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Umweltschutz und Wetter

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Weltklimarat mahnt Handeln an - Aufgabe für die neue Regierung

 

Angesichts des aufrüttelnden Weltklimareports drängen Politiker und Experten die künftige Bundesregierung zum Handeln.

Nach Angaben der Weltklimarates (IPCC) beschleunigt sich die menschengemachte Erderwärmung. Die Menschen müssten sich auf mehr Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen und Hitze einstellen. Eine Erwärmung von 1,5 Grad könnte schon bald überschritten sein. Laut Pariser Klimaabkommen wollen die Staaten die Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau deutlich unter zwei Grad halten, möglichst aber bereits bei 1,5 Grad stoppen.

Der Bericht des Weltklimarates bestätige eindringlich: "Wir müssen unser Tempo beim Klimaschutz noch erhöhen. Mit dem Klimaschutzgesetz haben wir bereits den Grundstein gelegt", sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch. Direkt nach der Wahl sei ein verbindlicher Pakt zwischen Bund, Ländern und Kommunen nötig, um dem Ausbau der erneuerbaren Energien einen weiteren Schub zu geben. "Der Bau von Windrädern, Solarparks und Stromtrassen muss schneller und einfacher werden."

Die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marie-Luise Dött, sagte mit Blick auf die nächste Klimakonferenz im November in Glasgow: "Deutschland und die EU haben ihre Klimaziele gemäß dem Klimaabkommen erneut verschärft und leisten damit einen elementaren Beitrag, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen." Dasselbe Vorgehen erwarte sie nun auch von unseren internationalen Partnern, insbesondere von den G20-Staaten.

"Alle Alarmglocken schrillen, aber die Feuerwehr bleibt in der Garage!", sagte dagegen der Klima- und Energiepolitiker der Linken im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin. Der Klimabericht stelle auch der Bundesregierung ein Zeugnis des Versagens aus, "immerhin ist Deutschland das Land, das auf Platz 4 der Länder weltweit steht, die seit der fossilen Industrialisierung am meisten vom CO2-Klimakiller in die Atmosphäre ausgestoßen haben". Nun müsse ein "Klimaturbo" gezündet werden: "Kohleausstieg auf 2030 vorziehen, Gasausstiegsgesetz, Klimaneutralität 2035."

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) fordert einen Abbau von Hürden. "Die Erneuerbaren Energien stehen in großer Technologiebreite für alle Bedarfe zuverlässig und bezahlbar bereit. Wir wollen unseren Beitrag für den Klimaschutz leisten. Dafür müssen die Hürden abgebaut und ein Programm zum beschleunigten Ausbau in den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung aufgelegt werden", sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. "Allein im Jahr 2020 hat die Nutzung Erneuerbarer Energien den Ausstoß von rund 227 Millionen Tonnen Treibhausgasen vermieden, insgesamt wurden rund 300 000 Arbeitsplätze geschaffen."

Insgesamt haben mehr als 230 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rund 14 000 Klima-Studien für den IPCC-Report ausgewertet.

"Wir können nicht damit warten, die Klimakrise zu bewältigen", schrieb US-Präsident Joe Biden auf Twitter - ohne den Bericht in seinem Tweet zu erwähnen. "Die Zeichen sind unübersehbar. Die Wissenschaft ist unbestreitbar." Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rief zu ambitionierterer Klimapolitik auf. Der Bericht sei erneut unmissverständlich, schrieb er auf Twitter. Die Zeit der Empörung sei vorbei. Bei der Weltklimakonferenz müsse eine Einigung erzielt werden, die der Dringlichkeit der Sache gerecht werde.

Zwei IPCC-Autoren widersprachen derweil Berichten darüber, dass der Weltklimarat die Überschreitung von 1,5 Grad Erwärmung über vorindustrielles Niveau für 2030 voraussage, und dass dies 10 Jahre früher liege als bislang kommuniziert. Eine Aussage zu 2030 sei in einem früheren Entwurf des Berichts gewesen, letztlich aber verworfen worden, sagte Klimaforscher Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie der Deutschen Presse-Agentur. Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie sagte, wenn man etwa von 2023 bis 2042 ausgehe, liege eben der Mittelpunkt dieses Zeitraums einfach Anfang der 2030er Jahre. Falsch ist nach Angaben von Notz auch, dass der Punkt der Überschreitung nun zehn Jahre früher angenommen werde als im 1,5-Grad-Bericht des Weltklimarats von 2018.

 

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Reisen in Europa: Die Bahn ist zu selten eine Alternative zum Flugzeug

Die Umweltorganisation Greenpeace hat ausgerechnet, welche Flugverbindungen in Europa sich durch Züge ersetzen lassen. Das Ergebnis ist durchwachsen.

Die Bahn ist zu selten eine Alternative zum Flugzeug

Es ist eine Debatte, die inzwischen jeder kennt - bei Dienstreisen oder vor dem Urlaub: Muss es zwingend das Flugzeug sein, oder könnte man nicht auch die klimafreundlichere Eisenbahn nehmen? Auf der so beliebten Strecke Berlin-Frankfurt etwa ist ein Flugpassagier für 127 Kilogramm Treibhausgase verantwortlich, der Bahnfahrende verursacht hingegen nur knapp elf Kilogramm.

Im Wahlkampf brachte die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock angesichts dieser Unterschiede das Verbot von Kurzstrecken ins Gespräch. Doch bald verschwand diese Forderung wieder aus dem Grünen-Wahlkampf. Denn wer viel reist, weiß: Die Bahn ist manchmal eine gute Alternative - aber oft auch keine, noch keine. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat das im Detail ausrechnen lassen: für jene 150 wichtigsten Strecken innerhalb der EU, die in ein bis zwei Stunden Flugzeit zu erreichen sind, die aber auch mit dem Zug möglich wären. Das Ergebnis: mitunter klappt das Bahnfahren gut, aber in etlichen Fällen würde ein generelles Kurzstrecken-Verbot das Reisen beinahe unmöglich machen.

Ein Drittel dieser Verbindungen ist in weniger als sechs Stunden per Bahn machbar - für Greenpeace ist das die akzeptable und wettbewerbsfähige Reisezeit, etwa Amsterdam-Paris (3:23 h), Paris-Frankfurt (3:50 h) oder Venedig-Neapel (5:10 h). Auf all diesen Strecken sollten Flüge verboten werden, fordert die Organisation. Zumal auch auf den 21 der 150 wichtigsten Reiseverbindungen, bei denen der Zug weniger als vier Stunden benötigt, wie etwa Madrid-Barcelona (2:30 h). Auf 23 Strecken, so zeigt es die Erhebung, wäre der Reisende hingegen mehr als 16 Stunden unterwegs.

Erschwert wird das landgestützte Reisen durch zunehmend schlechtere internationale Zugverbindungen, kritisiert Greenpeace nach Durchsicht aller Fahrpläne. Der Eurostar etwa hat seine Tunnelzüge zwischen Großbritannien und Frankreich deutlich reduziert. Zwischen Schweden und Norwegen verkehren mittlerweile nur noch Busse. Und auf der Strecke Frankfurt-Lyon, einer wichtigen Verbindungsachse zwischen Deutschland und Frankreich, fährt nur ein Direktzug pro Tag - was beispielhaft zeigt: Passagiere, die vom Flugzeug auf die Bahn umsteigen, müssen allenthalben mit umständlichen Umstiegen rechnen. Immerhin gewinnen aber die Nachtzugverbindungen wieder an Attraktivität: Wien-Paris sowie Zürich-Amsterdam starten im Dezember, und später soll auch noch Wien-Paris dazukommen.

