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EU will "unerwünschte" Migration stärker bekämpfen

Straßen, Wachtürme, Kameras

EU will "unerwünschte" Migration stärker bekämpfen

EU will "unerwünschte" Migration stärker bekämpfen

EU will "unerwünschte" Migration stärker bekämpfen© T - Online

Die EU will die Migration nach Europa begrenzen. Dafür plant Brüssel schnellere Abschiebungen und einen härteren Grenzschutz.

Wegen der starken Zunahme "unerwünschter Migration" hat die Europäische Union sich auf eine Verschärfung der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik verständigt. Kanzler Olaf Scholz und seine Kollegen einigten sich am frühen Freitagmorgen beim EU-Gipfel in Brüssel darauf, illegale Einreisen möglichst von vornhinein zu verhindern beziehungsweise unattraktiver zu machen. Dies soll etwa durch mehr Grenzschutz, schnellere Abschiebungen und einen verstärkten Kampf gegen Menschenschmuggler geschehen.

"Wir werden handeln, um unsere Außengrenzen zu stärken und irreguläre Migration zu verhindern", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Scholz (SPD) betonte: "Wir sind in der Lage, hier uns zusammenzufinden und gemeinsame Positionen zu entwickeln, die uns für die Zukunft helfen." Notwendig seien sowohl die Kontrollen an den Außengrenzen als auch die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern. Die EU habe großen Bedarf an Fachkräften, weshalb auch legale Migration notwendig sei.

Kameras, Wachtürme und schnellere Abschiebungen

Nach Angaben von der Leyens soll es in einem ersten Schritt zwei Pilotprojekte geben. Eines sehe vor, die Grenze zwischen dem EU-Land Bulgarien und der Türkei etwa mit Fahrzeugen, Kameras, Straßen und Wachtürmen zu sichern. Diese sollten aus EU-Mitteln, dem bulgarischen Haushalt und Beiträgen der EU-Staaten finanziert werden. Bei dem zweiten Projekt soll es von der Leyen zufolge um die Registrierung von Migranten, ein schnelles Asylverfahren sowie um Rückführungen an der Außengrenze gehen. Den möglichen Standort ließ die deutsche Politikerin offen.

Politisch umstritten war vor dem Gipfel vor allem die Frage, ob künftig auch Zäune entlang der Außengrenzen aus dem EU-Haushalt finanziert werden sollten. Länder wie Österreich oder Griechenland fordern dies vehement, die EU-Kommission, Deutschland und Luxemburg sind dagegen. "Es wäre eine Schande, wenn eine Mauer in Europa gebaut würde mit den europäischen Sternen drauf", sagte Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel am Rande des Gipfels. In der Abschlusserklärung wird die EU-Finanzierung von Zäunen nicht genannt. Es heißt lediglich, dass EU-Mittel unter anderem für "Infrastruktur" an den Grenzen mobilisiert werden sollten.

EU will Druck auf Herkunftsstaaten ausüben

Einig sind sich die EU-Staaten hingegen darin, dass mehr Druck auf Länder gemacht werden sollte, die bei der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber nicht kooperieren. Dies soll dazu führen, dass mehr Menschen ohne Bleiberecht die EU verlassen und so die teils stark überlasteten Asylsysteme entlastet werden. Zudem wollen die Mitgliedstaaten künftig gegenseitig Rückführungsentscheidungen anerkennen. Auch das soll Abschiebungen beschleunigen.

Druck auf unkooperative Herkunftsstaaten wollen die EU-Staaten etwa über eine verschärfte Visa-Politik, die Handelspolitik und die Entwicklungshilfe machen. Zugleich sollen aber auch Möglichkeiten für legale Migration geschaffen werden. Österreichs Kanzler Karl Nehammer feierte die Beschlüsse und sprach von einem "neuen Schwerpunkt" in der Migrationspolitik, der nun weiterentwickelt werden müsse. "Den Worten müssen Taten folgen."

Auf der Gipfel-Tagesordnung stand das Thema vor allem deshalb, weil die Zahl der Asylanträge 2022 im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent auf 924.000 gestiegen ist. Hinzu kamen rund 4 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine, die nicht Asyl beantragen müssen.

Beim Grenzschutz finden die EU-Staaten Gemeinsamkeiten

Knackpunkt in der Asyl- und Migrationspolitik war früher lange die Frage gewesen, ob Schutzsuchende verpflichtend von allen EU-Staaten aufgenommen werden sollten. Länder wie UngarnPolen und Österreich lehnten derlei Quoten kategorisch ab. Mittlerweile konzentrieren die EU-Staaten sich eher auf Themen wie einen stärkeren Außengrenzschutz, bei denen es Gemeinsamkeiten gibt. Die oft emotionale Debatte soll versachlicht werden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte nach dem Gipfel, die Stimmung sei sehr viel ruhiger gewesen als noch 2018.

Bereits am Donnerstagmittag war der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu Gast beim Gipfel. Er forderte vor allem weitere Waffen für den Kampf gegen Russland. Später stand außerdem die EU-Reaktion auf Subventionen in dreistelliger Milliardenhöhe für grüne Industrieprojekte in Ländern wie den USA auf der Tagesordnung.

Der Gipfel folgte nun dem Vorschlag von der Leyens, flexiblere Subventionen für klimafreundliche Technologien zu ermöglichen. So sollen Staaten künftig Steuervorteile für strategisch wichtige Industriezweige gewähren können, wie aus Abschlusserklärung hervorgeht. "Das Ziel dieser Investitionen ist natürlich, auch privates Kapital freizusetzen", sagte von der Leyen. Zudem soll Geld aus bestehenden EU-Töpfen zur Unterstützung von Unternehmen bereitgestellt werden.

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Migration nach Europa: Zwischen Entschlossenheit und Angst

Dem EU-Sondergipfel zur Migration dürften weitere Treffen zu diesem Thema folgen. Denn die Abschlusserklärung der 27 Mitgliedsländer ist alles andere als ein großer Wurf.

Ungarische Grenzpolizisten patrouillieren im Dezember 2022 an der ungarisch-serbischen Grenze in der Nähe des Dorfes Kelebia.

Ungarische Grenzpolizisten patrouillieren im Dezember 2022 an der ungarisch-serbischen Grenze in der Nähe des Dorfes Kelebia.© Attila Kisbenedek/​AFP/​Getty Images

Im Jahr 2022 haben 924.000 Menschen in der EU einen Asylantrag gestellt. Das ist eine Steigerung um 50 Prozent. Der Druck auf die 27 Staats- und Regierungschefs der Union war entsprechend groß, als sie Donnerstagabend auf ihrem Sondergipfel in Brüssel über das Thema Migration berieten.

