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Deutsche erhalten ab Juli 2023 weniger Gehalt – wie viel Geld abgezogen wird

Ein Mann (l) und eine Frau halten unterschiedlich viele Geldscheine und Karten in der Hand.

Ein Mann (l) und eine Frau halten unterschiedlich viele Geldscheine und Karten in der Hand.© Annette Riedl/dpa/Illustration

Wer betroffen ist

Deutsche erhalten ab Juli 2023 weniger Gehalt – wie viel Geld abgezogen wird

Ab Juli 2023 erhalten Arbeitnehmer in Deutschland weniger Netto-Gehalt. Doch woran liegt das? Und wer ist betroffen? Alles zur Anpassung des Versicherungsbeitrags.

Hamm - Der Blick auf die Gehaltsabrechnung könnte bei einigen Menschen in Nordrhein-Westfalen und ganz Deutschland für Staunen sorgen. Ab Juli 2023 wird einigen Arbeitnehmern das Netto-Gehalt gekürzt, andere erhalten mehr Geld. Grund dafür ist die Erhöhung eines Beitragssatzes, der mit der Sozialversicherung monatlich abgezogen wird. Besonders kinderlose Arbeitnehmer sind von der Beitragserhöhung betroffen.

Deutsche erhalten ab Juli 2023 weniger Gehalt – wie viel Geld abgezogen wird

Die Beiträge werden monatlich automatisch abgebucht und geraten deshalb oftmals in Vergessenheit. Die Pflegeversicherung als Baustein der Sozialversicherung gehört dazu. Der Beitragssatz von 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens wird regelmäßig vom Lohnzettel abgezogen. Ab Juli 2023 steigt der Anteil jedoch bei einigen Arbeitnehmern. Nach der angekündigten Änderung für Lohnsteuerklassen kommt es für Kinderlose doppelt bitter.

Ab Juli 2023 steigt der Beitragssatz der Pflegeversicherung auf 3,4 Prozent an. Kinderlose Arbeitnehmer zahlen zudem einen Zuschlag von 0,6 Prozent obendrauf. Ebenso wird nach der Kinderzahl innerhalb einer Familie differenziert, wie aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 hervorgeht. In Zahlen spiegelt sich der monatliche Beitragssatz der Pflegeversicherung bei Arbeitnehmern wie folgt wider:

Beiträge zur Pflegeversicherung werden erhöht – viele bekommen weniger Netto-Gehalt

Den Beitrag zur Pflegeversicherung übernimmt der Arbeitgeber in Teilen mit. Je nach Anzahl der Kinder steigt der prozentuelle Anteil, der auf Kosten des Arbeitgebers geleistet werden muss. Lag der Beitragssatz für Arbeitnehmer ohne Kinder sowie Arbeitgeber bei jeweils 1,525 Prozent, wird ab Juli 2023 nicht mehr gerecht geteilt. So erhöht sich der Abzug auf der Lohnabrechnung auf 1,875 Prozent.

Als Beispiel: Bei einem monatlichen Brutto-Gehalt von 3000 Euro werden bei Arbeitnehmern ohne Kinder 56,25 Euro von der Lohnabrechnung abgezogen. Da das Bundesverfassungsgericht bereits 2022 entschied, dass eine bloße Unterscheidung von mit oder ohne Kindern nicht rechtens sei, erfolgt auch hier eine erneute Staffelung der Beiträge. Bedeutet zugleich: Wer fünf oder mehr Kinder hat, verliert lediglich 21 Euro.

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Deutsche erhalten ab Juli 2023 weniger Gehalt – wie viel Geld abgezogen wird

Ein Mann (l) und eine Frau halten unterschiedlich viele Geldscheine und Karten in der Hand.

Ein Mann (l) und eine Frau halten unterschiedlich viele Geldscheine und Karten in der Hand.© Annette Riedl/dpa/Illustration

Wer betroffen ist

Deutsche erhalten ab Juli 2023 weniger Gehalt – wie viel Geld abgezogen wird

Ab Juli 2023 erhalten Arbeitnehmer in Deutschland weniger Netto-Gehalt. Doch woran liegt das? Und wer ist betroffen? Alles zur Anpassung des Versicherungsbeitrags.

Hamm - Der Blick auf die Gehaltsabrechnung könnte bei einigen Menschen in Nordrhein-Westfalen und ganz Deutschland für Staunen sorgen. Ab Juli 2023 wird einigen Arbeitnehmern das Netto-Gehalt gekürzt, andere erhalten mehr Geld. Grund dafür ist die Erhöhung eines Beitragssatzes, der mit der Sozialversicherung monatlich abgezogen wird. Besonders kinderlose Arbeitnehmer sind von der Beitragserhöhung betroffen.

Deutsche erhalten ab Juli 2023 weniger Gehalt – wie viel Geld abgezogen wird

Die Beiträge werden monatlich automatisch abgebucht und geraten deshalb oftmals in Vergessenheit. Die Pflegeversicherung als Baustein der Sozialversicherung gehört dazu. Der Beitragssatz von 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens wird regelmäßig vom Lohnzettel abgezogen. Ab Juli 2023 steigt der Anteil jedoch bei einigen Arbeitnehmern. Nach der angekündigten Änderung für Lohnsteuerklassen kommt es für Kinderlose doppelt bitter.

