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Schulen: "Über 40 Prozent der Lehrer sind eigentlich nicht geeignet"

 

Der Passauer Pädagogik-Professor Norbert Seibert warnt: Die am schlechtesten ausgebildeten Lehrkräfte würden auf die schwächsten Schüler losgelassen. Und die Corona-Pandemie mache alles noch schlimmer.

"Über 40 Prozent der Lehrer sind eigentlich nicht geeignet"

Knapp die Hälfte aller Lehrer in Deutschland sollte aus Sicht des Passauer Schulpädagogik-Professors Norbert Seibert einen anderen Job machen. "Über 40 Prozent der Lehrer in Deutschland sind eigentlich nicht geeignet", sagte er der Passauer Neuen Presse. Und die Pandemie treibe diese Zahl noch hoch.

"Zum einen hatten wir jetzt drei Semester lang keine Präsenzveranstaltungen an der Uni. In der Zeit hat sich die Durchfallerquote bei Prüfungen fast verdoppelt", sagte Seibert. Und: "Sozialverhalten kann man nicht bei Online-Zoom-Meetings lernen. Das fängt bei E-Mails an, die ich bekomme, und in denen oft nur noch steht: ,Hallo, rufen Sie mich an. MfG' und endet damit, dass diese zukünftigen Lehrkräfte gar nicht wissen, wie man mit Schülern Kontakt aufnimmt."

Dazu komme, dass der Staat aufgrund des Lehrermangels Absolventen der Lehrämter Grund- und Mittelschule sicher verbeamte - egal mit welchem Notendurchschnitt sie bestehen. Auch Quer- und Seiteneinsteiger würden als Lehrkräfte rekrutiert. "Kurzum: Der Begriff ,Qualität' scheint ein Oxymoron zu sein, ein Begriff, der sich in allen Aspekten selbst widerspricht", sagte Seibert.

Das Fatale sei: "Die am schlechtesten ausgebildeten Lehrkräfte werden im Moment auf die schwächsten Schüler losgelassen, die aufgrund von Corona auch noch massive Wissenslücken aufweisen." In Bayern verhindere die mangelhafte Lehrerausbildung den Beruf - anstatt gut darauf vorzubereiten, sagte Seibert. "Das muss geändert werden, denn nicht jeder kann Lehrer."

Seibert hat 2006 an der Uni Passau das Programm "PArcours" ins Leben gerufen, bei dem angehende Lehramtsstudenten auf freiwilliger Basis überprüfen können, ob sie tatsächlich für den Beruf geeignet sind.

 

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„Mangelnde Lesefähigkeit gefährdet den ganzen Wirtschaftsstandort Deutschland“

Grundschüler in Deutschland lesen viel schlechter als vor 20 Jahren. Dazu haben laut Iglu-Studie auch soziale und migrationsbezogene „Disparitäten“ beigetragen. Bildungsverbände rügen: Die Politik gehe das Problem nur halbherzig an – die mangelhafte Lesekompetenz werde zum gesellschaftlichen Problem.

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Der Bildungsökonom Ludger Wößmann hat vor einiger Zeit ein einprägsames Bild entwickelt. Wie in der Form eines traurigen Smileys hätten sich die Schulleistungen deutscher Kinder seit dem Pisa-Schock im Jahr 2000 entwickelt: Dank zahlreicher Reformen ging es in den darauffolgenden zehn Jahren in den Schulleistungstests aufwärts. Doch genauso kontinuierlich wie die Aufwärtsbewegung erfolgte danach wieder der Abstieg. Inzwischen ist Deutschland wieder am unteren Ende der absteigenden Mundwinkel-Kurve angelangt.

Den jüngsten Beleg dafür lieferten die Ergebnisse der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu), die alle fünf Jahre die Lesekompetenz von Kindern am Ende der vierten Jahrgangsstufe untersucht. Seit der letzten Iglu-Studie im Jahr 2016 sind die Leseleistungen der Viertklässler im Jahr 2021 noch einmal deutlich gesunken.