Es war nicht das erste Mal, sondern eines von gefühlt unzähligen Malen, dass sie das taten – und es war auch nicht der erste Sondergipfel dazu. Das Thema verfolgt die EU spätestens seit 2015 wie ein lästiges Gespenst, das sich nicht verscheuchen lässt. Das wird sich nicht ändern, denn die 27 haben sich zwar auf eine Abschlusserklärung geeinigt, sie ist aber alles andere als ein großer Wurf. Der war auch nicht zu erwarten, denn die Positionen der einzelnen Staaten liegen allzu weit auseinander.

EU will mehr Härte zeigen

Klar ist, dass die EU seit 2015 beim Thema Migration weit nach rechts gerückt ist. Galt der ungarische Premier Viktor Orbán noch 2015 als Bösewicht, weil er Grenzzäune gegen Migranten und Flüchtlinge errichtete, ist der Bau solcher Zäune nun längst kein Tabu mehr – im Gegenteil, sie waren eine zentrale Forderung einer Reihe von Mitgliedstaaten. Und die hatten damit jetzt Erfolg.

Dass Zäune verschämt "Grenzinfrastrukturen" genannt werden, ist nur der Angst geschuldet, allzu radikal, allzu rabiat zu erscheinen. Auch hat die Kommission ihr Versprechen gehalten, dass sie auf keinen Fall Geld für den Bau von Zäunen zur Verfügung stellen wird, aber eben nur auf dem Papier. Denn die Kommission soll nach den Gipfelbeschlüssen künftig mehr Mittel freimachen, um zum Beispiel den Mitgliedstaaten Kameras, Sensoren und Fahrzeuge zum Grenzschutz bereitstellen zu können.  Eine Grenzschutzanlage bestehe nun einmal – so hieß es – aus "statischen und dynamischen" Teilen.

Entschiedenheit ist nichts Verwerfliches

Es bleibt die Erkenntnis, dass die EU insgesamt mehr Härte nach Außen zeigen will. Dazu gehört auch, dass sie die Handelspolitik und Visapolitik als Druckinstrument einsetzen will. Den Staaten, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen, droht die EU damit, Visaerleichterungen oder Zollvergünstigungen zu streichen.

In der Sache ist dagegen nichts einzuwenden.

Denn wie in allen anderen Bereichen auch wird die EU nur respektiert werden, wenn sie in der Lage ist, die eigenen Gesetze und Regeln durchzusetzen. Dazu gehört, zu kontrollieren, wer über die Grenze kommt und ob er ein Recht dazu hat. Dazu gehört, dass ausreisepflichtige Migranten – in Deutschland sind es 340.000 – ausreisen müssen. Und wenn die 27 Staats- und Regierungschefs sich dazu entschieden haben, unter Umständen auch Zwangsmittel anzuwenden, um sich durchzusetzen, dann sollte man das begrüßen.

Entschiedenheit bei der Durchsetzung der eigenen Interessen ist nichts Verwerfliches, sondern eine Pflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern der Union.

Doch ist Vorsicht geboten. Die EU ist gut beraten, solche "Zwangsmittel" sparsam, gezielt und nur im äußersten Fall einzusetzen. Denn sie ist auch auf die Zuwanderung von Fachkräften angewiesen. Und ob die EU für die Zuwanderer, die sie braucht, auch attraktiv ist, hängt auch davon ab, wie sie sich nach außen hin präsentiert.

Das Problem liegt innerhalb der EU

Wenn sie nur als Strafende erscheint, wenn sie nur den Kommandoton pflegt, dann wird ihr Image leiden, dann suchen sich Fachkräfte andere, freundlichere Aufnahmeländer aus.

Das eigentliche Problem liegt weniger im Außen-, sondern im Innenverhältnis der EU. Denn die Mitgliedstaaten halten sich nicht an die Regeln, die sie sich selbst gegeben haben. Die Staaten, in denen die Migranten zuerst ankommen – die sogenannten primären Aufnahmestaaten – müssen laut geltendem Recht diese Menschen registrieren, sie unterbringen und ihre Asylanträge prüfen. Das tun sie aber häufig nicht, sondern sie winken sie einfach durch.

Sie tun das, weil sie das Gefühl haben, dass sie bei der Bewältigung des Zustromes alleingelassen werden. Es ist gewissermaßen eine Form von Rache an den in ihren Augen säumigen Bündnispartnern. Und so landen viele Menschen, die in Italien, Ungarn oder Spanien angekommen sind, am Ende in Deutschland, den Niederlanden und Belgien, also in den sogenannten sekundären Aufnahmestaaten.

Trotz aller Beteuerung, trotz aller Bekenntnisse: In Sachen Migration traut kein Mitgliedstaat dem anderen.

Solange sich das nicht ändert, wird es auch keine umfassende Lösung geben.

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Landrätin Tanja Schweiger: „Sollen wir die Asylbewerber einpacken und ins Kanzleramt fahren?“

Frau Landrätin, Sie haben in Ihrem Landkreis mehr als hundert Flüchtlinge auf einem Schiff untergebracht, das bisher für Donaukreuzfahrten genutzt wurde. Wie kam es dazu?

Auf dem Flußkreuzfahrtschiff MS Rossini in Bach an der Donau leben Flüchtlinge.

Auf dem Flußkreuzfahrtschiff MS Rossini in Bach an der Donau leben Flüchtlinge.© Tobias Schmitt

Als sich die Lage im Herbst immer mehr angespannt hat, die Erstaufnahmeeinrichtungen immer weniger Kapazitäten hatten und uns um Unterstützung baten, kam die Reederei aus Heilbronn auf uns mit dem Angebot zu. Am 11. Januar haben wir dann für ein halbes Jahr einen Mietvertrag abgeschlossen.

Wie viele sind auf dem Schiff?

Das Schiff ist zugelassen für 220 Personen und laut Mietvertrag für 200 angemietet. Im Moment sind es gut die Hälfte. Die Bezirksregierung, unser direkter Ansprechpartner, plant eigentlich grundsätzlich mit einer 80-Prozent-Belegung, um für Notfälle einen Puffer zu haben. Es ist ja ein dynamischer Prozess, wir wissen nie, wie viele kommen. Wir sind im Regierungsbezirk sieben Landkreise und drei kreisfreie Städte – und dann schaut man halt. Der eine Kollege sagt, bei mir geht gerade gar nichts mehr, aber der andere macht gerade eine Industriehalle auf, dann können die anderen Landkreise wieder ein bisschen durchschnaufen. So ist der Arbeitsmodus.