Ab Juli 2023 steigt der Beitragssatz der Pflegeversicherung auf 3,4 Prozent an. Kinderlose Arbeitnehmer zahlen zudem einen Zuschlag von 0,6 Prozent obendrauf. Ebenso wird nach der Kinderzahl innerhalb einer Familie differenziert, wie aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 hervorgeht. In Zahlen spiegelt sich der monatliche Beitragssatz der Pflegeversicherung bei Arbeitnehmern wie folgt wider:

Beiträge zur Pflegeversicherung werden erhöht – viele bekommen weniger Netto-Gehalt

Den Beitrag zur Pflegeversicherung übernimmt der Arbeitgeber in Teilen mit. Je nach Anzahl der Kinder steigt der prozentuelle Anteil, der auf Kosten des Arbeitgebers geleistet werden muss. Lag der Beitragssatz für Arbeitnehmer ohne Kinder sowie Arbeitgeber bei jeweils 1,525 Prozent, wird ab Juli 2023 nicht mehr gerecht geteilt. So erhöht sich der Abzug auf der Lohnabrechnung auf 1,875 Prozent.

Als Beispiel: Bei einem monatlichen Brutto-Gehalt von 3000 Euro werden bei Arbeitnehmern ohne Kinder 56,25 Euro von der Lohnabrechnung abgezogen. Da das Bundesverfassungsgericht bereits 2022 entschied, dass eine bloße Unterscheidung von mit oder ohne Kindern nicht rechtens sei, erfolgt auch hier eine erneute Staffelung der Beiträge. Bedeutet zugleich: Wer fünf oder mehr Kinder hat, verliert lediglich 21 Euro.

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"Magische" Grenze für Sozialabgaben: Ab diesem Gehalt zahlt man nicht immer mehr für Rente oder Pflegeversicherung

Die Beitragsbemessungsgrenze deckelt die Abgaben an die Sozialversicherungen. Sie wurde Anfang des Jahres erhöht.

Die Beitragsbemessungsgrenze deckelt die Abgaben an die Sozialversicherungen. Sie wurde Anfang des Jahres erhöht.© picture alliance / Zoonar | Andreas Pulwey
Die Beitragsbemessungsgrenze deckelt die Abgaben an die Sozialversicherungen. Sie wurde Anfang des Jahres erhöht.

Krankheit – Berufsunfähigkeit – Rente: Das sind Themen, mit denen man sich gerade als junger Mensch vielleicht nicht gern beschäftigt. Trotzdem ist es wichtig, vorzusorgen, damit ihr im Alter oder in einer medizinischen Notsituation gut abgesichert seid.

Was ist die Beitragsbemessungsgrenze?

Die Beitragsbemessungsgrenze ist laut Lohnsteuerhilfeverein eine Einkommensgrenze, die regelt, wie viel von eurem Einkommen an die Sozialversicherungen abgeführt wird. Grundsätzlich gilt: je höher das Gehalt, desto höher die Abgaben. Das gilt aber nur bis zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze. Liegt das Gehalt darüber, steigen die Abgaben nicht weiter an.

Bis zur Beitragsbemessungsgrenze ist euer Einkommen also beitragspflichtig, alles, was darüber liegt, ist laut Bundesregierung beitragsfrei.

Wie hoch ist die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung?

Diese Beitragsbemessungsgrenze gilt in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dort beträgt sie ab Januar 2023 59.850 Euro pro Jahr beziehungsweise 4987,50 Euro pro Monat. Damit zahlt ihr maximal 353,14 Euro Krankenversicherungsbeitrag im Monat. Mit anderen Worten: Verdient ihr deutlich mehr als 4987,50 Euro pro Monat, erhöht sich der Kassenbeitrag nicht.

Wie hoch ist die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung?

Zum Jahresbeginn wurde auch die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung geändert. Seit dem 1. Januar liegt sie in der gesetzlichen Rentenversicherung in den neuen Bundesländern bei 7100 Euro monatlich, in den alten Bundesländern bei 7300 Euro monatlich. Bei 18,6 Prozent Abgabe macht das einen Höchstbeitrag zur Rentenversicherung von 1320,60 Euro (Ost) und 1357,80 Euro (West).

In der knappschaftlichen Rentenversicherung, in der vor allem Beschäftigte des Bergbaus versichert sind, gelten andere Beitragsbemessungsgrenzen.

Nach Angaben der Bundesregierung werden die Rechengrößen jährlich an die Einkommensentwicklung angepasst, um die soziale Absicherung stabil zu halten. Ohne diese Anpassungen würden die Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechend niedrigere Renten erhalten. Dies sei der Fall, weil für Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze keine Beiträge gezahlt werden. Die Anpassungen sind also Maßnahmen, um diesem Prozess entgegenzuwirken.

Wie hoch ist die Beitragsbemessungsgrenze in der Pflegeversicherung?

Der Beitragssatz in der Pflegeversicherung beträgt 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens, bei Kinderlosen seit dem 1. Januar 2022 3,4 Prozent. Arbeitnehmer zahlen ihn ohne den Kinderlosenzuschlag grundsätzlich zur Hälfte, also 1,525 Prozent.

In der Pflegeversicherung gilt dieselbe Beitragsbemessungsgrenze wie in der Krankenversicherung: 59.850 Euro pro Jahr beziehungsweise 4987,50 Euro pro Monat. Maximal zahlt ihr damit normalerweise einen Pflegeversicherungsbeitrag von 76,05 Euro.

Wie hoch ist die Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosenversicherung?