Im Durchschnitt lesen die Kinder heute signifikant schlechter als noch vor 20 Jahren. Mit einem Mittelwert von 524 Punkten liegt Deutschland im Vergleich mit anderen Staaten aus Europa und der OECD zwar noch im Mittelfeld der international unter dem Namen PIRLS bekannten Studie.

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Besorgniserregend sind die Befunde aber vor allem im unteren Leistungsspektrum. Ein Viertel aller Kinder erreicht inzwischen nicht mehr das erforderliche Kompetenzniveau im Lesen, um den Übergang in die weiterführende Schule erfolgreich zu meistern. Mit 25,4 Prozent liegt ihr Anteil über den Werten von 2001 (17 Prozent) und 2016 (19 Prozent).

6,4 Prozent der Kinder erreichen sogar nur die Kompetenzstufe eins, die mit einem „rudimentären Leseverständnis“ umschrieben wird. Auch der Anteil der besonders leistungsstarken Schülerinnen und Schüler ist nach einem vorübergehenden Anstieg seit 2016 wieder gesunken – von 11,1 auf 8,6 Prozent.

„Im Vergleich zu Beginn der Iglu-Studie 2001 ist die mittlere Lesekompetenz in Deutschland deutlich gesunken und die Leistungsstreuung gleichzeitig angestiegen“, sagte Studienleiterin Nele McElvany vom Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund. Die Kompetenzvorsprünge von Kindern aus sozial privilegierten Familien seien nach wie vor stark ausgeprägt, so McElvany. Auch die Unterschiede zwischen Muttersprachlern und Kindern anderer Herkunftssprache seien in Deutschland stärker ausgeprägt als im internationalen Vergleich.

„Die substanziellen sozialen oder migrationsbezogenen Disparitäten in Deutschland konnten seit 2001 nicht reduziert werden“, so McElvany. Ihr bitteres Fazit: „Mit Blick auf die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit hat sich in Deutschland seit 20 Jahren praktisch nichts verändert.“

Dass dies kein unausweichlicher Automatismus sei, zeige das positivere Abschneiden anderer Staaten wie Finnland, Italien oder Slowenien mit geringeren sozialen Disparitäten oder Dänemark, den Niederlanden oder Tschechien, in denen sich weniger migrationsspezifische Unterschiede zeigten. Allerdings dürften auch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Schulschließungen ihren Teil zu den schlechten Leistungen beigetragen haben.

Singapur hat Deutschland überholt

International beteiligten sich rund 400.000 Schülerinnen und Schüler; in Deutschland nahmen 4611 aus 252 vierten Klassen teil. Nach Auswertung der Ergebnisse wurden für die Länder Punktwerte vergeben. Den Spitzenplatz belegt Singapur mit 587, ganz hinten steht Südafrika mit 288 Punkten und einem extrem hohen Anteil von 81 Prozent Kindern, die nur rudimentäre Lesekenntnisse haben.

Das gute Abschneiden Singapurs sei deshalb besonders spannend, weil es 2001 in der Lesekompetenz im Schnitt noch hinter Deutschland gelegen habe, so die Studienleiterin. Das liege unter anderem daran, dass dort alle Kinder bereits in der ersten Klasse auf ihre Lesefähigkeit getestet würden. Bei Rückständen werde dann mit differenzierter Förderung gegengesteuert. „Diese Diagnostik mit gezielter Förderung müsste auch bei uns in den Grundschulen systematischer betrieben werden.“

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Eine Forderung, die aus Wissenschaftskreisen bereits seit geraumer Zeit erhoben wird – aber unter anderem an der prekären Personalsituation an deutschen Schulen scheitert. Mit Blick auf die begrenzten Ressourcen sei es notwendig, zunächst eine klare Prioritätensetzung auf die Sicherung der grundlegenden Kompetenzen vorzunehmen, heißt es dazu in der Studie. „Hierzu gehört auch, die Quantität der in Deutschland mit lesebezogenen Aktivitäten verbrachten wöchentlichen Unterrichtszeit zu erhöhen, die bisher im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich ist.“

Die im Unterricht verbrachte Lesezeit liegt in Deutschland bei durchschnittlich 141 Minuten – im Durchschnitt der OECD-Teilnehmer sind es 205 Minuten, im Schnitt der EU-Teilnehmer 194 Minuten. Dafür lesen deutsche Kinder vergleichsweise viel in ihrer Freizeit – hier steht Deutschland an Platz vier der teilnehmenden Staaten.

