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Gastbeitrag von Rainer Zitelmann - Überregulierungs-Republik Deutschland: So stoppen wir unseren Niedergang

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz IMAGO/photothek

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz IMAGO/photothek© IMAGO/photothek

Deutschlands beste Ökonomen schlagen Alarm: Unser Land ist in einer Interventionsspirale gefangen und verheddert sich in Vorschriften und Eingriffen in die Wirtschaft. Wir brauchen ein radikales Umdenken.

Der Vizepräsident und Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, hat die Bundesregierung vor den Konsequenzen ihrer eigenen Wirtschaftspolitik gewarnt. Der Top-Ökonom kritisiert ein Zuviel an Bürokratie, zu viele Staatseingriffe und Subventionen.

„Die Politik verheddert sich in immer neuen Vorschriften und Eingriffen in die Wirtschaft, die sie dann mit neuen Vorschriften und Eingriffen korrigieren muss und so weiter“, mahnt Kooths. „Das ist ein Teufelskreislauf nach unten.“ Was Kooths hier beschreibt, haben zuvor auch andere renommierte Ökonomen wie etwa Hans-Werner Sinn (1999 bis 2016 Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung) kritisiert. Was wir in Deutschland erleben, ist eine klassische Interventionsspirale.

Die Regierung gerät beim Thema Energie in die Interventionsspirale

Durch die sukzessive Umwandlung der deutschen Energiewirtschaft in eine Planwirtschaft sind die Preise für Elektrizität immer weiter gestiegen – schon vor Beginn des Ukraine-Krieges gehörten sie zu den höchsten der Welt. Die deutsche Wirtschaft ächzt unter diesen Belastungen, immer mehr Unternehmen wandern ab oder denken darüber nach.

Der Chemie-Gigant BASF hat kürzlich verkündet, massiv Stellen in Deutschland abzubauen und Milliarden in China zu investieren. Als Grund wurden die horrenden Kosten für Elektrizität in Deutschland sowie die extreme Bürokratie angegeben. Viele andere Unternehmen haben bereits angekündigt, Deutschland zu verlassen und lieber in den USA oder Asien zu investieren.

Die Politik sieht zwar die Konsequenzen ihres Interventionismus, will jedoch mit noch mehr Interventionen reagieren. SPD und Grüne fordern nun einen subventionieren Industriestrompreis für große Unternehmen. Das heißt: Erst macht man den Strom durch Interventionen unbezahlbar teuer und dann soll der Steuerzahler bei Großunternehmen einen Großteil der Stromkosten übernehmen. Angeblich nur vorübergehend, weil ja später Strom durch Erneuerbare Energien immer billiger werde. Das ist natürlich eine Illusion.

Der Fehler der deutschen Energie- und Klimapolitik, so kritisierte kürzlich der deutsche Top-Manager Wolfgang Reitzle, bestehe in der Maxime: „All Electric – Renewables Only“. Damit würde sich der Strombedarf jedoch schnell mehr als verdoppeln. Die Kapazitäten für Wind- und Solarstrom müssten mehr als vervierfacht werden. Da Wind- und Solarstrom eine hohe Volatilität aufweisen, bräuchten wir riesige Speicher- und Reservekapazitäten. „Das jedoch ist für ein Land wie Deutschland weder technisch darstellbar noch bezahlbar. Es ist schlichtweg Irrsinn“, so Reitzle.

Auch Deutschlands Mieten befinden sich im Teufelskreislauf

Der „Industriestrompreis“ ist nicht das einzige Beispiel. Die Politik hat seit 20 Jahren durch immer schärfere Öko-Bauvorschriften, immer höhere Grunderwerbsteuer und immer mehr Bürokratie das Bauen unbezahlbar gemacht. Die Ergebnisse dieser Entwicklung waren so lange nicht deutlich sichtbar, wie die Zinsen für das Bauen auf einem historischen Tief waren.

Nun, da sich die Zinsen langsam wieder ein wenig normalisiert haben, sieht man: Es ist unmöglich, unter diesen Voraussetzungen zu bauen. Der Neubau ist dramatisch eingebrochen.

Gleichzeitig wurden die staatlichen Regulierungen immer mehr verschärft. Zuerst wurde eine Mietpreisbremse eingeführt. Da diese jedoch nicht wirkte und die Mieten immer weiter stiegen, wurde die Mietpreisbremse verschärft. Da immer weniger gebaut wird und immer mehr Menschen nach Deutschland kommen, steigen die Mieten jetzt wieder massiv.

Und was fordert die SPD? Sie fordert einen Mietenstopp. Auch das ist ein typisches Beispiel für die Interventionsspirale: Wenn Politiker sehen, dass die von ihnen beschlossenen Markteingriffe nicht wirken, dann folgern sie, man müsse noch drastischer in den Markt eingreifen.

Diesen Prozess hatte bereits 1949 der Ökonom Alexander Rüstow beschrieben „Der Staat macht bestimmte Eingriffe in der Absicht, sich auf sie zu beschränken. Aber diese Eingriffe führen zu unvorhersehbaren Folgen, die ihrerseits neue, ursprünglich nicht beabsichtigte Eingriffe nötig machen. Mit diesen neuen Eingriffen geht es wieder ebenso, usw.

Und wenn die Grenze der Staatseingriffe nicht auf eine einsichtige und haltbare Weise von vornherein mindestens im Prinzip festliegt, wenn die privaten Wirtschafter irgendeines bisher noch freigelassenen Wirtschaftssektors mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass der Staat über kurz oder lang auch in ihre Sphäre in nicht vorausrechenbarer Weise eingreift, so hört die Möglichkeit langfristiger Kalkulation und solider Geschäftsführung auf.“

 

Gibt es eine Lösung?

Das sind nur zwei von vielen Beispielen für die verhängnisvolle Interventionsspirale, den „Teufelskreislauf nach unten“. Ein anderes Beispiel: Deutschland heißt Millionen arme Menschen aus der ganzen Welt willkommen. Für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine finde ich das richtig, es ist eine moralische Verpflichtung. Das heißt aber auch: Wir können nicht mehr Hunderttausende weitere Arme aus der ganzen Welt aufnehmen, die ein besseres Leben in Deutschland suchen.

Man lässt erst Millionen Arme in das Land und klagt dann den Kapitalismus an, der in Deutschland immer mehr Armut erzeuge. Und was ist das Rezept der Politik? Jan Fleischhauer hat die deutsche Sozialpolitik an dieser Stelle treffend so beschrieben: „Sobald sich ein Problem auftut, nimmt man einfach die Subventionsgießkanne zur Hand und schüttet Geld drauf. Sollte sich das Problem halten, gießt man nach.“ Wieder die Interventionsspirale.

Wir brauchen ein radikales Umdenken

Die Zeichen sind allzu deutlich: Deutschland wird wieder der kranke Mann Europas, wie schon einmal – Anfang der 2000er Jahre. Gibt es eine Lösung?

Damals hatte Gerhard Schröder den Mut, mit seiner Agenda 2010 die Steuern in Deutschland zu senken, den Arbeitsmarkt zu deregulieren und den Sozialstaat zu reduzieren. Die Folge war, dass sich die Arbeitslosenzahl halbierte und die deutsche Wirtschaft kräftig wuchs. Angela Merkel erntete, was Schröder gesät hatte. Aber in der Merkel-Ära blieben neue Reformen aus – es wurden sogar die durchgeführten, erfolgreichen Reformen teilweise zurückgenommen.

