Forum

Osram-Chef Olaf Berlien hat sich für ein möglichst rasches Ende des Shutdowns ausgesprochen. „Klar ist doch, dass wir die Läden und Fabriken nicht drei Monate geschlossen halten können“, sagte er dem Handelsblatt.

Zitat

„Wir müssen so schnell wie möglich wieder hochfahren.“ Die Bundesregierung habe bislang einen exzellenten Job gemacht. Sie müsse aber auch die Erfahrungen anderer Länder berücksichtigen. „Uns könnte die Pflicht zu Mundschutz helfen.“
Der Osram-Chef empfahl den Unternehmen, sich bereits jetzt auf die Zeit nach der Coronakrise vorzubereiten. „Wer in dem Moment, in dem der Markt anspringt, bereit ist, der wird nachhaltig Marktanteile gewinnen“, sagte er. In Krisen würden die Starken stärker und die Schwachen schwächer. „Es gibt einige, die in Sachen Liquidität bereits wackeln.“
Die Ex-Siemens-Tochter Osram steht derzeit vor der Übernahme durch AMS. Der österreichische Sensorikspezialist hatte nur mit Mühe eine Kapitalerhöhung durchgebracht, mit der die Akquisition teilweise finanziert wird.
Auf den Prozess der Übernahme selbst habe die Coronakrise keine Auswirkungen, sagte Berlien. „Sollten alle acht Monate lang keine Umsätze machen, hat es aber natürlich auch für die beiden Unternehmen Folgen.“ Der Zusammenschluss sei sinnvoll. „Gemeinsam haben wir ein viel besser ausbalanciertes Portfolio.“
Das komplette Interview lesen Sie hier:
Herr Berlien, haben Sie so eine Krise schon einmal erlebt?
Ich habe Ausnahmesituationen in meiner Managerkarriere bereits mehrfach erlebt. Los ging es mit dem Börsencrash im Jahr 1987 und der Asienkrise zehn Jahre später. Einschneidend waren auch die Terroranschläge im Jahr 2001 und die Finanzkrise, die unsere Wirtschaft nach 2008 massiv beeinträchtigt hatte. Vor allem Letztere ist für mich jetzt ein Déjà-vu.
Aber so eine Krise, die die ganze Welt gleichzeitig betrifft, ist doch neu.
So ist die Lage zum Glück nicht. Während in Europa und Nordamerika die Wirtschaft stillsteht, dreht sich das Rad in Asien bereits wieder. Unsere chinesischen Fabriken sind zu 100 Prozent ausgelastet, wir können den Bedarf nicht decken. Da brauche ich einen Krisen-Baukasten.
Was ist denn da drin?
Jeder Manager bekommt von uns eine Checkliste. Da stehen Themen drauf wie Einstellungsstopp, ausstehende Rechnungen kontrollieren und Zeitarbeiter herunterfahren. Zudem sollte er täglich bei den Kunden anrufen und fragen, welche Aufträge überhaupt noch bestehen. Ich weiß von den früheren Krisen, dass die Bücher voll mit Aufträgen sein können, die aber nicht mehr zu Umsätzen werden.
Insofern waren Sie gut vorbereitet.
Aufgrund der Entwicklung in China waren wir vorgewarnt und konnten uns früh auf die Krise einstellen. Am 6. März haben wir daher mit den Arbeitnehmern eine „Konzernbetriebsvereinbarung Pandemie“ geschlossen, in der wir den Einsatz der ganzen Werkzeuge geregelt haben. Wir waren früh dran.
Und kommt die Vereinbarung schon zum Einsatz?
In weltweit sechs von 26 Fabriken haben wir die Arbeit gestoppt. In Deutschland können wir die Ausfälle noch durch einen Abbau der Überstundenkonten auffangen. Kurzarbeit haben wir hier bislang nicht beantragt, bereiten uns aber im Einvernehmen mit den Arbeitnehmervertretern darauf vor. Wichtig ist, dass wir flexibel bleiben.
Das heißt?
In solchen Krisen gibt es die Unvernünftigen, die ihre Werke mit Vollgas weiterfahren, und es gibt die Ängstlichen, die aus Sorge zu früh bremsen. Die Mutigen sind vorbereitet, im richtigen Moment wieder Gas zu geben.
Nicht alle werden diese Krise überstehen.
Es werden die Firmen kippen, die vorher schon nicht gut aufgestellt waren. Wer seine Hausaufgaben ordentlich gemacht hat, hält länger durch. Wir haben 50 Prozent Eigenkapitalquote, für kurzfristige Krisen sind wir gut gerüstet.
In vielen Ihrer Fabriken wird weitergearbeitet. Wie schützen Sie Ihre Mitarbeiter?
Wir setzen da auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Selbstverständlich ist konsequente Hygiene. Zudem arbeiten wir in den Fabriken teilweise in zwei strikt getrennten Schichten – die Arbeiter treffen sich nicht einmal auf dem Parkplatz. Zwischendurch wird alles desinfiziert.
Wie ist das Verhältnis zu den Autoherstellern derzeit? Nehmen die auf ihre Zulieferer Rücksicht, oder ist sich jeder selbst der Nächste?
Wir versuchen, täglich alle durchzutelefonieren. Die Lage der Hersteller ist nicht einfach: In Spanien, Frankreich oder Italien geht jetzt kein Mensch ins Autohaus. Wir versuchen, uns abzustimmen. In der Finanzkrise im Jahr 2008 war der eine oder andere noch egoistischer unterwegs - seitdem haben alle dazugelernt. Jetzt schauen wir, dass wir Ende April so weit sind, dass wir unsere Werke hochfahren könnten.
Dann ist es schon so weit?
Keiner kann da eine verlässliche Prognose machen, alle fahren auf Sicht.
Aber Sie hoffen auf eine rasche Erholung?
Bei den letzten vier großen Pandemien hatte sich die Wirtschaft immer schneller erholt.
Dazu müssen aber erst einmal die Beschränkungen aufgehoben werden. Wie beurteilen Sie die Maßnahmen der Behörden bislang? Muss schnell wieder aufgemacht werden?
Zunächst einmal: Die Sicherheit der Menschen hat oberste Priorität. Die Bundesregierung muss alles tun, um Menschenleben zu retten, und sie hat bislang einen exzellenten Job gemacht. Aus heutiger Sicht sind die Maßnahmen angemessen.
Aber?
Die Bundesregierung sollte die Erfahrungen anderer Länder berücksichtigen. Dazu gehört für mich das Tragen von Mundschutz. Dort, wo dies passiert, verläuft die Kurve flacher. Bespiele wie Japan und Südkorea zeigen, dass mit der Vorgabe Geschäfte geöffnet bleiben können. Uns könnte die Pflicht zum Mundschutz helfen. Klar ist doch, dass wir die Läden und Fabriken nicht drei Monate geschlossen halten können. Wir müssen so schnell wie möglich wieder hochfahren.
Wenn der Shutdown beendet wird, wie schnell können Sie wieder hochfahren? Von einem Tag auf den anderen?
Nein, es hilft ja nichts, wenn wir bereit sind, aber unsere Zulieferer nicht. Drei bis fünf Tage halte ich für einen realistischen Zeitraum. Ähnlich sieht es ja bei der Autoindustrie aus. Je länger der Shutdown dauert, desto schwieriger wird ein Anfahren der Autofabriken werden. Denn einige Zulieferer werden dann nicht mehr da sein.
Bei welchen zugelieferten Teilen erwarten Sie Engpässe?
Für uns sind Elektronikteile die kritischen Komponenten, die verfügbar sein müssen. Engpässe entstehen aber auch an ganz unerwarteter Stelle. In Malaysia dürfen wir mit kleiner Besetzung weiterproduzieren, weil wir als systemrelevanter Zulieferer für die Autoindustrie gelten. Da haben wir derzeit das Problem, dass Pappkartons fehlen – deren Hersteller gelten nicht als systemrelevant und sind daher dicht.
Wie steuern Sie durch die Krise? Gibt es eine Taskforce?
Der oberste Krisenmanager bin ich. Wir haben natürlich auch eine Taskforce, die täglich die Lage diskutiert. Aber der Vorstandsvorsitzende muss der Antreiber sein. Es ist wichtig, dass es in der Krise eine klare Führung gibt.
Wie wird die Krise ihre Branche verändern? Haben asiatische Konkurrenten einen Vorteil, weil die Wirtschaft dort schon wieder anläuft?
Osram ist Marktführer in China, wir haben da also keinen Nachteil. Für alle betrachtet gilt aber die alte Regel: In der Krise werden die Starken stärker und die Schwachen schwächer. Es gibt einige, die in Sachen Liquidität bereits wackeln.
Und die Starken?
Wer in dem Moment, in dem der Markt anspringt, bereit ist, der wird nachhaltig Marktanteile gewinnen. Darauf schwöre ich meine Vertriebsmannschaft jetzt schon ein. Sie müssen vorbereitet sein für den „Day after Corona“.
Osram wird ja gerade vom österreichischen Sensorik-Spezialisten AMS übernommen. Welche Auswirkungen hat die Coronakrise da?
Auf den Prozess der Übernahme selbst hat es keine Auswirkungen. Sollten alle acht Monate lang keine Umsätze machen, hat es aber natürlich auch für die beiden Unternehmen Folgen.
Sie sehen nicht die Chance, einen womöglich doch noch ungeliebten neuen Eigentümer loszuwerden?
Nein, es gab ein Angebot an unsere Aktionäre, und das haben sie angenommen. Im Übrigen sind wir gemeinsam besser aufgestellt: AMS ist stark bei Handys, da wollte Osram immer hin. Wir sind gut in der Autoindustrie, da wollte AMS rein. Gemeinsam haben wir ein viel besser ausbalanciertes Portfolio.