Die Beitragsbemessungsgrenze in der Pflegeversicherung ist so hoch wie in der Rentenversicherung: Seit dem 1. Januar liegt sie in der gesetzlichen Rentenversicherung in den neuen Bundesländern bei 7100 Euro monatlich, in den alten Bundesländern bei 7300 Euro monatlich. Bei 2,6 Prozent Abgabe macht das einen Höchstbeitrag zur Rentenversicherung von 184,60 Euro (Ost) und 189,80 Euro (West).

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Bürgergeld-Neuerungen ab Juli - Arbeitsminister Heil will mit Weiterbildungsgeld Langzeitarbeitslosigkeit deutlich verringern

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, spricht bei einem Pressestatement nach der Vorstellung des Vorschlags der Mindestlohnkommission für den künftigen Mindestlohn. Michael Kappeler/dpa

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, spricht bei einem Pressestatement nach der Vorstellung des Vorschlags der Mindestlohnkommission für den künftigen Mindestlohn. Michael Kappeler/dpa© Michael Kappeler/dpa

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will mithilfe des Weiterbildungsgeldes Langzeitarbeitslose aus der Bedürftigkeit herausholen und mit besserer Qualifikation in den Arbeitsmarkt integrieren.

Zum 1. Juli wird das Weiterbildungsgeld im Bürgergeldsystem eingeführt. Zwei Drittel der Arbeitslosen hätten keine abgeschlossene Berufsausbildung, sagte der SPD-Politiker dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und kündigte an: „Zum 1. Juli starten jetzt die Kernelemente des neuen Bürgergelds: Wir packen das Übel der Langzeitarbeitslosigkeit an der Wurzel.“ Wer jetzt einen Berufsabschluss mache, bekomme mit dem Weiterbildungsgeld 150 Euro mehr im Monat.

Um mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, setze man auf weniger Bürokratie, intensive Betreuung und starke finanzielle Anreize für Aus- und Weiterbildung, fügte der Arbeitsminister hinzu. Heil rechtfertigte die Kosten für die Zahlung des Weiterbildungsgeldes. „Das ist gut angelegtes Geld, denn wir geben den Menschen so eine Perspektive langfristig aus der Arbeitslosigkeit in ein selbstbestimmtes Leben zu wechseln.“

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Bericht: Tafel in Thüringen verteilt Lebensmittel zuerst an Deutsche!

Bericht: Tafel in Thüringen verteilt Lebensmittel zuerst an Deutsche!

Bericht: Tafel in Thüringen verteilt Lebensmittel zuerst an Deutsche!© Bereitgestellt von Berliner Kurier

Die Tafel im thüringischen Kahla verteilt ihre Lebensmittel zuerst an Deutsche. Das berichtet der MDR in einem Beitrag aus der Lebensmittelspenden-Organisation vor Ort am Mittwoch. „Die Deutschen waren vorher da und sie werden immer noch da sein, wenn die Ukrainer irgendwann wieder weg sind“, begründet Vereinschefin Tina Staude die Verteilung.

Bei der Verteilung dienstags und freitags würden sich Deutsche und Ukrainer getrennt aufstellen - auch wegen vorhandener Sprachprobleme. Doch von der Leitung würden zunächst die deutschen Kunden der Tafel versorgt. Erst nach dem letzten deutschen Kunden dürfen Ukrainer und andere Geflüchtete sich ihre Lebensmittel nehmen.

Besonders ab der Mitte des Monats würden die Lebensmittel häufig knapp. Am Ende des Monats bleibt für die Ukrainer mitunter gar nichts mehr übrig. „Wir haben nicht genug Ware, um alle Haushalte gleichmäßig und gleich gerecht zu versorgen. Ab Mitte des Monats wird es einfach schwierig, dass alle gerecht gleich viel bekommen“, sagt Tafelchefin Tina Staude dem MDR.

Bei den deutschen Tafelkunden treffe dies auf Zustimmung. „Wir sind hier in Deutschland und da müssen die Deutschen auch zuerst versorgt werden“, zitiert der MDR eine Nachbarin, die selbst Tafelkundin ist. Die Tafelchefin Tina Staude verteidigt das Vorgehen. „Wir sind auf unsere deutschen Kunden angewiesen. Die Ukrainer akzeptieren das und haben damit Gott sei Dank überhaupt kein Problem.“

Anders klingt das jedoch im Gespräch mit den Ukrainern. Die sind zwar dankbar für jede Hilfe. Eine ukrainische Kundin, die der MDR zitiert, wünscht sich aber gleiche Tüten für alle. Laut der Kahlaer Tafel funktioniere dies jedoch nicht. Viele Lebensmittel würden dann weggeschmissen.

Dass die Bevorzugung Deutscher bei der Verteilung jedoch gegen das Grundgesetz verstösst, scheint der Leitung der Tafel in Kahla dabei nicht bewusst zu sein. Denn im Grundgesetz heißt es eindeutig.

Dabei ist der Fall aus Kahla nicht der erste aus Thüringen. Bereits im vergangenen Jahr hatte der KURIER über einen MDR-Bericht geschrieben. Darin wurde gegen Ukrainer bei der Tafel in Weimar Stimmung gemacht. Der Bericht erwies sich im Nachhinein in Teilen als unwahr.

Die ungerechte Verteilung ist dabei die Kahlaer Lösung für ein Problem vieler deutscher Tafeln. Den Lebensmittelverteilern fehlt es vielerorts an Spenden und ehrenamtlichen Helfern, auch in Kahla. Dem MDR-Bericht ist zudem zu entnehmen, dass die Tafel in einem alten, maroden Gebäude untergekommen ist. Für Teile der Tafel gibt es nicht einmal eine Heizung.

