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News zur Bundesregierung

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Analyse von Thomas Jäger - Die gefährliche Russland-Denkblase unseres Kanzlers

Bundeskanzler Scholz hat die sicherheitspolitische und militärische Handlungsfähigkeit Deutschlands nicht mit Druck verfolgt und fast ein Jahr quasi untätig verstreichen lassen. Das hat damit zu tun, dass sich die deutsche Politik in Punkto Russland in einer gefährlichen Denkblase eingenistet hat.

Bundeskanzler Olaf Scholz. Michael Kappeler/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz. Michael Kappeler/dpa© Michael Kappeler/dpa

Die Zeitenwende, die Bundeskanzler Scholz ankündigte, kommt nicht voran. Zum Jahresende 2022 beklagte die Wehrbeauftragte Eva Högl, dass weder die Strukturen zur rascheren Beschaffung für die Bundeswehr geschaffen worden seien, noch ausreichend Personal rekrutiert wurde – 20.000 Dienstposten seien nicht besetzt – und die Ausstattung sei schlechter als vor dem Krieg.

Damals hatte Heeres-Inspekteur Generalleutnant Alfons Mais gesagt: „Die Bundeswehr, das Heer das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da.“ Nach zehn Monaten Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, steht die Bundeswehr noch schlechter da.

Högl bemängelt jetzt, es fehle der Bundeswehr „an persönlicher Ausstattung wie Helmen, Rucksäcken, Schutzwesten sowie kleinerem und großen Gerät – von Funkgeräten, Munition bis zu Panzern... Die Bundeswehr hat fast von allem zu wenig."

Deutschland leidet unter seiner sicherheitspolitischen Trittbrettfahrer-Mentalität

Das hat auch damit zu tun, dass die Ukraine, die Deutschland zu Beginn des Kriegs mit 5000 Helmen unterstützen wollte, inzwischen Waffen und Munition erhielt. Doch verwundert es gleichzeitig, dass die Ausstattung der Bundeswehr so schleppend verläuft, wenn diesem Ziel der Kanzler doch so viel Bedeutung zumisst.

Zwar wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Deutschland sicher, weil durch die NATO-Verbündeten geschützt sei. Doch ist dies genau die sicherheitspolitische Trittbrettfahrer-Mentalität, die Deutschland schon lange vorgeworfen wird. Gleichzeitig beachtet diese Nachlässigkeit die deutschen Verpflichtungen gegenüber die NATO nicht ausreichend.

Warum hat der Bundeskanzler die sicherheitspolitische und militärische Handlungsfähigkeit nicht mit mehr Druck verfolgt und fast ein Jahr, ein Viertel seiner Regierungszeit, quasi untätig verstreichen lassen?

Eine Antwort findet sich, wenn gefragt wird, auf welchem Weg Scholz meint, dass der Krieg in der Ukraine beendet werden kann. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagte Bundeskanzler Scholz Mitte Dezember 2022 über die Beendigung des Kriegs: „Russland muss einsehen, dass das so nicht weitergeht. Putin muss den Krieg beenden, Truppen zurückziehen und so die Möglichkeit für eine gegenseitige Verständigung schaffen.“

Die Konstanz, mit der Scholz von „Meinungsverschiedenheiten“ spricht, ist ein bedeutsamer Hinweis darauf, was er wirklich denkt

Die anschließende Frage: „Halten Sie es denn für möglich, dass das 2023 passiert? Und was können Sie dafür tun?“ beantwortete er so: „Wann wir an diesen Punkt gelangen, kann ich heute nicht sagen. Wichtig ist, dass wir trotz der großen Meinungsverschiedenheiten den Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen lassen. Wenn wir nicht sprechen, wird es noch unwahrscheinlicher, dass Russland den Krieg beendet.“

Über die Formulierung, dass es „Meinungsverschiedenheiten“ mit Russland gäbe, ist schon ausreichend Kritik geschrieben worden. Am treffendsten fand ich diejenige, die ausführte, Meinungsverschiedenheiten bestünden, ob Pizza Hawaii sich in den Grenzen des guten Geschmacks bewegt (ich konnte mich der Kritik leider nicht anschließen, weil für mich dabei keine Meinungsverschiedenheiten möglich sind, die Antwort ist eindeutig: nein).

Da Bundeskanzler Scholz auch bei seinem Besuch in Moskau vor dem russischen Angriff auf die Ukraine von „Meinungsverschiedenheiten“ sprach, ist das besonders bemerkenswert. Denn anscheinend hat sich im Denken des Bundeskanzlers mit Russlands Angriff und seiner Zeitenwende nichts derart Gravierendes geändert, dass er sein Vokabular abändern wollte. Und das, wo er tagein, tagaus mit der Beobachtung konfrontiert wird, dass Sprache Wirklichkeit schafft und den Formulierungen deshalb große Bedeutung zukommt, so dass inzwischen Arzt oder Apotheker weichen sollen. Insofern ist die Konstanz, mit der er von „Meinungsverschiedenheiten“ spricht ein bedeutsamer Hinweis darauf, was Scholz wirklich denkt.

Professor Thomas Jäger, Lehrstuhl für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Jäger

Professor Thomas Jäger, Lehrstuhl für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Jäger© Jäger

Selbst in der Bundesregierung gibt es keine einheitliche Linie in der Ukrainepolitik

Scholz wies vor der oben zitierten Formulierung darauf hin, die deutsche Unterstützung für die Ukraine würde weiterhin drei Leitlinien folgen, nämlich erstens, die Ukraine nach Kräften zu unterstützten, zweitens, eine direkte Konfrontation der NATO mit Russland zu verhindern und drittens, Alleingänge Deutschlands zu unterlassen.

Offensichtlich aber ist, dass die Unterstützer der Ukraine völlig unterschiedliche Schlüsse aus dem Krieg Russlands gezogen haben, wie es erst vor kurzem deutlich wurde, als die Bundesregierung Polen Patriot-Abwehrsysteme anbot, Polen vorschlug, diese der Ukraine zu liefern, Deutschland dies ablehnte und die USA verkündeten, sie werden die Patriot-Systeme an die Ukraine liefern.

Selbst in der Bundesregierung gibt es keine einheitliche Linie in der Ukrainepolitik, denn FDP und Grüne sprechen gegenüber Scholz in dieser Frage nicht so, als wären sie in einer gemeinsamen Regierung. Grüne und FDP fordern, der Ukraine den Kampfpanzer Leopard 2 zu liefern, Scholz und die SPD lehnen dies ab. Was also ist das Ziel, das der Bundeskanzler mit der Unterstützung der Ukraine verfolgt? Dazu ist das oben zitierte Interview aufschlussreich.

