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News zur SPD

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Wahlprogramm im Check: Das kommt auf euren Geldbeutel zu, wenn die SPD mitregiert

 

Die SPD hat ihr Wahlprogramm unter das Motto „Aus Respekt vor deiner Zukunft“ gestellt. Damit will Olaf Scholz bei der Bundestagswahl im Herbst das Kanzleramt erobern. Business Insider hat das Programm gecheckt und erklärt, was die Pläne für euren Geldbeutel bedeuten, sollte die SPD nach der Wahl mitregieren.

Steuern und Finanzen

„Die extrem ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen ist nicht nur sozialpolitisch bedenklich, sie ist auch ökonomisch unvernünftig“, schreibt die SPD in ihrem Programm. Um dem entgegenzuwirken sollen die Steuern für kleinere und mittlere Einkommen gesenkt werden. So soll auch der Spitzensteuersatz später greifen, eine genau Grenze ist im Programm allerdings nicht verzeichnet. Im Gegenzug sollen die oberen fünf Prozent bei den Einkommen stärker belastet werden.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln hat ausgerechnet, wie sich die Steuerpläne der SPD konkret auswirken würden. Ein Single mit Jahreseinkommen von 50.000 Euro hätte pro Jahr netto 120 Euro mehr in der Tasche. Bei einem Jahreseinkommen von 25.000 Euro wären es 64 Euro mehr. Auch Ehepaare bis zu einem gemeinsamen Jahreseinkommen von 150.000 Euro würden entlastet. Der Solidaritätszuschlag ist für die meisten Menschen bereits abgeschafft, für die Top-Verdiener will die SPD ihn laut Programm aber beibehalten.

Singles, die 250.000 Euro pro Jahr verdienen, und Verheiratete ab einem Jahreseinkommen von 500.000 Euro sollen mit drei Prozent zusätzlich besteuert werden. Damit würde dieser höchste Steuertarif auf 48 Prozent steigen. Die Beitragsbemessungsgrenze für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung will die SPD anpassen. Das könnte für Menschen, die mehr als 4800 Euro im Monat verdienen zu höhere Beiträgen führen.

Bei der persönlichen Finanzplanung sollen Kleinanleger unterstützt werden. Sie sollen eine „unabhängige und an ihren Interessen orientierte Beratung“ erhalten. Menschen, die überschuldet sind, soll geholfen werden. Zudem sollen Beratungsangebote ausgebaut werden, damit es nicht so weit kommt.

Arbeitswelt

Kernforderung beim Thema Arbeit ist der Mindestlohn von 12 Euro. Zudem setzt sich die SPD für mehr Tarifverträge ein. Ostdeutschland soll bei Löhnen und Gehältern zu Westdeutschland aufschließen.

Die SPD geht davon aus, dass Zeiten der Weiterbildung wichtiger werden. Deswegen soll ein neues "Arbeitslosengeld Q" dabei helfen, sich weiterzuqualifizieren. Auch ältere Arbeitnehmer über 40 sollen noch einmal einen völlig neuen Berufsweg einschlagen können. Zudem soll auch das BAföG ausgeweitet werden.

Die sachgrundlose Befristung soll abgeschafft werden, ein Projekt, das bereits im aktuellen Koalitionsvertrag stand, aber nicht umgesetzt wurde. Leiharbeiter sollen zudem den gleichen Lohn erhalten wie Festangestellte. Die SPD verspricht die Arbeitsbedingungen in einer ganzen Reihe von Branchen zu verbessern, darunter für Pfleger, Erzieherinnen, Paketbotinnen. Solo-Selbstständige sollen besser sozial abgesichert werden.

Klima

Wie bei Grünen und Union ist es auch bei der SPD beschlossene Sache, dass es der CO2-Preis steigen soll. Dafür soll die EEG-Umlage laut Plänen der SPD bis 2025 wegfallen. Im Gegenzug soll es soziale Ausgleichsmechanismen geben. Wie genau, das aussehen soll, lässt das Programm offen.

„Bahnfahren soll innereuropäisch günstiger und attraktiver als Fliegen sein“, schreibt die SPD. Dazu soll erheblich in die Bahn investiert werden. Beim Öffentlichen Nahverkehr will die SPD Modelle wie das 365-Euro-Ticket unterstützen, das eine Nutzung des ÖPNV für ein Jahr ermöglicht.

Wohnen

Mit dem Thema Wohnen hat sich SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bereits in seiner Amtszeit als Bürgermeister von Hamburg profiliert. Entsprechend setzt die SPD beim aktuellen Programm einen Schwerpunkt. Besonders für Mieter möchte die Partei mehr tun.

Erster Schritt soll ein zeitlich befristeter Mietendeckel für Regionen mit angespannter Wohnungslage sein. Dann dürften Mieten maximal um die Höhe der Inflation angehoben werden. Außerdem sei der „Neubau von 100.000 Sozialwohnungen jährlich“ erforderlich, schreibt die SPD.

Der CO2-Preis wird künftig dafür sorgen, dass die Nebenkosten für Mieter steigen. Die SPD will, dass dies von den Vermietern übernommen wird – in der aktuellen großen Koalition lehnte die Union eine finanzielle Beteiligung der Vermieter ab.

Familie und Gleichstellung

Die SPD will das Elterngeld ausbauen und eine Kindergrundsicherung einführen. Diese würde unabhängig von der Arbeitslosenunterstützung gezahlt. Das Kindergeld soll auf rund 250 Euro monatlich steigen (derzeit: 219 Euro). Die ungleiche Bezahlung zwischen Frauen und Männern will die SPD beenden.

Soziales

Die SPD hatte Hartz IV einst eingeführt, nun will sie es wieder abschaffen. Ein neues "Bürgergeld" soll die alte Regelung ersetzen. Es soll höher sein, eine konkrete Zahl nennt die SPD im Programm allerdings nicht.

Bei der Rente will die SPD das Rentenniveau von 48 Prozent stabil halten, das Renteneintrittsalter soll bei 67 Jahren bleiben. Auch Beamtinnen, Selbstständige und Bundestagsabgeordnete sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Die SPD plant zudem eine zusätzliche private Rente nach schwedischem Vorbild, untere und mittlere Einkommen sollen dabei einen staatlichen Zuschuss erhalten.

Die SPD will, dass Pflegebedürftigkeit nicht dazu führt, dass Betroffene und ihre Familien finanziell überfordert werden. Auch hier sollen kleine und mittlere Einkommen unterstützt werden.

Fazit

Bei Be- und Entlastungen setzt die SPD auf ihr klassisches Rezept: Die soziale Absicherung soll besser werden und zusätzliche Leistungen für Menschen der Unter- und Mittelschicht eingeführt werden. Finanzieren sollen diese Vorhaben Mehrbelastungen für Reiche und Menschen mit hohem Einkommen. Die meisten Menschen dürften allerdings von den Plänen im SPD-Programm finanziell profitieren. Großprojekte wie die Vermögenssteuer und ein bundesweiter Mietendeckel werden allerdings sehr schwierig umzusetzen, besonders mit Blick auf mögliche Koalitionspartner.