Was Deutschland heute bräuchte, wäre ein radikales Umdenken:

  1. Die gescheiterte „Energiewende“, die Hunderte Milliarden kostet, aber für den Klimaschutz nichts bringt, muss sofort beendet werden.
  2. Die Steuer- und Abgabenlast, die zu den höchsten der Welt gehört, muss dramatisch reduziert werden. Wir brauchen Steuersenkungen für alle, für die Unternehmen, für Normalverdiener, aber auch für die Besserverdiener.
  3. Statt Migration in die Sozialsysteme brauchen wir qualifizierte Zuwanderung und vor allem muss die Abwanderung qualifizierter Kräfte (Deutschland hat eine der höchsten Auswanderungsquoten in der OECD und drei Viertel haben einen Hochschulabschluss) gestoppt werden.
  4. Viel ist vom Abbau der Bürokratie die Rede, Angela Merkel hat es 16 Jahre lang versprochen. Stattdessen wuchert die Bürokratie immer weiter – und ein Grund ist die Vermischung von grüner Ideologie (z.B. im Bereich des Naturschutzes) mit deutscher, bürokratischer Gründlichkeit.

Geschichte ist kein Hollywood-Film

Wie wahrscheinlich ist es, dass eine deutsche Regierung eine solche Politik durchführt? Wird die Einsicht kommen, wenn sich die Situation immer mehr verschlechtert und Deutschland an die Wand fährt – wie manche hoffen?

Nein, Geschichte ist kein Hollywood-Film, in dem es immer ein Happy Ending gibt. Argentinien war vor 100 Jahren eines der drei reichsten Länder der Welt. Eine interventionistische Politik führte zu einem Abstieg, der nun seit 100 Jahren anhält.

Venezuela war vor 50 Jahren eines der 20 reichsten Länder der Welt. Durch zunehmende Regulierungen (besonders im Arbeitsmarkt) verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation zunehmend. Als es immer schlimmer wurde, wählten die Venezolaner den Sozialisten Hugo Chávez, der das Land endgültig in die Armut stürzte.

Die Interventionsspirale endete damit, dass Millionen Menschen das Land verließen und im Land sukzessive die Demokratie abgeschafft wurde. Nebenbei bemerkt: Sahra Wagenknecht pries seine Politik als vorbildlich auch für Deutschland.

Kann Deutschlands Niedergang noch gestoppt werden?

Es gibt auch Gegenbeispiele, so etwa Großbritannien, das in den 70er-Jahren unter den Folgen des Staatsinterventionismus litt und als „kranker Mann Europas“ galt. Maggi Thatcher senkte die Steuern massiv, deregulierte und privatisierte und konnte dann in ihrer Autobiografie stolz feststellen, sie hätte zwar „gerne noch wesentlich mehr unternommen… Doch immerhin wurde Großbritannien unter meiner Amtszeit als Premierministerin zum ersten Land, das den Vormarsch des Sozialismus stoppte. Als ich mein Amt zur Verfügung stellte, hatte sich der Anteil der staatseigenen Betriebe in der Industrie um rund 60 Prozent verringert. Etwa ein Viertel der Bevölkerung besaß Aktien. Über 600.000 Arbeitsplätze waren vom Staat in den Privatsektor übergegangen.“

Zudem konnte sie darauf verweisen, dass zwischen März 1983 und März 1990 in Großbritannien 3,32 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen worden waren und die Inflation besiegt worden war.

Wie wahrscheinlich ist es, dass in Deutschland eine Maggi Thatcher an das Ruder kommt? Wie wahrscheinlich ist es, dass die verfehlte „Energiewende“ gestoppt wird? Wie wahrscheinlich ist es, dass die weltweit rekordhohen Sozialausgaben reduziert werden?

Beantworten Sie selbst diese Fragen, denn davon hängt es ab, ob die Probleme Deutschlands gelöst werden oder nicht. Wie die Beispiele von Venezuela und Argentinien zeigen, gibt es nicht für jedes Problem eine Lösung, sondern manchmal steigen Nationen über Jahrzehnte immer weiter ab.

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Mehr deutsche Firmen fürchten die Energiewende

Die Energiewende ist fürs Klima wichtig. Aber laut der Umfrage eines Wirtschaftsverbandes finden immer mehr Firmen, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit schädigt.

Mehr deutsche Firmen fürchten die Energiewende

Mehr deutsche Firmen fürchten die Energiewende© Rupert Oberhäuser / IMAGO

Die deutschen Unternehmen zweifeln zunehmend an der Energiewende, sagt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer: »Nie waren die Sorgen um die eigene Wettbewerbsfähigkeit größer«, so Dercks.

Der Verband beruft sich auf eine aktuelle Umfrage auf Basis von Antworten von knapp 3600 Betrieben. 52 Prozent der Firmen gaben dabei an, die Energiewende hin zur Klimaneutralität wirke sich bei ihnen negativ oder sogar sehr negativ auf das eigene Geschäft aus. Nur 13 Prozent machen eine positive oder sehr positive Wirkung aus. In der energieintensiven Industrie sehen sich sogar drei Viertel der Betriebe negativ oder sehr negativ betroffen.

Auf einer Skala von minus 100 bis plus 100 Punkten ergibt sich im Energiewende-Barometer der DIHK derzeit ein Wert von minus 27 Zählern. »In den letzten beiden Jahren lag der Wert nur bei minus sieben, der bisherige Tiefstand von minus 13 im Jahr 2014 war die Folge von zusätzlichen Energieumlagen und Abgaben«, so der Verband. »Während früher die Unternehmen auch Chancen in der Energiewende gesehen haben, überwiegen nun in der Einschätzung der gesamten Wirtschaft die Risiken«, sagte Dercks. »Weite Teile unserer Wirtschaft treibt die Sorge um eine auch mittel- und langfristig mangelhafte Energieversorgung stark um. Das ist eine insgesamt besorgniserregende Entwicklung.«

Klage über fehlende Verlässlichkeit

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar 2022 sind die Energiekosten deutlich gestiegen. Deutschland hat dies wegen seiner lange starken Abhängigkeit von Gas- und Öllieferungen aus Russland besonders zu spüren bekommen. Dercks sagte, fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik seien das größte Hemmnis. Drei Viertel der Unternehmen würden auch deswegen ihre Investitionstätigkeiten zurückfahren.

Die Veröffentlichung der Umfrage zielt auf die Klausur des Bundeskabinetts an diesem Dienstag und Mittwoch auf dem brandenburgischen Schloss Meseberg. Dort wird unter anderem darüber diskutiert, ob die Regierung energieintensiven Unternehmen entgegenkommen soll, etwa in Form eines subventionierten Industriestrompreises.

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Einfuhren: Deutsche Importpreise sinken weiter deutlich

Die Preise für Importe fallen seit Monaten. Foto: dpadata-portal-copyright=

Die Preise für Importe fallen seit Monaten. Foto: dpadata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Handelsblatt

Die Preise für importierte Waren gehen weiter zurück: Im Juli waren Importe rund 0,6 Prozent günstiger als im Juni. Im Vorjahresvergleich fällt der Rückgang besonders deutlich aus.

Die deutschen Importpreise sind im Juli wegen billigerer Energie so stark gefallen wie seit über 36 Jahren nicht mehr. Die Einfuhren verbilligten sich um durchschnittlich 13,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Das sei der stärkste Preisrückgang seit Januar 1987.