Eine Anfrage, ob es zuvor Spendenaufrufe und Aktionen gegeben habe, blieb bisher unbeantwortet.

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Verarmter Mittelstand versorgt sich bei Tafeln

Mitarbeiter stehen in der Lebensmittelausgabe in der Ausgabestelle Paul-Schneider-Haus der Berliner Tafel.

Mitarbeiter stehen in der Lebensmittelausgabe in der Ausgabestelle Paul-Schneider-Haus der Berliner Tafel.© Carsten Koall/dpa

Die Tafeln gegen Armut und Lebensmittelverschwendung sehen sich am Limit: lange Schlangen vor den Läden, Aufnahmestopps bei den Kunden, hohe Infrastrukturkosten. Dabei wächst die Zahl von Menschen aus der Mittelschicht, die auf günstige Lebensmittel angewiesen sind. «Die Tafeln sind ein Seismograph für gesellschaftliche Veränderungen», sagt Sabine Werth, die vor 30 Jahren in Berlin die erste Tafel Deutschlands gründete und seitdem dort den Vorsitz der Tafel innehat.

Bei ihrem Bundestreffen vom 6. bis zum 8. Juli in Mannheim wählen die Tafel-Delegierten den Vorstand neu. Der Vorsitzende, Jochen Brühl, tritt nach zehn Jahren nicht mehr an. Der Führungswechsel fällt in eine Zeit zunehmender Bedeutung der Tafeln in der Armutsbekämpfung.

Was bekommt man bei den Tafeln?

Helfer sammeln überschüssige Lebensmittel in Handel, Bäckereien und Gastronomie ein und bringen sie zu den Tafeln. Die Waren kommen aus Lagerbeständen, Retouren und Überproduktion. Auch Produkte mit kurzem Mindesthaltbarkeitsdatum oder Schönheitsfehlern werden abgeholt. Das Angebot für die Kunden und Kundinnen der Tafeln kann von Obst und Gemüse über Backwaren bis hin zu Milchprodukten reichen. Haltbare Waren wie Nudeln oder Reis werden seltener gespendet.

Wer besucht die Tafeln?

Vermehrt kommen Menschen, die durch Corona ihren Job verloren haben, in Kurzarbeit sind oder ihre Selbstständigkeit aufgeben mussten. «Deren Ersparnisse sind aufgebraucht, deshalb kommen sie zu uns», sagt Werth. Eigentlich seien Tafeln als Entlastung des Budgets gedacht, damit die Menschen sich mal einen Kino- oder Konzertbesuch leisten können. Jetzt stehe das Essen im Vordergrund.

Wie bewerten Arbeitslosen-Initiativen die Entwicklung der Tafeln?

Aus Sicht des Fördervereins gewerkschaftlicher Arbeitslosenarbeit ist es ein Skandal, dass private Organisationen wie die Tafeln als Lückenbüßer das staatlich garantierte Existenzminimum bereitstellen müssten. «Für viele Menschen sind die Tafeln der letzte Rettungsanker», sagt Referent Rainer Timmermann. Das Bürgergeld reiche auch nach einer Erhöhung um 50 Euro wegen gestiegener Inflation und Stromverteuerung nicht zum Leben.

Wie entwickeln sich die Nutzergruppen?

Der Zuwachs bei den Nutzern in Kurzarbeit, bei Arbeitslosengeld-II-Beziehern und Rentnern lag 2021 bei je etwa einem Drittel. Hingegen ging die Zahl der Asylbewerber nach weiteren Angaben des Vereins Tafel Deutschland um fast ein Viertel zurück. Etwa ein Viertel der Kunden stellten jeweils Kinder und Senioren.

Im Jahr 2022 haben demzufolge zwei Millionen Kunden das Angebot wahrgenommen. Von 15 Millionen armutsgefährdeten Menschen in Deutschland erreichen die Tafeln nur einen kleinen Teil. «Deshalb ist Kritik an einem «Vertafeln der Gesellschaft», die den Rückzug des Sozialstaats kaschiert, völliger Quatsch», sagt Werth.

Woher kommt der Tafelgedanke?

Zwei Dinge fielen zusammen: ein Zeitungsbericht über die Organisation City Harvest («Stadt-Ernte») in New York, die überschüssige Lebensmittel an Obdachlose verteilte, und ein Vortrag der damaligen Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) über Obdachlosigkeit in Berlin. Beides rüttelte die Initiativgruppe Berliner Frauen auf, darunter Sabine Werth. «Damals lautete die Aussage der Regierung Kohl, es gebe keine Armut in Deutschland und jeder beziehe auskömmliche Leistungen», sagt die 66-Jährige. Dies sahen sie und eine Handvoll Mitstreiterinnen ganz anders und baten Firmen nach US-Vorbild um Spenden nicht verkäuflicher, aber noch genießbarer Lebensmittel. Daraus entstanden fast 970 Tafeln mit 60.000 ehrenamtlichen Helfern.

Wer darf sich an den Tafeln bedienen?

Nicht nur Obdachlose, sondern auch Menschen, die mittels Jobcenter-, Renten- oder Bafög-Bescheid ihre Bedürftigkeit nachweisen können, erhalten einen Tafelausweis. Der Dachverband nennt als Armutsschwelle 1251 Euro brutto pro Monat für einen Single-Haushalt und 2627 Euro für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren.