Zitat

FILE PHOTO: Workers assemble a VW e-Golf electric car in DresdenBerlin (Reuters) - Die deutsche Autoindustrie nimmt dem Ifo-Institut zufolge nach den Corona-bedingten Einbrüchen allmählich wieder Fahrt auf.

Die Geschäftserwartungen der wichtigen Branche legten im Juli bereits den zweiten Monat in Folge deutlich zu, und zwar auf 43,7 Punkte nach 26,9 Zählern im Juni, wie die Münchner Forscher am Dienstag zu ihrer Unternehmensumfrage mitteilten. Die Autobauer rechnen zudem mit einer Zunahme ihrer Exporte: Dieses Barometer stieg auf 40,8 Punkte, nachdem es im Vormonat noch bei 17,3 Zählern gelegen hatte.

Der Indikator für die aktuellen Geschäftslage liegt allerdings noch deutlich im Minus, auch wenn er von minus 81,9 auf minus 65,5 Punkte kletterte. "Die Entwicklung des Personalbestandes bleibt besorgniserregend", sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. Die Personalplanung verharre unter dem Niveau der Finanzkrise 2009, auch wenn Auftragsbestand und Produktionserwartungen zuletzt zunahmen. Ein Grund für die Vorsicht dürfte in der insgesamt nur leicht gestiegenen Nachfrage bestehen, die zudem oft aus den Lagerbeständen bedient wird.