Lufthansa hat zumindest die Strecke Nürnberg-München gestrichen

Deutschland trägt übrigens, so Greenpeace, die "größte Verantwortung" für den Flugverkehr in Europa: Ein Drittel der 150 meistgenutzten EU-Flugstrecken enden oder starten hierzulande. Und bei etlichen liege die Reisezeit bei Nutzung der Bahn unter sechs Stunden - im Beispiel Frankfurt-Berlin sind es 3 Stunden und 54 Minuten. Und zwar von Innenstadt zu Innenstadt, ohne Einchecken, ohne Warten am Gate und ohne S-Bahn-Anfahrt, wie sie beim Umweltschutzverband betonen. Das wiederum deckt sich mit der Haltung des bislang von Andreas Scheuer (CSU) geführten Bundesverkehrsministeriums: Dort will man Inlandsflüge nicht verbieten, aber durch bessere Verbindungen und finanzielle Anreize reduzieren. Tatsächlich sind die Investitionsmittel in die Schiene ab dem kommenden Jahr erstmals höher als jene in die Straße (9,3 Milliarden Euro zu 8,3 Milliarden Euro), und auch die Umsatzsteuer für Fahrkarten des Bahn-Fernverkehrs wurde auf sieben Prozent gesenkt, die Luftverkehrssteuer hingegen ein wenig angehoben.

Die Lufthansa hat in einem Fall übrigens bereits reagiert: Die innerbayerische Verbindung München-Nürnberg wurde in diesem Sommer gestrichen - aber die Alternative zeigt die Schwierigkeit deutlich: ein Expressbus fährt nun zwischen den beiden Flughäfen, weil am Münchner Airport weiterhin keine Schnellzüge halten, was die Fluggesellschaft andauernd kritisiert. Immerhin ist auch diese Alternative vergleichsweise umweltfreundlich: Ein Flugzeug im Inlandsbetrieb emittiert 214 Gramm klimaschädliche Treibhausgase pro Personenkilometer. Ein Pkw immerhin noch 154 Gramm - ein Fernverkehrszug oder ein Fernbus hingegen nur 29 Gramm.

Trotz dieser Unterschiede und der anhaltenden Debatten: Das Fliegen ist weniger für den Klimawandel verantwortlich, als manch einer womöglich annimmt. 3,5 Prozent trägt der globale Luftverkehr durch CO2, Kondensstreifen oder Ruß zur Klimaerwärmung bei, soweit sie vom Menschen verursacht ist, das hat vor einem Jahr eine große internationale Studie unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt gezeigt. Das Gewinnen von Strom und Wärme aus Kohle, Gas und Öl sowie das Verbrennen von Benzin und Diesel beim Autofahren sind weit gravierendere Faktoren.

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Das verflixte Kreislaufproblem bei Textilien

 

Ständig neue Kollektionen in den Geschäften, Billig-Mode zum Preis eines Kaffees, das fördert das Kaufen, Anziehen, Wegwerfen.

Die Umwelt- und Klimabelastung durch die Textilwirtschaft ist aber enorm, es muss sich also etwas ändern. Zwar werben immer mehr Modefirmen mit nachhaltigen Materialien, aber einen echten Kreislauf, in dem Altkleider zu neuen Textilen werden, gibt es noch nicht.

Die Textilindustrie gehört zu den weltgrößten Wirtschaftszweigen. Die Vereinten Nationen schätzen ihren Umfang auf 2,4 Billionen Dollar im Jahr (rund zwei Billionen Euro), mit weltweit mehr als 75 Millionen Beschäftigten. «Die Modeindustrie ist der zweitgrößte Wasserverbraucher der Welt und für acht bis zehn Prozent der Kohlenstoffemissionen verantwortlich - mehr als alle internationalen Flüge und die Seeschifffahrt zusammen», so die Vereinten Nationen beim Start eines UN-Projekts für nachhaltige Mode 2019.

Jedes Jahr werden schätzungsweise 50 Milliarden Tonnen Textilien produziert. Dreiviertel davon dürfte auf Mülldeponien landen. Mit Fast Fashion, also viele Kollektionen und niedrige Preise, hat sich die Produktion nach Angaben der Unternehmensberatung McKinsey zwischen 2000 und 2014 verdoppelt, die Tragezeit halbiert. Eine weitere Studie zeigt: jeder Deutsche wirft im Jahr statistisch rund 4,7 Kilogramm Textilien weg. Nur 500 Gramm davon würden recycelt.

Das Konsortium wear2wear mit sechs Firmen der Textilbranche hat zum Ziel, Textilien aus 100 Prozent Alttextilien herzustellen. Dazu gehört die Firma Sympatex aus Unterföhring in Oberbayern, die eine wasser- und winddichte und atmungsaktive Membran für Funktionstextilien herstellt. Sie will bis 2030 nur noch Rohstoffe aus einem zirkulären Textilkreislauf verwenden, und alles soll wieder 100-pozentig recycelbar sein, wie Sprecherin Verena Bierling sagt.

Bei einem Test der wear2wear-Firmen mit einer Regenjacke hat sich aber gezeigt, dass der Teufel im Detail liegt. Mit 500 Kilogramm alten Polyester-Jacken konnten zwar 230 Meter Stoff gewebt werden, aber es mussten aus Qualitätsgründen 70 Prozent neue Fasern hinzugeführt werden, wie wear2wear-Sprecherin Annette Mark sagt. Die neuen Fasern stammten zwar aus PET-Flaschen, also Plastik. Aber Umweltschützer finden es problematisch, wenn Material einem an sich funktionierenden Kreislauf wie bei Plastikflaschen entzogen wird.

Die schweizerische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) hat die Umweltbelastung der Jacke mit dem Anteil aus alten Jacken mit einer Jacke rein aus PET-Flaschenfasern verglichen. Die Altkleider-Jacke schnitt zwar in elf Umweltrisiko-Kategorien besser ab, etwa bei Erderwärmung, Giftbelastung für die Ökosysteme und Wasserknappheit. Aber: «Der Energieaufwand für Säubern, Entfärben und ähnliches bleibt enorm», sagt Mark. An den Prozessen werde weiter gearbeitet. «Man darf sich nicht in die Tasche lügen: wir stehen noch ganz am Anfang.»

Und Polyester ist noch einfach. Bei Mischgeweben wird es viel komplizierter. Daraus besteht aber der Großteil der Kleidung weltweit. Verfahren, um Gewebe problemlos wieder in Bestandteile wie Polyester, Polyamid und Baumwolle zu zerlegen, stecken in den Kinderschuhen. Bei den Regenjacken, die recycelt wurden, waren nur fünf Prozent nicht aus Polyester, etwa der Klebstoff zwischen Membranen und Futter, aber schon dass verstopfte nach dem Aufschmelzen des Granulats bei der Weiterverarbeitung die Düsen der Spinnmaschinen. Zudem ist der Kreislauf nicht endlos: «Einen Recycle-Zyklus bekommen wir hin, aber danach wird es mit der Qualität schwierig», sagt Mark. Das Polymer verliert an Qualität und und das neue Garn werde ungleichmäßig.