Tanja Schweiger von den Freien Wählern ist Landrätin des Landkreises Regensburg

Tanja Schweiger von den Freien Wählern ist Landrätin des Landkreises Regensburg© Tobias Schmitt

Was ist der Unterschied zwischen dem Schiff und zum Beispiel einer Industriehalle?

Das Schiff hat den Vorteil, dass wir Zweierkabinen haben, jeweils mit Nasszelle. Die Alternative ist ja eine Schulturnhalle oder eine Industriehalle, da sind dann hundert Menschen in einem Raum, abgetrennt nur durch eine Trockenbauwand, die aber oben offen ist, oder durch einen Bauzaun. Da gibt es kaum Privatsphäre, das schürt Konflikte. Das Schiff hat noch einen weiteren Vorteil: Es wird kein öffentlicher Raum zweckentfremdet, und im Gegensatz zu einer Halle ist es autarker Selbstversorger: Wir müssen nicht erst die nötige Infrastruktur wie etwa Küchencontainer oder Stockbetten organisieren.

Wie würden Sie den Zustand des Schiffs beschreiben?

Es ist nicht neu, 40 Jahre alt, aber in einem guten Zustand.

Ich frage nur, damit die Leute nicht denken, das sei ein heruntergekommenes Teil, aus dem noch einer letzten Profit schlagen will.

Nein, gar nicht.

Sie sind seit 2014 im Amt, waren also auch schon in der Flüchtlingskrise 2015/16 verantwortlich und wissen, wie schnell Debatten symbolisch aufgeladen werden und abdriften können. Gab es das in Bezug auf das Schiff auch schon, dass die Leute sagen: Jetzt werden die Flüchtlinge auch noch da untergebracht, wo wir uns nicht einmal den Urlaub leisten können?

An mich ist derlei bisher nicht herangetragen worden.

Warum steht das Schiff da, wo es steht?

Es braucht einen Anleger, an dem das Schiff rund um die Uhr bleiben kann. Diese Genehmigung, für die zum Beispiel Lärm- und Naturschutz begutachtet werden, gibt es für Bach an der Donau, 15 Kilometer vor Regensburg. Ursprünglich war der Anleger dafür gedacht, dass Schiffe, wenn sie wegen Hochwasser nicht weiterfahren können, die Möglichkeit haben, vorher zu parken.

Manche in Bach an der Donau sagen: Ausgerechnet da, wo so wenig los ist und die Flüchtlinge nicht wüssten was sie den ganzen Tag lang tun sollten, kämen die jetzt hin.

Bei so einer großen Zahl an Flüchtlingen gibt es keine andere Möglichkeit, als sie im ganzen Land gleichmäßig zu verteilen, das ist in Deutschland nach dem Königsteiner Schlüssel und in Bayern durch die Verordnung DVAsyl geregelt. Aufgrund der großen Zahl, die uns zugewiesen wird, müssen wir die Flüchtlinge auch im ländlichen Raum verteilen. Wir können ja auch die Städte nicht überbelasten, zumal die, die sich frei einen Wohnort suchen können, sowieso eher in die Städte ziehen. In Bach haben einige zu mir gesagt, wir sollen das Schiff doch in Regensburg anlegen lassen, doch das löst das Problem nicht, weil Regensburg selbst Flüchtlinge hat. Manche dachten, ich hätte jetzt ein Schiff und wisse nicht wohin damit. Dabei ist es ganz anders, ich habe Geflüchtete und weiß nicht, wohin mit ihnen. Die Alternative ist nicht ob, sondern wie: Ich kann eine Turnhalle zumachen oder ich kann die Menschen 300 Meter außerhalb des Dorfs auf dem Schiff unterbringen, das war die Frage.

Ihnen wurde vorgeworfen, sie hätten die Leute in Bach verschreckt, weil sie gesagt hätten, es kämen fast nur junge Männer, Syrer und Iraner.

Die Realität ist, dass aus diesen Ländern, anders als aus der Ukraine, sehr wenig Kinder und Frauen flüchten. Aktuell leben auch ein paar Familien auf dem Schiff. Aber die Mehrzahl sind junge Männer. Wenn ich gesagt hätte, es ist gemischt, dann hätte ich gelogen.

Die Crew ist noch mit 20 Leuten auf dem Schiff und übernimmt auch das Kochen. Was gibt es da?

Ganz normale Gerichte, ein bisschen arabisch angehaucht. Als ich letzte Woche dort war, gab es Linsensuppe mit Salat.

Laufen die Crew-Mitglieder in Uniform herum?

Sie sind ordentlich angezogen, aber sie tragen keine Traumschiffuniform, wenn Sie das meinen.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann soll die Idee mit dem Schiff gut gefunden haben.

Ja, wir haben sie ja auch vorher mit ihm abgestimmt.

Die Miete samt Crew zahlt der Freistaat, richtig?

Das ist immer so in Bayern. Bei jeder Turnhalle, bei jedem Haus, bei jeder Industriehalle. Das mit Asylangelegenheiten befasste Verwaltungspersonal muss der Landkreis selber bezahlen und vorhalten. Das bekommen wir nicht ersetzt, obwohl es eine staatliche Aufgabe ist, die wir da übernehmen. Aber wenigstens erstattet uns der Freistaat alle Unterbringungskosten eins zu eins. Das ist nicht in allen Bundesländern so.

Ihr Problem ist also weniger ein finanzielles?

Es ist vor allem eins der Kapazitäten – und zwar in allen Bereichen. Überall ist das Personal knapp. Es ist schwierig, Caterer zu finden. Ähnlich ist es beim Sicherheitsdienst, beim Reinigungspersonal, beim Küchenpersonal, bei der psychologischen Betreuung. Es geht weiter bei den Sprachkursen, von denen es zu wenig gibt, bei den Berufsintegrationskursen, bei den Verwaltungsgerichten.

Es heißt ja immer, durch Corona und die Flüchtlingskrise sei die Bürokratie so ertüchtigt, dass es eigentlich kein Problem sei, auch großen Zuzug zu verkraften.

Natürlich tun wir uns heute leichter. Und weil wir es lange Zeit gut gelöst haben, wurde von den Medien von August bis Dezember das Thema überhaupt nicht aufgegriffen. Aber die besten Strukturen nützen nichts, wenn das Personal fehlt. Außerdem sind die letzten Jahre immer mehr Aufgaben bei den Landkreisen dazugekommen, von Datenschutz bis zur Digitalisierung. Keine Verwaltung hat 20 Mitarbeiter übrig, die sich allein um Herausforderungen wie Corona oder Asyl kümmern können. Aber das eigentliche Problem sind die zu hohen Zahlen, auch im Vergleich zu 2015/16.