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Die wichtigsten Vorhaben  

Was die SPD plant: Bessere Löhne, Rentengarantie, Klima-Investitionen

Das Wahlprogramm der SPD ist mit "Aus Respekt vor deiner Zukunft" überschrieben. Die wichtigsten Vorhaben der Sozialdemokraten für die Bundestagswahl 2021 im Kurzüberblick.

Klima

Die SPD hat sich dem Ziel verschrieben, das auch die große Koalition zuletzt im Klimaschutzgesetz formuliert hat: Bis spätestens 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Das wichtigste Mittel ist für sie dabei, den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv anzukurbeln – mit schnelleren Genehmigungsverfahren und einer Investitionsoffensive.

Den CO2-Preis für Benzin, Heizöl und entsprechende fossile Energieträger wollen die Sozialdemokraten – anders als Union und Grüne – nicht noch schneller ansteigen lassen als schon vereinbart. Zum Ausgleich soll die EEG-Umlage komplett abgeschafft werden, damit die Stromkosten sinken. Zudem sollen die Vermieter den CO2-Preis zahlen.

Wirtschaft/Jobs

Die SPD will, dass der Bund jedes Jahr mindestens 50 Milliarden Euro investiert. Gründer und auf das Gemeinwohl verpflichtete Unternehmen sollen besonders gefördert werden. Gehälter und Löhne sollen steigen, etwa indem Tarifverträge leichter für allgemein verbindlich erklärt werden können. Der Mindestlohn soll auf mindestens 12 Euro erhöht werden. Sachgrundlose Befristungen sollen abgeschafft, Leiharbeiter ebenso wie Festangestellte bezahlt werden. Minijobs sollen besser sozial abgesichert und meist in reguläre Jobs verwandelt werden.

Rente

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat eine Rentengarantie ausgesprochen: Das Rentenniveau soll bei 48 Prozent stabilisiert und das Renteneintrittsalter nicht erhöht werden. Um das zu finanzieren, sollen mehr Frauen und Ältere in Arbeit kommen. Das fehlende Geld soll der Bundeshaushalt aufbringen. Perspektivisch sollen auch Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Rente integriert werden. Beamte sollen dabei jedoch nicht schlechter gestellt werden.

Steuern

Die SPD will Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen bei der Einkommensteuer entlasten. Dafür sollen die oberen fünf Prozent der Menschen stärker besteuert werden. Der Einkommensanteil über 500.000 Euro (Verheiratete) und 250.000 Euro (Singles) soll zusätzlich mit einem Aufschlag von drei Prozentpunkten besteuert werden. Der Solidaritätszuschlag für die oberen 10 Prozent soll nicht abgeschafft werden. Große Vermögen sollen mit einer Vermögensteuer von 1 Prozent belegt werden. Bei der Erbschaftsteuer soll die Überprivilegierung großer Betriebsvermögen enden. Eine Finanztransaktionssteuer soll weitere Einnahmen bringen.

Soziales/Wohnen

Hartz IV kommt im SPD-Programm nicht mehr vor. Es soll zu einem Bürgergeld werden, das leichter zugänglich ist und ein Leben in Würde sichert. Vermögen und Wohnungsgröße werden zwei Jahre lang nicht überprüft, das Schonvermögen wird erhöht. Wer länger in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, soll künftig auch länger Arbeitslosengeld I erhalten und damit nicht so schnell in die Grundsicherung abrutschen.

Um Wohnen bezahlbarer zu machen, sollen jährlich 100.000 Sozialwohnungen neu gebaut werden. In teuren Gegenden will die SPD ein befristetes Mietmoratorium einführen. Mieten sollen dort für eine gewisse Zeit nur noch mit der Inflation steigen dürfen.

Digitalisierung/Daseinsvorsorge

Die SPD will bis 2030 eine "digitale Infrastruktur auf Weltniveau" etablieren. Jedem Haushalt und Unternehmen soll eine Internet-Bandbreite von mindestens einem Gigabit pro Sekunde garantiert werden. Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen sollen verpflichtend digitale Services anbieten. Jede Schülerin und jeder Schüler soll ein Laptop oder Tablet und Netzzugang bekommen.

Eine Bürgerversicherung soll die medizinische Versorgung verbessern und solidarisch finanzieren. Eine Kindergrundsicherung und weitere Reformen für Familien sollen eine Teilhabe der Kinder stärken. Es soll mehr beitragsfreie Kitas und Ganztagsschulen geben, ein Recht auf Mobilität mit kostenlosen Bussen und Bahnen für Kinder und Jugendliche geschaffen werden.

Migration/Integration

Die SPD setzt sich für eine Reform der europäischen Flüchtlingspolitik ein, mit einer Reform des Dublin-Verteilmechanismus und legalen Migrationswegen. Die Sozialdemokraten betonen die Bedeutung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Pflicht zur Seenotrettung.

Integrations- und Sprachkurse sollen ausgebaut werden und für alle Zugewanderten von Beginn an zugänglich sein. Alle sollen unmittelbar Kitas und Schulen besuchen können. Hürden bei der Einbürgerung sollen abgebaut, Mehrstaatigkeit gesetzlich verankert werden. Marginalisierte Gruppen sollen leichter einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst bekommen.

Außen- und Sicherheitspolitik

Die SPD betont die Bedeutung der EU und will sie stärken, hin zu einer Fiskal-, Wirtschafts- und Sozialunion. Die Finanzierung der EU soll etwa durch die Besteuerung digitaler Großkonzerne, die CO2-Abgabe und den Emissionshandel eigenständiger werden.

Damit die EU außenpolitisch handlungsfähig wird, sollen Entscheidungen künftig mit Mehrheit und nicht mehr nur einstimmig getroffen werden können, der EU-Außenbeauftragte soll zum EU-Außenminister aufgewertet werden. Die Sozialdemokraten bekennen sich zur Nato, wollen die EU aber sicherheits- und verteidigungspolitisch aufwerten. Ziel ist eine europäische Armee und europäische Rüstungskooperation.

 

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Berlin Mehr Investitionen und höhere Steuern, mehr Geld für Soziales und Löhne – und mehr Klimaschutz. Das sieht das Programm der SPD zur Bundestagswahl vor.

Klima: Die Ziele zur Klimaneutralität und zur Verringerung der Treibhausgase fallen ehrgeiziger aus als ursprünglich geplant. Dies spiegelt das Nachsteuern in der Bundesregierung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wider. Bis spätestens 2045 soll Deutschland "komplett klimaneutral" sein. Bis 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 verringert werden. "Wir müssen die globale Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius begrenzen", heißt es weiter.

Die Ökostromumlage, mit der jeder Stromkunde den Ausbau der Erneuerbaren Energien mitbezahlt, soll bis 2025 abgeschafft werden. Die Kosten der EEG-Umlage soll dann der Bund tragen - durch die Einnahmen der 2021 begonnenen CO2-Bepreisung etwa für Öl und Gas. Ein sozialer Ausgleich - etwa ein Pro-Kopf-Bonus - soll Bürger von Mehrkosten entlasten. Wärmepumpen sollen in Gebäuden den CO2-Ausstoß verringern - bis 2030 in fünf Millionen Häusern.