Die britische Firma Worn Again Technologies arbeitet an der Trennung von Mischgeweben. Investoren sind unter anderem die Modefirma H&M und das Schweizer Technologieunternehmen Sulzer. Sulzer baut eine Anlage, die Kleidungsstücke aus Polyester und Baumwolle in Polyesterpellets und Zellulose-Zellstoff umwandelt, die wieder zu Fasern versponnen werden können. Die Anlage soll im Jahr 1000 Tonnen neue Fasern produzieren. Das wäre aber gemessen an den Mengen, die H&M verkauft, ein Tropfen auf den heißen Stein.

Bei H&M lag der Anteil von recycelten Materialien 2020 nach Angaben eines Firmensprechers bei rund sechs Prozent, immerhin doppelt so viel wie im Jahr davor. Bis 2025 sollen es 30 Prozent sein. Das Unternehmen hat unter anderem den Online-Shop Itsapark gegründet, der auch Second-Hand-Kleidung verkauft. Wie viel das am Gesamtverkauf ausmacht, sagt der Sprecher nicht.

Greenpeace hält solche Aktivitäten für Augenwischerei. Es vermittle Kunden ein gutes Gewissen, damit sie dann sorglos weiter einkaufen, sagt Greenpeace-Konsum-Expertin Viola Wohlgemuth. Der Textilkonsum müsse sich grundsätzlich ändern. Die Firmen müssten Textildienstleister werden. «Leihen, teilen, tauschen, reparieren - das muss das Modell der Zukunft sein, und Kleidung aus solchen nachhaltigen Modellen muss überall im Alltag zu finden sein und billiger sein, als etwas neu zu kaufen», sagt sie. Auch H&M sei daran gelegen, dass Mode solange wie möglich genutzt, weiterverkauft, wiederverwendet und recycelt werde, beteuert der Sprecher.

Die Europäische Union will noch in diesem Jahr eine Textil-Strategie veröffentlichen. Hersteller sollen zur Verantwortung gezogen werden, damit sie langlebigere Textilien produzieren, die weniger Umweltschäden verursachen und besser recycelt werden können.

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Ryanair-Chef O’Leary: Je mehr Flugzeuge wir mit nachhaltigem Kerosin betanken, desto teurer könnten die Preise für Lebensmittel werden

 

Je mehr Flugzeuge mit nachhaltigen Kraftstoffen betankt werden, desto teurer könnten die Preise für Lebensmittel werden. Diese Befürchtung hatte der Chef des Billigfliegers Ryanair, Michael O'Leary, während einer Veranstaltung der US-amerikanischen Nachrichtensender-Gruppe "CNBC" geäußert. Er war in der vergangenen Woche virtuell zu Gast beim "Sustainable Future Forum" des Senders.

"Ich frage mich, was der Einsatz von nachhaltigen Flugkraftstoffen langfristig mit den ohnehin steigenden Lebensmittelpreisen machen wird", sagte der Ryanair-CEO dort. Er spielte darauf an, dass die nachhaltigen Flugkraftstoffe (die sogenannten "Sustainable Aviation Fuels", kurz: SAF) zwar wesentlich besser für die Umwelt sind, zugleich aber derzeit noch teuer und rar.

Die Treibstoffkosten der Airlines machen rund ein Drittel der operativen Gesamtkosten aus – und die SAFs sind im Schnitt vier bis acht Mal teurer als herkömmliches Kerosin. Experten gehen deshalb schon jetzt davon aus, dass auch die Ticketpreise fürs Fliegen mittelfristig steigen werden.

Trotzdem messe er den nachhaltigen Flugkraftstoffen eine hohe Bedeutung zu, sagte O'Leary. Ryanair habe im Frühjahr rund 1,5 Millionen Euro in ein Forschungszentrum in Zusammenarbeit mit der Trinity-Universität in Dublin, dem Firmensitz Ryanairs, investiert.

Ryanair hatte vor einigen Monaten bekannt gegeben, bis zum Jahr 2030 12,5 Prozent der Flüge mit nachhaltigen Flugkraftstoffen betreiben zu wollen. Während der CNBC-Veranstaltung gab O'Leary zu, dass das ein "sehr ehrgeiziges Ziel" sei – "ich bin nicht sicher, ob wir das schaffen werden".

Außerdem wolle der Billigflieger 22 Milliarden Dollar in neue Flugzeuge des Typs Boeing 737-8 investieren, die die CO2- und Lärmbelastung im Vergleich zur aktuellen Flotte reduzieren. 2050 wolle man, so Ryanair, eine "klimaneutrale Fluggesellschaft" sein.

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Klimawandel: Grüner Umbau der Wirtschaft: Welche Herausforderungen sich aus dem Umweltrecht ergeben

 

Viele Unternehmen wollen den grünen Umbau starten. Schon jetzt gibt das Umweltrecht einen starken rechtlichen Rahmen vor – und die Vorschriften nehmen noch zu.

Derzeit wird beim Uno-Klimagipfel in Glasgow darüber beraten, wie die Treibhausgasemissionen weltweit möglichst schnell sinken können. Denn für das 2015 im Pariser Klimaabkommen festgelegte Ziel, die gefährliche Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, reichen die Anstrengungen der Staaten bislang noch nicht aus. Am Ende dürfte es neue oder verschärfte Vorgaben geben, wie der Klimawandel verhindert werden soll.

Doch in welchem rechtlichen Rahmen läuft der grüne Umbau der Wirtschaft ab?

Sabine Schlacke, Professorin am Institut für Energie-, Umwelt- und Seerecht der Universität Greifswald und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, erklärt: „Es geht um eine riesige Materie.“ Anforderungen ergäben sich etwa aus dem Klimaschutz- und Energierecht, dem Emissionshandels- und Emissionsschutzrecht, dem Naturschutz- und Infrastrukturrecht. „Viele Vorgaben kommen von der Europäischen Union, zum Beispiel der strenge Artenschutz“, sagt Schlacke. „Die Gestaltung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sind hingegen ganz überwiegend nationale Angelegenheiten.“

Beispiel Energiesektor: Durch das Emissionshandelsgesetz unterliegen Energie- und Industrieunternehmen, die in hohem Maße CO2 ausstoßen, dem Emissionshandel. Der soll einen finanziellen Anreiz schaffen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. „Die EU will den Handel mit CO2-Zertifikaten nun noch ausweiten auf die Schifffahrt sowie auf den Straßenverkehrs- und Gebäudesektor“, erklärt Umweltrechtlerin Schlacke. Die Reduktionspflichten für die Industrie würden außerdem nochmals verschärft.

Zudem gibt es seit 2021 das nationale Brennstoffemissionshandelsgesetz. Die CO2-Bepreisung wirkt sich indirekt über die Energiepreise auf viele Unternehmen aus, nicht nur auf jene, die Heiz- und Kraftstoffe in Verkehr bringen.