Im Detail gibt es Unterschiede: In Berlin kann von Tafeln profitieren, wer - je nach Ausgabestelle - weniger als 800 oder 900 Euro im Monat zur Verfügung hat; für jeden Einkauf sind ein oder zwei Euro fällig. Die Mannheimer Kunden etwa bezahlen die einzelnen Waren für maximal ein Drittel des üblichen Ladenpreises. In Frankfurt wird pro mitgenommenen Beutel ein Euro bezahlt. Auch Öffnungshäufigkeit und -länge sowie das Sortiment sind abhängig von den Bedingungen vor Ort. «Wir sind ja kein Supermarkt», sagt Dachverbandssprecherin Anna Verres.

Wie viel wird an die Tafeln gespendet?

Nach Auskunft des Handelsverbandes Lebensmittel spenden Firmen 74.000 Tonnen Lebensmittel im Jahr an Tafeln. Das ist aber eher ein Tropfen auf den heißen Stein: Laut Dachverband der Tafeln landen 18 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich im Müll, zur Hälfte noch genießbar. Bei Supermärkten sei das Spendenaufkommen rückläufig, da bei diesen bewusster gegen Überschüsse vorgegangen wird. «Die moralische Hürde, etwas wegzuwerfen, ist höher geworden», meint Verres.

Dagegen werde die Infrastruktur zur Abholung von Lebensmitteln beim Hersteller weiter ausgebaut. Dafür seien Kühlfahrzeuge und regionale Tiefkühllager erforderlich, deren Betrieb und Anschaffung von den fast ausschließlich aus Spenden finanzierten Tafeln kaum zu wuppen seien. Einige Bundesländer gewährten Krisenfonds. Eine dauerhafte staatliche Förderung ist für Verres kein Tabu. Bei so geringen Summen drohe keine staatliche Vereinnahmung.

Welche Bedeutung haben die Wahlen der Verbandsspitze?

Werth lehnt staatliche Mittel hingegen kategorisch ab. Die Wahl der neuen Verbandsspitze sei eine Richtungswahl, sagt sie. Es gehe um nichts weniger als die Unabhängigkeit der Bürgerbewegung.

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Sozialausgaben stiegen auch 2022

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1474137704_BLD_Online.jpg© APA/THEMENBILD

Die Sozialausgaben sind 2022 nach vorläufigen Berechnungen von Statistik Austria gegenüber dem Vorjahr um 1,8 Prozent auf rund 136 Mrd. Euro gestiegen. Da das Wirtschaftswachstum mit einem Plus von 10 Prozent aber deutlich stärker ausfiel, sank die Sozialquote - also der Anteil der Sozialausgaben am nominellen Bruttoinlandsprodukt (BIP) - auf 30,5 Prozent (2021: 32,9 Prozent).

Nach den Pandemiejahren gab es infolge der günstigen Arbeitsmarktentwicklung starke Rückgänge bei den Ausgaben für Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Kurzarbeitsbeihilfe. Ihnen stehen überdurchschnittliche Zuwächse bei Familien-, Gesundheits- und Altersleistungen sowie Sozialleistungen zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung gegenüber, so Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.

Aufgrund der günstigen Entwicklung des Arbeitsmarkts und des Auslaufens verschiedener Coronaregeln gingen die Ausgaben für das Arbeitslosengeld (-5,3 Prozent), die Notstandshilfe (-28,3 Prozent) und die Kurzarbeitsbeihilfe (-83,1 Prozent) im Jahr 2022 deutlich zurück. Mehr ausgegeben als im Vorjahr wurde hingegen für aktive und aktivierende arbeitsmarktpolitische Maßnahmen (+5,1 Prozent).

Die Aufwendungen für arbeitsmarktbezogene Sozialleistungen insgesamt nahmen von rund 12,0 Mrd. Euro (2021) auf 7,2 Mrd. Euro (2022) ab, ihr Anteil an den gesamten Sozialleistungsausgaben sank von 9,1 Prozent auf 5,5 Prozent.

Die Ausgaben für Sozialleistungen im Pensionsalter stiegen um 4,9 Prozent auf 58,9 Mrd. Euro. Jene für die Kranken- und Gesundheitsversorgung aller Altersgruppen auf 37,8 Mrd. Euro (+6,1 Prozent). Damit nahmen die beiden dominanten Ausgabenanteile (Alter: 44,4 Prozent, Gesundheitsversorgung: 28,5 Prozent) weiter zu und machten zuletzt annähernd drei Viertel (2021: 70 Prozent) der gesamten Sozialleistungsaufwendungen aus.

Die stärksten Zuwächse gab es - nicht zuletzt wegen der zusätzlich zur regulären Familienbeihilfe im August gewährten einmaligen Sonderzahlung von 180 Euro pro Kind - bei den Familienleistungen, für die 12,1 Mrd. Euro (+9,4 Prozent) ausgegeben wurden, sowie bei den Sozialleistungen für Wohnen und zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung (vor allem Mindestsicherung, Sozialhilfe und Flüchtlingshilfe), auf die 2022 insgesamt 2,8 Mrd. Euro (+9,1 Prozent) entfielen. Das waren 9,1 Prozent (Familie/Kinder) bzw. 2,1 Prozent (Wohnen/Soziale Ausgrenzung) der gesamten Sozialleistungsausgaben.

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Hier Tabelle checken - Beitragsschock! So viel weniger Netto verdienen Sie 2030

Ab 1. September gibt es die Energiepreispauschale: Wie viel bleibt vom 300-Euro-Bonus übrig? Getty Images

Ab 1. September gibt es die Energiepreispauschale: Wie viel bleibt vom 300-Euro-Bonus übrig? Getty Images© Getty Images

Experten rechnen mit stark steigenden Beiträgen zur Sozialversicherung. Den Deutschen bleibt dadurch immer weniger von ihrem Bruttogehalt. Wie hoch die Beiträge steigen werden.