Wie hoch sind sie jetzt?

2015 und 2016 haben insgesamt knapp 2000 Menschen Zuflucht in unserem Landkreis gesucht, heute leben knapp 3000 „Menschen mit Asylbezug“ bei uns, außerdem 1750 Ukraine-Flüchtlinge. Wir reden also von zweieinhalb Mal so viel. Wir haben jetzt die ganze Zeit über das Schiff gesprochen – aber dabei geht es ja nur darum, Suppe zu kochen und ein Dach über dem Kopf zu bieten. Das zu organisieren ist noch nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist die Integration. Die Menschen brauchen später Sprachkurse, Berufsintegrationskurse und zum Teil auch Kindergartenplätze – und gleichzeitig sollen unsere Betreuungsschlüssel eingehalten werden. Das Erschreckende ist, dass die Bundesregierung das null auf dem Schirm hat.

Vom jüngsten Asylgipfel, zu dem zuletzt Bundesinnenministerin Nancy Faeser eingeladen hatte, waren Sie ziemlich enttäuscht. Waren Sie denn dabei?

Nein, es war ja niemand von uns dabei, nur der Vorsitzende des Deutschen Landkreistages.

Und die konkreten Ergebnisse?

Naja, also jetzt einen Arbeitskreis zu gründen und dann an Ostern weiterzureden, das ist schon eine Meisterleistung.

In Ihrem Landkreis leben auch noch viele Menschen, die 2015/16 gekommen sind. Was haben Sie denn da für Erfahrungen mit der Integration gemacht?

Grundsätzlich gute. Viele sind integriert, sprechen sehr gut Deutsch, manche sind auch schon eingebürgert. Aber es gibt eben auch viele, die nach Jahren immer noch von uns betreut werden müssen, sei es als Aufstocker, weil sie zwar arbeiten, aber noch nicht so viel verdienen, dass sie völlig für sich selbst sorgen könnten, sei es in Sprachkursen für sich oder auch schon für ihre Kinder.

Sie haben noch die Situation 2015/16 vor Augen. Sie sagten, es unterscheidet sich der Menge nach. Wonach noch? Gibt es zum Beispiel einen Unterschied, was die Willkommenskultur betrifft?

Den gibt es durchaus, weil die Ehrenamtlichen von damals zwar noch da sind, aber auch ausgebrannt. Die haben einfach so viel mithelfen müssen in der Alltagsintegration. Mir hat jetzt erst letzte Woche eine Frau geschrieben: Sie fühle sich wertgeschätzt von mir, sie wisse, wo sie immer hinkommen könne, die Mitarbeiter im Landratsamt seien nett, aber es sei einfach zu viel, wenn man quasi als Lebensbegleiter fungiere. Es geht ja nicht nur darum, mal am Sonntag zusammen einen Kuchen zu backen und miteinander zu ratschen, sondern die Realität ist, dass man mal hilft, ein Formular auszufüllen, mal zum Kindergartengespräch mitgeht, dann wieder zum Arzt. Das ist schon zur Daueraufgabe geworden, und da sagen viele Ehrenamtliche: Jetzt wird’s langsam zu viel.

Sind denn neue Ehrenamtliche nachgekommen?

Eigentlich nicht. Das Ehrenamt hat in allen Bereichen Probleme. Und jetzt haben wir natürlich die Ukrainer, auf die sich zuletzt ganz viel zusätzliches ehrenamtliches Engagement konzentriert hat.

Was würden Sie sich denn konkret von der Bundesregierung wünschen?

Am Ende muss es um eine Begrenzung gehen. Ob das jetzt die Bundesregierung am besten selbst oder zusammen mit den EU-Partnern macht, kann ich mir nicht anmaßen. Aber ich erwarte, dass die Zuständigen die Herausforderung erkennen und annehmen. Im November waren wir in Brüssel, die bayerischen Landräte, da hieß es, bei uns kommt an, dass es in Bayern kein Problem gibt. Alles kein Problem? Das haben wir bereits im September anders kommuniziert. Und weil wir wissen, dass morgen nicht die Lösung da sein wird, wird es Zeit, wenigstens daran zu arbeiten und nicht fünf Monate nach dem ersten Hilferuf einen Gipfel einzuberufen, bei dem rauskommt, dass man erst einmal einen Arbeitskreis einrichtet.

Sie sind durch die Sache mit dem Schiff gerade sehr in der Öffentlichkeit. Ist das nervig oder hat es auch sein Gutes?

Wenn das Schiff dazu beiträgt, dass das Thema bundesweit auf den Schirm kommt, dann ist mir das recht. Es hilft ja nichts. Wir werden das Problem nicht in Bach lösen, im Landkreis Regensburg nicht und in Bayern auch nicht. Der Bund muss das mit den Nachbarländern in der EU anpacken, da gehört es hin. Vor Weihnachten haben wir ja gedacht, es passiert gar nichts. Was sollen wir denn noch machen, die Asylbewerber einpacken und ins Kanzleramt fahren? Das ist ja nicht mein Niveau. Es geht nur zusammen. Jeder muss in seiner Zuständigkeit seine Aufgaben machen. Wir als Landräte tun das bereits.

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Zwei Drittel der Abschiebungen platzen

Zahlreiche Abschiebungen sind im vergangenen Jahr gescheitert, weil Flüge ausfielen – oder die Betroffenen nicht zum Flughafen kamen. Die Union fordert einen konsequenteren Kurs von der Ampel-Koalition.

Zwei Drittel der Abschiebungen platzen

Zwei Drittel der Abschiebungen platzen© Michael Kappeler / dpa

Nach Angaben der Bundesregierung wurden im vergangenen Jahr 12.945 Abschiebungen vollzogen. Demgegenüber stehen allerdings 23.337 Fälle, in denen geplante Abschiebemaßnahmen nicht hätten vollstreckt werden können.

Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag hervor, aus der die »Welt am Sonntag« zitiert. Das Papier liegt auch der Nachrichtenagentur dpa vor. Gründe für die gescheiterten Abschiebungen waren demzufolge unter anderem geplatzte Flüge oder die Abwesenheit der betroffenen Menschen am Ausreisetag.

Im vergangenen Jahr wurden zudem nach Auskunft der Bundesregierung 5149 Menschen zurückgeschoben. Von Zurückschiebungen spricht man, wenn Menschen, die unerlaubt nach Deutschland gekommen sind, bereits kurz nach ihrer Einreise zurückgebracht werden, entweder in ihr Herkunftsland oder in ein anderes europäisches Land, das für sie zuständig ist. Insgesamt gab es damit 18.094 Rückführungen.