Bundeskanzler Olaf Scholz. Michael Kappeler/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz. Michael Kappeler/dpa© Michael Kappeler/dpa

Scholz hat es bisher abgelehnt, zu formulieren, Russland müsse diesen Krieg verlieren

Denn Scholz hat es bisher abgelehnt, zu formulieren, Russland müsse diesen Krieg verlieren. Abgesehen davon, dass Russland nur der Landraub verweigert werden kann und niemand die Absicht verfolgt, Russland hinter seinen territorialen Grenzen anzugreifen, soll ansonsten mit der Formulierung, Russland müsse den Krieg verlieren, darauf hingewiesen werden, dass die imperialistischen Absichten Russlands von außen mit wirksamer Gegenmacht gegenüber Russland beschränkt werden sollen. Scholz' Formel, Russland dürfe nicht gewinnen, die Ukraine nicht verlieren, hat da einen anderen Zungenschlag, denn hierin steckt, dass Russland zwar eine Niederlage erfährt, aber es soll in seinen Ansprüchen nicht durch Macht beschränkt werden. Es soll die Lage einsehen.

In diese Richtung geht eben auch die oben zitierte Antwort von Scholz. „Russland muss einsehen…“ - und um diese Einsicht zu erlangen, müsse man miteinander sprechen. Nun hat Russland seine Ziele im Krieg von Beginn an stets klar und deutlich formuliert. Sie lauten: die Anerkennung der Annexionen, die Demilitarisierung der Ukraine, der Liquidierung der Eliten und ihrer Unterstützer und die Auslöschung des gegen Russland gerichteten „Ukrainischen“ sowie die Demilitarisierung des Landes.

Es ist deshalb auf den ersten Blick nicht erkennbar, auf welcher Basis Scholz mit der russischen Seite sprechen möchte. Denn diese von Russland jederzeit betonten Ziele nennt er einen Diktatfrieden, den es zu verhindern gilt. Aber wie?

Die Einsicht soll den Krieg beenden, nicht die gegen Russland aufgebotenen Machtmittel

Scholz' Antwort lautet: durch Gespräche, die zu einer Einsicht führen sollen. Darin steckt eine tiefverwurzelte Haltung, die seit über zwanzig Jahren das Denken über internationale Politik in Deutschland dominiert. Sie lautet, dass die internationale Ordnung, die sie prägenden Normen und Regeln durch die Akteure in gemeinsamen Sprechakten konstruiert wird. Wenn Akteure im Diskurs miteinander gemeinsame Haltungen ausprägen, gestalten sie die Wirklichkeit.

Es wäre verwunderlich, wenn Scholz und sein Umfeld nicht von dieser Denkweise beeinflusst worden wären, die Konferenzen und Fachdiskussionen in Deutschland nachhaltig prägte. Was er über die Beendigung des Kriegs sagt, entspricht dieser Denkweise jedenfalls ganz genau. „Russland muss einsehen…“. Die Einsicht soll den Krieg beenden, nicht die gegen Russland aufgebotenen Machtmittel.

Demnach ist es nicht die Macht aus Waffen und Geld, die Realität prägt, sondern es sind die Verabredungen, die von den Akteuren gemeinsam vereinbart werden, es sind die Überzeugungen, die sich kollektiv durchsetzen. Demokratisches Regieren in der internationalen Politik, Normunternehmer und Zivilmacht waren die Stichworte, die in einer aus der Friedensbewegung der 1980er Jahre herrührenden Blase nicht nur diskursbestimmend werden konnten, sondern auch noch den mentalen Schwebezustand mancher Politiker bis heute ausbalancieren.

Die deutsche Politik hat sich in ihrer Denkblase eingenistet - und wundert sich, warum sich die Realität nicht an ihre Einbildung hält

Das hat mit der Realität nichts zu tun. Mit der Wirklichkeit des eigenen Weltbildes und der gewünschten Erwartung, wie die Welt denn sein sollte, allerdings sehr viel. Das ist bei einigen, die Verantwortung für deutsche Politik tragen, anscheinend prägender als der Bezug zur Wirklichkeit. Frei nach dem Motto “Das Sein verstimmt das Bewusstsein" haben sie sich trefflich in ihrer Denkblase eingerichtet und wundern sich, warum sich die Realität nicht an ihre Einbildungen hält.

Ein weiteres Beispiel für diese Betrachtung internationaler Beziehungen war gleich zu Beginn von Scholz' Amtszeit zu beobachten, als er sich lange Zeit weigerte, die Pipeline Nord Steam 2 beim Namen zu nennen. So als würde sie von der Tagesordnung verschwinden, wenn sie ungenannt bliebe.

Auch Scholz' Besuch in China war davon geprägt, denn als wichtigstes Ergebnis, das er seither stets hervorhebt, galt ihm die gemeinsame Erklärung, dass keine Nuklearwaffen eingesetzt werden dürften. So als wäre die Gefahr, indem sie mit Worten gebannt wird, wirklich vorbei.

Freilich ist es positiv, dass China und Deutschland diese Erklärung abgaben. Der Kontrast zur Behäbigkeit, mit der seit 11 Monaten die Bundeswehr ertüchtigt wird, nämlich praktisch gar nicht, lässt die Betonung der gemeinsamen Rede noch greller aufscheinen. Denn in den machtpolitisch relevanten Fragen wurde zwar die Energieabhängigkeit von Russland gesenkt, doch wurde dies weniger als eine sicherheitspolitische denn eine wirtschaftspolitische Aufgabe angesehen.

Deutschlands Verhalten bringt die anderen europäischen Staaten um den Schlaf

Und fraglich ist, ob dies auch ohne den entsprechenden Druck der europäischen Verbündeten so rasch geschehen wäre. Dass Scholz schon jetzt davon spricht, dass es mit einem „zum Frieden fähigen Russland … irgendwann auch wieder ein Miteinander geben“ kann, ist einerseits richtig, weist aber wegen der ausbleibenden Zeitenwende erneut in die Richtung, dass die Bundesregierung die von Russland ausgehende Bedrohung anders bewertet als dies in vielen anderen europäischen Staaten geschieht.

Edward Lucas hat dies auf den Punkt gebracht: Dass Deutschland aus Russlands Verhalten, nicht erst seit 2022, keine Schlüsse zieht, mag das Land gut schlafen lassen. Die anderen europäischen Staaten bringt dieses Verhalten des größten EU-Mitglieds um den Schlaf. Denn sie wissen, dass die neue Europäische Sicherheitsordnung derzeit nicht durch Einsicht, sondern durch Macht und Stärke entsteht.

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Alexander Dobrindt (CSU): Geplantes Einbürgerungsgesetz ist »nicht zustimmungsfähig«

Alexander Dobrindt übt scharfe Kritik an den Plänen zum neuen Einbürgerungsrecht. Dass das Erlernen der deutschen Sprache nicht mehr notwendig sein solle, würde Integration erschweren. Die Ampelparteien sehen das anders.