Deutschland leistet sich eines der stärksten Sozialsysteme der Welt. Doch vor allem Renten-, Pflege- und Krankenversicherung schlucken immer höhere Beträge - und damit auch Beiträge.

Rentenversicherung: 20 Prozent

Für die Rentenversicherung rechnet die Bundesregierung mit einem Anstieg des Beitrags von 18,6 Prozent auf mindestens 20 Prozent bis zum Jahr 2030, daran ändert auch das Versprechen einer „doppelten Haltelinie“ nichts. Diese begrenzt die Rentenbeiträge noch bis 2025 auf 20 Prozent des Bruttogehalts. Um die Renten der geburtenstarken Babyboomer zu zahlen, soll es ab 2025 nur noch eine Haltelinie geben: für das Rentenniveau von 48 Prozent. Den Beitrag zur Rentenversicherung teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gleichen Teilen.

Krankenkasse: 17 Prozent

Auch die Krankenkassen werden deutlich teurer. Professor Günter Neubauer vom Institut für Gesundheitsökonomik in München hat für die „Bild“-Zeitung ausgerechnet, dass der Kassenbeitrag im Schnitt auf 17 Prozent steigen werde. Dieses Jahr liegt er bei 16,2 Prozent. Im kommenden Jahr werden es 16,3 Prozent sein. Der Krankenkassenbeitrag setzt sich aus fixem Beitrag und dem individuellen Zusatzbeitrag der Krankenkasse zusammen. Den Fixbeitrag teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber, den Zusatzbeitrag zahlt jeder Arbeitnehmer selbst. Hier kann man also mit einer klugen Wahl der Krankenkasse zumindest ein paar Euro sparen.

Surftipp: Im Video oben sehen Sie, warum die sozialversicherungspflichtige Frau ganz am Ende des Krankensystems steht.

Pflegeversicherung: 4,5 Prozent

Die Pflegeversicherung ist schon im Jahr 2023 zumindest für Kinderlose deutlich teurer geworden. Sie zahlen seitdem einen Beitragszuschlag von 0,6 Prozent. Ihr Gesamtbeitrag liegt damit bei vier Prozent. Beitragszahler mit einem Kind unter 25 Jahre kommen aktuell auf 3,4 Prozent. Bei mehr Kindern wird der Beitrag billiger. Bis zum Jahr 2030 könnte der Beitrag laut Neubauer auf durchschnittlich 4,5 Prozent steigen.

Arbeitslosenversicherung 2,6 Prozent

Der einzige Sozialversicherungsbeitrag, an dem bisher nur wenig verändert wurde, ist die Arbeitlosenversicherung. Sie liegt aktuell bei 2,6 Prozent - und das könnte auch bis 2030 so bleiben.

Gesamtabgeben zur Sozialversicherung: 41,4 Prozent

Die Gesamtabgaben zur Sozialversicherung liegen also pro Arbeitnehmer bei 41,4 Prozent. Das Gute: Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung werden circa zur Hälfte vom Arbeitgeber gestemmt. Nur den Zusatzbeitrag zur Krankenkasse übernimmt der Versicherte allein. Auch den Kinderlosenzuschlag zur Pflegeversicherung trägt jeder Arbeitnehmer selbst. Der Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung liegt damit also bei 21,6 Prozent. Mehr als jeder fünfte verdiente Euro fließt damit also ins Sozialsystem. Steuern kommen noch dazu.

Im Jahr 2030 rechnet Gesundheitsökonom Neubauer mit über 22 Prozent, wobei diese Zahl noch höher sein könnte, abhängig von den Zusatzbeiträgen. Er warnt: „Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist damit zu rechnen, dass die Sozialbeiträge in den Jahren nach 2030 sogar bis zu 30 Prozent vom Bruttolohn in Anspruch nehmen. Das wäre dann rund jeder dritte Euro.“

Und das ist nicht nur teuer für Arbeitnehmer, sondern auch für ganz Deutschland. Neubauer bezeichnet die Zahlen in der „Bild“-Zeitung als „ruinös“. Der Grund sind die stark steigenden Lohnkosten. „Arbeitnehmer werden verstärkt ersetzt werden durch Maschinen, Künstliche Intelligenz, Auslagerung ins Ausland", so Neubauer. Zudem würden Arbeitnehmer dazu ermutigt, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, wenn sich ihre Arbeit immer weniger lohne, sagt der Ökonom: „Die Anreize, regulär zu arbeiten, werden weniger.“ Arbeitnehmer könnten sich stattdessen eine Selbstständigkeit aufbauen oder einfach schwarz arbeiten. Der Fachkräftmangel könnte so weiter befeuert werden.

2024 zahlen vor allem Gutverdiener mehr

Für das kommende Jahr werden allerdings zuerst einmal die Gutverdiener zur Kasse gebeten. Die sogenannten Beitragsbemessungsgrenzen (BBG) für die Sozialversicherungen steigen 2024 erneut. Sie legen fest, bis zu welchem Einkommen Sozialbeiträge anfallen. Dabei gilt: Je höher die BBG, desto mehr Beiträge muss ein Beschäftigter in die Sozialkassen zahlen.

