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Flüchtlinge

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Schärferer Grenzschutz, Jobpflicht für Flüchtlinge: Union legt in Migrationsdebatte nach

CSU arbeitet an Konzept

Schärferer Grenzschutz, Jobpflicht für Flüchtlinge: Union legt in Migrationsdebatte nach

Friedrich Merz, Markus Söder und Boris Rhein (von links nach rechts) gehen nach der gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU zur abschließenden Pressekonferenz.

Friedrich Merz, Markus Söder und Boris Rhein (von links nach rechts) gehen nach der gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU zur abschließenden Pressekonferenz.© Peter Kneffel/dpa

Die Union möchte mehr über Migration reden. Aus der CDU mehren sich die Forderungen nach einem deutlich verschärften Kurs und gekürzten Leistungen. Auch die CSU-Spitze, bisher sehr zurückhaltend, arbeitet an Konzepten.

München/Berlin – Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – gilt das auch in der Migrationsdebatte? In der Union gerät das gerade in Bewegung. Mehrere hochrangige Politiker preschen mit Vorschlägen zu Grenzschutz und Asylrecht vor. Die alte Linie, ein forscher Umgang mit dem Thema nütze nur der AfD, hält offenkundig nicht mehr, belegt durch aktuelle Umfragen.

Union fordert strengeren Asylkurs

Aus der CDU meldet sich erneut Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Frei fordert ein härteres Vorgehen gegen Flüchtlinge, die übers Mittelmeer kommen. Wenn Boote in internationalen Gewässern aufgegriffen würden, würden die Menschen selbstverständlich gerettet. „Aber die Fahrt führt dann nicht an ein europäisches Ufer, sondern dorthin zurück, wo sie hergekommen sind.“ Frei will das nicht unter dem Kampfbegriff „Push-backs“ führen, also ein international verbotenes Zurückdrängen. Insgesamt wirbt er für einen harten Kurs und robusten Grenzschutz: „Wir sollten uns von der Illusion verabschieden, dass wir alles Unrecht auf der Welt auf europäischem Boden lösen können“, sagt er der „Welt“. „Es gibt auch sichere Staaten außerhalb von Europa.“ Man könne illegale Grenzübertritte auf „nahe null“ reduzieren.

Frei hat dafür die Rückendeckung seines Parteichefs. Friedrich Merz warnt am Sonntagabend im ZDF, das Individualrecht auf Asyl werde „hunderttausendfach missbraucht“. Migrationswege etwa über das Mittelmeer, auf denen sich starke junge Männer durchsetzen, gingen zulasten von Frauen, Kindern und Älteren, warnte Merz.

Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) steigt in die Debatte ein. Er plädiert für flächendeckende Kontrollen an deutschen Grenzen. „Der Bund muss endlich dafür sorgen, dass weniger Menschen illegal nach Deutschland kommen“, sagt er via Bild. Bayern zeige, wie wichtig Grenzkontrollen seien. Pikant: Rheins Gegenkandidatin bei der Hessenwahl am 8. Oktober ist Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) – die als Chefin der Bundespolizei Grenzkontrollen skeptisch sieht.

CDU Baden-Württemberg will Arbeitspflicht für Flüchtlinge

Diese Woche will auch die CSU neue Akzente setzen. Am Montag tagt der Parteivorstand, Migration soll das zentrale Thema sein. Parteichef Markus Söder bekräftigte bei einem Auftritt in Rosenheim am Samstag, Deutschland brauche mehr Zuwanderung (etwa von Fachkräften), die uns nütze – und weniger, die Hilfen ausnütze. Er erneuerte Bedenken, das Bürgergeld in seiner vollen Höhe setzte falsche Anreize für Flüchtlinge.