Alexander Dobrindt (CSU): Geplantes Einbürgerungsgesetz ist »nicht zustimmungsfähig«

Alexander Dobrindt (CSU): Geplantes Einbürgerungsgesetz ist »nicht zustimmungsfähig«© IMAGO/Manfred Segerer

Die CSU hat ihren Widerstand gegen das geplante neue Einbürgerungsrecht bekräftigt. Der Gesetzentwurf, der seit Freitag in den zuständigen Ressorts der Bundesregierung abgestimmt wird, sei »nicht zustimmungsfähig«, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Wochenende. »Wenn man am Anfang leichtfertig eine Staatsbürgerschaft vergibt, werden Integrationsbemühungen nicht befördert, sondern man muss sie am Schluss gar nicht mehr leisten.« FDP und Grüne betonten dagegen die Notwendigkeit der Reform.

Das Erlernen der deutschen Sprache wäre bei einer schnellen Einbürgerung nicht mehr notwendig, eine Integration fände nicht mehr statt, sagte Dobrindt dem Sender »Welt«. »Dann hat man zwar eine deutsche Staatsbürgerschaft, aber lebt in einer Parallelgesellschaft«, kritisierte der CSU-Politiker und bekräftigte die Haltung seiner Partei: »Das ist nicht, was wir uns als Zukunftsmodell vorstellen.«

Wer sich in Deutschland einbürgern lassen will, soll dafür künftig grundsätzlich nicht mehr die Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes seiner Familie aufgeben müssen. Das geht aus einem Entwurf des Bundesinnenministeriums für ein neues Staatsangehörigkeitsrecht hervor, der am Freitag den anderen Ressorts der Bundesregierung zur Abstimmung zugeleitet wurde. (Mehr dazu lesen Sie hier.) Die CSU hatte umgehend scharfe Kritik an den Plänen geäußert.

Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Filiz Polat erklärte: »Deutschland ist seit Langem ein Einwanderungsland.« Somit sei es »allerhöchste Zeit«, dieser Tatsache durch eine Reform des Einbürgerungsrechts Rechnung zu tragen. »Menschen, die sich in unsere Gesellschaft einbringen, Steuern zahlen, haben einen Anspruch auf Teilhabe, mitzubestimmen sowie zu wählen.«

FDP-Parlamentsgeschäftsführer Stephan Thomae sagte der »Augsburger Allgemeinen«: »Unser Land wird in Zukunft vermehrt auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen sein, nicht zuletzt, um unsere sozialen Sicherungssysteme stabil zu halten.« Deshalb müsse Deutschland für ausländische Arbeitskräfte attraktiver werden. Dazu gehörten deutliche Angebote für eine zügige Integration und Einbürgerung, »denn wer dauerhaft in unserem Land leben und arbeiten will, sollte schneller den deutschen Pass bekommen können«.

In dem Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums heißt es außerdem: »Der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit wird aufgegeben.« Einbürgerungen erfolgten künftig generell unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Eine Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit sei daher nicht mehr notwendig.

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Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Vermögenssteuer? SPD und Grüne betreiben Sabotage an unserer Wirtschaft

SPD, Grüne und Linke wollen Reiche und Superreiche in Deutschland stärker zur Kasse bitten. Sie übersehen, dass eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer in Wahrheit einer Sabotage an unserer Wirtschaft gleichkäme.

SPD-Chef Lars Klingbeil (l), Co-Chefin Saskia Esken, Bundeskanzler Olaf Scholz (2.v.r.) und Generalsekretär Kevin Kühnert. Christophe Gateau/dpa

SPD-Chef Lars Klingbeil (l), Co-Chefin Saskia Esken, Bundeskanzler Olaf Scholz (2.v.r.) und Generalsekretär Kevin Kühnert. Christophe Gateau/dpa© Christophe Gateau/dpa

Stellen wir uns vor, SPD und Grüne könnten ohne die FDP regieren, zu zweit oder zusammen mit der Linken. Dann wäre die Wiedereinführung der Vermögensteuer oder eine Vermögensabgabe eine ihrer ersten Entscheidungen. Auf alle Fälle würden die „Reichen und Superreichen“ kräftig zur Kasse gebeten. Aus Gründen der Gerechtigkeit und zur Finanzierung weiterer sozialer Wohltaten.

Was die linksgrünen Umverteilungspolitiker jedoch geflissentlich übersehen: Die privaten Vermögen stecken überwiegend in Familienunternehmen. Und die bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft.

In den 500 Familienunternehmen mit den meisten Beschäftigten arbeiteten 2020 sechs Millionen Menschen, 1,5 Millionen mehr als noch 2011. Zum Vergleich: Die 26 DAX-Unternehmen, in denen nicht eine Familie das Sagen hat, hatten 2020 nur 3,1 Millionen Mitarbeiter. Das hat das Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim festgestellt. Auftraggeber der Studie war die Stiftung Familienunternehmen.

Vermögenssteuer: Familienunternehmen sind ein Jobmotor

Die Familienunternehmen, nicht nur die größten 500, sind ein ausgesprochener Jobmotor. Sie beschäftigten 60 Prozent aller Arbeitnehmer und bilden mehr junge Menschen aus als die großen Konzerne. Die größten 500 haben der Studie zufolge sogar während der Corona-Krise neue Mitarbeiter eingestellt, während die DAX-Unternehmen Arbeitsplätze abgebaut haben. Wer also die Eigentümer der Familienunternehmen mit einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe belastet, gefährdet letztlich Jobs.

Das Geld der „Reichen und Superreichen“ steckt eben nicht in erster Linie in protzigen Villen im In- und Ausland, schnellen Privatfliegern oder schnittigen Jachten. Solche Fälle gibt es auch. Doch der größte Teil der privaten Vermögen ist in den insgesamt drei Millionen Familienunternehmen gebunden. Diese Vermögensbildung wurde und wird allerdings von den für Unternehmenserben sehr günstigen Regelungen bei der Erbschaftsteuer begünstigt.

Schwierige Trennung von Betriebs- und Privatvermögen

Zu den 500 Familienunternehmen mit den meisten Mitarbeitern zählen der Studie zufolge auch vier DAX-Konzerne, deren Kapital zu einem maßgeblichen Teil in den Händen von Familien liegt: Volkswagen, Beiersdorf, Henkel und Merck. Hier ist die Trennung zwischen dem Privatvermögen der Aktionäre, die eine Vermögenssteuer zahlen sollen, und dem Betriebsvermögen klar. In den allermeisten Familienunternehmen ist diese Unterscheidung jedoch schwierig. Das trifft vor allem auf Personengesellschaften und Selbständige zu.