Industrie kommt in Transformation hinein

Auch das Steuerrecht könne als Umweltrecht verstanden werden, gibt Rechtsexpertin Schlacke zu bedenken. Umweltbezogene Steuern sind etwa die Energiesteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und die Stromsteuer.

Die Umweltrechtlerin zeigt sich optimistisch mit Blick auf einen grünen Umbau der Wirtschaft: „Ich sehe, dass wir bei der Industrie in eine Transformation hineinkommen. Der Wille ist da.“ In vielen Bereichen wolle die Industrie zum Beispiel auf grüne Wasserstoff-Technologien umstellen, um CO2-neutral zu werden. Da sei viel Potenzial. „Diese Willigen in der Industrie wie etwa die Salzgitter AG, Avacon und Linde, die einen Betrieb einer industriellen Wasserstoffproduktion auf Basis von Strom aus Windkraft gestartet haben, sollte die neue Regierung fördern“, forderte Schlacke.

Der eigentliche Rahmen bleibe indes. Änderungen im Umweltrecht, um wirtschaftliche Innovation zu begünstigen, seien schwierig: „Die Umweltgesetze verfolgen den Schutz von Allgemeinwohlbelangen wie öffentlicher Gesundheit, Natur-, Wasser- und Bodenschutz. Standards können nicht einfach abgebaut werden.“ Allenfalls ließe sich über einzelne Anforderungen sprechen. So könnten etwa im Planungsrecht bestimmte Vorhaben aus der Zulassungspflicht herausgenommen werden. Diese wären dann nur noch anzeigepflichtig. „Das hätte einen großen Vereinfachungs- und Beschleunigungseffekt", meint Schlacke.

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, der Ende der 1980er-Jahre das Institut für Umweltrecht an der Universität Bielefeld mitbegründete und leitete, warnt indes vor einer „Überforderung des Rechts“. Erklärten sich Unternehmen, aber auch Verbraucher nicht von sich aus bereit, beim Schutz der Umwelt mitzuwirken, indem sie etwa natürliche Ressourcen schonten und Verschmutzungen vermieden, werde es zur Staatsaufgabe, steuernd einzugreifen, umweltfreundliches Verhalten zu belohnen und umweltfeindliches zu bestrafen. Papier mahnt: „Ergeben sich so aus übermäßigen Reglementierungen immer größere Einschränkungen der Freiheit, kann das ab einem bestimmten Punkt jedoch das gesamte System in Gefahr bringen.“

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Greenpeace: CO2 Zulassungssteuer und neue Dienstwagen-Regeln

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace verlangt von den möglichen Ampel-Koalitionären eine neue Steuerpolitik, um die Klimabilanz des Autoverkehrs zu verbessern. Dazu könnten laut einem am Freitag veröffentlichten Papier eine nach CO2-Ausstoß gestaffelte Zulassungssteuer und ein grundlegender Umbau der Regeln für Dienstwagen gehören. Solche Maßnahmen seien nötig, um die Emissionen - neben reinen Kaufzuschüssen für E-Autos - deutlicher zu senken. In der Forschung wurden zuletzt ebenfalls Forderungen laut, die finanziellen Lasten durch höhere Energiekosten stärker über das Steuersystem auszugleichen, statt nur Subventionen zu gewähren.

Greenpeace schlägt etwa die Einführung einer CO2-orientierten Steuer für neu zugelassene Pkw vor - als zusätzliches Lenkungsinstrument oder als Bestandteil der geltenden Kfz-Steuer. «Lokal emissionsfreie Fahrzeuge wie Elektroautos wären davon befreit, sparsame Fahrzeuge würden gering besteuert und besonders klimaschädliche Fahrzeuge stark besteuert», so das Konzept. Die Verteuerung für schwere und große Verbrenner könne den Umstieg auf weniger klimaschädliche Autos dann zusammen mit der Kaufprämie für E-Autos beschleunigen.

Daraus ließe sich ein «Bonus-Malus-System» entwickeln, erklären die Umweltschützer. Eine Folge wäre, «dass nicht mehr alle Steuerzahler für die Zahlung der E-Auto-Prämien aufkommen müssten, sondern vornehmlich die Käufer von CO2-intensiven Verbrenner-Autos». So könne man letztlich mehr direkte Emissionssenkung mit dem Erschließen weiterer Finanzquellen für Klimaschutz-Investitionen zusammenbringen.

Außerdem sei ein Ende der bisherigen finanziellen Privilegien für oft auch privat genutzte Dienstwagen nötig, argumentiert Greenpeace. Der tatsächliche geldwerte Vorteil für den Arbeitnehmer sei dabei häufig viel größer als durch die versteuerte Summe ausgedrückt, während der Arbeitgeber Lohnnebenkosten spare. Durch den hohen Anteil gewerblicher Fahrzeuge an den Neuzulassungen habe die Form der Dienstwagen-Besteuerung zudem großen Einfluss auf die CO2-Last.

Der Vorschlag: Dienstwagen sollten steuerlich so behandelt werden wie Privatautos. Der geldwerte Vorteil müsse auf die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs bezogen und zum Beispiel auch auf Tankkosten erweitert werden. Ende Oktober hatte das Umweltbundesamt anhand einer Studie bekräftigt, das «Dienstwagen-Privileg» widerspreche dem Ziel des Klimaschutzes durch begünstigte Nutzung von Verbrenner-Pkw. Selbst beauftragte Umfragen in Dänemark und den Niederlanden zeigen laut Greenpeace eine hohe Akzeptanz solcher steuerlichen Instrumente.

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CO2-Steuer an Europas Grenzen: Revolution oder Protektionismus?

Die EU macht Tempo beim Klimaschutz. Auf Importe soll künftig eine CO2 Steuer anfallen. Das könnte ärmeren Ländern schaden. Der Beginn eines nachhaltigeren Welthandels oder reiner Protektionismus?

Die Europäische Union hat ihre Klimaziele nachgeschärft. Bis 2030 will die Staatengemeinschaft ihre Treibhausgasemissionen nun um 55 Prozent, statt wie bisher geplant um 40 Prozent, senken. Dafür muss sie ihre emissionsintensive Industrie rasch umbauen. Große Verschmutzer in Europa sollen in Zukunft durch höhere CO2-Preise zur Kasse gebeten und dadurch zur Umstellung auf klimafreundlichere Produktionsverfahren gedrängt werden.

Damit für europäische Hersteller im internationalen Wettbewerb kein Nachteil entsteht, plant die EU-Kommission gleichzeitig eine CO2-Steuer auf Importe aus dem Ausland. Der sogenannte Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) ist weltweit Neuland. Von einer CO2-Abgabe wären importierte Produkte aus besonders emissionsintensiven Industrien, wie Stahl, Zement, Aluminium, Düngemittel und Energie betroffen.

Das heißt: Will etwa ein chinesisches Unternehmen in der EU Stahl verkaufen, der bei der Herstellung mehr CO2-Emissionen verursacht hat als in Europa produzierter Stahl, muss es den in der EU geltenden CO2 Preis pro Tonne bei der Einfuhr zahlen. Ab 2026 soll der Mechanismus laut EU-Kommission vollständig in Kraft treten.

Nachhaltigere EU-Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig?

Ein Ziel ist es, Industriebetriebe in der EU dazu zu bringen, nachhaltiger zu produzieren, ohne dass sie durch erhöhte CO2 Abgaben im globalen Preiskampf ins Hintertreffen geraten.

