brutto im Monat. Aber: Abgeordnete dürfen, solange das Bundestagsmandat im Mittelpunkt steht, trotzdem Nebentätigkeiten nachgehen. Auch das steht im Gesetz. Und genau hier beginnt ein Bereich, der sich schwer ab- und eingrenzen lässt und damit potenziell Raum bietet für Interessenskonflikte oder gar Vorteilsnahmen bis hin zu handfesten Skandalen, so wie die Maskenaffäre kürzlich.

Radwan hatte sich unmittelbar nach der Maskenaffäre 2021 bereits mit einem Statement und einer Auflistung seiner Einnahmen an die Öffentlichkeit gewandt und auf Nachfrage bestätigt, dass sich daran nichts geändert habe. Bär wiederum hatte im Wahlkampf Transparenz versprochen und legte kürzlich im Rahmen eines Pressetermins seine Einkünfte offen.

Die Höhe der sogenannten Diät - eben jenen 10 323,29 Euro brutto im Monat - ist stets öffentlich und bei beiden gleich. Weihnachts- oder Urlaubsgeld gibt es nicht, Einkommenssteuer muss abgeführt werden. Für Kranken- und Pflegeversicherung sind etwa 500 Euro im Monat fällig, den gleichen Betrag steuert der Bund bei. Rentenbeiträge zahlt Bär nicht, darf aber - wie Radwan - auf eine monatliche Pension in Höhe von rund 1000 Euro je Legislatur-Periode zählen.

Die Bahncard für die 1. Klasse hat einen Wert von 7010 Euro

Mitglieder des Bundestags haben darüber hinaus die Möglichkeit, auf Sondertöpfe zurückzugreifen. Konkret sind das laut Bär vier: So wird Abgeordneten eine Netzkarte der Deutschen Bahn in der 1. Klasse zur Verfügung gestellt, Gegenwert: 7010 Euro. Mitarbeiter muss ein Bundestagsabgeordneter nicht aus eigener Tasche bezahlen, hierfür gibt es eine Mitarbeiter-Pauschale in Höhe von bis zu 23 205 Euro im Monat. Die Abrechnung erfolgt über die Bundestagsverwaltung.

Für Bär arbeiten derzeit neun Menschen, zwei davon Vollzeit. Die dritte Möglichkeit, sich finanziell besser zu stellen, ist wiederum eine direkte Zuwendung: Abgeordnete erhalten eine "steuerfreie Aufwandspauschale" zur Ausübung des Mandats in Höhe von 4583,39 Euro monatlich. Von diesem Betrag können Mieten bezahlt, im Falle Bärs etwa die 750 Euro für die WG in Berlin, oder der Kauf eines gebrauchten Elektro-Autos finanziert werden. Eine Kontrolle über die Verwendung dieser Summe gibt es nicht. Der vierte Topf ist das sogenannte Konto für Sachleistungen (KoSa). Zusätzlich zur steuerfreien Aufwandspauschale können Bundestagsabgeordnete bis zu 12 000 Euro im Jahr hierüber geltend machen, etwa für Anschaffungen im Büro, in der IT oder eine Kaffeemaschine.

Für die Ausübung des Mandats selbst dürfen die Bundestagsabgeordneten keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen annehmen, so steht es im Abgeordnetengesetz. Würden sie das doch tun, wäre die Grenze zur Strafbarkeit schnell überschritten. Aber: Abgeordnete dürfen eben auch Nebentätigkeiten nachgehen - solange die Arbeit im Bundestag nicht darunter leidet. Tätigkeiten und Einkünfte, die auf mögliche Interessenverknüpfungen hinweisen können, müssen dem Bundestagspräsidenten angezeigt und veröffentlicht werden.

Darüber hinaus müssen alle Einkünfte ab einer Summe von 1000 Euro monatlich oder 10 000 Euro jährlich angezeigt werden. Auch die werden veröffentlicht. Dabei wird auch angegeben, von welchem Vertragspartner für welche Tätigkeit Geld geflossen ist. Diese Transparenzregeln sollen dafür sorgen, dass sich die Wählerinnen und Wähler selbst ein Bild machen können über mögliche Interessenverknüpfungen. Das schützt aber eben nicht vor einem Graubereich, in dem die Grenzen zwischen moralisch fraglich oder gar verwerflich und strafrechtlich relevant verschwimmen können. So wie bei der Maskenaffäre.

Bär erklärt hierzu kurz und knapp, dass er "keinerlei Nebeneinkünfte" beziehe. Anders Alexander Radwan: "Ich bin Of Counsel bei einer Anwaltskanzlei", sagt der. Er sei in keinem Mandat tätig, sondern berate insbesondere zu europarechtlichen Themen und deren nationaler Anwendung. "Interessenskonflikte entstehen somit nicht", betont er. "Ich war schon vor meinem Mandat in der Kanzlei tätig und möchte den Kontakt halten, um auch nach einem möglichen Ausscheiden aus der Politik noch ein berufliches Standbein zu haben", begründet er die Tätigkeit.

Hinzu kommen bei Radwan verschiedene Ämter und Engagements, die zum Großteil ehrenamtlich sind. "Für zwei Ämter, in die ich berufen oder benannt wurde, erhalte ich Entgelt", sagt er. Für das Engagement als Vertrauensmann bei der Bayerischen Landesbausparkasse wurde er von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bestellt, die auch das Entgelt festsetzt, als Mitglied des Beirats für sparkassenpolitische Grundsatzfragen beim Sparkassenverband Bayern wurde er von der CSU Landesgruppe benannt. Als Mitglied des Kreistags Miesbach erhalte er außerdem Sitzungspauschalen.