Was ebenfalls meistens übersehen wird: Das Privatvermögen der Gesellschafter von Familienunternehmen dient häufig als Reservekasse des Unternehmens. Das private Vermögen wird oft für größere Akquisitionen eingesetzt, wenn die Liquidität des Unternehmens dafür nicht ausreicht, der Erwerb aber aus strategischen Gründen notwendig ist. Auch haben in der Finanzkrise 2009 und während der Pandemie viele Eigentümer privates Vermögen eingesetzt, um Entlassungen zu vermeiden, während andere Unternehmen Stellen gestrichen haben.

Mehr „Hidden Champions“ als in den USA

Dass die deutsche Wirtschaft (noch) wettbewerbsfähiger und leistungsfähiger ist als andere, ist nicht zuletzt das Ergebnis des Einfallsreichtums und des Wagemuts des Mittelstands. In Deutschland gibt es 1.300, teilweise kaum bekannte Familienunternehmen, die Weltmarktführer sind. In den USA mit ihrer viermal so großen Bevölkerung haben nur 366 dieser „Hidden Champions“ ihren Sitz.

Wer also die „Reichen“ höher besteuern will, nimmt denen Betriebskapital weg, die hierzulande für Innovation sorgen, bestehende Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen. Das wäre – gerade angesichts der Folgen von Corona, Inflation und Energiekrise – genau das falsche Rezept für eine schnelle wirtschaftliche Erholung.

Natürlich gibt es unter den „Reichen und Superreichen“ auch solche, die den Fiskus – und damit uns alle – nach Strich und Faden betrügen und beispielsweise ihr Geld auf Schwarzgeldkonten im Ausland bunkern. Andere haben ihren Hauptwohnsitz ins Ausland verlegt, um Steuern zu sparen. Bei beiden Gruppen liefe eine Besteuerung der Vermögen ins Leere. Ohnehin sind Betrüger kein Fall für den Fiskus, sondern für den Staatsanwalt.

„Flucht“ in Ausland nur schwer möglich

Die Erhebung einer Vermögensteuer würde zweifellos für neue Steuerflüchtlinge sorgen und Betriebsverlagerungen ins Ausland. Aber viele mittelständische Unternehmer und Arbeitgeber können aus vielerlei Gründen gar nicht ins Ausland gehen. Sie würden von einer Vermögensteuer voll getroffen – und damit auch deren Arbeitnehmer. Der „Jobmotor Familienunternehmen“ würde stark gedrosselt.

Politiker und Parteien, die in der Vermögensteuer in erster Linie ein Mittel zur Umverteilung und zur Teilenteignung sehen, dürfte das nicht stören. Wenn sich das alles jedoch negativ in den Wachstumszahlen und bei der Beschäftigungslage niederschlägt, ist es zu spät. Ist der „Jobmotor Familienunternehmen“ erst einmal gedrosselt, gibt es nur noch Verlierer. Selbst der Fiskus kann dann bei den „Reichen und Superreichen“ nicht mehr viel holen.

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Grüne im Lützerath-Dilemma: Habeck und Co. müssen nachgeben – und haben die geringste Schuld

Robert Habecks Grüne durchleben mit Lützerath eine neue Zeitenwende, kommentiert Mike Schier.

Robert Habecks Grüne durchleben mit Lützerath eine neue Zeitenwende, kommentiert Mike Schier.© Michael Kappeler/Schlaf/fn

Grüne im Lützerath-Dilemma: Habeck und Co. müssen nachgeben – und haben die geringste Schuld

Lützerath bringt den Grünen eine Zeitenwende. Die Partei steckt im Dilemma. Sie muss in der Krise nachgeben. Und hat die geringste Schuld, kommentiert Mike Schier.

Es ist eine Zeitenwende – mal wieder. Jahrelang kämpften die Grünen Seite an Seite mit den Aktivisten gegen den Braunkohletagebau Garzweiler II. Jetzt ist plötzlich alles anders.

Lützerath bringt Grüne in Bedrängnis – Mitglied Neubauer rügt „Bulldozer-Politik“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine NRW-Kollegin Mona Neubaur (beide Grüne) haben mit dem Energieriesen RWE die Vereinbarung getroffen, dass das von seinen Bewohnern längst verlassene Örtchen Lützerath wegen der darunter liegenden Kohle geräumt wird. Durchsetzen muss dies nun der Polizeipräsident Dirk Weinspach, ein Grünen-Mitglied.

Zu erwarten sind hässliche Szenen, die das Selbstverständnis der Partei gewaltig auf die Probe stellen dürften. Luisa Neubauer von „Fridays for Future“ und – natürlich – Grünen-Mitglied, zerriss die Realo-Argumentation in der Luft: „Das, was von der Grünen-Spitze als staatsmännischer und vor allem ultra pragmatischer Coup aufgesetzt war, entpuppt sich in diesen Tagen als undurchdachte Bulldozer-Politik.“

Grüne im Lützerath-Dilemma: Habeck und Co. müssen nachgeben – die Schuld haben andere

Ganz Unrecht hat sie nicht: Kohle ist der schlechteste aller Energieträger. Nur: Die Aktivisten lehnen auch alle anderen Ideen ab, wie man die Energiekrise kurzfristig lösen könnte – von Gas bis zu längeren Atomlaufzeiten. Eine Regierung darf so nicht denken.

Die Episode zeigt, wie schwierig es für Habeck und Co. ist, den Forderungen von FDP oder Union nachzugeben. Und doch sollten sie es tun. Der Ausbau der Erneuerbaren dauert noch – ein Fehler der Vorgängerregierungen, im Bund wie auf Länderebene. Die Grünen tragen daran übrigens die geringste Schuld.

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Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister

Boris Pistorius soll künftig das Verteidigungsministerium führen. Niedersachsens Innenminister übernimmt nach SPIEGEL-Informationen das Ressort von Christine Lambrecht, die zuvor ihren Rücktritt eingereicht hatte.

Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister

Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister© Droese / localpic / IMAGO

Nach dem Rücktritt Christine Lambrechts übernimmt nun Boris Pistorius als Verteidigungsminister. Lambrecht hatte am Montagvormittag in einer schriftlichen Erklärung ihren Rückzug vom Amt der Verteidigungsministerin bekannt gegeben.

Pistorius wurden schon länger bundespolitische Ambitionen nachgesagt. 2019 kandidierte er mit der sächsischen Ministerin Petra Köpping für den Bundesvorsitz der SPD – unter anderem gegen Olaf Scholz. Er war 2017 im Schattenkabinett des damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz, zuständig für innere Sicherheit. Pistorius ist ein anderer Typ als Scholz, klarer, auch angriffslustiger. Wegen seiner direkten Ansprache galt Pistorius in Niedersachsen als einer der populärsten Minister.

Mit der Personalie Pistorius ist das Kabinett nicht mehr geschlechterparitätisch besetzt. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte dies zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt. In der Ampelkoalition waren schon vor Bekanntwerden der Neubesetzung auch in der SPD Stimmen laut geworden, die Parität müsse weiterhin gewahrt bleiben.