"Die wirtschaftlichen Grundlagen sind ganz einfach. Wir haben einen hohen CO2-Preis in der EU. Anderswo haben wir keine hohen CO2-Preise. Damit sind die EU-Produzenten im Wettbewerb mit anderen Ländern im Nachteil", sagt Hector Pollitt, Wirtschaftswissenschaftler an der University of Cambridge for Sustainable Leadership (CISL)

Bereits heute müssen in der EU bereits 11.000 Industriebtriebe wie Ölraffinerien und Stahlwerke, sowie Aluminium-, Metall-, Zement- und Chemieunternehmen ab einer Obergrenze Abgaben auf ihre CO2-Emissionen zahlen.

Doch das 2005 eingeführte sogenannte EU Emissions Trading System war wegen der Ausnahmen für viele Unternehmen und einem niedrigen CO2-Preis – 2016 lag er gerade mal bei 3 Euro pro Tonne - nicht sehr erfolgreich. Das soll sich nun ändern. 2021 ist der CO2 Preis in der EU auf €69 pro Tonne gestiegen und hat sich damit innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt.

Mit der Abgabe auf importierte Waren soll vor allem das sogenannte "Carbon Leakage", die CO2-Preis-Flucht, verhindert werden. "Es würde unsere Bemühungen untergraben, wenn Unternehmen abwandern, um den CO-Preis der EU zu vermeiden," so EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung Paolo Gentiloni in einem Statement zu den Plänen. Der neue Mechanismus soll verhindern, dass Konzerne ihre Produktion aus der EU in Länder mit geringeren Umweltstandards verlagern, um die Ware von dort aus in die EU zu verkaufen.

Handelskrieg oder "Carbon Club"

Zu den am stärksten vom CBAM betroffenen Ländern gehören Russland, China, die Türkei, das Vereinigte Königreich, die Ukraine, Südkorea und Indien. Ob die Abgaben im Rahmen der Welthandelsorganisation gültig sind, ist noch offen. Konfliktpotenzial hat die geplante neue Steuer der EU allemal. Wenn Länder die CO2-Steuer als Protektionismus wahrnehmen und Gegenmaßnahmen einleiten, sei die Möglichkeit eines Handelskriegs nicht ausgeschlossen, so Sanna Markkanen, Senior Analystin an der CISL. Sie sieht aber insgesamt eher positive Anzeichen für Entwicklung eines nachhaltigeren internationalen Handelssystems.

"Es gibt gute Gründe dafür, dass die EU und die USA vielleicht tatsächlich versuchen könnten, zusammenzuarbeiten und einen sogenannten 'Carbon Club' zu gründen."

Bei der EU besteht man darauf, dass es sich bei dem Mechanismus um "ein umweltpolitisches Instrument, keinen Zoll" handelt, so EU-Kommissar Gentiloni.

Durch eine Kooperation zwischen der EU und den USA könne der Preis für "schmutzig" produzierten Stahl aus China angehoben werden. Damit könnte der Wettbewerbsvorteil chinesischer Firmen, die von staatlichen Subventionen und niedrigeren Umweltstandards profitierten, möglicherweise wettgemacht werden, sagt Kevin Dempsey vom Dachverband Nordamerikanischer Stahlproduzenten AISI. Neben dem Schutz der eigenen Wirtschaft soll mit der CO2-Abgabe der EU auch Druck auf andere Länder ausgeübt werden, ihre Wirtschaft möglichst bald nachhaltiger zu gestalten.

Druck auf andere Länder wirkt schon

Dies scheint teilweise bereits zu wirken. In der Türkei hat die Ankündigung offenbar dazu beigetragen, im Oktober 2021 das Pariser Klimaabkommen zu ratifizieren.

Der australische Handelsminister Dan Tehan wies vor kurzem darauf hin, dass sein Land durch die Zölle langfristig Nachteile für die Exportwirtschaft befürchten müsse. Australien plant weiter einen massiven Ausbau der Energiegewinnung fossiler Brennstoffe und ist einer der größten CO2 Emittenten weltweit. Inzwischen hat Australien aber ein Netto-Null-Klimaziel bis 2050 verabschiedet.

Laut Berechnungen von Sanaa Markannen und Hector Politt könnten Unternehmen in der EU durch eine höhere Nachfrage und höhere Preise für klimaschädlichere Waren aus dem Ausland etwas profitieren. Bis 2030 könnte das Bruttoinlandsprodukt in der EU demnach um 0,2 Prozent wachsen und bis zu 600.000 neue Jobs geschaffen werden.

Umweltstandards könnten armen Ländern schaden

Zwar könnte der Mechanismus bei großen Handelspartnern und mächtigen, finanzstarken Ländern ein Druckmittel sein. Doch ärmere Länder, die stark vom Handel mit der EU abhängig sind, könnten abgehängt werden, warnt Chiara Putaturo, Beraterin für Ungleichheit und Steuerpolitik im EU-Büro der Nichtregierungsorganisation Oxfam.

Preisaufschläge auf Produkte könnten "zu geringeren Exporten in die EU führen, das hätte negative Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und allgemein auf die Mobilisierung von Steuereinnahmen in diesen Ländern. Es könnte sogar die Investitionen in eine nachhaltige Transformation eines Landes untergraben."

Vor allem die Stahl- und Aluminiumindustrie in Mosambik, Sambia, Sierra Leone und Gambia wären durch die neue Steuer betroffen. Waren aus am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) machen zwar gerade mal 0,1 Prozent aller EU-Importe aus. Höhere Abgaben könnten jedoch für die einzelnen Länder gravierende Folgen haben. Etwa für Mosambik, wo 70 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze leben. Über die Hälfte der Stahl- und Aluminiumexporte des Landes gehen in die EU.

Noch unklare Regelungen für Berechnung und Verwendung des Geldes

Ausnahmen für bestimmte Länder sind bisher nicht vorgesehen. Laut Oxfam waren die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung - die meisten davon leben in den USA und der EU - für etwa die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2015 verantwortlich. Die ärmsten 50 Prozent der Welt verursachten dagegen mal für sieben Prozent der Emissionen. "Wir müssen also sehr vorsichtig sein, wenn wir andere Länder auffordern, für ein Problem zu zahlen, das wir selbst verursacht haben," so Putatoro.

Und wie die Kohlenstoffbilanz eines Produkts genau berechnet werden soll, ist bisher unklar. Ein standardisiertes Verfahren gäbe es bisher nicht, so Sanaa Sanna Markkanen von der CISL.

Für Entwicklungsländer könnten ausserdem "die Einführung dieser Bemessungsverfahren furchtbar teuer sein, so dass kleinere Hersteller in vielen Fällen gar nicht die Kapazität hätten, diese Maßnahmen zu realisieren."

Bisher ist nicht geplant, die Einnahmen der EU aus der CO2-Abgabe gezielt in nachhaltige Entwicklung zu investieren. Eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen fordert deshalb, dieses Geld sowohl in der EU, aber vor allem in einkommensschwachen Ländern des globalen Südens für mehr Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel zur Verfügung zu stellen

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Ministerium hält Giftakten unter Verschluss

 

 

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Freiwillige holen tote Fische aus der Oder: Laut Bundesumweltministerium wurden mittlerweile rund 300 Tonnen Fischkadaver geborgen. (Quelle: Sean Gallup/Getty Images)

Wenn es um das massenhafte Fischsterben in der Oder geht, fordert die deutsche Umweltministerin von Polen volle Transparenz. Selbst mauert die Grünen-Politikerin.