„Ausschlaggebend für den aktuellen Rückgang ist wie schon in den Vormonaten vor allem ein Basiseffekt durch die hohen Preissteigerungen im Vorjahr aufgrund des Kriegs in der Ukraine“, hieß es dazu. Bereits im Juni (minus 11,4 Prozent) und im Mai (minus 9,1 Prozent) hatten sich dadurch die Einfuhren deutlich verbilligt. Von Juni auf Juli sanken die Preise um 0,6 Prozent. Hier hatten Ökonomen eine Stagnation erwartet.

Da die deutsche Wirtschaft viele Vorprodukte und Rohstoffe aus dem Ausland bezieht, kommen sinkende Einfuhrpreise verzögert auch bei der allgemeinen Inflation an. Die Lebenshaltungskosten dürften im August um 6,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen sein und damit langsamer als im Juli mit 6,2 Prozent, sagten Ökonomen voraus. Das Statistikamt will am Nachmittag eine erste Schätzung veröffentlichen.

Im Juli fielen die Energieeinfuhren um 47,4 Prozent günstiger aus als ein Jahr zuvor. Ein Grund dafür sind sinkende Preise für importiertes Erdgas: minus 58,7 Prozent. Erheblich günstiger waren zudem Strom (minus 75,4 Prozent), Steinkohle (63,7), Mineralölerzeugnisse (minus 31,4) sowie Erdöl (minus 33,0). Die Preise für importierte Konsumgüter zogen dagegen um 1,2 Prozent an.

Mehr bezahlt werden musste auch für Nahrungsmittel aus dem Ausland: Hier lag der Aufschlag bei 3,9 Prozent. Besonders stark zogen die Preise für Obst- und Gemüseerzeugnisse (+8,8 Prozent), Getränke (+6,1) sowie für Fleisch und Fleischerzeugnisse (+5,6 Prozent) an. Dagegen waren Milch und Milcherzeugnisse 11,5 Prozent preiswerter als vor einem Jahr. Teurer waren Kraftwagen und Kraftwagenteile (+4,9 Prozent) sowie Maschinen (+3,6), während sich Vorleistungsgüter um 9,5 Prozent verbilligten, darunter Düngemittel sowie Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen.

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Industrie: Maschinenbau auch im Juli mit zweistelligem Auftragsrückgang

Für dieses Jahr rechnet der VDMA mit einem Rückgang der Produktion um real zwei Prozent. Foto: dpadata-portal-copyright=

Für dieses Jahr rechnet der VDMA mit einem Rückgang der Produktion um real zwei Prozent. Foto: dpadata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Handelsblatt

Die deutschen Maschinenbauer kämpfen weiter mit den schwächelnden Bestellungen ihrer Kunden. Besonders im Ausland sind die Bestellungen stark rückläufig.

Der Abwärtstrend bei den Bestellungen im deutschen Maschinenbau hält an. Auch im Juli verzeichnete die exportorientierte Branche mit einem preisbereinigten Rückgang von elf Prozent zum Vorjahresmonat ein zweistelliges Minus, wie der Branchenverband VDMA am Montag in Frankfurt mitteilte.

„Die Unternehmen verbuchen zwar immer noch Umsatzsteigerungen“, ordnete VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers ein. Nach Verbandsangaben legten die Erlöse im Juli preisbereinigt (real) um drei Prozent und nominal um elf Prozent zu. „Doch mangels ausreichender neuer Aufträge nehmen die Auftragsbestände und damit noch vorhandene Puffer für Produktion und Umsatz sukzessive ab“, sagte Wiechers.

Aus dem Inland kamen im Juli 8 Prozent weniger Aufträge, aus dem Ausland waren es 13 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Das Minus aus den Nicht-Euro-Ländern sei in dem Monat mit 15 Prozent deutlich höher gewesen als der Rückgang aus den Euro-Staaten mit 7 Prozent, erläuterte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

Im Gesamtjahr 2022 hatte ein Einbruch der Bestellungen im Schlussquartal die Jahresbilanz der deutschen Schlüsselindustrie mit mehr als einer Million Beschäftigten ins Minus gedrückt: Der Auftragseingang lag real um vier Prozent unter dem Vorjahreswert.

Für dieses Jahr rechnet der VDMA mit einem Rückgang der Produktion um real zwei Prozent. Selbst wenn sich der Auftragseingang fangen sollte, werde das nicht reichen, um das Vorjahresergebnis bei der Produktion zu erreichen, hatte Wiechers vor einigen Wochen gesagt.

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Standort Deutschland in Gefahr? Autoindustrie mit scharfer Kritik

Standort Deutschland in Gefahr? Autoindustrie mit scharfer Kritik

Standort Deutschland in Gefahr? Autoindustrie mit scharfer Kritik© GettyImages/Westend61

In einer alarmierenden Botschaft warnt der Verband der deutschen Autoindustrie (VDA) vor einer ernsthaften Bedrohung für den Standort Deutschland in der Automobilbranche. Die einstige Hochburg der Automobilproduktion und -innovation sieht sich mit einer besorgniserregenden Entwicklung konfrontiert, so der Verband.

Standort Deutschland in Gefahr

Der Verband der deutschen Autoindustrie (VDA) äußert ernsthafte Bedenken, dass Deutschland als Standort für die Automobilindustrie an Boden verlieren könnte. Die Automobilbranche trägt immer noch erheblich zur industriellen Wertschöpfung im Land bei, aber der VDA sieht die Gefahr, dass Deutschland im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten könnte. Eine der Hauptursachen hierfür ist der vergleichsweise hohe Strompreis im Land, der Reformen erfordert, um Deutschland für Investoren wieder attraktiv zu machen.

Hildegard Müller, Präsidentin des VDA, kritisiert vor Beginn der IAA Mobility Überregulierung, langsame politische Entscheidungsprozesse und das Fehlen eines klaren Rechtsrahmens für zukunftsweisende Themen wie Künstliche Intelligenz. Obwohl deutsche Hersteller im Wettbewerb um die Zukunft nicht zurückfallen würden, bestehe die Gefahr, dass der Standort Deutschland ohne drastische Reformen zurückbleibe, so Müller das Fehlen eines klaren Rechtsrahmens für zukunftsweisende Themen wie Künstliche Intelligenz

Hauptproblem: Hohe Energiekosten

Ein Beispiel dafür ist der Mangel an klaren rechtlichen Vorgaben für die Verwendung von Daten, die von Fahrzeugen erfasst werden. Wenn Deutschland und Europa hier restriktive Maßnahmen ergreifen, bedeutet das nicht, dass dies anderswo auf der Welt nicht geschieht. Es stellt sich die Frage, ob Deutschland einen politischen und regulatorischen Rahmen schaffen kann, um wettbewerbsfähig zu bleiben und international führend zu sein. Die Auswertung und Nutzung von Daten für kommerzielle Zwecke gelten als wichtiger Zukunftsmarkt, doch strenge Datenschutzregeln in Europa erschweren dies.

Der Hauptpunkt der Besorgnis ist jedoch, dass die Kostenstruktur in Deutschland die internationale Wettbewerbsfähigkeit dramatisch beeinträchtigt. Deutschland hat die höchsten Energiekosten, was sich insbesondere auf Branchen wie die Batterie- und Halbleitertechnik negativ auswirkt. Ein zeitlich befristeter Industriestrompreis wird als notwendig erachtet, um Abwanderung und das Ausbleiben wichtiger Industrien zu verhindern. Mittelständische Zulieferer würden vor allem über steigende Energiekosten klagen, wodurch Investitionen vermehrt ins Ausland, insbesondere in die USA, abfließen.