Pistorius, Jahrgang 1960, ist seit 2013 niedersächsischer Innenminister. Seit 2017 gehört er dem Landtag in Hannover an. Von 2006 bis 2013 war er Oberbürgermeister in Osnabrück.

Lambrechts Rückzug vom Amt der Verteidigungsministerin hatte sich angesichts einer Reihe von Fehltritten und Pannen angedeutet.

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Kommentar zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts: Aufgeweichter Staat

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin des Innern und Heimat, will die Einbürgerung von Ausländern deutlich erleichtern.

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin des Innern und Heimat, will die Einbürgerung von Ausländern deutlich erleichtern.© dpa

An der Attraktivität Deutschlands besteht kein Zweifel. Ein fremdenfeindliches Land wäre wohl kaum Hauptfluchtpunkt in Europa. Obwohl die gesamte Europäische Union aus Rechtsstaaten be­steht, wollen die allermeisten Flüchtlinge, die an den europäischen Au­ßengrenzen ankommen, weiter – nach Deutschland. Es sind so viele wie seit Langem nicht.

Sie kommen aus verschiedensten Gründen in ein Land, das nicht allen alles bieten kann. Es genügt schon seinen eigenen Ansprüchen nicht. Hunderttausende befinden sich seit Jahren im Asylverfahren. Hunderttausende sind ausreisepflichtig. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr gut 244.000 Anträge auf Asyl ge­stellt. Zugleich beklagt Deutschland einen Fachkräftemangel.

In dieser Lage muss es eigentlich zunächst darum gehen, jene Überforderung zu vermeiden, die 2015 eingetreten war. Wir müssen wissen, wer ins Land kommt, müssen die Verfahren straffen und entscheiden, wer bleiben soll.

Stattdessen riskiert die Ampel­regierung einen abermaligen Kon­trollverlust. Sie will den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit er­leichtern und mehr Mehrfachstaatsangehörigkeiten zulassen.

Fatales Signal

Das ist ein Irrweg, der mitnichten zu besserer Integration führt. Die Verleihung der Staatsangehörigkeit ist der formale Schlussstein eines Prozesses, nicht der Beginn. Gerade die jetzige Lage lässt ein Pokern mit der Zusammensetzung des Staatsvolkes nicht zu.

Generell ist gegen Bürokratieabbau nichts zu sagen. Verfahren können vereinfacht und verkürzt werden. Doch sendet die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ein fatales Si­gnal aus: Kommt alle, ihr werdet bald Deutsche sein. Das gefährdet den ge­sellschaftlichen Zusammenhalt. Eingebürgert sollte nur werden, wer wirklich Deutscher werden will.

Mehrfachstaatsangehörigkeiten sind mitunter nicht zu vermeiden Aber sie bergen Loyalitätskonflikte. Der Staat als Bezugsgröße, die Aufteilung der Welt in Staaten ist ja keineswegs überholt. Eher im Gegenteil: So verteidigt die Ukraine ihre Nation, ihre Staatlichkeit mit allem, was sie hat.

In der Europäischen Union werden mehrere Staatsangehörigkeiten als unproblematisch angesehen. Da­bei ge­nießen alle europäischen Bürger oh­nehin Freizügigkeit und weit­gehende Grundfreiheiten im ge­mein­samen Rechtsraum und Staatenverbund. Auch hier kann man freilich fragen, inwiefern mehrfaches Wahlrecht dem europäischen Projekt dienlich ist. Das ist das Er­gebnis einer langen Entwicklung des Friedens und des gegenseitigen Vertrauens.

Wer aber als Einwanderer aus ei­nem ganz anderen Land seine Bindungen im Grunde gar nicht aufgeben will, dem ist das völlig unbenommen. Ob er dann trotzdem loyal zu Deutschland steht, das ist doch die Frage. Er sollte sich entscheiden.

Das Verschleudern des deutschen Passes führt auch nicht automatisch zu besserer Eingliederung oder be­wirkt gar eine Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung im Alltag: Der Pass steht schließlich niemandem ins Gesicht geschrieben. Diskriminiert wird – leider immer noch – vor allem wegen des Aussehens, des Namens, der Aussprache, der Kleidung. Ein deutscher Pass änderte daran nichts.

Weltoffenes Klima

Er führt aber – großzügig vergeben – dazu, dass Menschen eingebürgert werden, die aufgrund ihrer Einstellung und ihres Verhaltens nicht hierher gehören. Und die man nicht mehr loswird.

Es ist auch mehr als zweifelhaft, ob eine großzügigere Einbürgerung Fachkräfte anzieht. Solche Spezia­listen streben doch zunächst einen gu­ten Job an. Dafür müssen in der Tat die Bedingungen geschaffen werden. Wer unbedingt ins englischsprachige Ausland will, der wird für Deutschland kaum zu gewinnen sein. Wer sich aber hier verwirk­lichen kann, wer sich hier mit seiner Familie wohlfühlt, wer bleiben will, weil er unsere Werte teilt, dem sollte auch kein Stein in den Weg gelegt werden. Ganz unabhängig übrigens von Qualifikation und genauem Einwanderungsgrund. Aber das muss man eben auch unter Beweis stellen.

Deutschland kann und muss aber ein weltoffenes Klima bieten, ein für Unternehmer wie Arbeitnehmer freundliches Umfeld. Es muss aber auch sein eigenes Fundament und seine selbst gesetzten Regeln akzeptieren. Wer das eigene Land lächerlich macht, wie will der Einwanderer feierlich einbürgern?

Es geht beim rechtlichen Band der Staatsangehörigkeit um politische Mitgliedschaft und Zuordnung, um Pflichten, aber auch um Rechte und um Schutz. Deutschland hat schon jetzt ein großzügiges Einbürgerungsrecht. Das Lockern des Bandes der Staatsangehörigkeit verstärkt die In­tegrationsprobleme, weicht das Ge­meinwesen auf und schadet Bürgern wie Einwanderern.

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Chaos-Kanzler oder cooler Stratege?

Scholz' einsame Panzer-Entscheidung

Chaos-Kanzler oder cooler Stratege?

Chaos-Kanzler oder cooler Stratege?

Chaos-Kanzler oder cooler Stratege?© T - Online

Die Panzerlieferungen an die Ukraine sieht Olaf Scholz als Beweis für seine strategische Schläue. In den USA gibt es ein anderes Bild: Dort gilt der Kanzler als Chaos-Verursacher.

Vertraut mir, ich habe alles im Griff. Lasst Euch nicht vom Gerede stören. Ihr werdet schon sehen, dass ich recht behalte. So lautet, vereinfacht, das Selbstbild von Olaf Scholz. Genau nach diesem Motto ging der Kanzler auch bei der Panzerlieferung an die Ukraine vor.