Kritik von der Union

Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm (CDU), sagte der Zeitung: »Deutschland befindet sich in der schwersten Migrationskrise seit 2016. Da muss eine erfolgreiche Rückführungspolitik Priorität in Bund und Ländern sein.« Throm warf der Ampel-Koalition vor, nichts von ihrer »Rückführungsoffensive« umgesetzt zu haben.

Dabei bezog er sich auf den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Darin heißt es: »Nicht jeder Mensch, der zu uns kommt, kann bleiben. Wir starten eine Rückführungsoffensive, um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern.«

Mit Stand 31. Dezember befanden sich laut Ausländerzentralregister insgesamt 304.308 vollziehbar ausreisepflichtige Menschen in Deutschland, davon besaßen allerdings 248.145 Personen eine Duldung.

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Forderung an Kommunen: Faeser verlangt Reserve an Flüchtlingsunterkünften

Flüchtlinge sind in einer Notunterkunft in Friedrichshafen in einer Sporthalle untergebracht

Flüchtlinge sind in einer Notunterkunft in Friedrichshafen in einer Sporthalle untergebracht© dpa

Nach dem aus kommunaler Sicht enttäuschenden Flüchtlingsgipfel hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nun ihrerseits Forderungen an die Länder und Kommunen gestellt. Künftig müssten Unterkünfte in Reserve für Notsituationen vorgehalten werden, um schnell größere Zahlen von Flüchtlingen aufnehmen zu können, sagte Faeser der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“. „Das ist eine wichtige Lehre, die spätestens jetzt gezogen werden muss.“ Die Bundesinnenministerin bezeichnete es als „Fehler“, dass mancherorts Unterkünfte nach der Flüchtlingskrise der Jahre 2015 und 2016 wieder zurückgebaut wurden.

Im vergangenen Jahr sind etwa 1,2 Millionen Menschen nach Deutschland geflüchtet, die große Mehrheit von ihnen sind Ukrainer. Für ihre Versorgung und Unterbringung sind Länder und Kommunen zuständig. Die Lage ist vielerorts angespannt. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) schrieb in einem Brief an die Innenminister der anderen Länder, die Grenze der Belastbarkeit in den Bezirksregierungen sei in vielen Bereichen überschritten. Sie seien kaum noch in der Lage, wichtige Aufgaben wie die Unterbringung von Geflüchteten oder die Bewältigung der Energiewende zu erledigen.

Faesers Forderung wird die Rufe von Ländern und Kommunen nach finanzieller Unterstützung noch lauter werden lassen. Vom Flüchtlingsgipfel Mitte Februar hatten sich die kommunalen Spitzenverbände weitere Mittel erhofft, aber nicht bekommen. Die Finanzierung soll Thema bei einer Ministerpräsidentenkonferenz im April sein. Die Bundesregierung hat für die Versorgung der Flüchtlinge für dieses Jahr 2,75 Milliarden Euro zugesagt.

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Ministerin Köpping mahnt Reform des Asylrechts an

Eine Bürgerinitiative sträubt sich gegen die Unterkunft für junge Geflüchtete in Kriebethal. Integrationsministerin Petra Köpping will mit den Protestierern ins Gespräch kommen. Ob das gelingt, ist noch ungewiss.

Ministerin Petra Köpping (2.v.r.) bei einer Gesprächsrunde in Kriebethal unter anderem mit Peggy und René Illig vom DRK, Bürgermeisterin Maria Euchler, Landrat Dirk Neubauer und Staatsminister Sebastian Vogel (v.l.). © SZ/DIetmar Thomas

Ministerin Petra Köpping (2.v.r.) bei einer Gesprächsrunde in Kriebethal unter anderem mit Peggy und René Illig vom DRK, Bürgermeisterin Maria Euchler, Landrat Dirk Neubauer und Staatsminister Sebastian Vogel (v.l.). © SZ/DIetmar Thomas© SZ/DIetmar Thomas

Kriebethal. Wochen, bevor überhaupt ein Flüchtling in den 300-Seelen-Ort Kriebethal kam, formierte sich Widerstand. Eine Bürgerinitiative gründete sich, sammelte 260 Unterschriften, um die Einrichtung der Inobhutnahmestelle - wie es im Amtsdeutsch heißt - zu verhindern. Vertreter der Freien Sachsen und der AfD organisierten Protestkundgebungen, die Linken Gegendemonstrationen.

Ungeachtet dessen wohnen seit dem 6. Februar zwölf unbegleitete minderjährige Asylbewerber (umA) im ehemaligen DRK-Altenpflegeheim in Kriebethal. Das hat sich Petra Köpping (SPD) in ihrer Funktion als sächsische Integrationsministerin am Mittwoch angeschaut.

Ministerin kündigt Treffen mit Bürgern an

Petra Köpping kündigte an, sich Ende März mit Vertretern der Bürgerinitiative in Dresden treffen zu wollen. "Ich mache mir vor so einem Termin immer vor Ort ein Bild", sagte sie. Die jungen Bewohner des Heimes, die aus Afghanistan, Syrien, der Ukraine und Burkina-Faso stammen, habe sie beim Deutschlernen angetroffen. "Aber es kam auch das Thema auf, dass ihnen langweilig ist", sagte Köpping.

Täglicher Deutschunterricht

Wie Betreuerin Peggy Illig erklärte, sind die jungen Ausländer in Ein- und Zweibettzimmern untergebracht. Für diese Regelung habe sich das DRK entschieden, weil es Jugendliche gibt, die Angst haben, allein zu übernachten. Frühstück, Mittagessen und Abendbrot werden gemeinsam zubereitet. Täglich seien zwei Jugendliche dafür eingeteilt, das Mittagessen vorzubereiten. "Dazu gehört auch, dass sie Kartoffeln schälen oder Nudeln kochen - alles, was sie später auch können müssen", so Peggy Illig. Am Vormittag stünde individueller Unterricht auf dem Programm. "Deutsch üben wir quasi den ganzen Tag über. Die Sprache wird auch in Gesprächen gefördert", so die Betreuerin. Nachmittags gebe es Gruppenangebote.

Helferkreise unterbreiten Angebote

Inzwischen haben schon mehrere Helferkreise ihre Unterstützung angeboten, unter anderem der Kreissportbund Mittelsachsen, der mit den Kindern Fußball spielen will, und die Kirchgemeinde Waldheim-Geringswalde. Die Angebote sollen demnächst greifen.