Die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung steigt zum 1. Januar auf 5175 Euro pro Monat. Bisher lag sie bei 4987,50 Euro. Die Versicherungspflichtgrenze soll im kommenden Jahr von 66.600 auf 69.300 Euro Jahreseinkommen steigen. Nur wer mit seinem Einkommen über dieser Grenze liegt, kann sich bei einer privaten Krankenversicherung versichern.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ermittelte für unterschiedliche Einkommensgruppen, wie viel mehr Sozialabgaben sie im kommenden Jahr zahlen müssen. Dabei verzeichnen sie vor allem für Gutverdiener deutliche Kostensteigerungen: „Wer 70.000 Euro im Jahr verdient, zahlt im kommenden Jahr rund 20 Euro höhere Sozialabgaben pro Monat, bei 90.000 Euro sind es fast 50 Euro.“ Das sind im Gesamtjahr rund 600 Euro mehr. Diese Daten gelten für Singles mit gesetzlicher Krankenversicherung und einem Zusatzbeitrag von 1,6 Prozent.

Beispielrechnungen für ausgewählte Brutto-Jahreseinkommen

Annahmen: Anstieg des Krankenkassen-Zusatzbeitrags um 0,2 Prozentpunkte auf 1,8 Prozent, mit Pflegeversicherung, kinderlos. Werte für alte Bundesländer; Anstieg der Beitragsbemessungsgrenze wie beschlossen; enthält Kranken-, Pflege, Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung.

Die höheren Einkommensgrenzen, bis zu denen Sozialbeiträge anfallen, belasten die Verbraucher. Allerdings werden die Zusatzkosten zum Teil von Senkungen bei der Einkommenssteuer ausgeglichen. Die kommen unter anderem zustande, weil im Jahr 2024 der steuerfreie Grundfreibetrag von 10.908 Euro (2023) auf 11.604 Euro steigt. Für diese Beträge fallen keinerlei Einkommensteuern an. Dennoch zahlen viele Beschäftigte bereits 2024 drauf.

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Sozialleistungen

Intransparenz beim Bürgergeld? Gutachten empfiehlt Reform

Jobcenter

Jobcenter© Jens Kalaene/dpa

Das Bürgergeld steht unter starkem Beschuss. Nun empfiehlt ein neues Gutachten eine Reform des Bürgergelds – es bemängelt ungleiche und intransparente Arbeitsanreize.

Berlin – Das Bürgergeld, das zum Jahresbeginn das bisherige Hartz-IV-System ersetzt hat, ist heftigen Diskussionen ausgesetzt. So kommen aus CDU und FDP Forderungen, das Bürgergeld in der jetzigen Form abzuschaffen oder Mittel dafür einzusparen. Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium empfiehlt eine Reform. In der Kritik stehen hohe Transferentzugsraten beim Hinzuverdienst und Intransparenz.

Gutachter bemängeln „Konstruktionsfehler“ beim Bürgergeld und Aufstockern

Die Gutachter bemängeln dabei in einer Analyse vor allem angebliche Konstruktionsfehler bei den Grundsicherungsleistungen für Aufstocker – also Menschen, die neben ihrem Einkommen auch Sozialleistungen beziehen, berichtet der MDR. Die Sozialleistungen in Deutschland sind grob in zwei Grundsicherungssysteme aufgeteilt: Auf der einen Seite gibt es das Bürgergeld, auf der anderen Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag.

Das Problem: Laut Gutachten gibt es „große Defizite“ bei der Abstimmung verschiedener Leistungen, insbesondere den Zuverdienstregeln. Denn für Betroffene lohnt es sich unter Umständen nicht, mehr zu arbeiten – sie könnten sogar Nettoeinbußen erleiden, so der Sender. Vor allem in Gegenden mit hohen Mieten, wie etwa München, lohne sich ein höheres Bruttoeinkommen in bestimmten Einkommensintervallen kaum. Denn dann werden die Sozialleistungen, wie etwa das Wohngeld, so stark gesenkt, dass den Betroffenen dann teilweise netto sogar weniger bleibt.

Kritik am Bürgergeld: Intransparenz der Leistungen

Zudem kritisiert der Wissenschaftliche Beirat auch die Intransparenz bei den Leistungen. Für Betroffene sei nicht ersichtlich, welcher Anteil des Einkommens beim Aufstocken behalten werden darf. Zudem sind die Sozialleistungen wie Bürgergeld und Wohngeld bei unterschiedlichen Bundesministerien angesiedelt – was zusätzlich für Verwirrung sorge und die Beantragung dieser Leistungen erschweren würde.

Die Gutachter schlagen deshalb vor, die zweigeteilten Grundsicherungssysteme zu vereinheitlichen. Dies könne bei der Einführung der geplanten Kindergrundsicherung 2025 geschehen. Dabei sollen unter anderem die Unterkunftskosten aus dem Bürgergeld und das Wohngeld zusammengefasst werden. Außerdem empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat niedrigere Transferentzugsraten für Aufstocker – also, dass die Sozialleistungen beim Hinzuverdienst nicht mehr so stark abgeschmolzen werden.

CDU stellt sich gegen das jetzige Bürgergeld

Auch bei der CDU sieht man das Bürgergeld kritisch. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der Bild-Zeitung vom Montag, seine Partei wolle „das Bürgergeld in dieser Form wieder abschaffen und durch ein anderes Modell ersetzen“. Ziel müsse es sein, dass arbeitsfähige Menschen auch wirklich arbeiten müssten.