Digitalisierung in der Automobilbranche: Deutschland ist zu langsam

Microsoft erwartet in den kommenden zwei bis drei Jahren eine drastische Beschleunigung der Digitalisierung in der Automobilbranche. Dies umfasst nicht nur Künstliche Intelligenz, wie sie in frei formulierenden Dialogsystemen wie ChatGPT zum Einsatz kommt, sondern auch Simulationen, mit denen Assistenzsysteme verschiedene Szenarien durchspielen können. Microsoft sieht sich als Plattformgeber für die Branche und möchte branchenübergreifende Grenzen aufbrechen.

Die deutsche Autoindustrie beklagt Zeitverluste und bürokratische Komplexitäten aufgrund der mangelnden Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland. Müller betont, dass es keine Zeit zum Warten gibt und dass andere Weltregionen, die bereits bessere Standortbedingungen bieten, Deutschland überholen könnten.

Die Branche plant, in den nächsten fünf Jahren 250 Milliarden Euro in die Digitalisierung und andere zukunftsträchtige Technologien zu investieren, um die Klimaziele zu erreichen. Müller betont die Notwendigkeit, dass auch der Staat bei diesen Themen an Tempo zulegt.

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Pläne von BMW: Überwiegend Freude über das Ja zur Batteriefabrik in Niederbayern

Das neue BMW-Hochvoltbatteriewerk in Irlbach-Straßkirchen, hier eine Visualisierung, darf gebaut werden. So haben es die Bürger mehrheitlich entschieden.

Das neue BMW-Hochvoltbatteriewerk in Irlbach-Straßkirchen, hier eine Visualisierung, darf gebaut werden. So haben es die Bürger mehrheitlich entschieden.© BMW-Group

Kommunal- und Landespolitiker sowie BMW jubeln über den positiven Ausgang des Bürgerentscheids in Straßkirchen. Naturschützer sind vom Abstimmungsergebnis enttäuscht.

Überwiegend Freude über das Ja zur Batteriefabrik in Niederbayern

Bis hinauf an die Spitze der Staatsregierung herrscht Freude über den positiven Ausgang des Bürgerentscheids über die Pläne des Automobilherstellers BMW für seine neue Batteriefabrik im niederbayerischen Straßkirchen. "Das Ergebnis ist ein gutes Signal für die Region und den Wirtschaftsstandort Bayern", schrieb Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf dem Nachrichtenkanal X. "Bayern ist und bleibt Autoland." Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) dankte den Straßkirchnern dafür, dass sie "die richtige Wahl getroffen haben". Damit bleibe Bayern "ein autofreundliches Land". Bauminister Christian Bernreiter (CSU) sprach von einem "exzellenten Ergebnis für Niederbayern", denn: "Wir brauchen zukunftsfähige Arbeitsplätze in der Region."

Die Straßkirchner Wahlberechtigten hatten am Sonntag mit Dreiviertelmehrheit den Weg für das neue Batteriewerk des Autobauers in ihrer Gemeinde freigemacht. Dort sollen von 2026 an pro Jahr 600 000 Hochvoltspeicher für Elektroautos montiert werden. Bei dem Bürgerentscheid über die Pläne befürworteten 75,3 Prozent der Teilnehmenden das Projekt, 24,7 Prozent lehnten es ab. Ein Bürgerbegehren gegen die Batteriefabrik, das die Initiative "Lebenswerter Gäuboden" gleichzeitig zur Abstimmung gestellt hatte, bekam nur 29,6 Prozent Ja-Stimmen, 70,4 Prozent der Abstimmenden lehnten es ab. Die Wahlbeteiligung lag bei 76,9 Prozent. Zuvor hatte sich der Straßkirchner Gemeinderat klar hinter die Ansiedlung gestellt, durch die einmal bis zu 3200 Arbeitsplätze entstehen sollen.

Der Straßkirchner Bürgermeister Christian Hirtreiter bedankte sich am Montag bei allen Unterstützern der BMW-Pläne. "Mit ihrem Einsatz haben sie das Ergebnis für BMW möglich gemacht", sagte der CSU-Lokalpolitiker. Schon in den letzten Tagen habe man spüren können, dass die Zustimmung zu dem Projekt hoch sei - vor allem in den Vereinen, bei den Freiwilligen Feuerwehren und in den Firmen im Ort. Gleichwohl sei das Abstimmungsergebnis nicht selbstverständlich und "ein Signal für ganz Deutschland". Der Irlbacher Bürgermeister Armin Soller zeigte sich ebenfalls "überglücklich". Teile des neuen BMW-Werks werden sich auf die Flur seiner Gemeinde erstrecken. "Wir haben von kommunaler Seite alle Weichen gestellt, dass das Projekt zügig vorangetrieben werden kann", sagte Soller. "Durch den Bürgerentscheid gab es keine Zeitverzögerung."

Für die BMW-Personal- und Immobilienvorständin Ilka Horstmeier zeigt das klare Votum, "dass viele Bürgerinnen und Bürger Investitionen in zukunftsfreundliche Technologien und Arbeitsplätze befürworten". Gleichzeitig könne man sehen, "dass mit guten Lösungsansätzen, einem transparenten Prozess und offenem Dialog belastbare Entscheidungen für eine gemeinsame Zukunft getroffen werden können". BMW-Produktionsvorstand Milan Nedeljković erklärte, sein Unternehmen könne nun "hier in Bayern die Chancen nutzen, die die Transformation zur Elektromobilität bietet". Das neue Werk sichere die Zukunft der BMW-Werke Dingolfing, Regensburg und München.

Mit diesem Argument hat BMW von Anbeginn des Streits um den Standort Straßkirchen für das neue Werk geworben. Von ihm aus sollen einmal die drei großen Autofabriken des Konzerns in Bayern mit Hochvoltbatterien versorgt werden. Straßkirchen liegt für alle drei sehr günstig. Ende Februar hatte BMW 105 Hektar Ackerland in dem bis dato sehr ländlichen Straßkirchen und Irlbach erworben. In einem ersten Abschnitt sollen etwa 60 Hektar bebaut werden, in dem Werk sollen einmal 1600 Beschäftigte arbeiten. Für die verbleibenden 45 Hektar gibt es Ausbauszenarien, aber noch keine Entscheidungen. Zugleich hat sich BMW das Vorkaufsrecht für weitere 36 Hektar Ackerland gesichert. Zwei Drittel der Beschäftigten des neuen Werks sollen aus bereits bestehenden BMW- Standorten kommen. Aktuell beschäftigt BMW in einem 20-Kilometer-Umkreis um Straßkirchen 7500 Mitarbeiter.

Wirtschaftliche Interessen seien "über den Erhalt unserer Lebensgrundlagen gestellt worden"

Die Bürgerinitiative "Lebenswerter Gäuboden" kämpfte gegen das Projekt. Ihr Hauptargument: "Die Ackerböden bei uns im Gäuboden sollen unbedingt erhalten bleiben für die Produktion von Lebensmitteln", sagt BI-Sprecher Thomas Spötzl. "Denn sie zählen zu den fruchtbarsten weltweit." Der Flächenfraß ist nicht der alleinige Grund, warum Spötzl und seine Mitstreiter gegen das Großprojekt mobil machten. Nach ihrer Überzeugung überfordert die geplante Fabrik den 3400-Einwohner-Ort Straßkirchen völlig - wegen des Zuzugs, der erwartet wird, aber auch wegen des Verkehrs. Anfangs erhielt die Initiative einigen Zulauf, die formalen Hürden für das Bürgerbegehren schaffte sie spielend. Entsprechend enttäuscht zeigte sich Spötzl nun vom Ausgang der Abstimmungen.