 

"In Kriebethal ist es zurzeit ruhig", sagte Bürgermeisterin Maria Euchler nach der Stimmung in dem Kriebsteiner Ortsteil befragt. "Ich denke, das DRK leistet eine gute Arbeit und die Betreuung klappt." Sie machte aber keinen Hehl daraus, dass es nach wie vor "in der Bevölkerung brodelt. Wir wünschen uns, dass die Integration besser klappt, die Flüchtlinge es sich nicht erst in der sozialen Hängematte bequem machen können." Das sei es, was die Leute aufregt und Ängste schüre.

In einem Teil des ehemaligen Altenpflegeheims des DRK in Kriebethal leben seit Anfang Februar junge Flüchtlinge. © SZ/DIetmar Thomas

In einem Teil des ehemaligen Altenpflegeheims des DRK in Kriebethal leben seit Anfang Februar junge Flüchtlinge. © SZ/DIetmar Thomas© SZ/DIetmar Thomas

Man dürfe aber auch nicht verkennen, dass die Menschen, die sich um die Geflüchteten kümmern, am Limit seien. Egal, ob es Behörden, die Träger wie der DRK-Kreisverband Döbeln-Hainichen in Kriebethal oder Helfer sind. Deshalb müssten Wege gefunden werden, diejenigen, die es wirklich wollen, schneller zu integrieren. Angemeldete Kundgebungen gebe es nach wie vor durch die Freien Sachsen - "immer freitags, aber nicht regelmäßig jede Woche", sagte sie.

Bürgerinitiative enttäuscht von Politikern

Dass es nach Ankunft der jungen Flüchtlinge ruhig ist im Ort, bestätigte auch ein Vertreter des Bürgerbegehrens, der in Kriebethal unweit des Heimes wohnt und seinen Namen nicht nennen will. Auf Anfrage äußerte er aber seine Enttäuschung darüber, dass auf Mails der Bürgerinitiative an Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und an Petra Köpping bis heute keine Antwort eingegangen sei. Von der Einladung Köppings nach Dresden habe er gehört, ob er oder andere Mitglieder der Bürgerinitiative sie annehmen werden, könne er nicht sagen. "Aus heutiger Sicht eher nicht", so der Kriebethaler.

 

Für eine schnelle Integration der Geflüchteten will sich auch die Ministerin starkmachen. "Das ist ja das, was die Leute aufregt: Die arbeiten nicht, sind zum Teil kriminell, heißt es da", so Köpping. Sie mahnte eine Reform des Asylrechts an. "Wir sehen es an den Flüchtlingen aus der Ukraine, die sind schnell in Arbeit und da gibt es kaum Probleme. Aber wenn es dafür ein bis zwei Jahre braucht, wird es schwierig", erklärte sie.

Finanzielle Unterstützung für die Kommunen nötig

Sie sicherte zu, sich dafür einzusetzen zu wollen, dass die Kommunen finanziell unterstützt werden. Das Thema griff Landrat Dirk Neubauer auf. "In unserem Partnerlandkreis in Baden-Württemberg wird das Geld für die Flüchtlingsunterbringung im Vorfeld überwiesen und dann abgerechnet." Das würde er sich auch in Sachsen wünschen.

Auch für ihn sei eine rasche Integration wichtig. "Die Kinder sind zu uns geschickt worden, um sich zu integrieren. Sie wollen das auch, sie wollen lernen und arbeiten. Und was machen wir? Wir brauchen Monate und sehen zu, wie der Enthusiasmus schwindet. Dabei sind wir in Deutschland schon lange nicht mehr bei einem Fachkräftemangel. Wir sind längst beim Arbeitskräftemangel angekommen", so Neubauer.

Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien

Wie das Sächsische Sozialministerium am Mittwochnachmittag mitteilte, kommen die im Landkreis Mittelsachsen untergebrachten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge größtenteils aus Syrien (48 Prozent) sowie aus Afghanistan (34 Prozent). Die restlichen 18 Prozent der Herkunftsorte teilen sich fast gleich auf: Türkei, Ukraine, Somalia, Senegal, Libyen, Iran, Burkina Faso, Algerien, Albanien, Ägypten und Elfenbeinküste.

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Vor Flüchtlingsgipfel: CDU kritisiert Innenminister Pegel

Vor einem Flüchtlingsgipfel in Schwerin hat die CDU Äußerungen von Innenminister Christian Pegel (SPD) zum Streit um die Flüchtlingsunterkunft in Upahl scharf kritisiert. «Es ist Herrn Pegels Masche, Verantwortung weit von sich zu schieben», erklärte CDU-Generalsekretär Daniel Peters am Mittwoch. Der Innenminister sei dafür verantwortlich, dass Abschiebungen in Mecklenburg-Vorpommern schleppend liefen. «Dass er jetzt allerdings versucht, die Verantwortung für den Baustopp in Upahl beim Landkreis abzuladen, ist einfach nur frech.»

Christian Pegel (SPD, M), Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, beantwortet Fragen in einem Pressetermin.

Christian Pegel (SPD, M), Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, beantwortet Fragen in einem Pressetermin.© Jens Büttner/dpa/Archivbild

Das Innenministerium hatte am Dienstag erklärt, es sei klar, dass der Neubau einer Unterkunft einer Baugenehmigung bedürfe. Mit dieser Begründung hatte das Verwaltungsgericht Schwerin am vergangenen Freitag den bereits begonnenen Bau der Container-Unterkunft in einer Eilentscheidung gestoppt. Geklagt hatte die Gemeinde Upahl, weil sie nicht beteiligt worden sei.

Das Innenministerium sei zu jedem Zeitpunkt in die Planungen des Landkreises Nordwestmecklenburg eingebunden gewesen, erklärte Peters. Es sehe so aus, als habe der Minister einen Landkreis ins offene Messer rennen lassen. «Der Innenminister betreibt ein schmutziges Spiel», so der CDU-Generalsekretär.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Der Landkreis kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht in Greifswald einlegen. Die Kreisverwaltung wollte den Beschluss in dieser Woche mit dem Innenministerium auswerten. Landrat Tino Schomann (CDU) kündigte an, er werde sich am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Wismar zu den Auswirkungen der Gerichtsentscheidung äußern.

Vor dem Flüchtlingsgipfel in Schwerin, an dem neben Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und weiteren Ministern auch Pegel teilnehmen will, äußerten die Kommunalverbände klare Erwartungen. «Nun kann das Land zeigen, dass es in seinem Zuständigkeitsbereich bereit ist zu handeln», sagte der Geschäftsführer des Landkreistags, Matthias Köpp.