Im 20-Jahres-Vergleich habe die Leselust zwar nachgelassen; im Mittel verfügten Viertklässler in Deutschland aber über ein positives Leseselbstkonzept sowie eine „eher hohe Lesemotivation“ – vor allem die Mädchen. Aber auch hier ist die Spreizung groß: Etwas mehr als ein Fünftel der Grundschulkinder liest allerdings nicht oder nur selten zum Vergnügen außerhalb der Schule.

Reaktionen zwischen Ernüchterung und Spott

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU), nannte die Ergebnisse der Iglu-Studie „ernüchternd“. „Die Corona-Pandemie und eine zunehmend heterogene Schülerschaft stellen die Lehrkräfte vor immer größere Herausforderungen. Das ist uns bewusst, und wir werden uns diesen Herausforderungen stellen.“ Die Unterstützung durch den Bund sei dabei „außerordentlich wichtig“.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sprach von „alarmierenden“ Ergebnissen. „Die Iglu-Studie zeigt, dass wir dringend eine bildungspolitische Trendwende benötigen, damit es mit den Leistungen unserer Kinder und Jugendlichen wieder bergauf geht.“

Sie nutzte die Gelegenheit, um erneut für das Startchancen-Programm für Brennpunktschulen zu werben, mit dem der Bund besonders benachteiligte Schulen in den kommenden zehn Jahren mit einer Milliarde Euro pro Jahr fördern will. Derzeit gibt es aber Streit mit den Ländern über die Verteilung der Mittel und die Co-Finanzierung durch die Länder.

Die Bildungsgewerkschaften jedenfalls reagierten mit Ernüchterung, fast Spott auf die Ergebnisse. „Das Messen der Wissenschaft und das Klagen der Politik kennen wir schon“, sagte Gerhard Brand, der Vorsitzende der Vereinigung Bildung und Erziehung (VBE). „Aber wie will Politik denn wirklich Schulen und Lehrkräfte entlasten, sodass der Fokus auf die Vermittlung basaler Kompetenzen gelingt?“

Die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing sagte, das Problem der mangelhaften Lesefähigkeit sei schon seit Jahren bekannt, werde aber nur halbherzig angegangen. „Wir müssen hier durchgängig konsequenter fördern, fordern und strenger werden“, forderte sie. Dazu gehörten verbindlichen Sprachstandserhebungen deutlich vor Schulbeginn und einer daran anschließenden verbindlichen Sprachförderung für die betroffenen Kinder, wie Hamburg und Hessen dies praktizierten.

Schließlich sei Lesefähigkeit ein Grundpfeiler der Kommunikation, so Lin-Klitzing. „Die mangelnde Lesefähigkeit gefährdet letztlich nicht nur die gesellschaftliche Teilhabe zahlreicher Menschen, sondern auch den ganzen Wirtschaftsstandort Deutschland.“

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Lehrermangel? Kaputte Schulen? Deutsche Schüler klagen über ein ganz anderes Problem

Einer aktuellen Umfrage zufolge machen die Schulen Fortschritte bei ihrer digitalen Ausrüstung. Dennoch klagen hierzulande Schüler über eine ganze Reihe von Problemen: von Unterrichtsausfall bis zu inkompetenten Lehrern. Ihr Hauptärgernis ist allerdings überraschend.

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Die Schulen in Deutschland stehen zum Start des neuen Schuljahres vor vielen Herausforderungen. Die größte: drahtloses Internet. Das zumindest ist die Meinung von jenen, die davon betroffen sind. 87 Prozent der Schüler an weiterführenden Schulen sehen das schlechte oder gar nicht vorhandene WLAN als größtes Problem. Erst danach nennen sechs von zehn Schülern den Lehrkräftemangel. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung unter 504 Schülerinnen und Schülern zwischen 14 und 19 Jahren des Digitalverbandes Bitkom.