Steuern: Niedrige und mittlere Einkommen sollen bessergestellt werden, während hohe Einkommen und Vermögen stärker belastet werden. Die seit 1997 ausgesetzte Vermögensteuer wird wieder in Kraft gesetzt, mit einem „einheitlichen Steuersatz von einem Prozent für sehr hohe Vermögen". Bei der Erbschaftsteuer soll es eine „effektive Mindestbesteuerung" großer Betriebsvermögen geben. Ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 250.000 Euro (Verheiratete 500.000 Euro) ist bei der Einkommensteuer ein Aufschlag von drei Prozentpunkten vorgesehen. Die SPD kündigt - wie 2013 - die Abschaffung des Ehegattensplittings an. Am Solidaritätszuschlag für Spitzeneinkommen hält die SPD fest. Für Unternehmen wird die Steuer-Abzugsfähigkeit von Managergehältern beschränkt.

Schulden: Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne neue Kredite (Schwarze Null) lehnt die SPD ab. „Die Finanzierung der in diesem Regierungsprogramm formulierten Schwerpunkte stellen wir sicher", heißt es. „Dazu werden wir die verfassungsrechtlich möglichen Spielräume zur Kreditaufnahme nutzen." Indirekt wird damit die Schuldenbremse im Grundgesetz grundsätzlich akzeptiert.

Zukunft: In der Wirtschaftspolitik setzt die SPD auf vier Zukunftsmissionen. Zentral sind dabei Klimawandel, Mobilität, Digitalisierung und die Gesundheitsversorgung. Der Bund soll jedes Jahr mindestens 50 Milliarden Euro investieren. Das wäre auf Höhe der im Bund geplanten Summen der nächsten Jahre.

Verkehr: Auf Autobahnen soll ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern gelten. Das schütze die Umwelt und senke die Unfallzahlen. „Die Zukunft gehört den elektrischen Antrieben“, heißt es im Programm. Nach dem Wunsch der Sozialdemokraten sollen zum Ende des Jahrzehnts mindestens 15 Millionen Autos hierzulande voll elektrisch fahren. Deutschland soll außerdem zu einem Zentrum der Batteriezellenfertigung und des Recyclings werden. "Wir wollen die Verkehrswende voranbringen und bis 2030 das modernste und klimafreundlichste Mobilitätssystem Europas aufbauen." Der Öffentliche Personennahverkehr soll klimaneutral ausgebaut werden.

 

Arbeit: Den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,50 Euro will die SPD auf mindestens zwölf Euro erhöhen. Es gibt keine sachgrundlosen Befristungen von Arbeitsverträgen mehr. Zudem soll es einen Rechtsanspruch auf mindestens 24 Tage mobile Arbeit (Homeoffice) im Jahr geben. Tarifverträge sollen leichter für eine Branche für allgemeinverbindlich erklärt werden können.

Soziales: Den Sozialstaat will die SPD stärken. Zur Höhe der Sozialbeiträge, die von der Bundesregierung vorübergehend bei 40 Prozent des Bruttolohns gedeckelt wurden, findet sich in dem Programm nichts. Ein Bürgergeld soll die Hartz-IV-Grundsicherung ersetzen. In den ersten zwei Jahren des Bezugs der staatlichen Hilfeleistung sollen Vermögen und Angemessenheit der Wohnungsgröße nicht überprüft werden.

Rente: Die gesetzliche Rente steht im Mittelpunkt der Altersvorsorge, mit einem Rentenniveau von mindestens 48 Prozent eines Durchschnittslohns. In die Rentenversicherung sollen auf lange Sicht alle Erwerbstätigen einbezogen werden, also auch Beamte und Selbständige. Den Staatsdienern wird zugesagt, dass „das Gesamtniveau ihrer Alterssicherung nicht reduziert" werde.

Wohnen: In angespannten Wohnlagen soll „ein zeitlich befristetes Mietenmoratorium“ gelten. Die Mieten dürften dann im Rahmen der Inflationsrate erhöht werden. Es sei der Neubau von 100.000 Sozialwohnungen jährlich erforderlich. Die bislang nach zehn Jahren geltende Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne nicht selbst genutzter Grundstücke will die SPD abschaffen.

Familie/Pflege: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf will die SPD stärker fördern - durch Verbesserungen beim Elterngeld, eine dauerhafte Verdoppelung der Kinderkrankentage auf 20 Tage pro Elternteil sowie durch eine neue Familienpflegezeit mit bis zu 15 Monaten Lohnersatz bei Pflege eines Angehörigen. Eine Kindergrundsicherung soll die bisherigen Leistungen wie Kindergeld und Kinderfreibetrag ersetzen.

Gesundheit: "Wir werden eine Bürgerversicherung einführen", kündigt die SPD an. Zudem: "Wir wollen die Renditeorientierung im Gesundheitswesen begrenzen. Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden, müssen zumindest mehrheitlich wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen." Was das in der Praxis bedeutet, bleibt offen.

Europa: Die SPD will eine „solidarische und souveräne" Europäische Union (EU). Ziel sei eine grundlegende Stärkung. Dazu gehöre eine gemeinsame Investitionspolitik: "Eine krisenfeste EU muss fiskalpolitisch handlungsfähig sein und sich zu einer echten Fiskal-, Wirtschafts- und Sozialunion weiterentwickeln." Die Finanzierung der EU soll "dauerhaft gerechter und eigenständiger" werden.

Nicht realisierbar und schon gar nicht bezahlbar!

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Berlins Bürgermeister unter Druck  

Lanz zu Müller: "Sie müssten das eigentlich genau wissen"

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller kam bei Markus Lanz ins Schwimmen. Beim Thema Reiserückkehrer offenbarte er eine Wissenslücke, die deutlich vor Augen führte, was in Sachen Kommunikation in der Pandemie schiefläuft.

Wer muss sich testen lassen, wer muss in Quarantäne und für wie lange? Diese Fragen beschäftigen derzeit zahlreiche Urlauber aus Deutschland, die zum Ende der Sommerferien in ihre Heimatstädte zurückkehren.

Gästeliste

  • Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin (SPD)
  • Yasmine M'Barek, "Zeit Online"-Redakteurin
  • Christina Berndt, "Süddeutsche Zeitung"-Redakteurin
  • Claudia Pahl-Wostl, Systemwissenschaftlerin

Fest steht: Eine allgemeine Reiserückkehrer-Testpflicht soll Berichten zufolge schon am Sonntag kommen. Die Politik diskutiert derweil noch finale Aspekte. Dass auch führende Stimmen dabei selbst einmal den Überblick verlieren können, offenbarte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller am Donnerstagabend bei "Markus Lanz".

Ob Kinder, die mit ihren Familien aus einem Risikogebiet zurückkommen, in Quarantäne müssten, wollte Lanz von dem SPD-Mann wissen. Hintergrund seiner Frage war die Annahme, dass so möglicherweise der Schulstart nach den Ferien verpasst würde, was sogar zu Strafen führen könnte.

Müller setzte jedoch an, diese Sorge Lanz‘ zu zerstreuen: Kinder müssten nach einem Urlaub im Hochrisikogebiet nicht in Quarantäne, verkündete er – schließlich gebe es für sie ja noch kein Impfangebot. Anders als Erwachsene, haben Kinder also nicht die Möglichkeit, sich durch die doppelte Impfung von einer Quarantänepflicht zu befreien.