Dass diese Selbstwahrnehmung des Kanzlers nicht immer der Realität entspricht, zeigt eine interne Nachricht, die zu einem besonders brenzligen Zeitpunkt verschickt wurde und die t-online vorliegt.

Es ist der vergangene Dienstag. Gegen 17 Uhr verschickt das Auswärtige Amt in Berlin an alle deutschen Auslandsvertretungen – also Botschaften, Generalkonsulate und Konsulate – eine offizielle Sprachregelung für Diplomaten. "Die Bundesregierung hat zur Frage der Lieferung von Kampfpanzern aus Deutschland noch keine Entscheidung getroffen", heißt es darin unzweideutig. Verschlusssache für den Dienstgebrauch. Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Auch in der deutschen Botschaft in Washington liest man das Kommuniqué.

Chaos-Kanzler oder cooler Stratege?

Chaos-Kanzler oder cooler Stratege?© T - Online

Das Problem: Zum Zeitpunkt des Versendens hatten die USA bereits durchsickern lassen, Abrams-Panzer an die Ukraine liefern zu wollen. Auch der Kanzler muss zu diesem Zeitpunkt längst entschieden haben, den Weg auch für deutsche Leopard-Panzer freizugeben. Denn um 18.31 Uhr veröffentlichte der "Spiegel" die entsprechende Meldung. Schnell musste das Auswärtige Amt die Sprachregelung wieder zurückziehen.

Chaos-Kanzler oder cooler Stratege?

Chaos-Kanzler oder cooler Stratege?© T - Online

Hektik und genervte Beamte in den zuständigen Abteilungen des Außenamtes. Man fühlte sich übergangen. Ausgerechnet Baerbocks künftiger Botschafter in Washington, der bisherige Staatssekretär Andreas Michaelis, hatte die überholte Sprachregelung noch abgesegnet.

Nach t-online-Informationen stand das Auswärtige Amt zu diesem Zeitpunkt unter strikter Weisung des Bundeskanzleramtes. Auf gut Deutsch heißt das: Klappe halten. Besonders nachdem die Außenministerin im französischen Fernsehen gesagt hatte, Deutschland werde die polnische Regierung nicht blockieren, falls sie Leopard-Panzer schicken wolle.

Scholz stiftet Chaos

Wir haben noch nicht entschieden, wir haben entschieden – wie kann so ein Widerspruch binnen 90 Minuten passieren? Möglichkeiten gibt es viele, etwa eine notorisch schlechte Abstimmung zwischen Scholz und seiner Außenministerin Baerbock.

Fehler können immer passieren. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass der kommunikative Fauxpas auch damit zu tun hat, dass Scholz gern einsame Entscheidungen trifft – und dabei eben nicht allwissend ist, sondern auch selbst mal von Entwicklungen überrumpelt wird. Denn die Lesart des vergangenen Dienstags lautet zugespitzt so: Baerbock und ihr Ministerium wussten nicht, was Scholz wusste. Und auch Scholz scheint von Washington erst sehr kurzfristig ins Bild gesetzt worden zu sein.

Sowohl koalitionsintern als auch im transatlantischen Verhältnis herrschte in der Panzer-Frage Chaos. Aber die Lesart des Kanzleramts lautet: Scholz hat mit diplomatischer Raffinesse erreicht, dass die Amerikaner Panzer liefern. Der Ukraine sei damit mehr geholfen als nur durch deutsche Leopard-Panzer. Garniert wird diese Geschichte von der Erzählung, es habe die Scholz'sche Bedingung gar nicht gegeben, Leopard-Panzer nur zu liefern, wenn die USA Abrams zusagen.

Zähes Ringen bis zum Schluss

In Washington geht die Erzählung anders: Laut Berichten von "Washington Post" und "New York Times" versuchte Bidens Regierung bis zum Schluss, den Kanzler von einem anderen Plan zu überzeugen. Statt Abrams sollte es Schützenpanzer geben. Aus Sicht des Pentagons waren sie die sinnvolle Ergänzung zu den Leoparden. Je weniger verschieden die Systeme, desto besser für die Ukraine.

Wenigstens die Leopard-Freigabe für andere Staaten wollte das Weiße Haus dem Kanzler mit diesem Argument abringen. Dann aber brachte auch die Konferenz in Ramstein keinen Fortschritt.

Chaos-Kanzler oder cooler Stratege?

Chaos-Kanzler oder cooler Stratege?© T - Online

Während Berlin stur blieb und prüfen wollte, ging es in Washington immer chaotischer zu. So viel telefoniert wurde selten zwischen den Alliierten. Die Zeit zu handeln wurde knapp, die Lage in der Ukraine immer brisanter. Der Druck auf Biden stieg, dem Kanzler eine Rampe für die Leoparden-Freigabe zu bauen. Die Stabilität des Bündnisses geriet in Gefahr.

Hektisch zimmerte man eine letzte diplomatische Möglichkeit. Und die sah so aus: An besagtem Dienstag genehmigt der US-Präsident die Lieferung von 31 M1 Abrams an die Ukraine. Ankommen werden sie erst in Monaten. Der Plan sickert durch und gelangt über das "Wall Street Journal" an die Öffentlichkeit. Berlin wird informiert. Der Kanzler lenkt ein, die Nachricht von der Scholz'schen Panzerwende gelangt an den "Spiegel".

Nach einer unter Bündnispartnern abgestimmten Entscheidung sieht das allerdings nicht aus. Das Weiße Haus geht in Vorleistung, das Kanzleramt reagiert. Biden lobt Scholz öffentlich, verneint auf Nachfrage, von ihm erpresst worden zu sein, und ringt sich ein Lächeln ab.

Kampf um die wahre Deutung

Die deutsche Opposition ärgert sich über die Selbstgefälligkeit im Kanzleramt. CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter sagt zu t-online: "Im Grunde wollte Scholz keine Kampfpanzer liefern. Darum war er überrascht, dass die USA es entgegen ursprünglicher Absichten wegen des russischen Vorgehens dennoch leisteten." Die Höflichkeit von Joe Biden diene nur dazu, "den Affront des Kanzlers zu kaschieren", so Kiesewetter. Es ist ein Kampf um die Deutung der Ereignisse.

Nach t-online-Informationen soll Scholz' außenpolitischer Berater Jens Plötner noch kurz vor der Abrams-Entscheidung des Weißen Hauses nach Washington geflogen sein, wo ihm der sogenannte "Riot Act" vorgelesen worden sei. Dieses Vorgehen ist ein außergewöhnlich deutliches diplomatisches Mittel, um das Missfallen der US-Regierung auszudrücken. Bestätigen wollte das Kanzleramt die Reise von Plötner auf Nachfrage von t-online nicht.