Die Schüler haben dazu jede Menge anderer Probleme an ihren Schulen festgestellt: So stört sich jeder Zweite von ihnen am Umgang der Schüler untereinander. Fast genauso viele stöhnen über Unterrichtsausfall. Jeder Fünfte klagt über ein kaputtes Schulgebäude. Wenig schmeichelhaft auch: Gut ein Drittel von ihnen leidet – aus eigener Sicht – unter inkompetenten Lehrkräften.

In den Augen der Jugendlichen scheint die Digitalisierung, dessen Stand abgefragt wurde, kleine Wunder zu bewirken: Drei von vier Schülern lassen sich durch den Einsatz digitaler Bildungsmedien stärker motivieren. Mehr als die Hälfte geht sogar davon aus, durch das Lernen mit digitalen Bildungsmedien bessere Schulnoten zu schreiben. Doch es gibt auch Verweigerer: 13 Prozent wollen nach eigenen Angaben nicht mit digitalen Medien lernen.

„Das Interesse der Schülerinnen und Schüler an digitaler Bildung ist da und es ist hoch“, sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Diese aufgeschlossene Grundhaltung sei eine riesige Chance für die Modernisierung von Deutschlands Schulen. „Jetzt müssen die Schulen, unterstützt von Bund und Ländern, auch liefern.“

Zumindest die digitale Ausstattung der Schulen scheint zum Teil vorangekommen zu sein: 71 Prozent der Schüler erleben Unterricht, in dem hin und wieder Smartboards und digitale Whiteboards eingesetzt werden. Zwei Drittel berichten von Tablets, die eingesetzt werden, in etwas mehr als der Hälfte der Fälle sind es auch Laptops.

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Obwohl fast jeder der Schüler ein Smartphone besitzt, wird dieses nur in etwas mehr als einem Drittel der Fälle auch im Unterricht eingesetzt. Womit die Eltern in ihrer Schulzeit noch konfrontiert wurden, ist inzwischen die Ausnahme. Nur noch ein Fünftel der Schüler erlebt im Unterricht den Einsatz eines Overhead-Projektors oder Fernsehers. Videorekorder im Unterricht bekommen nur noch sieben Prozent der Schüler zu Gesicht.

Ist einmal etwas an den digitalen Geräten kaputt, muss in knapp drei Viertel der Fälle eine Lehrkraft das Problem lösen. In nur fünf Prozent der Fälle gibt es professionellen Tech-Support an der Schule, also eine IT-Fachkraft, die nicht zugleich unterrichten muss.

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Immerhin bekommen drei Viertel der Schüler ein Notebook oder Tablet von der Schule gestellt. Mehr als 60 Prozent der Schüler empfinden die Auswahl an digitalen Bildungsmedien aber als zu gering und veraltet. Zwei Drittel von ihnen verlangen daher eine bessere technische Ausstattung an ihrer Schule.

Sind digitale Medien verfügbar, stellt der Einsatz die Jugendlichen nicht immer zufrieden. Vier von zehn behaupten, dass die Lehrkräfte nicht wüssten, wie sie die Medien sinnvoll im Unterricht einsetzen können.

Medienkompetenz wird nach Angaben der Schüler trotzdem vermittelt. Drei Viertel der Schüler sagen, dass zumindest Kenntnisse über die Nutzung des Internets für Recherchen vermittelt würden. Zwei Drittel berichten, dass das richtige Verhalten auf Social Media, etwa der Umgang mit Hatespeech, im Unterricht Thema sei. Auch über Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre wird in deutlich mehr als Hälfte der Fälle gesprochen.

Offenbar geht das Interesse der Schüler aber darüber hinaus. 54 Prozent nehmen oder nahmen nach eigenen Angaben am Informatikunterricht teil. Nur gut jeder Vierte interessiert sich dafür gar nicht. Fast 20 Prozent haben an ihrer Schule nicht die Möglichkeit dazu. Zwei Drittel der Schüler halten Informatik als Pflichtfach in den Klassen 5 bis 10 für eine gute Idee.