"Wir starten in das Schuljahr mit einer Testpflicht", erklärte Müller stattdessen. Lehrer und Schüler sollten künftig drei Mal pro Woche in der Schule getestet werden. Moderator Lanz war angesichts der ausbleibenden Quarantänepflicht für Kinder jedoch "sehr erstaunt" – und damit nicht der Einzige.

Müller musste passen

"Meiner Meinung nach stimmt das nicht", merkte SZ-Journalistin Christina Berndt an. Sie ging davon aus, dass sich Kinder ebenso wie ungeimpfte Erwachsene nach einer Reise in ein Hochrisikogebiet "frei-testen" müssten, um wieder in die Schule gehen zu können.

"Das weiß ich jetzt auch nicht so genau", gab Müller schließlich zu. "Sie müssten das eigentlich genau wissen", entgegnete Lanz kritisch und fragte nach: "Wie kann das sein?"

Müller verwies darauf, dass sich die Maßnahmen ja fortlaufend änderten. Das gestand ihm auch Berndt zu und fand die Situation "verzeihlich". Schließlich änderten sich die Regeln, weil Politiker auf das Virus reagieren müssten, das stets neue Herausforderungen bereithalte.

Ganz ungescholten ließ Berndt die Politik jedoch nicht davonkommen. "Die Kommunikation müsste klarer sein", so ihr Urteil. Auch als es um die ausbleibende Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für die Impfung von Kindern ging, übte Berndt Kritik.

Stiko-Druck kritisiert

Politiker dürften sich nicht einmischen, indem sie der Stiko Daten vorlegten und auf deren Grundlage eine Einschätzung der Covid-Vakzine für Kinder anregten – schließlich sei die Stiko unabhängig.

Müller hingegen fand derartige Kommunikation "nicht verwerflich" und im Gegenteil dazu in der Lage, zu einem guten Ergebnis beizutragen. Fakt ist: Mit Blick auf die Sicherheit des Schulalltags hätte ein Impfangebot für Kinder das Potenzial, der Politik einige Debatten zu erleichtern.

Der Berliner Bürgermeister stellte jedoch klar, dass es sich beim Impfen von Kindern lediglich um eine zusätzliche Maßnahme handeln würde. Zudem gebe es weiter unter anderem Luftfilter und regelmäßige Tests.

Hinsichtlich der Impf-Frage seien in Berlin derzeit die 20- bis 25-Jährigen das größte Problem, erklärte Müller. "Wir erleben leider, dass die Reaktion sehr verhalten ist", so der SPD-Mann. Und das trotz gezielter Angebote, beispielsweise bei Club-Nächten oder vor Ikea.

"Wut auf Politik"

Eine Berlinerin, die dieser Altersgruppe angehört, war mit Journalistin Yasmine M'Barek am Donnerstagabend im Studio. Sie erklärte, dass unter jungen Leuten einiges an Wut auf die Politik da sei. Angesichts von "Schein-Debatten" hätten sich viele Junge irgendwann so gefühlt, als seien sie egal.

Zum Ende der Sendung überließ Lanz der Studentin eines der Schlussworte. Was von Bürgermeister Müller in Berlin bliebe, wenn der in den Bundestag einziehe, wollte er von ihr wissen. "Nicht sehr viel", so M’Barek. Der SPD-Mann sei eher ein Manager als ein Visionär. Ganz so negativ blieb ihr Urteil am Ende dann aber doch nicht: Müller verfüge auch über "Diplomatie und die Fähigkeit zu vermitteln", so die 22-Jährige.

"Vielleicht sehen wir Sie als Minister wieder", lautete Lanz‘ Abschiedsgruß an Müller.

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Scholz gibt Mindestlohn höchste Priorität  

"Gehaltserhöhung für zehn Millionen Bürger"

Als Finanzminister hat Olaf Scholz den Mindestlohn in Deutschland nicht drastisch erhöhen können. Als Chef im Kanzleramt will er sich bei einer Wahl sofort diesem Thema widmen. Ein Betrag steht schon fest.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz will im Falle eines Wahlsiegs umgehend die von seiner Partei geforderte Anhebung des Mindestlohns umsetzen. "Mein wichtigstes Gesetz, das ich sofort auf den Weg bringe, ist für zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger eine Gehaltserhöhung zu organisieren", sagte Scholz am Mittwoch dem Nachrichtensender Welt.

Es sei eine "bedrückende Botschaft", dass eine Erhöhung des Mindestlohns zeige, dass Millionen Menschen im Land mit geringen Einkommen leben müssten. Die SPD will den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,60 Euro pro Stunde auf zwölf Euro erhöhen.

Mehr Tempo bei erneuerbaren Energien

Der Ausbau erneuerbarer Energien müsse unter einer neuen Bundesregierung mit deutlich höherem Tempo vorangetrieben werden, forderte Scholz. "Neue Windkraftanlagen müssen in sechs Monaten und nicht in sechs Jahren genehmigt werden", sagte der Bundesfinanzminister.

"Wir müssen Beteiligungsverfahren haben, aber sie dürfen sich nicht in die Länge ziehen." Gesetze müssten so angepasst werden, dass die Ausbauvorhaben umsetzbar seien. "Das wird Konflikte mit sich bringen. Aber wer sich die nicht zutraut, sollte zur Zukunft Deutschlands schweigen."

Das wir die Wirtschaft stark schädigen und den Einstig von Langzeitarbeitslosen so verteuern, dass es für Unternehmen unwirtschaftlich ist.

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Noch ein Plagiat

Peinliche Patzer sind das eine – gravierende Vergehen sind etwas anderes. Das gilt zum Beispiel für Franziska Giffey: Im Juni entzog ihr die Freie Universität Berlin den Doktortitel wegen "Täuschung über die Eigenständigkeit ihrer wissenschaftlichen Leistung". Als Familienministerin war die SPD-Politikerin vorsorglich kurz zuvor zurückgetreten. Nun will sie trotzdem Regierende Bürgermeisterin in der Hauptstadt werden – und womöglich in Personalunion auch Wissenschaftssenatorin. Doch eine neue Plagiatsprüfung, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt, weckt neue Zweifel an Frau Giffeys Integrität. Dieses Mal geht es um ihre Masterarbeit, die sie im Jahr 2005 – vier Jahre vor der Dissertation – an der Berliner Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege einreichte. Ein Team um den Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch nimmt die Arbeit derzeit unter die Lupe. Sein Zwischenfazit ist eindeutig: "Die Arbeit ist in großen Teilen ein Flickenteppich aus Plagiaten", hat er meiner Kollegin Annika Leister gesagt. "Einfachste Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens wurden verletzt."

 

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Cum-Ex-Steuerskandal: Scholz lässt Akten sperren, die ihm gefährlich werden können

 

Der Finanzausschuss möchte das Protokoll einer Befragung von Scholz veröffentlichen. Doch sein Ministerium will eine Freigabe der Verschlusssache erst einmal gründlich prüfen.

Es ist eine altbewährte Methode in der Politik: Erst abstreiten, dann Erinnerungslücken deklamieren. Olaf Scholz gibt dieser politischen Disziplin, wie man am besten mit Skandalen umgeht, noch einen weiteren Dreh: Das, was man letztlich doch sagen muss, hinter verschlossenen Türen tun und anschließend das Protokoll zur geheimen Verschlusssache erklären lassen.