Konkret in Zahlen genannt: Als Of Counsel erhalte er 1500 Euro monatlich plus Umsatzsteuer. Als Vertrauensmann bei der Bayerischen Landesbausparkasse habe er 2020 für das erste Halbjahr 4023,30 Euro, inklusive 19 Prozent Umsatzsteuer, und für das zweite Halbjahr 3921,86 Euro, inklusive 16 Prozent Umsatzsteuer, erhalten. Als Mitglied des Beirats für sparkassenpolitische Grundsatzfragen beim Sparkassenverband Bayern erhalte er 2500 Euro jährlich, hinzu komme ein Sitzungsgeld von 400 Euro pro Teilnahme. Der Betrag sei aber auf 3700 Euro pro Jahr gedeckelt, mehr als drei Sitzungen würden also nicht entschädigt. 2020 hätten sich die Einkünfte inklusive Fahrtkosten auf 3336 Euro belaufen. Als Mitglied des Kreistags erhalte Radwan je Teilnahme an einer Fraktionssitzung oder einer Sitzung des Kreistags 100 Euro Aufwandsentschädigung.

Neben der Darlegung der Einkünfte hat Karl Bär zudem eine Liste der Interessensvertreterinnen und -vertreter veröffentlicht, mit denen er sich nicht-öffentlich in Berlin zu einem Gespräch getroffen hat - sogenannte Lobbykontakte. Vom 20. Oktober 2021 bis einschließlich 7. Juli 2022 waren das 47 solcher Treffen, überwiegend mit Bauernverbänden, Vertretern ökologischer Lebensmittelproduktionen und Umweltorganisationen. Darunter war ein Treffen mit der "International Justice Mission", dem Pflanzenschutz- und Düngemittelhersteller Sumi-Agro, dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD), der Klimaschutzorganisation GermanZero und dem Deutschen Falkenorden (DFO). Außerdem besuchte Bär die Party zum 20-jährigen Jubiläum des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und das Sommerfest der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Mit dem Agrarausschuss, in dem Bär Obmann ist, fährt er zudem im Herbst für zwei Wochen nach Sambia und Kenia.

Wann ist Interessenvertretung Lobbyismus?

Radwan hält bei der Frage nach Lobbyismus die Grenzziehung für schwierig, denn auch ein Bio- oder Naturschutzverband vertrete ja letztlich eigene Interessen. Auf der anderen Seite müsse man sich als Volksvertreter informiert halten, und zwar möglichst breit. Natürlich pflege er aus eben diesem Grund Kontakte, achte aber sorgsam darauf, keine Vorteile zu nehmen. Er listet die Treffen nicht auf, aber nennt Beispiele. Im Sommer etwa tourt Radwan regelmäßig durch seinen Wahlkreis und trifft sich dabei auch mit Almbauern, Vertretern des Bunds Naturschutz, der Dehoga oder regionalen Unternehmen - die alle ihre Interessen darlegen. "Für mich ist das Wahlkreisarbeit, damit ich weiß, was es für Sorgen und Nöte gibt. Ich brauche diese Eindrücke für die Arbeit."

Eine genaue Grenzziehung sei da aber oft schwierig: "Wenn ich mich mit einem Dehoga-Vertreter und einem Hotelier ohne Verbandsfunktion treffe, spreche ich ja mit beiden trotzdem über die gleichen Themen." Vorteile nehme er freilich in keinem Fall entgegen. Halt, nein, ein einziges Mal habe er heuer doch etwas angenommen, bei der Dehoga: einen Zwetschgendatschi. Dessen Gegenwert dürfte aber eher unter freundliche Geste fallen denn unter Vorteilnahme.

Radwan gibt aber zu bedenken, dass unter die Lobbyistenkontakte auch Vertreter von sogenannten Nichtregierungsorganisationen (NGO oder NRO) fallen können: "Lobbyismus ist allumfassend", warnt er. Er befürwortet deshalb die strengen Konsequenzen, die CSU und CDU aus der Maskenaffäre gezogen hätten. "Es braucht jetzt eine echte Transparenz-Offensive, um das Vertrauen in die Politik zu stärken", hatte er bereits 2021 erklärt. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Teile der Politik ihr Mandat zur persönlichen Bereicherung ausnutzen." Er trage deshalb "zur Aufklärung und Transparenz gerne meinen Teil bei". Wichtig sei ihm nur, dass sich jeder Bürger oder Unternehmer stets vertrauensvoll an ihn wenden könne, "ohne befürchten zu müssen, gleich auf einer Liste aufzutauchen". Bär indes sagt, er möchte mit gutem Beispiel vorangehen - "in der Hoffnung, dass andere Abgeordnete verschiedener Parteien das auch tun".

Transparenz in der Mittelverwendung und für Treffen mit Lobbyistinnen und Lobbyisten schmälere den Raum für Korruption "und schützt vor demokratiefeindlichen Verschwörungstheorien", schließt Bär. Seine persönliche Auflistung hat er deshalb nun nicht nur ins Internet gestellt, sondern auch ins Schaufenster seines Wahlkreisbüros in Holzkirchen gehängt. Frei nach seiner Leitlinie des "gläsernen Abgeordneten".

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