Dies betreffe unter anderem die Unterstützung von Schulen und Kitas bei der Aufnahme von Flüchtlingskindern. Bei Sprachkursen könnten die Volkshochschulen stärker einbezogen werden. Zudem sei angesichts der immer knapper werdenden Unterkünfte für Flüchtlinge in den Kommunen längst eine Erhöhung der vom Land vorgehaltenen Kapazitäten in den Erstaufnahme-Einrichtungen geboten, so Köpp.

Der Städte- und Gemeindetag sprach sich dafür aus, Flüchtlinge vorwiegend in Orten mit geeigneter Infrastruktur unterzubringen und dabei frühzeitig den Kontakt zu Bürgermeistern und Gemeindevertretern zu suchen. Die massiven Proteste in Upahl hätten gezeigt, welche Folgen die Missachtung solcher Grundsätze haben könne.

Nach Angaben des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) sind die Möglichkeiten der sozialen Vermieter Mecklenburg-Vorpommerns, Flüchtlinge unterzubringen, weitgehend erschöpft. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hätten die Wohnungsgenossenschaften und -gesellschaften mindestens 5300 Flüchtlinge mit Wohnraum versorgt, erklärte Verbandsdirektor Andreas Breitner.

Einer aktuellen Umfrage zufolge könnten die Unternehmen des VNW kurzfristig noch etwas mehr als 200 Wohnungen zur Verfügung stellen. Innerhalb der kommenden sechs Monate sei es möglich, rund 400 Wohnungen anzubieten. Breitner forderte mehr Unterstützung von Land und Bund für die Instandsetzung der noch freien Wohnungen. Der zusätzliche Aufwand je Wohnung liege bei rund 4500 Euro.

Im vergangenen Jahr kamen nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge rund 5000 Asylsuchende nach Mecklenburg-Vorpommern. Das war fast eine Verdopplung im Vergleich zum Jahr davor. Zudem nahm das Land laut Innenministerium mehr als 22.000 Flüchtlinge aus der Ukraine auf. Deutschland stellt sich auf die Ankunft weiterer Kriegsflüchtlinge ein.

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Berlin und Paris machen bei Flüchtlings-Rücknahme Druck auf Rom

Deutschland, Frankreich und weitere europäische Länder machen bei der Flüchtlings-Rücknahme Druck auf Italien. Sie warfen der Regierung von Giorgia Meloni am Donnerstag bei einem EU-Innenministertreffen in Brüssel vor, das sogenannte Dublin-Abkommen einseitig aufgekündigt zu haben. Es verpflichtet Rom zur Rücknahme von Asylbewerbern, die über Italien in die EU gelangt sind.

Deutschland, Frankreich und weitere europäische Länder machen bei der Flüchtlings-Rücknahme Druck auf Italien.

Deutschland, Frankreich und weitere europäische Länder machen bei der Flüchtlings-Rücknahme Druck auf Italien.© Kenzo TRIBOUILLARD

"Das ist Gesetz, und sie sind eigentlich verpflichtet zurückzunehmen", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Solche Staaten müssten "sich ihrer Verantwortung bewusst" sein, betonte sie, ohne Italien explizit zu nennen. Auch Griechenland nimmt laut Medienberichten nur einen Bruchteil der beantragten Migranten aus Deutschland zurück.

Deutlicher wurde der französische Innenminister Gérald Darmanin: Das Übereinkommen von Dublin "funktioniert quasi gar nicht mehr in einigen Ländern, vor allem in Italien", sagte er in Brüssel. Diese Staaten hätten das System für "tot" erklärt.

Dem Ministerrat lag ein Schreiben von Deutschland, Frankreich, Österreich und fünf weiteren EU-Staaten vor, in dem diese eine "Anwendungs-Lücke" bei den Dublin-Regeln beklagen. In dem zweiseitigen Text, welcher der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, rufen sie die EU-Kommission auf, den Innenministern regelmäßig zu berichten, welche Länder sich nicht an die Vorschriften halten.

Ohne Anwendung der Regeln bestehe das "Risiko, dass das öffentliche Vertrauen in europäische Lösungen sinkt", warnen die acht Länder unter Anspielung auf die Europawahlen im kommenden Jahr. Zudem bekräftigten sie ihren Willen zu "schnellen Fortschritten" bei der bereits seit Jahren geplanten Reform des Dublin-Systems.

Auch die Schweiz macht Druck auf Rom, weil sie kein Transitland für Migranten sein will: Viele europäische Länder verlangten, "dass Italien den Dublin-Pakt einhält", sagte die für Justiz und Polizei zuständige Ressortchefin im Bundesrat, Elisabeth Baume-Schneider, die in Brüssel an einem Treffen der Schengen-Staaten teilnahm.

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Griechenland und seine Grenzen: Athen will Migranten verstärkt zurück in Heimatländer schicken

Ein neuer Kooperationsvertrag zwischen zwei Ministerien und Frontex soll nicht asylberechtigte Migranten schneller in ihre Heimatländer bringen.

Migranten aus Afrika kommen in einem Schlauchboot am Strand in Lesbos an.

Migranten aus Afrika kommen in einem Schlauchboot am Strand in Lesbos an.© Foto: dpa/Angelos Tzortzinis

Gemeinsam mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex will die griechische Regierung Migranten künftig verstärkt in ihre Heimatländer zurückschicken, sofern diese nicht in Griechenland asylberechtigt sind.

Auch die freiwillige Rückkehr der Menschen solle stärker unterstützt werden, heißt es in einem Kooperationsvertrag zwischen dem Bürgerschutz- und dem Migrationsministerium mit Frontex, der am Dienstag in Athen unterschrieben wurde.

Eine niedrige Zahl von Rückführungen jener, die nicht asylberechtigt sind, untergräbt die Glaubwürdigkeit und das Asylsystem insgesamt.

Notis Mitarakis, griechischer Migrationsminister

Die EU müsse das Thema Rückführungen gemeinsam angehen und deren Zahl erhöhen, erklärte das Migrationsministerium. „Eine niedrige Zahl von Rückführungen jener, die nicht asylberechtigt sind, untergräbt die Glaubwürdigkeit und das Asylsystem insgesamt“, sagte Migrationsminister Notis Mitarakis.

Frontex werde den Staat unter anderem mit Expertise bei der freiwilligen Rückkehr von Migranten unterstützen.

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Palmer warnt in Migrationskrise: „Wir schaffen das nicht mehr“

Boris Palmer

Boris Palmer© Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Palmer warnt in Migrationskrise: „Wir schaffen das nicht mehr“

Beim Thema Migration ist die Lage angespannt: Es kommen immer mehr Menschen nach Deutschland. Die Kommunen beklagen sich und fordern weniger Bürokratie.