So wie auch der Bund Naturschutz (BN). Er wirft der Staatsregierung vor, bei der Suche "nach dem bestmöglichen Standort" für das neue BMW-Werk versagt zu haben. "Die E-Mobilität ist wichtig für einen CO₂-armen Individualverkehr und deshalb ist auch ein Batteriewerk wichtig für den Industriestandort Bayern", sagt BN-Chef Richard Mergner. "Aber mithilfe von Wirtschaftsminister Aiwanger wurde BMW der rote Teppich zur Betonierung von bestem Ackerboden ausgerollt." Wirtschaftliche Interessen seien klar "über den Erhalt unserer Lebensgrundlagen gestellt worden".

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Bosch-Chef Hartung: „Würde mich freuen, wenn wir die Atom-Diskussion nochmal vernünftig führen“

Warnt vor der Hybris der Regulierer: Bosch-Chef Stefan Hartung hält Technologieoffenheit für unabdingbar, wenn die Energiewende gelingen soll.

Warnt vor der Hybris der Regulierer: Bosch-Chef Stefan Hartung hält Technologieoffenheit für unabdingbar, wenn die Energiewende gelingen soll.© Frank Röth

Herr Hartung, im Frühjahr wäre es noch ein lustiges Experiment gewesen, sich mit ChatGPT auf das Interview vorzubereiten. Der große Hype ist aber erst mal durch, wir überlegen wieder selbst. Wann haben Sie denn zuletzt mit dieser Künstlichen Intelligenz gearbeitet?

Ich finde ChatGPT nach wie vor hoch spannend. Das war die am schnellsten skalierende App, noch schneller als vor ein paar Jahren das Spiel Pokémon Go. Und trotz dieser unglaublichen Steigerungen der Nutzerzahlen ist das Programm fast immer stabil gelaufen. Eigentlich jeder, den ich kenne, hat spielerisch seine Erfahrung mit der Software gesammelt. Ich habe mir vor einiger Zeit zum Beispiel eine Rede zum Thema Spargel schreiben lassen, und die war nicht einmal schlecht. Dann hat es mich in den Fingern gejuckt, und ich habe das Programm die Rede um das Thema Erdbeeren erweitern lassen. Auch das hat gut funktioniert. Dieser spielerische Umgang mit Technik macht einfach Spaß, auch wenn ich die Rede dann so nicht gehalten habe.

Wie lange hält diese Begeisterung an?

Man kann nach einer Weile schon an der Art der Formulierungen erkennen, wenn die KI am Werk war. Aber einige Sachen begeistern mich immer noch, weil man dem System auch Fragen mit einer ausgeprägten technischen Tiefe stellen kann. Und die Antworten sind viel besser als das, was man sich selbst in nur ein paar Minuten anlesen kann. Wie man das professionell einsetzt, ist natürlich noch mal eine andere Frage.

Wie will Bosch denn mit dieser neuen Art von KI Geld verdienen?

Wir haben ein sehr starkes Team, das sich mit fundamentaler Erforschung der Künstlichen Intelligenz beschäftigt und das auch in Produkte und Anwendungen einbringt. Wir reden hier von mehreren Hundert Spezialisten. Die eigentliche Revolution findet ja nicht für uns Privatleute statt, sondern für alle Experten, die sich mit Künstlicher Intelligenz auskennen. Plötzlich kann neues Wissen schnell in einem Kontext bereitgestellt werden, der vorher nicht zugänglich war und den ich jetzt auch nicht mehr neu erlernen muss. Jetzt kann ich industrielle KI anwenden, ohne dass ich erst eine Promotion in KI abschließen muss.

Was wäre ein konkretes Beispiel?

Sehr spannend für uns ist das Erkennen von Objekten auf Bildern. Wenn ich wissen will, was im Kühlschrank ist, muss ich dafür Objekte erkennen. Bislang trainieren wir dafür KI, indem wir ihr sagen: Das ist ein Apfel, und das ist ein Apfel, und das da ist kein Apfel. Und dann muss das System die Informationen abgleichen. Die neuen sprachbasierten Modelle können nun Bild, Objekt und Sprache verbinden. Ich muss dem System also nichts mehr einlernen, sondern benutze nur die sprachliche Beschreibung des Apfels, um ihn zu suchen. Das ist fast so wie menschliches Denken. Das ist revolutionär.

Kann die KI also bald selbst Bosch-Produkte entwickeln?

Das sehe ich noch nicht, aber sie beschleunigt die Arbeit von Entwicklungsteams immens – vor allem das Einlernen von Situationen. Genau das brauchen wir ja, egal, was wir machen wollen, ob sich unsere Maschinen künftig im Haushalt zurechtfinden sollen oder wir ein Auto autonom durch die Landschaft fahren lassen wollen – dazu müssen sie Situationen erkennen und Entwicklungen voraussagen können. Zum Beispiel, wie ein Fußgänger am Straßenrand sich weiterbewegen wird. Mit diesen Systemen, die Sprache mit Bildern verbinden, lässt sich der Trainingsaufwand massiv reduzieren.

Wie hoch fällt die technische Dividende aus diesem Technologiesprung aus?

Das ist schwer vorherzusagen. Schätzungen gehen von 20 Prozent und mehr aus, was auf den ersten Blick hoch erscheint. Wenn man aber überlegt, wie viel Zeit viele Beschäftigte heute noch verwenden, um etwa Standardtexte für den Arbeitsbedarf zu erstellen, leuchtet das ein. Wenn hier zumindest die Basis von der KI kommt, spart das enorm viel Zeit. Dann sind 20 Prozent auch schnell erreicht.

Haben die Deutschen bei dieser Entwicklung gegenüber amerikanischen Techkonzernen mal wieder das Nachsehen?

Derzeit steht die spannende Frage im Raum, wie die nächste Welle dieser Technologie aussieht: Wird sie nur von den großen Unternehmen weitergetrieben, die mit sehr hohem Aufwand in der Lage sind, solche großen Modelle zu bauen, die wir dann wiederum kaufen? Oder werden gleichzeitig über die Open-Source-Gemeinde dezentral leistungsfähige Modelle schnell weiterentwickelt und demokratisiert zur Verfügung gestellt? Ich würde wetten, dass wir beides sehen werden. Denn die großen Häuser haben bestimmte Zielrichtungen, während kleine Anbieter viel spezifischer werden können.

Haben Sie keine Angst vor der Künstlichen Intelligenz? Immerhin haben zahlreiche Experten davor gewarnt und sogar Vergleiche mit Nuklearwaffen gezogen.

Das ist doch nicht überraschend. Bei jedem Innovationssprung gibt es immer Begeisterung, aber auch Beunruhigung oder sogar Angst. Angst ist immer ein persönlicher Zustand. Sie hat auch damit zu tun, ob man mit einer Sache vertraut ist. Am Ende ist aber eines ganz wichtig für uns in Europa und gerade auch in Deutschland: Wir müssen aufpassen, dass wir bei jeder neuen Technologie nicht nur beunruhigt reagieren. Damit haben wir es schon ein paar Mal übertrieben, insbesondere wenn diese Technologien der Menschheit Gutes tun und am Ende bei uns gar nicht mehr entwickelt werden, sondern anderswo auf der Welt.

