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Niemand darf sein Geschäft wieder öffnen, wenn er sich nicht an bestimmte Regeln hält. Treffen bald wieder mehr Menschen aufeinander, steigt das Infektionsrisiko.

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Deswegen hat die Bundesregierung Maßnahmen zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus beschlossen, die von nun an in ganz Deutschland, in jedem Betrieb gelten. „Auf diese Standards können sich alle verlassen und an diese Standards müssen sich alle halten“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil am Donnerstag.

Arbeitgeber tragen Verantwortung

Heil stellte bei der Vorstellung der Liste anfangs klar: Die Arbeitgeber sollten sich gerade gut informieren, Experten für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte einbeziehen. Mitarbeitern müssten die Regeln verständlich erklärt werden. Denn klar ist: Sollten die Lockerungen zu mehr Erkrankten führen, könnte es durchaus wieder mehr Einschränkungen geben. Auch die folgenden Punkte seien wandelbar – je nachdem wie sich die Pandemie entwickelt. „Der Aufwand für die Unternehmen steht außer Frage“, sagte der Minister. „Aber es ist ein notwendiger Aufwand.“

Abstand oder Nase-Mund-Bedeckung

Bei der Arbeit muss wie im öffentlichen Raum ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen eingehalten werden – und zwar in Gebäuden, im Freien und in Fahrzeugen. Dafür könnten Absperrungen oder Markierungen wie im Supermarkt angebracht werden. Wo das nicht möglich ist, sagte Heil, seien Trennscheiben zu installieren. Ist auch das nicht machbar, müssten die Arbeitgeber Nase-Mund-Bedeckungen für die Beschäftigten und Kunden zur Verfügung stellen. „Wer in diesen besonderen Zeiten arbeitet, braucht besonderen Schutz“, sagte der SPD-Politiker. Medizinische Masken meint er damit explizit nicht. Diese sollen dem Personal in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen vorbehalten bleiben.

Saubere Hände und Türklinken

Der Arbeitgeber muss ausreichend Seife, Handtuchspender und Desinfektionsspender zur Verfügung stellen. Sanitär- und Gemeinschaftsräume müssten öfter gereinigt werden als gewöhnlich. Ebenso Türklinken und Handläufe. Alle sollten die Nies- und Hustetikette – womit das niesen und husten in Taschentücher oder die Ellenbeuge gemeint ist – einhalten . Und: Wer regelmäßig lüfte, reduziere die Zahl erregerhaltiger Tröpfchen im Zimmer.

Homeoffice statt Großraumbüro

Wenn möglich sollten Berufstätige weiter von zu Hause aus arbeiten, insbesondere wenn die Alternative das Großraumbüro ist. Ansonsten sollten die betrieblichen Abläufe so organisiert werden, dass Beschäftigte möglichst wenig direkten Kontakt zueinander haben. Es brauche mitunter eine andere Organisation von Pausen und Schichten. Soweit es geht sollen immer dieselben Personen zu gemeinsamen Schichten eingeteilt werden.

Dienstreisen und Präsenzveranstaltungen wie Besprechungen sollten auf das absolute Minimum reduziert werden. In Kantinen seien verschiedene Zeitfenster denkbar, damit nicht zu viele in der Warteschlange stehen. Dort und in anderen Gemeinschaftsräumen müssen Tische und Stühle weit genug auseinandergestellt werden. „Das Virus wird unser Leben und die Arbeit noch lange prägen“, sagte Heil.

Teilen ist Tabu

Werkzeuge sollten wenn möglich nicht von mehreren Beschäftigten angefasst und genutzt werden. Ebenso strikt soll darauf geachtet werden, dass sich niemand Schutzausrüstungen teilt. Außerdem heißt es: „Bei Außen- und Lieferdiensten sollen Personen, die ein Fahrzeug benutzen, begrenzt werden.“

Krank heißt krank

„Niemals krank zur Arbeit“, mahnte Heil. Wer Symptome wie Husten, leichtes Fieber oder Atemnot habe, solle den Arbeitsplatz verlassen oder – noch besser – gleich zu Hause bleiben und einen Arzt kontaktieren. Hier seien auch die Beschäftigten gefragt, um Kolleginnen und Kollegen nicht in Gefahr zu bringen. Für den Fall einer Covid-19-Erkrankung im Betrieb empfiehlt der Minister, betriebliche Routinen zu entwickeln und mit den örtlichen Gesundheitsbehörden eng zu kooperieren. Helfen würde auch ein fester Ansprechpartner im Betrieb zur Pandemie. Wer zur Risikogruppe zählt, vorerkrankt ist, sollte sich an den Chef oder Betriebsarzt wenden, um eventuell strengere Maßnahmen zu vereinbaren.