Im vergangenen März hatte Bitkom zu diesem Thema die Eltern befragt, die noch deutlicher als ihre Kinder dafür plädieren. Demnach hatten sich 83 Prozent der Eltern Informatik als Pflichtfach ab der fünften Klasse gewünscht.

„Die Schülerinnen und Schüler müssen systematisch an die Informatik und digitalen Themen herangeführt werden und dort eigene Kompetenzen erwerben“, sagt Bitkom-Präsident Wintergerst. „Es ist Aufgabe der Schulen, sie auf ihrem Weg in die digitale Welt bestmöglich mit einschlägigem Wissen und Fähigkeiten auszustatten.“

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Gefragt nach der Gestaltung der Schule im Jahr 2030, glauben fast ein Viertel, dass Schüler dann frei wählen können, ob sie in Präsenz oder digital am Unterricht teilnehmen wollen. Und acht Prozent erwarten, dass Roboter zur Unterstützung der Lehrer im Unterricht eingesetzt werden. 28 Prozent gehen sogar davon aus, dass es keine klassischen Schulfächer mehr geben wird.

Die Digitalisierung in den Schulen wird derzeit größtenteils vom Bund aus dem Digitalpakt Schule finanziert. Das Programm läuft seit 2019 und hat einen Umfang von fünf Milliarden Euro, von denen nach Angaben von Bitkom vier Milliarden Euro beantragt und genehmigt wurden, aber nur eine Milliarde Euro abgeflossen ist.

Digitalpakt Schule läuft nächstes Jahr aus

2020 wurde die Fördersumme um 1,5 Milliarden Euro erhöht. Davon sollten je 500 Millionen Euro in die Anschaffung von Geräten für bedürftige Schüler und Lehrkräfte fließen und 500 Millionen Euro in Schuladministratoren. Während das Gerätebudget nach Bitkom-Angaben fast vollständig abgerufen wurde, war es bei den Schuladministratoren nur ein Zehntel.

Der Digitalpakt Schule läuft im kommenden Mai aus, eine Anschlussfinanzierung ist im Haushaltsplan bislang noch nicht vorgesehen. „Der Digitalpakt 2.0 muss schnellstmöglich von Bund und Ländern beschlossen werden“, fordert Bitkom-Präsident Wintergerst. Der Digitalverband schlägt vor, den Förderrahmen zu erweitern und künftig mindestens eine Milliarde Euro pro Jahr bis 2030 oder länger einzuplanen.

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Laut Studie - Bildungsniveau in Deutschland hat sich dramatisch verschlechtert

Das Bildungsniveau in Deutschland geht seit zehn Jahren zurück. Hauke-Christian Dittrich/dpa/Symbolbild

Das Bildungsniveau in Deutschland geht seit zehn Jahren zurück. Hauke-Christian Dittrich/dpa/Symbolbild© Hauke-Christian Dittrich/dpa/Symbolbild

In Deutschland ist das Bildungsniveau in den letzten zehn Jahren stark gesunken. Das geht aus dem „Bildungsmonitor 2023“ hervor. Die Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft hat sich weiter vertieft.

Das Bildungsniveau in Deutschland hat sich laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. Vor allem in Sachen Schulqualität, Integration und Bildungsarmut gebe es negative Entwicklungen, hält der „Bildungsmonitor 2023“ der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) fest.

Im Langzeitvergleich des Monitors, der zum 20 Mal erscheint, ist das Bildungsniveau bis 2013 in vielen Feldern gewachsen, dann allerdings kontinuierlich zurückgegangen. Dabei hat sich die Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft vertieft. Der Monitor vergleicht die Bildung anhand verschiedener Indikatoren wie Lernerfolg, Bildungsinfrastruktur oder Betreuungsrelation.