Berlin - In der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ zum Thema Flüchtlingshilfe berichteten die Talkshow-Gäste am Donnerstagabend (16. März) über die Lage in den Ländern und Kommunen. Zu viel Bürokratie, zu wenig Wohnraum, zu wenige Kita- und Schulplätze, dazu fehlende Sprachkurse und eine langsame Integration in den Arbeitsmarkt - das waren die Hauptpunkte der Debatte. Boris Palmer (Die Grünen), Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, machte klar: „Wir müssen von den deutschen bürokratischen Standards runter.“ Anders sei der große Zustrom nicht mehr zu bewältigen. „Wir schaffen das schlicht nicht mehr“, sagte er - wohl auch in Anlehnung an die Worte „Wir schaffen das“ von Angela Merkel im Jahr 2015, als eine enorme Fluchtbewegung von rund zwei Millionen Menschen in die EU stattfand.

Der Ukraine-Krieg hatte auch zur Folge, dass immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland und in andere europäische Länder geflüchtet sind. Unter den mehr als 1,4 Millionen Geflüchteten, die in den letzten Monaten nach Deutschland kamen, waren der größte Teil Menschen aus der Ukraine. Nicht alle sind bereits in den Arbeitsmarkt integriert. Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, merkte an, dass sich unter den geflüchteten Menschen aus der Ukraine viele Mütter mit ihren Kindern befinden. Da sei es nicht zu erwarten, dass alle gleich einen Job finden. Insgesamt sind es etwa 20 Prozent der ukrainischen Geflüchteten, die es auf den deutschen Arbeitsmarkt geschafft haben, obwohl die bürokratischen Hindernisse für sie besonders niedrig sind.

Integration Geflüchteter: Bürokratie ist größte Hürde

Allerdings pflichtet auch Wüst Palmer bei. Deutschland müsse in Sachen Bürokratie jetzt endlich mal pragmatisch handeln, anstatt weiter Paragraphen zu reiten. Wenn man das schaffen würde, könnte Deutschland angesichts des Fachkräftemangels etwa auf dem Gesundheitsmarkt oder in der Gastronomie und Hotellerie sogar einen echten Nutzen aus der Situation ziehen. „Wir wären verrückt, wenn wir es nicht schaffen würden, die Verfahren zu erleichtern“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).

Aber auch die fehlenden Kita-Plätze sind ein Problem in der Flüchtlingshilfe, wie auch Palmer feststellte. Schon Deutsche fänden ja oft keine Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder. Nun den ukrainischen Kindern Vorrang einzuräumen, hält er für keine gute Idee: „Das führt zu einem Verdrängungswettbewerb gegenüber denen, die schon da waren.“ Einen Lösungsvorschlag hierfür hätte er aber: Die Gründung ukrainischer Spiel- oder Tagesgruppen, in denen vielleicht nicht die hohen Standards deutscher Kitas gelten.

Migrationskrise: Sozialer Wohnraum ist knapp

Entgegen der zu Beginn des Ukraine-Kriegs vorherrschenden Erwartung, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer nach Ende des Kriegs in ihr Land zurückkehren würden, glaubt Wüst: „Die Menschen werden länger bleiben“. Und zwar „viele von ihnen sehr lang, manche auch für immer.“ Bereits heute erklärt jeder dritte ukrainische Geflüchtete, er oder sie könnten sich gut vorstellen, nicht mehr in die Ukraine zurückzukehren. Zumal dort vielerorts auch nach einem Kriegsende für Jahre kein leichtes und gutes Leben möglich sein werde.

Der soziale Wohnraum für Geflüchtete ist ein weiterer Punkt, der bei „Maybrit Illner“ heiß diskutiert wurde. Schon für Deutsche stehen kaum Sozialwohnungen bereit. Palmer sagte, die Länder stünden in der Pflicht, größere Landesaufnahmeeinrichtungen zu bauen, um den Druck auf den Wohnungsmarkt zu senken. Ihm zufolge würde das zum einen die Länder motivieren, gescheiterte Asylbewerber schneller und erfolgreicher abzuschieben, zum anderen Wirtschaftsflüchtlinge abschrecken angesichts der Aussicht, womöglich für Jahre in einer Massenunterkunft leben zu müssen.

Unterbringung Geflüchteter: Beispiel Upahl zeigt Ernst der Lage

Im Ort Upahl in Mecklenburg ist die Debatte um Massenunterkünfte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber hochaktuell. In der kleinen Gemeinde, wo gerade einmal 500 Menschen wohnen, soll eine Containerunterkunft gebaut werden, die 400 Personen beherbergen kann. Auf die Ankündigung des Plans folgten massive Proteste der Einwohnerinnen und Einwohner. Bei den Demonstrationen im Ort ist eine zunehmende Radikalisierung der Menschen zu beobachten, immer öfter sind rassistische Aussagen zu hören.

In Upahl gibt es keinen Supermarkt, keine Ärzte, und keine gute Anbindung an die größeren Orte. Die Fläche in Upahl, auf der die Container stehen sollen, hat Landrat Tino Schomann (CDU) vorgeschlagen, denn die Fläche gehört dem Kreis selbst. Seine Entscheidung rechtfertigt er bei „Maybrit Illner“ mit schlichten Worten: „Die Lage hat’s erfordert.“ Seit dem 3. März gilt nun ein Baustopp der Unterkunft.

Dringende Migrationsfragen: Enttäuschung nach Flüchtlingsgipfel im Februar

2015 war kein Ausnahmejahr, sondern nur der Anfang einer globalen Völkerbewegung, die Deutschland und Europa in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vor immense Herausforderungen stellen wird. Je mehr Menschen kommen, desto häufiger werde es eine Situation wie Upahl in ganz Deutschland geben, prophezeit Palmer. Neben den Ukrainerinnen und Ukrainern kommen die Geflüchteten auch zu einem großen Teil aus den Staaten Syrien, Afghanistan oder der Türkei.

Insgesamt 16 Milliarden Euro wollen die Länder in diesem Jahr in die Integration Geflüchteter investieren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) veranstaltete im Februar einen Flüchtlingsgipfel, um die dringendsten Fragen zu klären. Die Erwartungen der Kommunen und Länder waren dementsprechend hoch, mehr Unterstützung durch den Bund zu erhalten. Aber danach herrschte große Enttäuschung: Finanzielle Fragen zur Entlastung der Kommunen wurden bis Ostern vertagt