Tote Fische. Tonnenweise. Mitte August begannen die Ufer der Oder nach Fäulnis und Verwesung zu stinken, als die Kadaver angeschwemmt wurden. Vielleicht eine rätselhafte Seuche, vermuteten Anwohner. Giftige Chemikalien, mutmaßte die polnische Presse. Algenpest, verursacht durch Dürre und mit Salzlake verunreinigtes Wasser, heißt es nun. Bis heute bleibt das nie dagewesene Fischsterben in Deutschlands viertlängstem Fluss, die hierzulande größte Umweltkatastrophe seit Jahrzehnten, ein Stück weit ein Mysterium. Und bis heute reißt die Kritik an den Behörden nicht ab.

Lemke befürchtete "Vertrauensverlust"

Zu spät reagiert, zu behäbig gehandelt, zu wenig gewarnt und kommuniziert: Besonders das von der Grünen-Politikerin Steffi Lemke geführte Bundesumweltministerium steht unter Druck. "Ein Vertrauensverlust in der Bevölkerung, sollten die Hintergründe des Fischsterbens an der Oder nicht geklärt werden", befürchtete die Ministerin zwar persönlich. Von Polen, wo eine Ursache des Fischsterbens vermutet wird, forderte sie maximale Transparenz.

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Grüne Außenministerin und grüne Umweltministerin unter sich: Lemkes (r.) Ministerium hält Akten zur Oder zurück. Aus innen- oder außenpolitischen Gründen? (Quelle: IMAGO/Jochen Eckel)

Doch nun stellt sich heraus: Besonders an Transparenz hinsichtlich des Handelns des eigenen Hauses besteht im Bundesumweltministerium offenbar wenig Interesse. Geht es nach der Behörde, soll keine der deutschen Akten zum massenhaften Fischsterben an die Öffentlichkeit gelangen – sie sollen sprichwörtlich in den Giftschrank.

t-online beantragte vor Wochen Auskunft nach dem Umweltinformationsgesetz. Doch ein öffentliches Interesse an den Unterlagen sei nicht ersichtlich, teilte eine Sprecherin nun mit. Um seine eigene Blockadehaltung rechtfertigen zu können, bemüht das Ministerium, was die Gesetzeslage vermeintlich hergibt.

  • Der interne Schriftverkehr zu Giftverdacht und Massensterben? Jede Zeile müsse intern bleiben, um "die Unbefangenheit einzelner Meinungsäußerungen und die Offenheit der Kommunikation (...) für die behördliche Entscheidungsfindung" zu schützen. Zumal "die Bekanntgabe der Informationen nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen hätte".
  • Der Schriftverkehr mit den Landesministerien und anderen Ressorts auf Bundesebene? Sei ebenfalls vor öffentlicher Einsicht geschützt, da sonst "zukünftig die Unbefangenheit der Meinungsäußerung zwischen den beteiligten Stellen" beeinträchtigt sein könnte. Zumal "die Bekanntgabe (...) nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen hätte".

Deshalb gibt das Ministerium keine Seite der vorhandenen Akten frei. Nicht über den Austausch mit der EU-Kommission, nicht über den Schriftverkehr mit den polnischen Behörden, nicht zu den vorbereitenden Besprechungsunterlagen der Ministerin und der Staatssekretäre. Was hingegen gern eingesehen werden darf, sind Verlautbarungen, die längst öffentlich sind, etwa Pressemitteilungen und die Musterantwort auf Bürgeranfragen.

Das Verhalten des Bundesumweltministeriums ist auch deshalb bemerkenswert, weil nicht einmal die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern einen derart restriktiven Umgang mit Dokumenten pflegte. Und dort ging es um die ominöse "Klimastiftung" für Nord Stream 2. In Schwerin galten Akten zeitweise sogar als verschwunden.

Bundesländer kritisierten Umweltressort

Die Erfahrung lehrt: Behörden mauern dann besonders, wenn sie etwas zu verbergen haben. Ob das im Fall des Bundesumweltministeriums auch so ist, lässt sich ohne Akteneinsicht naturgemäß nicht klären. Doch für die Hausspitze um Ministerin Lemke könnte es neben angeblichen gesetzlichen Hürden manchen politisch heiklen Grund geben, warum sie hinsichtlich der Fischkatastrophe in der Oder nicht mit offenen Karten spielen möchte.

Da wäre zum einen die scharfe Kritik aus Bundesländern und Verbänden, dass Lemkes Ressort wochenlang nicht auf die Warnsignale in der Oder – wie erhöhte Messwerte – reagierte und sich erst einschaltete, als die Kadaver bereits massenhaft den Fluss heruntertrieben. "Es gibt ja doch ernstzunehmende Hinweise, dass es einen Chemieunfall in Polen gegeben haben soll. Ich finde es bemerkenswert, dass wir von der Bundesebene bis heute überhaupt nicht darauf eingestellt worden sind", hatte Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) am 12. August zu Protokoll gegeben – also fast zwei Wochen, nachdem erstmals massenhaft tote Fische gefunden worden waren.

Vorwürfe in Richtung Polen

Angler- und Fischereiverbände äußerten sich wenig später ähnlich. Konkrete Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz habe es anfangs nicht gegeben, Wasserproben seien lange nur punktuell entnommen worden. Kommunalpolitiker schlugen in dieselbe Kerbe. Deswegen könnte der Schriftverkehr des Ministeriums durchaus klären, wann genau das Ministerium von dem Fischsterben wusste, was zum Schutz von Mensch, Tier und Kommunen getan wurde – und ob es dabei politische Versäumnisse gab.

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Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks bei der Arbeit: Kritik auch an fehlender Koordination der Einsätze wurde laut. (Quelle: IMAGO/Winfried Mausolf)

Zum anderen ist eben diese Frage mittlerweile zu einem bilateralen Politikum zwischen Deutschland und Polen geworden. So mancher Vorwurf, der aus Behörden, Kommunen und Verbänden zunächst den Bundesländern gemacht wurde und der schließlich beim Bundesministerium landete, wurde im August – zu Recht oder zu Unrecht – nur allzu gern direkt weiter nach Polen delegiert. Dort habe man nicht früh genug gewarnt, Meldeketten nicht eingehalten. Das erschwere die Identifikation der Ursachen, hatte Lemke gesagt. Sprich: In Polen liege die Verantwortung.

"Bewertungen zu Positionen Polens"

Das hörte man dort allerdings gar nicht gern. Die polnischen Ministerien und Behörden nannten so etwas "Falschmeldungen", stehen im eigenen Land allerdings tatsächlich ebenfalls stark in der Kritik, nicht rechtzeitig gehandelt oder die Katastrophe womöglich sogar verschuldet zu haben. Fehler wurden bereits eingeräumt – allerdings gepaart mit dem Vorwurf an Deutschland, ebenfalls Informationen nicht rechtzeitig weitergeleitet zu haben.