Kontrollen sind möglich

Hubertus Heil stellte klar: „Es handelt sich um verbindliche Regeln.“ Die Behörden würden die Einhaltung stichprobenartig kontrollieren. Es gehe nicht darum, die Wirtschaft zu bedrohen. Der Schutz der Menschen stehe aber weiterhin im Mittelpunkt. Außerdem schade Leichtsinn dem Betrieb. Erkrankt jemand an dem Virus, müssen viele Kollegen oder gar alle in Quarantäne.

Das Regelwerk hat das Ministerium mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) erstellt. Von nun an soll ein Beraterkreis im Ministerium die Schutzmaßnahmen weiter im Blick haben und notfalls ändern. Miteingebunden ist das Robert-Koch-Institut. Das Verhalten der Menschen, betont Heil, sei weiterhin entscheidend für den Erfolg.

 

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Bußgelder, Veranstaltungen, Reisen  

Auf diese Corona-Regeln haben sich Bund und Länder geeinigt

Bei den Pandemie-Regeln gleicht Deutschland in Teilen einem Flickenteppich. Nun unternahmen die Länderchefs gemeinsam mit der Kanzlerin einen neuen Versuch, die Regeln zu vereinheitlichen. Das kam dabei heraus.

Der Versuch der neuen Einigkeit geriet zum zähen Ringen. Mit über drei Stunden Verspätung ging am Nachmittag eine Schaltkonferenz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten zu Ende, bei der über die nächsten gemeinsamen Schritte im Kampf gegen die Pandemie beraten wurde. Im Anschluss informierten Merkel und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sowie Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) über die Ergebnisse des Treffens.

Ein Überblick über die beschlossenen Maßnahmen:

  • Kostenlose Testungen von Rückreisenden aus Nicht-Risikogebieten enden mit dem Ende der Sommerferien am 15. September 2020.
  • Reiserückkehrer aus Risikogebieten sind verpflichtet, sich wieder für 14 Tage in Quarantäne zu begeben. Diese Isolation kann frühestens durch einen Test ab dem fünften Tag nach der Rückkehr beendet werden.
  • Für die Zeit der Pflicht-Quarantäne nach einer "vermeidbaren Reise" solle den Rückkehrern künftig kein Verdienstausfall gezahlt werden. Die Kanzlerin kündigte kurzfristig eine entsprechende Rechtsänderung an. Gelten soll das nur dann, wenn ein Land bereits zum Reiseantritt zum Risikogebiet erklärt worden war.
  • Bund und Länder seien sich einig, dass Reisen in Risikogebiete wegen der hohen Infektionsgefahr "eingeschränkt werden" müssten, sagte Merkel. Sie rief die Bürger dazu auf, auf Reisen in ausgewiesene Risikogebiete zu verzichten – "wo immer es möglich ist".
  • Bei Verstößen gegen die Maskenpflichtwird einheitlich ein Bußgeld von mindestens 50 Euro fällig.
  • Die Verkehrsminister der Länder sollen auch prüfen, ob ein Bußgeld in gleicher Höhe bei Verstößen im Nah- und Fernverkehr der Bahn erhoben werden kann.
  • Großveranstaltungen, bei denen eine Kontaktverfolgung und die Einhaltung von Hygieneregelungen nicht möglich ist, sollen bis mindestens Ende Dezember 2020 nicht stattfinden. Regionale Ausnahmen seien denkbar, wenn es das Infektionsgeschehen zulasse, sagte Söder. Es sei deshalb auch nicht sinnvoll, im September in der Bundesliga wieder mit Zuschauern zu starten.
  • Zum Umgang mit Fans bei bundesweiten Sportveranstaltungen wird eine Arbeitsgruppe auf Ebene der Chefs der Staatskanzleien eingesetzt, die bis Ende Oktober einen Vorschlag vorlegen soll.
  • Weitere Öffnungsschritte sind angesichts der Entwicklung der Infektionszahlen vorerst nicht zu rechtfertigen, sagte die Kanzlerin. Die Bürgerinnen und Bürger seien angehalten, weiter grundsätzlich auf einen Mindestabstand von 1,5 Metern zu achten.
  • Zunächst wird es keine bundesweite Linie bei der Maskenpflicht für Schüler und Lehrer geben. Die Hygienevorschriften im Schulbetrieb sollen aber künftig nach einheitlichen Maßstäben erfolgen, sagte die Kanzlerin. Weiteres soll die Kultusministerkonferenz regeln.
  • Keine Einigung wurde bei der Begrenzung der Teilnehmerzahl für Privatfeiern erzielt. Ursprünglich hatte das Bundeskanzleramt vorgeschlagen, die Zahl der Teilnehmer an Privatfeiern auf 25 zu begrenzen – dagegen gab es aber Widerstand auf Seiten der Ministerpräsidenten.