Woran denken Sie konkret?

An die Gentechnik zum Beispiel, die haben wir nach Nordamerika und Asien vertrieben. Jetzt gibt es Überlegungen in der Politik, wie man sie wieder zurückholen kann, aber eigentlich ist es schon ziemlich spät. Es wäre besser gewesen, die Gentechnik nicht gleich in die Ecke der hochgefährlichen Technologien zu drängen. Deswegen bin ich immer vorsichtig, wenn wir pauschal von hochriskanten Technologien sprechen, denn in fast jeder Technologie steckt auch ein hochriskanter Teil. Wir dürfen deshalb nicht jede Technologie komplett zum Hochrisikogebiet erklären.

Ihnen geht die Regulierung aus Brüssel und Berlin zu weit? Bevorzugen Sie einen laxeren Umgang wie etwa in den USA?

Jeder, der in den USA eine Innovation schafft und ein Produkt in den Markt einführt, hat die volle Verantwortung dafür und wird auch zur Rechenschaft gezogen, wenn Gefahren dadurch eintreten. Dieses Prinzip wird in Amerika hart gespielt, und das finde ich gut. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht bestimmte Sachen verwechseln.

Was meinen Sie?

Regulierung hat bestimmte Aufgaben, zum Beispiel, den Markt durch definitorische Elemente zu bestimmen und zu sagen: Das machen wir, das machen wir nicht. Sie kann auch die Aufgabe haben, einen verantwortungsvollen Umgang zu definieren. Ich finde es zum Beispiel sehr gut, wenn ich am Telefon weiß, ob ich mit einem technischen System rede oder mit einem Menschen. Wenn die Sprachsysteme immer besser werden, kann man das aber bald vielleicht nicht mehr unterscheiden. Deshalb finde ich einen Pflichthinweis wichtig: Achtung, das ist jetzt kein Chat mit einem Menschen, sondern erst mal mit unserem System. Aber wir sollten nicht versuchen, den technischen Entwicklungspfad zu regulieren. Manchmal legen wir einfach fest, dass man bestimmte Technologie nicht nutzen soll. An anderen Stellen warnen wir vor vermeintlich gefährlicher Technologie, obwohl wir sie vielleicht noch gar nicht kennen. Es sind aber eher diese Einschränkungen, die Gefahren bringen, weil wir als Europäer dann vielleicht gar keine Entwicklung mehr dazu sehen. Aber wie will ich denn Technologie künftig noch beurteilen, wenn ich sie nicht verstehe?

Droht das Szenario bei der Kernkraft?

Wenn ich mit französischen Kollegen diskutiere, treffen ganz unterschiedliche Einschätzungen aufeinander, weil Franzosen die Kernkraft als CO2-freie und kostengünstige Technologie einschätzen. Auf der deutschen Seite hört sich das oft komplett anders an. Und wer hat recht? Es wäre sinnvoll, dazu endlich einen europäischen Diskurs zu führen, denn interessanterweise verwenden wir ja Kernkraft in Deutschland in großen Mengen, auch wenn wir sie nur noch einkaufen.

Sie sind also auf der französischen Seite?

Ich bin zumindest der Auffassung, dass man sich zuhören muss, wenn die Argumente so unterschiedlich sind. Und ich meine, man muss Positionen gegebenenfalls noch mal hinterfragen, die wir bisher als absolut unantastbar gesehen haben. Das müssen wir aber mit der Bevölkerung zusammen machen und nicht mit einem elitären Klub der Versteher. In Summe habe ich es als demokratischen Prozess verstanden, dass wir in Deutschland keine Kernkraft mehr produzieren wollen. Allerdings habe ich zuletzt in den Umfragen gesehen, dass die Bevölkerung zurückspielt: Moment, vielleicht sollten wir in der neu eingetretenen Lage noch einmal nachdenken. Ich persönlich finde die Entscheidung zur Abschaltung der letzten Kernkraftwerke in Zeiten maximaler Unsicherheit in der Energieversorgung unseres Landes sehr schwierig. Und ich würde mich sehr freuen, wenn wir diesen Diskurs noch mal vernünftig führen würden.

Halten Sie die europäische und deutsche Politik für technologieoffen?

An einigen Stellen ist die europäische Politik zumindest nicht offen gewesen und hat auch entsprechende Regulierung veröffentlicht, was ich nicht für richtig halte. Ich halte es für äußerst gefährlich, wenn Politik entscheidet, welche CO2-freie Technologie wir brauchen und welche nicht. Das kann in Hybris ausarten, und es besteht die Gefahr, dass wir uns zu viel Kompetenz zutrauen.

Als Bosch-Chef trauen Sie also allein den Erfindern diese Rolle zu?

Nicht allein, aber man sollte sie auch nicht ignorieren. Wir haben jedes Jahr eine Ehrung für unsere besten Erfinder im Unternehmen. Das ist eine tolle Sache, denn nicht viele Menschen können wegweisende Ideen entwickeln. Wir müssen froh sein, dass es solche Leute gibt. Die haben zwar auch nicht immer gleich die passende Antwort parat. Aber diese Leute befassen sich hochintensiv mit Herausforderungen, und dann haben sie während eines langen Waldspaziergangs oder bei was auch immer plötzlich die passende Idee. Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir uns eine gewisse Offenheit bewahren.

Die FDP hat die Hintertür für die auch von Bosch unterstützten synthetischen Kraftstoffe in der Autoindustrie offen gehalten und damit für viel Ärger gesorgt. Ist das nicht Augenwischerei, wenn man gerade auf der IAA in München erst gesehen hat, dass die Mobilitätswende voll auf Batterieelektrik setzt?

Jeder Partei ist mittlerweile klar, dass die Mobilitätswende alles andere als einfach wird. Die Menschheit hat über Jahrtausende den Umgang mit dem Feuer perfektioniert. Das ist die Grundlage für unseren Wohlstand. Jetzt wollen wir das alles ablösen und die Verbrennung so nicht mehr nutzen. Die Folgen müssen wir uns ganz klar vor Augen halten: Alles, was wir uns erarbeitet haben, müssen wir komplett noch mal anpacken. Wenn uns so etwas vor hundert Jahren passiert wäre, wären wir verloren gewesen. Jetzt haben wir eine Chance, weil wir die technischen Mittel und Methoden dafür haben. Aber wir müssen offen an das Thema rangehen: Selbstverständlich müssen wir batterieelektrisches Fahren maximal nutzen, anders geht es gar nicht. Aber dafür gibt es auch Begrenzungen, etwa bei der Verfügbarkeit von Rohstoffen, in den Lieferketten und der Batterietechnologie selbst. Dazu muss auch grüner Strom verfügbar und das Ganze auch noch bezahlbar sein. Da kommen nicht nur auf Deutschland noch ganz viele Fragen zu: Auf dem Planeten gibt es 1,4 Milliarden Autos, in die haben wir sehr viele Rohstoffe gesteckt. Der Plan ist, dass wir alle nach und nach verschrotten und durch Elektroautos ersetzen. Wir fangen damit jetzt mal in Deutschland und anderen Ländern an und sehen, wie wir vorankommen.

Sie zweifeln an dem Plan?