Auch was an diesen gegenseitigen Vorwürfen dran ist und wie groß das daraus resultierende Zerwürfnis zwischen Polen und Deutschland ist, könnten die zurückgehaltenen Akten des Bundesumweltministeriums wohl aufklären. Was das Ministerium nicht einmal bestreitet. "Die betreffenden Dokumente enthalten auch Bewertungen zu dem Handeln und den Positionen Polens, deren Bekanntgabe nachteilige Auswirkungen auf die Beziehungen mit Deutschland haben könnten", teilte es t-online mit.

Inzwischen wurde eine polnisch-deutsche Expertengruppe eingesetzt, die die Ursache des Fischsterbens aufklären soll. Konkrete Ergebnisse sind für Ende September versprochen. Derzeit weiß man wenig mehr, als dass die Dürre und der hohe Salzgehalt zu einer ungewöhnlichen Blüte der giftigen Goldalge geführt haben. Mitverantwortlich seien laut Lemke "menschengemachte Einleitungen". Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei spricht vom massiven Zufluss von Salzlake in Polen über mehr als eine Woche.

Wie das aber offiziell gemacht werden soll, ohne die polnische Regierung zu verärgern, darüber rätselt vielleicht auch manch einer der Beteiligten der Expertengruppe noch. Gut möglich also, dass in den deutsch-polnischen Beratungen nun nicht nur die Ursache für die Naturkatastrophe gesucht wird – sondern auch ein gemeinsamer Modus vivendi, sie zu kommunizieren. Dabei kämen interne Dokumente, die öffentlich werden, sicher nicht gerade recht.

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Expertenrat zur Oder: Kein gemeinsamer Bericht zu toten Fischen

Eine deutsch-polnische Expertenkommission soll die Ursache für das Fischsterben in der Oder klären. Doch nach SPIEGEL-Informationen droht das Scheitern. Kurz vor der Veröffentlichung eines Berichts kam es zum Eklat.

Expertenrat zur Oder: Kein gemeinsamer Bericht zu toten Fischen

Expertenrat zur Oder: Kein gemeinsamer Bericht zu toten Fischen© Marcin Bielecki / dpa

Wenn es um die toten Fische in der Oder geht, ist das Verhältnis zwischen deutschen und polnischen Behörden noch vergifteter als bislang angenommen. Nach Schuldzuweisungen und Differenzen im Umgang mit einer der größten Umweltkatastrophen im Osten Deutschlands hätte am kommenden Freitag ein gemeinsamer Bericht von polnischen sowie deutschen Expertinnen und Experten aus Landes- und Bundesbehörden veröffentlicht werden sollen.

Das Ziel: nach fast zwei Monaten den Grund für das massenhafte Sterben klären. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte sich mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa von der nationalkonservativen Pis-Partei auf einen Bericht geeinigt.

»Unwahrscheinlicher als ein Flug zum Mars«

Jetzt wird klar: Das wird wohl nichts. Nach SPIEGEL-Informationen sind alle Bemühungen um einen gemeinsamen Bericht, ein gemeinsames Fazit nach der Katastrophe gescheitert. Es wird nicht einen, sondern zwei Berichte geben – einen polnischen und ein deutschen mit je eigener Sicht auf die Dinge. Laut SPIEGEL-Informationen wird es nicht einmal ein gemeinsames Vorwort geben.

Dass es auf den letzten Metern doch noch zu einem gemeinsamen Bericht kommen könnte, wurde als »unwahrscheinlicher als ein Flug zum Mars« beschrieben. Man habe nicht einmal Kenntnis vom genauen Inhalt des Berichts der polnischen Experten, so ist auf deutscher Seite zu vernehmen. Die Stimmung, so wird übereinstimmend berichtet, sei schlecht und schon lange nicht mehr kollegial.

Noch im August hatte Umweltministerin Lemke die »konstruktive Zusammenarbeit« betont, auch Anna Moskwa sagte damals, dass »der Fluss und die Umwelt die Dinge sind, die uns verbinden und nicht trennen sollten. Das war unsere Vorgehensweise bei den Beratungen«. Das ist allerspätestens nach der gescheiterten Zusammenarbeit im deutsch-polnischen Expertenrat vom Tisch.

Dies dürfte auch daran liegen, dass nicht nur bei der Suche nach Ursachen Uneinigkeit herrscht. Auch beim weiteren Ausbau der Oder gibt es Zwist. Steffi Lemke will den Ausbau stoppen, ihre polnische Amtskollegin will weiter bauen.

Vergiftet und versalzen

Auf deutscher Seite geht man davon aus, dass die Alge »Prymnesium parvum«, die sonst nur in salzhaltigem Brackwasser gedeiht, zum Verenden der Fische führte. Blüht diese Alge, entsteht für Fische ein tödliches Gift.

Und damit das passiert braucht es Salz – und zwar in Mengen, die natürlicherweise nicht in Flüssen vorkommen. Diese erhöhte Salzfracht kann nur durch industrielle Einleitungen entstehen.

Es gilt als wahrscheinlich, dass diese Einleitungen von polnischer Seite zum Fischsterben geführt haben. Nach SPIEGEL-Informationen aber haben die deutschen Experten bis heute weder einen Bericht noch spezifische Daten von ihren polnischen Kollegen erhalten.

Unseren lieben polnischen Nachbarn gehört einmal eine harte Kannte gezeigt.

Sie äußern sich rassistisch und unsozial.

Sie haben nur die EU- Zahlungen im Fokus.

Sie möchten sonst Ihre eigene Suppe kochen.

 

Natürlich kommt die Verschmutzung von Polen. Diese soll vertuscht werden.

 

Die müssen zur Zahlung des Umweltschadens herangezogen werden.

Falls sie nicht zahlen, EU- Gelder kürzen!!

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Industrie: Kunststoffhersteller wollen weg vom Öl

Experten fordern eine vollständige Abkehr vom wichtigsten Rohstoff der Kunststoffindustrie. Von einer echten Kreislaufwirtschaft ist die Branche aber noch weit entfernt.

So könnte es gehen. Eine Frau zeigt Pellets aus kompostierbarem Kunststoff.

So könnte es gehen. Eine Frau zeigt Pellets aus kompostierbarem Kunststoff.© Lechatnoir/Getty Images

Kunststoffhersteller wollen weg vom Öl

Für Christian Bonten gibt es so gut wie jeden Tag Gründe sich zu ärgern. Sie liegen auf der Straße. Er muss sich nur umschauen - auf dem Weg zur Arbeit, beim Einkauf oder beim Joggen. Überall sieht er "Schweinereien". Geschälte Kartoffeln oder Möhren in Kunststoff verpackt, das findet der Maschinenbau-Ingenieur "pervers". Oder die spitzen Kappen von Silvesterraketen. Auch die sind aus Kunststoff. "Sammelt die irgendwer ein?", fragt Bonten. Er schon. Er weiß ja, was mit den achtlos in der Umwelt entsorgten Plastiksachen geschieht. Sie werden vielleicht beim nächsten Regen in den nahegelegenen Bach oder Fluss geschwemmt und landen von dort im Meer, wo sie über Jahrzehnte zu Mikroplastik zerrieben werden. Bonten weiß, wovon er redet, er leitet das Institut für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart.