„Wir müssen die Anreize zur Jobaufnahme erhöhen“, sagte Linnemann weiter. „Jeder, der arbeiten kann und Sozialleistungen bezieht, muss nach spätestens sechs Monaten einen Job annehmen, ansonsten gemeinnützig arbeiten.“ Die Forderung, die bestehende Sozialleistung zu beenden und durch ein anderes Modell zu ersetzen, ist laut Bild auch im Entwurf für das neue CDU-Grundsatzprogramm enthalten. Dies soll demnach eines der zentralen Themen im nächsten Bundestagswahlkampf der CDU werden.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr forderte Milliarden-Einsparungen beim Bürgergeld. Dies solle dadurch erreicht werden, dass nicht nur ukrainische Geflüchtete, sondern alle Asylbewerberinnen und -bewerber schneller in den Arbeitsmarkt integriert würden, sagte Dürr ebenfalls der Bild-Zeitung. Mit dem gesparten Geld könne der ermäßigte Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie dann bis 2024 verlängert werden, verlangte er weiter. Dies könne eine Win-Win-Situation sein, „denn gerade in der Gastronomie werden händeringend Mitarbeiter gesucht“.

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„Wir fahren den Sozialstaat gegen die Wand“

Reinhard Sager, der Vorsitzende des Deutschen Landkreistages, fand am Montag deutliche Worte für die Sozialpolitik der Bundesregierung.

Reinhard Sager, der Vorsitzende des Deutschen Landkreistages, fand am Montag deutliche Worte für die Sozialpolitik der Bundesregierung.© dpa

Mit der geplanten Kindergrundsicherung drohen Menschen aus dem Bür­ger­geldsystem neue Hürden auf dem Weg in Arbeit: Für 400.000 Jugendliche aus Bürgergeldhaushalten gäbe es mit dem von der Ampelregierung auf den Weg gebrachten Gesetzentwurf keine verbindliche Unterstützung zum Einstieg ins Berufsleben mehr. Darauf hat die Bundesagentur für Arbeit am Montag in einer Sachverständigenanhörung des Bundestags hingewiesen. Es handelt sich um Jugendliche, die infolge der Reform aus dem Bürgergeld herausfallen.

„Mit dem Wechsel der erwerbsfähigen jungen Menschen in die Kindergrundsicherung entfällt die Zuständigkeit der Jobcenter“, schreibt die Bundesagentur in ihrer Stellung­nah­me an den Familienausschuss des Bundestages. Es sei aber notwendig, „die künftige Betreuung der jungen Menschen aktiv gesetzlich zu regeln und nicht ausschließlich als unverbindliches Ange­bot zu gestalten“. Mit dem aktuellen Gesetzentwurf könnten diese Jugendlichen zwar künftig die Arbeitsagenturen aufsuchen und um Beratung bitten. Anders als bisher bekämen sie aber keine verbindliche Begleitung mehr.

Mit der Kindergrundsicherung will insbesondere Familienministerin Lisa Paus (Grüne) Kinder und Jugendliche „aus dem Bürgergeld herausholen“, wie sie es formuliert hat. Deshalb sollen diese künftig nicht mehr Bürgergeld vom Jobcenter erhalten, sondern die neue Geldleistung, die von der Familienkasse kommen soll. Soweit es sich um jüngere Kinder handelt, werden sie aber faktisch meist dennoch im Bürgergeld bleiben, da sie ja trotzdem weiterhin bei ihren Eltern wohnen sollen.

Drohen unerwartete Milliardenausgaben?

Noch grundsätzlichere Kritik am sozialpolitischen Kurs äußerte am Rande der Anhörung der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager: „Ich fürchte, dass wir den Sozialstaat gegen die Wand fahren“, erklärte er und bezog dies auch auf unerwartete Milliardenmehrausgaben für Bürgergeld. „Wir zahlen immer mehr Geldleistungen, statt durch aktive Arbeitsförderung die Menschen in Erwerbsarbeit zu integrieren“, kritisierte Sager. Und jetzt sei die Kindergrundsicherung geplant, die neben Mehrkosten einen „abwegigen“ Bürokratieaufbau bringe, sodass „man nur noch den Kopf schütteln kann“.

Kritiker zu allen Seiten

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat soeben beim Finanzministerium allein für dieses Jahr insgesamt 3,25 Milliarden Euro Nachschlag beantragt, da die im Etat für das Bürgergeld vorgesehenen Mittel zu knapp kalkuliert waren. Am Freitag war zunächst bekannt geworden, dass die Ausgaben für laufende Geldleistungen um 2,1 Milliarden Euro höher ausfallen als gedacht. Nun kommt aber auch noch ein Mehrbedarf von 1,15 Milliarden Euro für Wohnkosten der Bürgergeldbezieher hinzu.

Sozialverbände klagten dagegen vor allem darüber, dass die Ampelkoalition keine stärkere Erhöhung der Geldleistungen plant. Vertreter der für die Umsetzung zuständigen Kommunen und Jobcenter warn­ten indes ebenfalls vor komplizierter neuer Bürokratie. Bisher gebe es für Familien im Bürgergeld Hilfe und Beratung „aus einer Hand“, betonte Diana Stolz vom Jobcenter Kreis Bergstraße. Mit der geplanten Kindergrundsicherung „wird dies gänzlich verworfen“. Es drohe eine Verschärfung von Problemen „gerade bei den besonders betroffenen Kindern“. Anders als das Bürgergeld „sieht die Kindergrundsicherung keine nachhaltige Beseitigung von Hilfebedürftigkeit vor“, kritisierte sie.