Die Kanzlerin zeigte sich besorgt wegen der zuletzt wieder steigenden Infektionszahlen. "Wir nehmen diesen Anstieg in den Sommermonaten sehr ernst", sagte sie. Ministerpräsident Söder (CSU) ergänzte: "Die Zahlen sind zu früh zu hoch." Virologen gehen davon aus, dass die Verbreitung des Virus durch die bevorstehende kühlere Jahreszeit begünstigt werden wird.

Die täglichen Neuinfektionen in Deutschland, die zeitweise bei deutlich unter 1.000 lagen, waren in den vergangenen Wochen wieder gestiegen. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom frühen Donnerstagmorgen wurden aktuell 1.507 neue Corona-Infektionen gemeldet. Am Samstag war mit 2.034 neuen Fällen erstmals seit Ende April die 2.000er-Marke überschritten worden.

Söder warnte: "Corona ist wieder voll da in Deutschland, deshalb müssen wir uns dieser Herausforderung stellen." Die steigenden Infektionszahlen hingen stark mit Rückkehrern aus dem Urlaub und von Familienbesuchen im Ausland zusammen – "und dem wachsenden Leichtsinn und der Unvernunft durch verschiedene Partys". Hamburgs Regierungschef Peter Tschentscher (SPD) sagte: "Wir sind uns alle sehr einig, dass wir zwar noch in einer stabilen Lage sind, aber dass wir sehr schwierige Monate vor uns haben."

Größere Meinungsverschiedenheiten

Bei den Beratungen gingen die Meinungen in einigen Punkten doch weiter auseinander als erhofft. Das wurde schon daran deutlich, dass die für den frühen Nachmittag angekündigte Pressekonferenz nach dem Treffen um mehrere Stunden verschoben wurde. So lehnte etwa Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) ein Mindestbußgeld mit der Begründung ab, in seinem Land würden sich die Menschen an die Corona-Regeln halten. Er werde die Regelung in seinem Land deshalb nicht mitmachen, sagte Haseloff laut der Nachrichtenagentur dpa, was er in einer Protokollnotiz festhalten lassen wollte.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wiederum hielt an seinem Angebot für kostenlose Tests an Flughäfen, Bahnhöfen und Autobahnen fest. Dies solle mindestens bis 1. Oktober gelten, sagte er im Anschluss. Die angebotenen Tests hätten sich bewährt. Im Freistaat können sich damit Rückkehrer aus Nicht-Risikogebieten vorerst weiterhin kostenlos auf das Corona-Virus testen lassen.

Laut einem "Bild"-Bericht stellten sich mehrere Länderchefs zudem gegen den Plan der Bundeskanzlerin, einheitliche Regeln für den regulären Schulbetrieb zu beschließen. In der Beschlussvorlage des Kanzleramts war von "bundesweit vergleichbaren Maßstäben" insbesondere mit Blick auf die Maskenpflicht die Rede. NRW, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern beharrten dem Bericht zufolge jedoch auf ihren eigenen Regeln.