So ist es dem Bundesfinanzminister bisher gelungen, durch die Cum-Ex-Affäre um die Warburg-Bank zu lavieren. Dabei geht es um die Frage, ob Scholz in seiner Zeit als Erster Bürgermeister in Hamburg womöglich Einfluss darauf genommen hat, dass das dortige Finanzamt 2016 Steuerrückforderungen von 47 Millionen Euro verjähren ließ. Nun droht Scholz aber doch noch Ungemach. Die meisten Mitglieder des Bundestags-Finanzausschusses wollen nämlich eine Veröffentlichung des Protokolls einer Befragung von Olaf Scholz zum Cum-Ex-Skandal vom 1. Juli 2020 erreichen.

Auslöser des Vorstoßes war eine Meldung der WirtschaftsWoche, die Entscheidung zur Geheimhaltung sei laut Bundesfinanzministerium Sache des Parlaments. Tatsächlich hatte das Ministerium auf Anfrage der WirtschaftsWoche mitgeteilt: „Die Entscheidung zur Durchführung einer geheimen Sitzung des Bundestagsfinanzausschusses obliegt dem Deutschen Bundestag, dies gilt auch für den Umgang mit durch den Bundestag eingestuften Unterlagen.“ Das wiederum überraschte verschiedene Mitglieder des Finanzausschusses über Fraktionsgrenzen hinweg von Lisa Paus (Grüne) über Fabio De Masi (Linke) bis zur Ausschussvorsitzenden Katja Hessel (FDP) selbst. Seither bemühen sich die meisten Ausschussmitglieder darum, das Scholz-Protokoll entstufen zu lassen, so der Fachausdruck.

Für die Linke beantragte deren Obmann im Finanzausschuss Stefan Liebich am 3. September in einer Mail an die Ausschussvorsitzende Hessel, das Protokoll entstufen zu lassen. Die parlamentarische Maschinerie setzte sich daraufhin in Gang. Das Ausschusssekretaritat bat am Montag im Auftrag von Hessel das Finanzministerium offiziell zu prüfen, ob es dort Einwände gegen eine Entstufung des Scholz-Protokolls gebe. Eventuellen Einwänden – schließlich geht es beim Cum-Ex-Skandal um steuerrelevante Daten – könnten ja, so schlug das Sekretariat zuvorkommend vor, gegebenenfalls durch Schwärzungen im Text begegnet werden. Als Frist für eine Antwort des Ministeriums setzte das Parlamentssekretariat Mittwoch, den 8. September fest.

Zeitlich aufwändig, rechtlich komplex

Eigentlich hätte das Ministerium rasch antworten können – so wie sie es auch bei der Anfrage der WirtschaftsWoche eine Woche zuvor tat. Doch es kam anders. Scholz‘ Leiter des Kabinettreferats im Ministerium teilte dem Ausschuss am Mittwoch telefonisch mit, dass die Prüfung sehr zeitaufwändig, rechtlich komplex und daher noch nicht abgeschlossen sei. In die Prüfung müssten sowohl die Steuerabteilung IV als auch für die verfassungsrechtlichen Fragestellungen die Abteilung V des BMF eingebunden werden. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Öffentlichkeit noch vor der Bundestagswahl am 26. September 2021 möglicherweise Neuigkeiten darüber erfährt, was Scholz in der Cum-Ex-Affäre wirklich wusste oder verschwieg.

„Wenig überraschend, aber inzwischen dreist“, sagt die Grünenpolitikerin Paus: Das Bundesfinanzministerium mauere weiter und versuche die Veröffentlichung des geheimen Protokolls zur Anhörung von Herrn Scholz im Fall Warburg-Bank im Finanzausschuss hinauszuzögern. Paus spricht von der „Scholz-Methode: Öffentlich vollständige Transparenz ankündigen, dann aber das genaue Gegenteil machen. Aussitzen, wo und wann es geht.“ Vor allem aus politischen Gründen verstecke sich Scholz hinter dem Steuergeheimnis. Dabei wisse inzwischen jeder, dass es um die Warburg-Bank und 47 Millionen Euro Kapitalertragsteuer aus Cum-Ex-Geschäften gehe.

„Was soll die Geiheimniskrämerei?“

Auch De Masi von den Linken, der sich bereits im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags einen Namen gemacht hat, drängt auf Transparenz. „Was soll die Geheimniskrämerei?“, fragt der Finanzpolitiker. Schließlich betone Scholz, er habe nicht in ein laufendes Steuerverfahren eingegriffen. De Masi: „Wie kann dann das Steuergeheimnis greifen, wenn gar nicht über konkrete Steuerverfahren gesprochen wurde?“ Hätte allerdings Scholz eingegriffen, wäre das strafbar. Das Steuergeheimnis würde dann eine Straftat schützen. Umso wichtiger sei daher eine vollständige Aufklärung, die wiederrum vollständige Transparenz voraussetze.

Frühstück mit dem Staatssekretär

Das aber könnte dauern, wenn Scholz und das Ministerium sich hartleibig zeigen sollten. So bleibt es eine mühselige Kleinarbeit für die parlamentarischen Aufklärer. Immerhin brachte eine Anfrage der Linken-Fraktion kürzlich zutage, dass die Warburg-Bank zum Bundesfinanzministerium Kontakt auf Staatssekretärsebene hatte. „Staatssekretär Dr. Kukies hatte am 2. April 2019 ein Frühstück mit Herrn Johannes Kahrs, an dem auch Herr Dr. Olearius teilnahm“, schrieb das Bundesfinanzministerium in seiner Antwort. Kahrs war zu dem Zeitpunkt haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und traf sich mehrfach mit Christian Olearius, Mitinhaber der Warburg-Bank, der Kahrs‘ Kreisverband in Hamburg mit einer Parteispende bedacht hatte. Daneben gab es in Sachen Warburg-Bank zwischen dem Bundesfinanzministerium und der Hamburger Senatskanzlei beziehungsweise den dortigen Finanzbehörden 22 Kontakte allein in den zwölf Monaten von Februar 2020 bis Februar 2021, so das Bundesfinanzministerium. „Die Drähte zwischen Finanzministerium und dem Hamburger Senat liefen im Cum-Ex-Krimi mit der Warburg-Bank heiß“, sagte De Masi zur WirtschaftsWoche.

Wie hartnäckig die Abgeordneten bleiben, zeigt auch Paus von den Grünen. Gegenüber dem Finanzausschuss erneuerte sie diese Woche ihre Bitte, das Bundesfinanzministerium solle dem Ausschuss die interne und externe Korrespondenz im Fall Warburg Bank zur Verfügung stellen. Die Aufklärung geht weiter, ob Scholz nun nächster Bundeskanzler wird oder nicht.

Mehr zum Thema: Die Fassade von Olaf Scholz beginnt zu bröckeln, denn der Hamburger Senat war unter Führung des früheren Bürgermeisters Scholz dichter dran am Steuerskandal als zugegeben. Die Vergangenheit des Kanzlerkandidaten ist weder staatsmännisch noch goldglänzend.

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SPD-Kanzlerkandidat: Was ist dran an den Vorwürfen gegen Olaf Scholz?