Die Frage ist, wie weit wir mit der Batterietechnologie kommen. Für Autos in den Städten entwickelter Länder sehe ich keine Probleme, auch in Indien wird es sich teilweise durchsetzen. Aber anderswo wird das herausfordernd, wenn sie noch nicht mal die nötigen Stromnetze haben. Und was ist mit den großen Lastwagen, für die sich Batterien nicht rechnen? Da brauchen sie auf jeden Fall Wasserstofftechnologie oder andere gute Ideen. In Brasilien wird heute schon nachhaltiger Kraftstoff aus Zuckerrohr gewonnen und für Autos genutzt. In Deutschland wollen wir das nicht. Ist das richtig? Natürlich nicht. Wir könnten Kraftstoffe mit einem höheren Anteil von 20 oder 30 Prozent an CO2-neutralen Bestandteilen freigeben und hätten dadurch unmittelbar einen sehr hohen CO2-Effekt. Aber hier sind diese Kraftstoffe für den privaten Verkehr nicht zugelassen.

Wie reagieren Politiker auf diese Argumente?

Oftmals mit der Begründung, dass der Pfad weg von den Verbrennungsmotoren hin zur Elektromobilität nicht verlassen werden soll. Das will aber meiner Einschätzung nach niemand aus der Industrie. Aber andere CO2-neutrale Technologien werden eben auch gebraucht. Wir sollten nicht glauben, dass allein Elektromobilität richtig und alles andere falsch ist.

Wenn der Bundeskanzler Sie anrufen und fragen würde, was wir tun müssten, um weiterhin die besten Produkte der Welt herzustellen – was würden Sie ihm antworten?

Ich würde der Politik nicht sagen wollen, was sie tun muss. Ich kann aber sagen, dass mir das Thema Infrastruktur unter den Nägeln brennt. Das müssen wir klar adressieren, und zwar schnell. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Wir können dieses Land nicht auf einer Infrastruktur betreiben, die verfällt oder nicht funktioniert. Das gilt sowohl für die Versorgung mit Energie, aber auch für den Verkehr auf Straße, Schiene und für die digitale Infrastruktur. Außerdem müssen wir dringend am Bildungssystem und an der aus Unternehmenssicht bestehenden kompetitiven Situation arbeiten. Wir müssen uns fragen: Welche Industrien wollen wir in Deutschland zukünftig haben? Welche Bedingungen brauchen wir dafür, und welche sind davon schon gegeben? Danach muss man dann das Handeln ausrichten.

Mitten in die Standortdebatte preschen Meldungen über den Bau neuer Chipfabriken in Ostdeutschland, ausgerechnet dort, wo die Sorgen um das politische Klima und fehlende Fachkräfte besonders groß sind. Warum ist es auch für Bosch genau der richtige Zeitpunkt, viel Geld in die Chipindustrie zu investieren?

Es ist für uns sinnvoll, viel Geld für die Produktion bestimmter Halbleiter in die Hand zu nehmen, weil wir in diesem Feld Know-how haben und etwas machen können, was auf der Welt andere so nicht können. Bei mikromechanischen Systemen, den MEMS-Bausteinen, sind wir einer der großen Spieler. Das ist eine tolle Technologie, weil sie uns überall begleitet, in allen Smartphones und was wir sonst nach an smarten Geräten nutzen oder bei uns tragen. Diese Sensoren sind fast überall drin. Wir brauchen sie gerade auch für hochsichere Prozesse in Fahrzeugen. Brems- oder Lenksysteme dürfen anders als Smartphones nie ausfallen.

Weshalb müssen dann zig Milliarden an Steuermitteln dafür fließen, wenn der Markt das so dringend braucht?

Man kann das natürlich diskutieren. Ich bin dafür, in dieser Industrie eine entsprechende Quote zu subventionieren. Man wird irgendwann Grenzen finden müssen, die Mittel sind schließlich knapp. Aber wenn wir den vollen Nutzen aus den Investitionen ziehen wollen, dann muss das Land auch Geld in die Hand nehmen, damit sie rasch vor Ort entstehen und wachsen. Und es gilt, ein entsprechendes Umfeld zu schaffen mit guten Hochschulen und Ausbildungsstätten, attraktiven Bedingungen für ausländische Spezialisten und deren Familien. Diese Menschen kommen nur, wenn sie an interessanten Themen arbeiten können und das Umfeld stimmt. Wir haben in Dresden bereits ein internationales Team, und den Kolleginnen und Kollegen macht das in der Stadt einen Riesenspaß. Von einem fremdenfeindlichen Umfeld kann da keine Rede sein.

Gerade ist eine neue Biographie über einen der größten Innovatoren unserer Tage erschienen. Was halten Sie vom Tesla- und Space-X-Gründer Elon Musk?

So komplex er auch als Mensch sein mag, aber was er mit seinen Autos, Raketen und Satelliten geschaffen hat, ist wirklich außergewöhnlich. Das muss man einfach neidlos zugestehen. Er hat eine echte Begeisterung für Technologie und schreitet voran. Das ist eine Besonderheit, die in ihm persönlich begründet ist, das kann man auch nicht kopieren. Für Bosch ist er immer wieder ein spannender und herausfordernder Partner, aber wir arbeiten sehr gerne mit seinen Unternehmen zusammen. Er hatte von Anfang an eine andere, sportliche Herangehensweise an Themen. Umso mehr muss man sich freuen, wenn wir immer über die Attraktivität des Standortes reden, dass er auch eine Fabrik in Deutschland gebaut hat und diese nun vergrößern will.

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Rückgang um mehr als zehn Prozent: Erzeugerpreise in der Eurozone sinken erneut kräftig

Es ist der deutlichste Preisrückgang seit 2009: 11,5 Prozent weniger müssen Hersteller für ihre Produkte zahlen. Das kann auch Verbrauchern zugute kommen.

Baumstämme lagern zur Weiterverarbeitung in einem bayerischen Sägewerk.

Baumstämme lagern zur Weiterverarbeitung in einem bayerischen Sägewerk.© Foto: dpa/Angelika Warmuth

In der Eurozone geben die Preise auf Unternehmensebene weiter kräftig nach. Im August lagen die Erzeugerpreise 11,5 Prozent tiefer als ein Jahr zuvor, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch in Luxemburg mitteilte. Es ist der deutlichste Preisrückgang seit dem Jahr 2009. Verglichen mit dem Vormonat Juli stiegen die Preise jedoch um 0,6 Prozent.

Im vergangenen Sommer waren die Preise, die Hersteller für ihre Produkte erhalten, im Jahresvergleich um mehr als 40 Prozent gestiegen. Ausschlaggebend war vor allem der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der Energie und Rohstoffe zeitweise drastisch verteuert hat. Seither sind die Preise aber wieder gefallen.

Entsprechend gaben die Energiepreise im Jahresvergleich mit 30,6 Prozent am deutlichsten nach. Auch Vorleistungsgüter waren günstiger als vor einem Jahr.

Vor allem Energie verbilligte sich

Für Investitions- und Verbrauchsgüter musste allerdings mehr gezahlt werden.

Anfang des Jahres waren Steigerungsraten im zweistelligen Prozentbereich an der Tagesordnung. Damals waren steigende Energiepreise Treiber der Inflation, seit einigen Monaten hat sich die Entwicklung umgekehrt: Energie verbilligte sich im August um 30,6 Prozent, im Juli ergab sich ein Rückgang um 24,2 Prozent.

Klammert man diesen Bereich aus, zogen die Erzeugerpreise in der Industrie um ein Prozent an. In der Statistik werden die Preise ab Fabriktor geführt – also bevor die Produkte weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen. Sie können somit ein früher Indikator für die Entwicklung der Verbraucherpreise sein.