"Der Werkstoff ist nicht das Problem, sondern die Faulheit der Konsumenten."

Bonten verdammt Kunststoffe nicht generell. Sie haben ihm zufolge viele Vorzüge: Sie machen Autos und Flugzeuge leichter, Lebensmittel länger haltbar, sie werden in der Medizin eingesetzt für Magensonden, Blutbeutel und vieles mehr. "Der Werkstoff ist nicht das Problem, sondern die Unachtsamkeit und Faulheit der Konsumenten", sagt Bonten. Und das Design. Viele Produkte seien nicht so entworfen, dass sie sich wirklich gut recyceln lassen. "Da sind Kunststoffe miteinander und auch mit anderen Werkstoffen so miteinander verbunden, dass sie sich kaum mehr trennen lassen. Das muss sich ändern", sagt der Wissenschaftler.

Silvesterraketen mit Kunststoffkappen. Aber wer sammelt die hinterher ein?

Silvesterraketen mit Kunststoffkappen. Aber wer sammelt die hinterher ein?© Christophe Gateau/dpa

Vieles muss sich ändern. Was genau, haben Bonten und andere Fachleute Monate lang diskutiert und Empfehlungen für eine "Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie" entwickelt, die nun vorgestellt wurde. Eingeladen zu der Diskussion hatte der Verband Plastics Europe Deutschland. Er vertritt Kunststoffhersteller. Zu den Mitgliedern gehören BASF, Covestro, Lanxess, Wacker Chemie und vielen andere mehr. Führungskräfte des Verbandes, so steht es auf dem Deckblatt des Papiers, haben den Prozess moderiert. "Einfluss genommen haben sie nicht", versichert Bonten. KreislaufwirtschaftPLUS nennen die Experten ihr Konzept. Sie fordern einen "Systemwandel."

Wie der Wandel aussehen könnte, wollen die Unternehmen in den nächsten Tagen auf der Fachmesse K in Düsseldorf zeigen, nach eigenen Angaben der weltweit bedeutendsten Messe für die Kunststoff- und Kautschukindustrie.
In Deutschland wurden 2021 gut 21 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt, Werkstoffe wie Polyethylen, PVC oder PET, aber auch Kunststoffe für Kleber, Farben und Lacke. Das geht aus der Studie Stoffstrombild Kunststoffe des Beratungsunternehmens Conversio hervor. Fast 90 Prozent der Produktion basierte auf fossilen Rohstoffen wie Erdöl. Der gewerbliche und private Verbrauch von Kunststoffprodukten lag der Studie zufolge bei rund 12,4 Millionen Tonnen. Bei Endverbrauchern fielen 5,44 Millionen Tonnen Abfall an. Die Differenz ist beträchtlich, das liegt an der unterschiedlichen Nutzungsdauer - wenige Tage bei Verpackungen, Jahrzehnte etwa bei Baumaterial. Und bei Autos, die nach der Nutzung exportiert werden, fällt der Abfall im Ausland an.
Der Anfang zum Recycling ist schon mal gemacht, wenn Kunststoffe im gelben Sack landen.

Der Anfang zum Recycling ist schon mal gemacht, wenn Kunststoffe im gelben Sack landen.© Claus Schunk

Mehr als die Hälfte der Abfälle wird verbrannt - in Müllverbrennungsanlagen, zum Beispiel als Teil des Restmülls, oder aufbereitet als Ersatzbrennstoff, zum Beispiel in der Stahl- oder Zementindustrie. In Recyclinganlagen wurden von den Abfällen der Endverbraucher nur gut 1,7 Millionen Tonnen recycelt. Bei der Produktion von neuen Kunststoffprodukten, also Verpackungen, Dämmstoffen, Haushaltswaren und vielem mehr spiele Rezyklat noch eine "recht geringe Rolle", sagt Christoph Lindner, geschäftsführender Gesellschafter von Conversio. Von den gut 14 Millionen Tonnen Kunststoffprodukten, die 2021 hergestellt wurden, basierten nur knapp zwölf Prozent auf Rezyklat und davon wurden drei Viertel aus Endverbraucherabfällen gewonnen. "Von einer wirklich zirkulären Kunststoffwirtschaft sind wir noch sehr weit entfernt", sagt Lindner: "Es gibt gute Ansätze, aber insgesamt muss noch sehr viel passieren."

"Kohlenstoff muss aus der Natur kommen oder aus dem Recycling."

Die Empfehlungen der Experten um Bonten lassen sich so zusammenfassen: Wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral werden will, muss sich in der Kunststoffindustrie einiges grundlegend ändern. Alles muss zirkulär werden. Aus Abfällen werden wieder Rohstoffe. Ziel des Konzepts sei die "vollständige Defossilierung". "Wir müssen unabhängig von Erdöl und Erdgas werden", sagt Bonten. Defossilierung heißt nicht Dekarbonisierung. Die vollständige Dekarbonisierung funktioniere nur in der Energiewirtschaft. "Chemie- und Pharmaindustrie kommen nicht ohne Kohlenstoff aus", sagt Bonten: "Aber dieser Kohlenstoff müsse aus der Natur kommen oder aus dem Recycling. Und wenn wir recyceln, dann brauchen wir dafür erneuerbare Energien." Was nicht im Kreislauf führbar sei, müsse aus Bio-Kunststoffen hergestellt werden, also biologisch abbaubar und/oder biobasiert sein. Solche Kunststoffe gibt es schon, aus Maisstärke, Zucker oder Zellulose.

Nahezu alle Technologien, um Kunststoffe, und damit Kohlenstoff, im Kreislauf zu führen, gäbe es bereits, heißt es in dem Papier. Die Bestandsaufnahme der Experten: Derzeit sei die Kunststoffindustrie vom Ziel einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft bis 2045 noch "weit entfernt". Die Wertschöpfungskette agiere überwiegend linear, also gerade nicht im Kreislauf.

Ein Mann arbeitet in einem Repaircafe an einem elektrischen Tacker. Auch so entsteht weniger Abfall.

Ein Mann arbeitet in einem Repaircafe an einem elektrischen Tacker. Auch so entsteht weniger Abfall.© Günther Reger

Die Forderungen der Experten lassen sich in ein paar "R"s fassen, zumindest fangen die englischen Begriffe für das, was zu tun ist, so an: refuse, reduce, reuse, repurpose, repair, recycle. So lautet auch das Credo von Bonten: "Abfall vermeiden und verringern. Kunststoffprodukte wiederverwenden, reparieren und am Ende der Nutzung recyceln, entweder mechanisch oder chemisch." Die reine Verbrennung von Kunststoffabfällen ohne das dabei emittierte CO₂ abzutrennen und zu nutzen, sei zu vermeiden, empfehlen die Experten. Genutzt werden kann das so gewonnene CO₂ zum Beispiel in der Getränkeindustrie oder zur Herstellung neuer Basischemikalien oder von Treibstoffen. Um Kunststoffprodukte recyceln zu können, müssen sie, so die Forderungen der Experten auch schon kreislauffähig designed werden.

"Ich hoffe", sagt Bonten, "dass wir als Gesellschaft und auch die Politik verstehen, dass etwas passieren muss. Dieses Mal dürfen wir es nicht aussitzen."

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