 

Wirecard, Cum-Ex, G20 und nun eine Razzia im Finanzministerium: In der Wahlkampfendphase wird Olaf Scholz mit einigen Affären konfrontiert. Was man dazu wissen sollte.

Olaf Scholz und der Cum-Ex-Banker

Das Cum-Ex-Verbrechen – der Raub von vielen Milliarden Euro an Steuermitteln durch illegale Aktiengeschäfte – hat viele Täter. Dass es möglich wurde, haben Bundesregierungen zu verantworten, die es schon lange nicht mehr gibt. Ein Ausschnitt dieses Skandals jedoch spielt in Hamburg und wirkt bis heute nach. Dort wollte das Finanzamt in den Jahren 2016 und 2017 der in der Hansestadt ansässigen Warburg-Bank gestatten, viele Millionen Euro zu behalten, die zu Unrecht erstattet worden waren. Verhindert wurde das 2017 schließlich durch eine Weisung des Bundesfinanzministeriums (eine ausführliche Darstellung der Zusammenhänge finden Sie hier).

Olaf Scholz war zu jener Zeit Bürgermeister von Hamburg. Und er hat sich damals mehrfach mit dem mutmaßlichen Täter, dem damaligen Chef der Warburg-Bank Christian Olearius, getroffen. Das belegt der Kalender von Scholz, er hat es selbst bestätigt, so ist es auch im Tagebuch von Olearius nachzulesen. Dem Banker, so haben es seine Anwälte im Untersuchungsausschuss gesagt, ging es bei diesen Treffen darum, mithilfe des Bürgermeisters Rückforderungen von der Bank abzuwenden. Die Hamburger Behörden wussten um den Cum-Ex-Verdacht gegen Warburg, Scholz hatte vor den Treffen mit Olearius mit Fachleuten seiner Verwaltung darüber gesprochen. Bekannt war auch, dass es bereits eine Durchsuchung in der Bank gegeben hatte. Scholz traf sich dennoch mit dem Banker.

Olearius brachte ein Schreiben mit seiner Sicht der Dinge zu einem der Treffen mit. Scholz selbst habe gesagt, er solle es kommentarlos an den damaligen Finanzsenator und heutigen SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher schicken. Mit diesem Rat hat Scholz Olearius extra noch einmal angerufen.

Die Frage, mit der sich der Untersuchungsausschuss beschäftigt, ist nun: Gab es im Fall Warburg eine politische Einflussnahme auf das Handeln des Finanzamts? Scholz weist das zurück. Er habe Olearius nur auf den Dienstweg verwiesen. Im Übrigen, so sagte Scholz es im Ausschuss, habe er praktisch keinerlei Erinnerung mehr an die Gespräche mit Olearius.

Ist das glaubwürdig? Immerhin traf Scholz einen Banker, der Erträge aus mutmaßlich kriminellen Geschäften sichern wollte, von denen Scholz damals wusste. Ein Beweis, dass es eine Einflussnahme gab, ist bislang nicht gefunden worden. Es gibt aber viele Indizien, die mindestens Fragen aufwerfen: Der Finanzsenator gab das Olearius-Schreiben damals mit Randnotizen an seine Untergebenen weiter, die zumindest die Bedeutung des Vorgangs betont haben. Die Untergebenen hatten schon Argumente für eine Entscheidung gegen die Bank zusammengetragen, vertraten diese Position aber nicht gegenüber dem zuständigen Finanzamt, das in der Sache zu entscheiden hatte. Das Finanzamt traf schließlich die Bank-freundliche Entscheidung, wohl auch unter dem Eindruck, die Bank könne durch einen gegenteiligen Beschluss in ihrer Existenz gefährdet sein.

Letztlich kamen die Hamburger Finanzbehörden dem Cum-Ex-Banker sehr weit entgegen, weiter, als es in ähnlichen Fällen in anderen Bundesländern gehandhabt wurde. Weiter auch, als es das Bundesfinanzministerium schließlich zuließ.

Am vergangenen Freitag (10.9.) berichtete die Wirtschaftswoche, das inzwischen von Olaf Scholz angeführte Bundesfinanzministerium habe dafür gesorgt, dass das Protokoll einer Sitzung des Finanzausschusses des Bundestags weiterhin gesperrt bleibt – obwohl die Mehrheit der Ausschussmitglieder es veröffentlicht sehen will. Es geht darin um die Sitzung vom 1. Juli 2020, in der Scholz zum Cum-Ex-Skandal befragt worden war. Warum sich der Minister sperrt, der von sich selbst sagt, er habe sich nichts vorzuwerfen, ist nicht klar.

Geblendet von Wirecard

Der Fall Wirecard geht als wohl größter Finanzskandal in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein. Der frühere Dax-Konzern hatte im Juni 2020 eingeräumt, dass es für die Existenz von 1,9 Milliarden Euro an vermeintlichen Firmengeldern keine Nachweise gibt, und meldete Insolvenz an. Zahlreiche Anleger und Anlegerinnen verloren ihre Ersparnisse. Die Staatsanwaltschaft wirft mehreren früheren Managern des Unternehmens gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. Die Flucht des früheren Vorstands Jan Marsalek erregte international Aufsehen, er wird weiterhin gesucht.

Während die strafrechtliche Aufarbeitung noch andauert, hat im Bundestag ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss die politische Dimension des Skandals aufgearbeitet. Dabei geht es vor allem um die Frage, warum der mutmaßliche Betrug nicht früher aufgefallen ist. Zahlreiche Zeugenbefragungen im Parlament haben gezeigt, wie schamlos Lobbyisten teilweise bis ins Kanzleramt hinein für den Finanzdienstleister warben, wie Wirtschaftsprüfer dem Unternehmen jahrelang eine saubere Bilanz bescheinigten und wie Aufsichtsbehörden wegschauten. Im Fall Wirecard, so schien es oft, hat sich ein ganzes Land selbst betrogen.

Die politische Hauptverantwortung in dem Bilanzskandal sieht vor allem die Opposition bei Olaf Scholz. Schließlich hat sein Ministerium die Aufsicht über die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Jene Behörde also, die Wirecard wie andere Finanzunternehmen auch kontrollieren sollte und viel zu spät aktiv geworden ist. Schlimmer noch: Statt den Vorwürfen gegen den Konzern nachzugehen, vermutete die Finanzaufsicht zunächst eine angebliche Verschwörung gegen einen neuen, deutschen Champion. Scholz verteidigte die BaFin immer wieder. Erst spät, als der Druck zunahm, entließ er Behördenchef Felix Hufeld. Doch da war bereits viel Glaubwürdigkeit verloren gegangen.

Der Fall gilt als zu komplex, um Scholz im Wahlkampf gefährlich zu werden. Klar ist aber: Auch der Finanzminister hat sich von Wirecard blenden lassen und wirkte in dem Fall teilweise zögerlich, ließ Konsequenz vermissen, schien zuweilen gar aufklärungsunwillig. Immerhin kann Scholz im Wahlkampf darauf verweisen, dass er aus dem Wirecard-Skandal gelernt und ein Gesetz auf den Weg gebracht hat, das die Befugnisse der BaFin stärkt und die Vorschriften für Abschlussprüfer verschärft. Und zur Wahrheit gehört auch: Die Opposition hat dem Finanzminister im Untersuchungsausschuss kein direktes persönliches Fehlverhalten nachweisen können.