Die Verbraucherpreise im Euroraum waren im September nur noch um 4,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen – der niedrigste Wert seit Oktober 2021. Im August hatte die Inflationsrate noch bei 5,2 Prozent gelegen.

In den Zahlen spiegelt sich neben der schwächelnden Konjunktur die Serie von Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) wider. Die Währungshüter haben seit Sommer 2022 die Schlüsselsätze bereits zehn Mal in Folge angehoben – zuletzt Mitte September um einen viertel Prozentpunkt.

Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz liegt damit bei vier Prozent. Zuletzt hat die Notenbank angedeutet, dass die Zinsen ihren Gipfel erreicht haben könnten. (dpa/Reuters)

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Konjunktur: Deutscher Export im August weiter rückläufig

Die deutsche Industrie mit ihrem hohen Anteil ausländischer Kundschaft leidet unter dem global stagnierenden Exportvolumen. Foto: dpadata-portal-copyright=

Die deutsche Industrie mit ihrem hohen Anteil ausländischer Kundschaft leidet unter dem global stagnierenden Exportvolumen. Foto: dpadata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Handelsblatt

Die deutschen Exporte sinken im Vergleich zum Vorjahresmonat um knapp sechs Prozent. Bereits im Juli waren die Ausfuhren rückläufig.

Der Rückfall der deutschen Wirtschaft in eine Rezession wird durch die schwächelnde Auslandsnachfrage nach Waren „Made in Germany“ immer wahrscheinlicher. Im August fielen die Exporte bereits den zweiten Monat in Folge: Gegenüber dem Vorjahresmonat sanken die Exporte um 5,8 Prozent. Zum Vormonat Juli sanken die Warenausfuhren um 1,2 Prozent auf 127,9 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte.

Der Rückgang fiel damit dreimal so stark aus wie von Ökonomen vorhergesagt. Im Juli hatte es bereits ein Minus von 1,9 Prozent gegeben. „Die deutsche Außenwirtschaft befindet sich auf der schiefen Bahn“, sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier. „Die sonst sichere Stütze 'Außenhandel' der deutschen Wirtschaft wackelt bedenklich.“ Aus dem Ausland fehle die Nachfrage nach Ausrüstungs- und Vorleistungsgütern – normalerweise weltweite Exportschlager.

Auch die Importe gaben überraschend nach, was eine schwächelnde Inlandsnachfrage signalisiert: Sie fielen um 0,4 Prozent auf 111,4 Milliarden Euro. Hier hatten die von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Volkswirte mit einem Wachstum von 0,5 Prozent gerechnet. Da zuvor bereits der Einzelhandel ein Umsatzminus für August gemeldet hat, rechnen viele Ökonomen damit, dass Europas größte Volkswirtschaft im gerade beendeten dritten Quartal geschrumpft ist.

„Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal in eine Rezession rutscht, bleibt groß“, sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. „Der Handel ist nicht mehr der starke, widerstandsfähige Wachstumsmotor, der er einmal war, sondern eher eine Bremse.“

Schon Ende 2022 und Anfang 2023 sank das Bruttoinlandsprodukt. Im Frühjahr wurde die Rezession mit einer Stagnation gerade so beendet. Die führenden Institute gehen in ihrer Gemeinschaftsdiagnose für die Bundesregierung davon aus, dass die Wirtschaft von Juli bis September um 0,4 Prozent schrumpfen wird. „Die globale Nachfrageschwäche setzt den Unternehmen mehr und mehr zu“, nannte Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank einen Grund für die aktuelle Konjunkturschwäche. „Zudem werden die Auftragsbücher dünner.“

US-Geschäft schrumpft

Die Ausfuhren in die EU-Staaten schrumpften im August um 1,5 Prozent zum Vormonat auf 69,6 Milliarden Euro, während das übrige Auslandsgeschäft um 0,9 Prozent auf 58,3 Milliarden Euro nachgab. Abnehmerland Nummer eins blieben die USA: Dorthin wurden Waren im Wert von 13,3 Milliarden Euro verkauft, ein Rückgang um 1,3 Prozent. Die Exporte nach China nahmen dagegen zu, und zwar um 1,2 Prozent auf 8,4 Milliarden Euro. Die Ausfuhren nach Großbritannien fielen um 4,2 Prozent auf 6,0 Milliarden Euro.

Eine rasche Besserung im Außenhandel ist nicht in Sicht: Der Kiel Trade Indicator des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) signalisiert für September sowohl bei den Exporten als auch bei den Importen ein erneutes Minus. Zudem ist die Stimmung in der Exportindustrie derzeit so schlecht wie seit über drei Jahren nicht mehr.

Das Barometer für die Exporterwartungen fiel im September auf minus 11,3 Punkte, von minus 6,5 Punkten im August, wie das Münchner Ifo-Institut ermittelte. „Die Exportwirtschaft befindet sich in einer Schwächephase“, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.

Ein Grund dafür ist, dass viele Zentralbanken ihre Leitzinsen im Kampf gegen die Inflation kräftig heraufgesetzt haben. Das treibt die Finanzierungskosten nach oben. „Die weltweit gestiegenen Zinsen zeigen ihre Wirkung“, sagte Wohlrabe. „Sie dämpfen die Nachfrage nach deutschen Waren.“

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Viele Maschinenbauer überdenken China-Strategie

Fast die Hälfte aller deutschen Maschinenbauer überdenkt derzeit laut einer Umfrage ihre China-Strategie. Eine verstärkte Fokussierung auf den US-amerikanischen und indischen Markt könnte die Folge sein, sagt ein Außenwirtschaftsexperte.

Abfüllanlage in der Produktion eines Maschinenbauunternehmens in Neutraubling dpa/Armin Weigel

Abfüllanlage in der Produktion eines Maschinenbauunternehmens in Neutraubling dpa/Armin Weigel© Bereitgestellt von WELT

Viele deutsche Maschinenbauer überdenken einer Umfrage zufolge derzeit ihre China-Strategie. Bei einer Befragung des Branchenverbandes VDMA gab dies fast die Hälfte (45 Prozent) der 304 teilnehmenden Mitgliedsunternehmen an. Hauptgründe dafür seien eine erschwerte Geschäftslage vor Ort, die Verschärfung der geopolitischen Spannungen sowie der Druck auf chinesische Unternehmen, einheimische Lieferanten und Produkte zu bevorzugen, teilte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) am Freitag in Frankfurt mit.

„Wir beobachten eine deutliche Zunahme der Wettbewerbsfähigkeit von lokalen Unternehmen aufgrund einer erhöhten Qualität und Technologie der Produkte, aber auch verstärkte industriepolitische Eingriffe des Staates“, erläuterte VDMA-Außenwirtschaftsexperte Ulrich Ackermann. Ein Ansatzpunkt könne eine Diversifizierung unter anderem der Absatzmärkte und Lieferketten sein: „Das bedeutet für viele Unternehmen derzeit eine stärkere Fokussierung auf den US-Markt und – neben China – eventuell zusätzliche Chancen zum Beispiel in Indien zu prüfen.“

Der Umfrage zufolge haben allerdings immer noch 86 Prozent der in Deutschland und China befragten VDMA-Mitgliedsfirmen Zuversicht für den chinesischen Markt. Demnach wollen 42 Prozent in nächster Zeit ihre Aktivitäten in dem Land ausbauen, 25 Prozent sind unentschlossen.