Für Kiesewetter ist die Sache klar: "Das ist kein Erfolg für den Kanzler. Das ist ein Riesenärger". In dem Chaos sehe er vielmehr einen Erfolg für den US-Präsidenten: "Eigentlich hat Biden Scholz in die Panzerlösung gedrängt, nicht umgekehrt."

Koalitionäre wollen sich dazu nicht mehr äußern. Auch Scholz-Kritiker sind froh, dass die Sache durch ist. Man fürchtet aber die nächste Hängepartie. In Hintergrundgesprächen heißt es: Für den Kanzler wird immer erst die Ukraine und dann die USA in Vorleistung gehen müssen.

Bürde für das Bündnis

In den USA sind Regierungsbeamte überrascht, dass die Deutschen viel größere Sorgen wegen Russland hätten als man gedacht habe. Gehen die USA in einer Waffengattung nicht selbst voran, zieht Berlin nicht mit. Das Kanzleramt nennt es Abstimmung. Im Weißen Haus bedeutet es Aufwand. Für das Bündnis ist es eine zunehmende Bürde.

Nach Einschätzung des US-Politikwissenschaftlers Jeffrey Rathke gibt es in der Panzerfrage keine Zweifel. Der Präsident des American Institute for Contemporary German Studies an der Johns Hopkins Universität in Washington sagt: "Keine Leopard-Panzer ohne amerikanische Abrams – das war die Position des Bundeskanzleramtes". Ob es das Scholz'sche "Junktim" gab oder nicht, spiele keine Rolle, so Rathke. Es sei auch unerheblich, ob das sicherheitspolitische Argument des Kanzlers stichhaltig sei oder nicht. Dass Abschreckung nur gewährleistet ist, wenn die USA und Deutschland im Gleichschritt vorangehen, sei die politische Realität.

Der Weg zur Panzer-Entscheidung sei "erkennbar holprig" gewesen. Beide Seiten hätten Informationen an die Presse gegeben. "Der Frust über den jeweils anderen Partner war offensichtlich da. Man versuchte, die Schuld dem Gegenüber zu geben", so Rathke. Schön sei das nicht, gerade unter Alliierten.

Die Panzerfrage sei schon Ende des vergangenen Sommers aufgekommen. "Die öffentlich sichtbaren Verstimmungen wären vermeidbar gewesen", sagt Rathke. Hätte der Bundeskanzler anders entschieden.

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E.On-Chef schlägt Alarm: Europas Wohlstand steht auf dem Spiel

Leonhard Birnbaum: Europa verliert im Wettbewerb mit den USA und Asien an Boden, warnt der E.On-Chef.

Leonhard Birnbaum: Europa verliert im Wettbewerb mit den USA und Asien an Boden, warnt der E.On-Chef.© Henning Kaiser/dpa

E.On-Chef schlägt Alarm: Europas Wohlstand steht auf dem Spiel

E.On-Chef Leonhard Birnbaum fürchtet wegen der hohen Gaspreise einen Wohlstandsverlust in Europa. Gegenüber Asien und den USA verliere Europa an Boden.

Essen - E.On-Chef Leonhard Birnbaum sieht wegen der grassierenden Energiekrise Europas Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. „Wir verlieren gegenüber den USA und Asien an Boden“, sagte der Vorstandvorsitzende des größten deutschen Energie-Versorgers am Dienstagabend in Essen.

Durch die Umstellung auf Flüssiggas (LNG) per Schiff werden die Energiepreise seiner Meinung nach nicht mehr auf das Vorkriegsniveau zurückkommen. Die europäische Gesellschaft müsse deshalb „jetzt die Ärmel hochgekrempelt lassen“ und für ihren Wohlstand kämpfen, erklärte Birnbaum in einem Gespräch mit Journalisten.

E.On-Chef: Dürfen uns nicht Sicherheit wiegen

Der Manager appellierte erneut an Verbraucher, Energie zu sparen und sich nicht in Sicherheit zu wiegen. Gleichzeitig brauche es attraktivere Investitionsanreize für internationale Kapitalgeber, um die grüne Transformation voranzutreiben.

„Der Wettbewerb um internationales Kapital wird schwieriger“, sagte Birnbaum. Dies gelte für E.On und für Europa. Als Positivbeispiel führte er den Inflation Reduction Act (IRA) in den USA an. Mit dem Förderprogramm zur Bekämpfung der Inflation habe die USA einen energie- und wirtschaftspolitischen Rahmen geschaffen, „den sich viele in der aktuellen Situation in Europa wünschen würden“.

E.On-Chef fordert Bürokratie-Abbau

Birnbaum forderte, die Energiewende besonders voranzutreiben. 2023 müsse neuen Schub bringen „vor allem für die richtigen regulatorischen Anreize, damit sich Investitionen insbesondere in Energieinfrastruktur wieder lohnen“. Zudem drängte der E.On.-Chef auf einen Bürokratieabbau. „Denn was nützt das Ziel, in Deutschland ein Windrad in zehn Monaten zu genehmigen, wenn wir zehn Jahre für die Leitung benötigen, die den daraus erzeugten Strom weiterleitet?“

E.On will bis 2026 europaweit 22 Milliarden Euro in den Ausbau der Netzinfrastruktur stecken. Dafür brauche es aber passende Investitionsbedingungen, mahnte Birnbaum an. 2022 habe klargemacht, dass Versorgungssicherheit keine Selbstverständlichkeit sei. Vor diesem Hintergrund seien die staatlichen Interventionen unvermeidlich und richtig gewesen. Aber er warnte davor, in „eine unüberlegte Staatsgläubigkeit“ zurückzufallen.

E.On beliefert in Deutschland rund 14 Millionen Privat- und Geschäftskunden. Darunter sind rund 1,5 Millionen Gaskunden. Neben dem Energievertrieb ist der Betrieb von Verteilnetzen die andere große Säule im Kerngeschäft des Konzerns.

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Kritik aus der Koalition an Lindners Generationenkapital – „Das ist mit uns Grünen nicht zu machen“

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)© Friso Gentsch/dpa

Kritik aus der Koalition an Lindners Generationenkapital – „Das ist mit uns Grünen nicht zu machen“

Lindners Generationenkapital stößt auf Kritik. Die Grünen wollen nicht mitziehen. Sie befürchten, dass die Renten für die Aktienrente gekürzt werden.

Berlin – Die Aktienrente ist das Herzprojekt der FDP und soll das Rentensystem reformieren. Bislang ist das deutsche Rentensystem umlagefinanziert. Künftig soll sie nach Plänen der Koalition teilweise aus Aktiengewinnen in Form eines staatlichen Fonds, dem Generationenkapitel, finanziert werden. Vor kurzem hat Lindner den Startschuss für das Generationenkapital gegeben. Zunächst soll ein Kapitalstock von 10 Milliarden Euro eingeplant werden. In der Koalition sorgen Lindners Pläne für Kritik.