Sicherheitsversagen bei G20

Am 7. und 8. Juli 2017 trafen sich in Hamburg die Chefs der größten und wichtigsten Staaten zum G20-Gipfel, als Stargast wurde erstmals der neue US-Präsident Donald Trump erwartet. Schon Monate vorher waren Linksextreme in halb Europa herumgereist und hatten zu Protesten mobilisiert. Tausende Gewaltbereite wurden erwartet, die ihre Ziele nicht verheimlichten: Sie wollten den Gipfel lahmlegen. In der Stadt breitete sich Sorge aus, viele Bürgerinnen und Bürger verreisten – aber der damalige Bürgermeister Olaf Scholz gab sich (wie auch die Polizei) extrem selbstgewiss: Der Gipfel sei eine wunderbare Sache und die Bürger könnten beruhigt sein, schließlich organisiere Hamburg ja auch jedes Jahr den großen Hafengeburtstag. Auf die Frage, ob er die Sicherheit in der Stadt garantieren könne, sagte er in einem Interview: "Seien Sie unbesorgt, wir können die Sicherheit garantieren."

Diese unnötig großspurigen Aussagen wurden ihm zum Verhängnis, als die ersten Rauchschwaden über Hamburg zogen. Ein schwarz vermummter Block marschierte marodierend durch den Stadtteil Altona und zündete reihenweise Autos an, darunter auch Kleinwagen von Pflegekräften. Am Freitagabend verschanzten sich dann mehr als 1.000 Autonome im Schanzenviertel. Die Feuerwehr kam nicht mehr durch, um brennende Barrikaden zu löschen, Läden wurden geplündert, Anwohner riefen in Panik vergeblich den Notruf an. Auch die Polizei traute sich über Stunden nicht in das Viertel, weil Vermummte sie von Dächern und einem Baugerüst herab mit Gehwegplatten, Böllern und womöglich auch Molotowcocktails bewarfen. Erst der Einsatz mehrerer Spezialkommandos mit Gewehren und Laser-Zieleinrichtungen im Anschlag beendete den Spuk schließlich. Die live im Fernsehen übertragenen Bilder waren verheerend. Auch die des bleichen Olaf Scholz, der aus den Katakomben der Elbphilharmonie die Randalierer aufrief, "mit ihrem Tun aufzuhören und sich zurückzuziehen". Selten wirkte er so hilflos.

Nach dem Gipfel mussten seine Vertrauten lange auf Scholz einreden – bis er sich in der Bürgerschaft dann doch bei den Hamburgern dafür entschuldigte, dass er die öffentliche Sicherheit nicht überall hatte garantieren können. Später sagte er, dass er von seinem Bürgermeisteramt zurückgetreten wäre, wenn es beim Gipfel Tote gegeben hätte. Dass es soweit nicht kam, war Glück.

Bei vielen Hamburgerinnen und Hamburgern hat Scholz in diesen Tagen viel Vertrauen eingebüßt. Sein Hang, den starken Mann darzustellen, der immer alles im Griff hat, wurde ihm in diesem Fall zum Verhängnis. Mit seinen Fehlern beim G20-Gipfel hat er seinen Markenkern beschädigt, der unter anderem daraus besteht, ganz seriös immer nur das zu versprechen, was er halten kann.

Razzia im Bundesfinanzministerium

In der vergangenen Woche hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück neben dem Bundesjustizministerium auch das Bundesfinanzministerium durchsucht. Ein ungewöhnlicher Vorgang – denn die Ermittlungen richten sich nicht gegen Mitarbeitende der Ministerien, auch nicht gegen Olaf Scholz, vielmehr geht es um eine dem Zoll unterstellte Spezialeinheit, die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit/FIU).

Hintergrund ist ein Strafverfahren gegen Beamte der FIU. Bei dieser bundesweit zuständigen Stelle melden etwa Banken, Notare, Steuerberater und viele weitere Verdachtsfälle von möglicher Geldwäsche. Die Beamten der Einheit sichten und prüfen die Meldungen und leite die Fälle dann an die Strafverfolgungsbehörden weiter. Konkret ging es bei der Razzia im Bundesfinanzministerium um einen Fall aus dem Jahr 2018, bei dem einer Bank eine Millionenzahlung nach Afrika verdächtig vorkam und sie wegen vermuteter Geldwäsche, Waffen- und Drogenhandel und sogar Terrorismusfinanzierung an die FIU meldete. Die FIU nahm den Fall auch zur Kenntnis, leitete diesen aber nicht an die Strafermittlungsbehörden weiter.

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt seit 2020 in diesem Fall und nimmt an, dass sich Beamte der FIU der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht haben könnten. Die Razzia im Scholz-Ministerium sollte laut Staatsanwaltschaft dazu dienen, den Fall und individuelle Verantwortlichkeiten von FIU-Beamten weiter aufzuklären. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hätte auch ein Auskunftsersuchen über den offiziellen Dienstweg stellen können – das tat sie aber nicht. Sie ließ sich vom Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss ausstellen und informierte die Bundesministerien vorher nicht.

Die aufgeschreckten Wahlkämpfer der SPD kritisieren nun, dass die Ermittlungsbehörde mit dem Durchsuchungsbeschluss suggeriert habe, dass das Ministerium nicht zur Kooperation mit den Strafverfolgern bereit gewesen wäre, dass dort gar Dokumente vernichtet worden wären. Außerdem sei der ermittelnde Osnabrücker Staatsanwalt ein CDU-Parteimitglied und die Staatsanwälte handelten mit Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) im Rücken. Der Durchsuchungsbeschluss war außerdem schon einen Monat alt – die Razzia wurde aber erst zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl durchgeführt.

Olaf Scholz selbst hat mit der FIU nur so viel zu tun, als dass sie als quasi nachgelagerte Behörde dem Zoll unterstellt ist und unter dem Dach des Bundesfinanzministerium steht. Der Finanzminister hat aber nur die Rechtsaufsicht und nicht die Fachaufsicht, er hat damit keine inhaltliche Einsicht in die Verdachtsfälle, welche bei der FIU gemeldet werden und darf auch gar keinen inhaltlichen Einfluss nehmen.

Die Probleme bei der FIU – Schlamperei infolge von zu wenig Personal, fehlenden Kompetenzen und unklarer Struktur – sind schon aus der Zeit bekannt, in der die CDU das Bundesfinanzministerium innehatte und für die Finanzaufsicht zuständig war. 2017 überführte Wolfgang Schäuble (CDU) als damaliger Finanzminister die FIU vom Bundeskriminalamt zum Zoll. Das löste aber kaum Probleme. 2018, als Olaf Scholz und mit ihm die SPD das Ministerium übernahm, wurde die FIU personell und auch mit Rechten besser ausgestattet. Der Ausbau läuft noch immer. Der Fall, in dem die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt, ereignete sich im Juni 2018 – also nur kurz nachdem die SPD das Finanzministerium übernommen hatte, bei der FIU Verbesserungen aber noch nicht wirksam wurden.