Bildungsniveau in Deutschland geht seit 2013 kontinuierlich zurück

Einen Grund für die Entwicklung sieht IW-Studienautor Axel Plünnecke darin, dass Kitas und Schulen „noch keine gute Antwort darauf gefunden haben, dass die Schülerschaft in den vergangenen Jahren deutlich heterogener wurde“. So seien die Ergebnisse von Kindern aus bildungsfernen Haushalten oder mit Migrationshintergrund besonders stark gesunken. Leichte Verbesserungen beim Ausbau frühkindlicher Bildung, der Ganztagsinfrastruktur sowie der Betreuungsrelation konnten dies laut Studie nicht ausgleichen. „Es fehlt an Qualität beim Ganztag und an gezielter Förderung“, so Plünnecke.

Die Durchschnittswerte im Lesen und Zuhören bei Viertklässlern lagen im Langzeitvergleich 2021 im Bundesdurchschnitt auf dem Niveau des schlechtesten Bundeslandes Bremen im Jahr 2011. Das Gleiche gilt für den Umgang Risikogruppen.

Sachsen, Bayern und Thüringen schneiden bei Bildungsmonitor 2023 am besten ab

Im aktuellen Ländervergleich schneiden Sachsen, Bayern und Thüringen erneut am besten ab. Allerdings sank in den beiden östlichen Bundesländern das Bildungsniveau gegenüber dem Vorjahr und stieg nur in Bayern „minimal“ . Danach folgen Hamburg, Baden-Württemberg und das Saarland, sowie ein „breites Mittelfeld“. Gegenüber 2013 hat Baden-Württemberg im Ländervergleich am stärksten verloren. Schlusslichter sind demnach im aktuellen Vergleich Brandenburg, Berlin und Bremen.

Die Forscher des IW forderten den Ausbau frühkindlicher Bildung, mehr Selbstbestimmung für Schulen, jährliche bundesweite Vergleichsarbeiten in allen Klassenstufen sowie die gezielte Förderung von Schülern und mehr hochwertige Ganztagsangebote.

INSM-Geschäftsführer Thorsten Alsleben beklagte, dass Deutschland in der Bildungspolitik den Anschluss an die Weltspitze verliere. Besonders kritisch seien dabei die mangelnden Sprachkenntnisse in der Grundschule. Er verlangte eine Vorschulpflicht für alle Kinder, die schlecht Deutsch sprechen.

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43 Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund

Aus vielen verschiedenen Ländern kommen die Kinder und Jugendlichen an Wildeshauser Schulen. 516 von 1 861 sind keine deutschen Staatsbürger.

Aus vielen verschiedenen Ländern kommen die Kinder und Jugendlichen an Wildeshauser Schulen. 516 von 1 861 sind keine deutschen Staatsbürger.© dpa

43 Prozent der Kinder und Jugendlichen an städtischen Schulen in Wildeshausen haben einen Migrationshintergrund. Aber an den einzelnen Schulen zeigen sich deutliche Unterschiede.

Wildeshausen – Rund 43 Prozent der Kinder und Jugendlichen an städtischen Schulen in Wildeshausen haben einen Migrationshintergrund beziehungsweise keine deutsche Staatsbürgerschaft. Das hat eine Abfrage der Stadt ergeben, deren Ergebnisse der Politik mit dem Protokoll zum Schulausschuss übermittelt wurden. Unsere Redaktion hat die Daten ausgewertet und mit dem Rektor der Hauptschule, Dr. Andreas Everinghoff, darüber gesprochen, welche Folgen der hohe Migrationsanteil für die tägliche Arbeit hat.

Von allen 1 861 Schülern an städtischen Schulen haben 234 die deutsche Staatsbürgerschaft und einen Migrationshintergrund. Knapp die Hälfte (108) davon hat einen Förderbedarf in Deutsch. Hinzu kommen 516 Kinder und Jugendliche, die keine deutschen Staatsbürger sind. Von diesen haben 375 einen Förderbedarf in Deutsch.

Deutliche Unterschiede an den einzelnen Schulen

An den einzelnen Schulen zeigt sich ein unterschiedliches Bild. So stellen die Schüler mit Migrationshintergrund an der Haupt- und der Wallschule die Mehrheit. An der Realschule stellen sie hingegen nur rund ein Viertel.