Generationenkapital: Grüne wollen bei Aktienrente nicht mitziehen: „Das ist nicht mit uns zu machen“

Für die Grünen ist Lindners Vorstoß mit vielen Risiken verbunden. „Die Pläne des Finanzministers und der FDP, die Rentenbeiträge signifikant über Spekulationen auf dem Aktenmarkt zu senken, finde ich äußerst problematisch. Das Generationenkapital birgt das Risiko, große Verluste zu realisieren“, sagte Grünen-Politiker und Gewerkschaftsfunktionär Frank Bsirske zu Merkur.de von IPPEN.MEDIA. Das Risiko steige mit der Höhe des Kapitalstocks.

„Zudem sehe ich die Gefahr, dass in naher Zukunft Beitragsmittel zum Aufbau der Aktienrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abgezweigt und deswegen die Renten gekürzt werden müssen. Das ist mit uns Grünen nicht zu machen“, so Bsirske. Eine Erweiterung der Einnahmen der gesetzlichen Rente hält die Union grundsätzlich für richtig. Aber: „Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels müssen die Einnahmen auf breitere Schultern verteilt werden, damit das Rentenniveau und der Rentenbeitrag möglichst stabil bleiben“, so Markus Reichel, Landesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU Sachsen, zu Merkur.de.

Lindners Generationenkapital sorgt für Kritik: Reicht ein Kapitalstock von 10 Milliarden Euro aus?

Zudem werden 10 Milliarden Euro für die Aktienrente langfristig nicht ausreichen, finden CDU und Grüne. „Damit der Fond eine Rendite erwirtschaftet, die die Rentenversicherung finanziell unterstützt, bedarf es einer höheren Gesamteinlage“, so Reichel. Zudem müssten laut Reichel andere Finanzierungswege gefunden werden, da eine weitere Erhöhung der staatlichen Zuschüsse nicht nachhaltig und nicht verantwortbar sei.

Auch Bsirke ist nicht überzeugt, dass 10 Milliarden genügen, wenn ein Beitragspunkt der gesetzlichen Rente finanziert werden soll. Bei einer durchschnittlichen Verzinsung von 8 Prozent, sei ein Kapitalstock von mehr als 210 Mrd. Euro nötig. Bei einer Dividendenrendite von fünf Prozent müsse der Fonds mit rund 340 Mrd. und bei einer von drei Prozent mit knapp 570 Mrd. Euro ausgestattet sein. „Es würde Jahrzehnte dauern, bis so ein Aktienvermögen angewachsen ist. Der Renteneintritt der Babyboomer-Generation ließe sich dadurch also finanziell nicht abfedern“, sagte Bsirske.

Aktienrente: Finanzminister Lindner will jährlich zweistelligen Milliardenbetrag anlegen

Für Bundesfinanzminister Lindner sollen die 10 Milliarden jedoch nur der Anfang sein. Künftig will der FDP-Chef noch mehr aufstocken. „Das Generationenkapital ist ein guter Start. Wenn es nach mir geht, werden wir in jedem Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag anlegen. Andere Länder machen uns das schon vor, um die Rente wieder sicherzumachen“, twitterte Lindner.

Die Liberalen hoffen, dass der Zinseszinseffekt langfristig zur Stabilisierung der Rente beitragen werde, sagte Linder am Sonntag (29. Januar 2023) in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin. Zudem schließt Lindner das Risiko aus, dass zu wenig Rendite erzielt werde. Auch Versorgungswerke und andere angelegte Gelder hätten in Krisenzeiten Rendite gehabt. Im zweiten Schritt soll dann auch die private Rentenvorsorge für die junge Generation erleichtert werden, so Lindner im ARD.

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Kritik an teurem Wohnungsumbau - Faesers Vermieter arbeitet für sie - und wurde plötzlich sprungbefördert

Bundesinnenministerin Nancy Faeser lebt in einer Berliner Mietwohnung. Der Vermieter: ein Mitarbeiter ihres Ministeriums. Bei ihrem Amtsantritt hat jener Mitarbeiter, Leiter der Zentralabteilung im Innenministerium, eine deutliche Gehaltserhöhung bekommen. Auch wurde einem „Bild“-Bericht zufolge ihre Wohnung für 50.000 Euro Steuergeld aufgerüstet.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) war lange Oppositionsführerin in Hessen. Sebastian Gollnow/dpa

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) war lange Oppositionsführerin in Hessen. Sebastian Gollnow/dpa© Sebastian Gollnow/dpa

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert, Berufliches und Privates zu vermischen. So soll Faeser einem „ Bild “-Bericht zufolge als Mieterin in der Wohnung des Leiters der Zentralabteilung ihres Ministeriums wohnen.

Pikant: Ihr Vermieter Martin von Simson (SPD) erhielt laut „Bild“ bei ihrem Amtsantritt eine Sprungbeförderung. Der Zeitung zufolge stieg sein Gehalt um 3505 Euro auf 12.425 Euro monatlich.

Zudem soll Faesers Wohnung vor ihrem Einzug umgebaut worden sein. Türen und Fenster seien für 50.000 Euro Steuergeld „ertüchtigt“ worden, so die „Bild“, um den Sicherheitsstandards für die Innenministerin zu entsprechen. Die „Bild“ schließt daraus, dass von Simson nach einem Auszug Faesers die Wohnung dank dieser Umbauten teurer als zuvor weitervermieten könnte.

Faeser ließ Wohnung renovieren - dabei handele es sich jedoch nicht um eine Wertsteigerung

Dem widerspricht allerdings ein Sprecher des Ministeriums: Die Maßnahmen seien „aus Sicherheitsgründen geboten“. Die Maßnahmen seien nach Wegfall jeglicher Gefährdungseinstufung der Schutzperson rückabzuwickeln, sagt er weiter. Heißt: Von Simson würde von dem Umbauten finanziell nicht profitieren.

Faeser könnte schon bald aus der Berliner Wohnung ausziehen. Erst am Donnerstag gab sie bekannt, dass sie als Spitzenkandidatin bei der hessischen Landtagswahl im Herbst antreten werde. Ihr Ministeramt wolle sie vorerst behalten, sagte sie dem „Spiegel“. Auch im Fall einer Wahlniederlage in Hessen wolle sie im Bundeskabinett bleiben. Im Falle eines Wahlsieges wechsle sie jedoch an der Spitze der hessischen Landesregierung.

Die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) fordert „volle Transparenz“ von Faeser in Bezug auf ihre Wohnung. „Es darf nicht mal der leiseste Eindruck entstehen, dass sich SPD-Genossen auf Staatskosten begünstigen.“ Auch für Michael Jäger, Vorstand des Bundes der Steuerzahler, sind „solche Verhältnisse wechselseitiger Befangenheit“ nicht hinnehmbar.