Unions-Kanzlerkandidate Armin Laschet wirft seinem Kontrahenten Scholz daher im Zusammenhang mit der Razzia etwas anderes vor: Der SPD-Minister habe "abfällig" über die Justiz gesprochen, als er vor Fernsehkameras darauf verwies, dass ihn der Durchsuchungsbeschluss irritiere, sagte Laschet im Triell am Sonntagabend. Das sei "unangemessen" gewesen.

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Wählercheck: Scholz liegt auch in Bayern weiter vorn

 

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz liegt im Kampf um die Wählergunst einer neuen Umfrage zufolge derzeit auch in Bayern vorne. Wenn der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin direkt vom Volk gewählt würde, käme Scholz dem neuesten Wählercheck der Sendung «17:30 Sat.1 Bayern» zufolge auf 39 Prozent - klar vor Armin Laschet (CDU) mit 21 Prozent und der Grünen-Bewerberin Annalena Baerbock mit 13 Prozent.

Unter den Parteien läge die CSU bei der sogenannten Sonntagsfrage in Bayern zwar weiter vorn, käme aber mit 29 Prozent (+ 1) erneut nicht über die Marke von 30 Prozent. Beim zurückliegenden Wählercheck, der am 14. September veröffentlicht wurde, lag die CSU bei 28 Prozent.

17 Prozent (-1) würden die SPD wählen, 16 Prozent die Grünen (-2). Der FDP würden 13 Prozent (+1) der Wähler in Bayern ihre Stimme geben, der AfD unverändert 11 Prozent. Die Freien Wähler verlieren einen Punkt und kämen auf 5 Prozent. Bei der Sonntagsfrage werden die Umfrageteilnehmer gefragt, wen sie wählen würden, wäre die Wahl bereits am kommenden Sonntag.

Für den Sat1-Wählercheck hat das Umfrageinstitut GMS im Zeitraum zwischen dem 13. und dem 15. September telefonisch 1002 Menschen befragt. Der Sender weist daraufhin, dass Wahlumfragen grundsätzlich nur Momentaufnahmen sind und es sich nicht um eine Prognose über den Wahlausgang handelt.

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Im Privatjet durch die Klimawahlkampf: Die Flüge des Olaf Scholz und die schwierige Reiseplanung der Spitzenkandidaten

 

Olaf Scholz will Klimakanzler in Deutschland werden. So steht es auf seinen Plakaten. Und so wirbt der Sozialdemokrat seit Monaten um Wählerstimmen. "Wer das mit dem Klimaschutz ernst nimmt, der muss auch mal Windräder genehmigen und Leitungen bauen", sagte Scholz im Wahlkampf. Er will inneneuropäische Bahnfahrten billiger und Billigflüge teurer machen, um die Menschen zu klimafreundlicheren Reisemöglichkeiten zu bewegen. Kein Flug dürfe "unter 50, 60 Euro" kosten, so Scholz. "Auch das sei noch ziemlich günstig."

Um diese Botschaften in die ganze Republik zu tragen, nutzte Scholz auch Flüge mit Privatjets, für die seine Partei wohl einen fünfstelligen Betrag bezahlen muss. Dies belegen unter anderem Fotoaufnahmen am Hamburger Flughafen in der vergangenen Woche. Sie zeigen, wie der Kanzlerkandidat in Begleitung einer Parteimitarbeiterin und mehrerer Leibwächter in einen "Citation Jet" der Marke Cessna steigt.

Zahlreiche Untersuchungen haben in der Vergangenheit die Umweltbilanz solcher Flüge aufgezeigt und international für Diskussionen gesorgt. Laut einer britischen Studie verursacht ein Flug mit einem Privatflugzeug rund zehnmal mehr Emissionen als ein vergleichbarer Flug in der Economy-Klasse einer Linienmaschine – und 150-mal mehr als eine Fahrt in einem Hochgeschwindigkeitszug. Im Sommer hatte die europäische Non-Profit-Organisation Transport & Environment auf steigenden CO2-Emissionen von Privatjets hingewiesen. Luftfahrt-Direktor Andrew Murphy: „Mit einem Privatjet zu fliegen, ist vermutlich das umweltschädlichste, was man tun kann."

Wie häufig die SPD für Scholz im Wahlkampf einen Privatjet gebucht hat, beantwortete die Partei auch auf mehrmalige Anfrage nicht. Die vorliegenden Fotoaufnahmen dokumentieren lediglich einen Flug am Nachmittag des 13. Septembers von Hamburg nach Stuttgart. Nach Recherchen von Business Insider fuhr der Bundesfinanzminister nach dem TV-Triell am Abend zuvor von Berlin nach Hamburg, verbrachte den Vormittag in der Hansestadt. Gegen 14 Uhr ließ sich Scholz in seiner Dienstlimousine dann zum Flughafen Hamburg chauffieren, direkt neben den startklaren Privatjet.

Für den SPD-Auftrag wurde die Cessna laut Flugdaten offenbar extra aus Berlin eingeflogen. Nach rund einer Stunde Flugzeit landete der Jet mit Scholz, einer Parteimitarbeiterin und drei bis vier Leibwächtern vom Bundeskriminalamt in Stuttgart. Eine lokale Tageszeitung hatte den Kanzlerkandidaten zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Titel: „Das Rennen um das Kanzleramt: Corona, Klima und Konflikte – so will Olaf Scholz Deutschland regieren“.

Auch bei diesem Auftritt redete Scholz viel darüber, wie er als neuer Kanzler den Klimaschutz richtig anpacken wolle. Nach gut anderthalb Stunden brach die Moderatorin die Fragerunde mit Scholz ab, wies darauf hin, dass der SPD-Kandidat ansonsten seinen Flieger verpassen könnte. Nach Informationen von Business Insider nutzte Scholz aber auch für die Weiterreise von Stuttgart nach Berlin einen Privatjet.

Business Insider stellte der SPD eine Reihe von Fragen dazu. Unter anderem ob es richtig ist, dass weitere Privatflüge für Olaf Scholz in der vergangenen Woche geplant waren? Ob geplante Flüge abgesagt wurden, weil Medien über Helikopter-Flüge des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet berichtet haben? Auch nach mehrmaligen Nachfragen in den vergangenen Tagen erreichte uns bis zum Erscheinen dieses Artikels keine Antwort von der SPD.

Tatsache ist: Als Bundesfinanzminister ist Scholz berechtigt, die Flugbereitschaft des Bundesministeriums für Verteidigung zu nutzen. Zehn Wochen vor einer Bundestagswahl dürften sogar alle Kanzlerkandidaten das staatliche Reiseangebot in Anspruch nehmen. Allerdings nutzen weder SPD noch CDU und Grüne diese Möglichkeit.

Ein CDU-Sprecher räumt ein: "Der Transport des Kanzlerkandidaten wird in der Regel mit Linienflügen und Zug- oder Autofahrten organisiert. Sollte dies zeitlich nicht möglich sein, chartert die CDU, wie schon in vorherigen Wählkämpfen, bei Privatunternehmen Flüge, je nach Verfügbarkeit." Ein Sprecher der Grünen sagt auf Anfrage: "Frau Baerbock ist im Wahlkampf vor allem mit dem Tourbus unterwegs, teilweise auch mit der Bahn. Einen Privatjet nutzt Frau Baerbock nicht."

 

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