    • An der St.-Peter-Schule werden 176 Kinder unterrichtet. 25 davon sind keine deutschen Staatsbürger, 32 sind Deutsche mit einem Migrationshintergrund. Das entspricht 14 beziehungsweise 18 Prozent. Insgesamt hat die St.-Peter-Schule damit einen Migranten-Anteil von rund 32 Prozent – der niedrigste Wert der drei Grundschulen.
    • An der Holbeinschule liegt der Anteil der Migranten mit rund 48 Prozent etwas höher. Von den 328 Grundschülern haben 80 keine deutsche Staatsangehörigkeit, während 78 Deutsche mit Migrationshintergrund sind (jeweils 24 Prozent).
    • 44 Prozent der 338 Kinder, die die Wallschule besuchen, sind keine deutschen Staatsbürger. Das sind 149 Grundschüler. Nahezu alle haben einen Förderbedarf in Deutsch. Hinzu kommen 32 Schüler (zehn Prozent), die Deutsche sind und einen Migrationshintergrund haben.
    • Die Hauptschule wird von 272 Jugendlichen besucht. 136 davon, also 50 Prozent, sind keine deutschen Staatsbürger. Wiederum etwa die Hälfte davon hat einen Förderbedarf in Deutsch. Mit zwölf Schülern fällt die Zahl der Deutschen mit Migrationshintergrund kaum ins Gewicht.
    • Mit 747 Schülern ist die Realschule die größte Schule in der Trägerschaft der Stadt. 126 Jugendliche haben keine deutsche Staatsbürgerschaft (17 Prozent). Außerdem besuchen 80 Deutsche mit Migrationshintergrund die Schule (elf Prozent).

Bei den Wildeshauser Schulen in Trägerschaft des Landkreises Oldenburg, also Gymnasium und Berufsbildende Schulen, werde keine derartige Statistik geführt, teilte der Landkreis auf Nachfrage mit.

Im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet Everinghoff, Rektor der Hauptschule, wie sich der hohe Migrantenanteil auf die tägliche Arbeit auswirkt. „Sprache ist das A und O“, betont er. Deswegen sei es unerlässlich, gute Übersetzer zu haben. „Ich weiß gar nicht, wie oft am Tag ich mit der Bulgarisch-Dolmetscherin telefoniere“, sagt er. Dabei gehe es oft um Kleinigkeiten wie fehlendes Arbeitsmaterial oder Krankmeldungen.

Deutschkenntnisse als Hürde im Unterricht

Im Unterricht seien die mangelnden Deutschkenntnisse einiger Schüler oft eine Hürde. „Wir möchten ja gerne unterstützen, können das aber nicht immer, weil wir nicht wissen, was los ist. Das kostet viel Zeit und Energie“, sagt der Rektor. Als Beispiel nennt er ein Kind, das sich unwohl fühlt. Wegen der Sprachhürde seien Nachfragen schwierig. Die Lehrer würden mithilfe eines Sprachübersetzungstools arbeiten. „Aber dabei geht viel verloren, was sonst zwischen den Zeilen mitschwingt.“

Auch zu Hause werde teilweise wenig Deutsch gesprochen. „Wir erleben, dass Eltern sich sehr engagieren und das Potenzial ihrer Kinder fördern“, sagt Everinghoff. „Mit dieser Kooperation kann man alles hinbekommen.“ Schwierig sei es hingegen, wenn Eltern nicht erreichbar seien.

Everinghoff betont, dass die Stadt als Träger bei der Förderung der Schüler mit Migrationshintergrund sehr aktiv sei. Außerdem finanziert sie weite Teile der Schulsozialarbeit, obwohl aus Sicht der Kommune das Land zuständig ist. Auf der anderen Seite hat der Rat erst kürzlich entschieden, die Stelle der Sprachmittlerin für Kurdisch, deren Stunden Ende 2022 gestrichen worden waren, nicht wieder einzuführen. Es geht um sieben Stunden Dolmetschertätigkeit für die derzeit 35 kurdischen Kinder der Holbeinschule. Der Rat verwies auf die Zuständigkeit des Landes.