Ein kontroverser Vorschlag kommt aus der CDU in Baden-Württemberg. Die Landräte dort fordern für Flüchtlinge eine Pflicht zu arbeiten. Es sei „auch mit Blick auf die dringend benötigte gesellschaftliche Akzeptanz wichtig, dass Geflüchtete rasch in Arbeit kommen, hilfsweise auch in gemeinnützige“, verbreitete der dortige Präsident des Landkreistags, Joachim Walter (CDU). Man wolle, dass eine „Verpflichtung Schutzsuchender zur Annahme von auch gemeinnütziger Arbeit etabliert und organisiert wird“. Sinnvoll seien dabei auch Angebote zum weiteren Spracherwerb. Auch das wurde in der CSU gelesen.

Zudem fordern die Landräte im Südwesten erneut eine Absenkung der Standards bei der Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen – auch bei älteren unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Außerdem müssten die deutschen Sozialleistungen für Schutzsuchende europaweit harmonisiert werden. Dazu gehöre, neuen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz statt des Bürgergelds zu zahlen.

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Boris Palmer über Zuwanderung - „Wir können nicht dauerhaft Politik gegen zwei Drittel der Bevölkerung machen“

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Jan-Philipp Strobel/dpa

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Jan-Philipp Strobel/dpa© Jan-Philipp Strobel/dpa

Über Deutschlands Asylpolitik wird aktuell wieder hitzig diskutiert. Nun hat Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer einen langen Beitrag auf Facebook veröffentlicht. Er sagt: „Wir sind am selben Punkt wie im Herbst 2015.“

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) hat sich auf Facebook in einem langen Beitrag zur Flüchtlingssituation in Deutschland geäußert: Wer sich unter Bürgermeistern und Landräten umhöre, ernte Kopfschütteln.

Der ehemalige Grünen-Politiker erklärt, für wie ernst er die Lage hält. Palmer ist überzeugt: „Man kann nicht dauerhaft Politik gegen zwei Drittel der Bevölkerung machen.“ Lesen Sie hier den gesamten Text, den der OB auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat:

„Man kann nicht dauerhaft Politik gegen zwei Drittel der Bevölkerung machen“

„Wir sind wieder am selben Punkt wie im Herbst 2015. Wer mit Bürgermeistern und Landräten spricht, erlebt überall nur noch Kopfschütteln. Ich kenne niemand mehr, der vor Ort Verantwortung trägt, und die ungesteuerte Zuwanderung für richtig und die Folgen für die Kommunen für tragbar hält.

OB Richard Arnold und Alt-Bundespräsident Gauck haben es im ZDF und im Spiegel in aller Klarheit gesagt: Die Zuwanderung muss wirksam begrenzt und gesteuert werden.

Allein die Tatsache, dass nun auch die Leitmedien bereit sind, das zu veröffentlichen, ohne es durch moralisierende Durchhalteappelle oder diskreditierende Anmerkungen sofort zurückzuweisen, zeigt mir sehr deutlich, was die Stunde geschlagen hat.

Auch den härtesten Verteidigern offener Grenzen dämmert langsam, dass man nicht dauerhaft gegen zwei Drittel der eigenen Bevölkerung Politik machen kann. Natürlich kann man auch weiterhin 300.000 Migranten oder mehr pro Jahr aufnehmen. Man muss dann nur der Bevölkerung sagen, was das bedeutet: Im Wohnungsbau besteht keine Chance, mit dem Bedarf Schritt zuhalten.

“Für Menschen mit kleinem Geldbeutel bleibt nichts übrig"

Bezahlbarer Wohnraum wird vorab an Migranten vergeben, für Menschen mit kleinem Geldbeutel, die dafür hart arbeiten, bleibt nichts übrig. Zeltstädte, Containerdörfer und belegte Turnhallen werden auch für die Migranten bald nicht mehr zu vermeiden sein. In den Kitas gibt es keine freien Plätze und kein Personal.

Solange Kinder von Migranten den gleichen Rechtsanspruch wie alle anderen auf Betreuung haben, heißt das: Langes Warten für viele berufstätige Eltern auf einen Platz und verkürzte Öffnungzeiten. In den Schulen steigt der Anteil der Kinder, die kein Deutsch sprechen stark an. Dafür sinkt das Leistungsniveau immer weiter ab.

Die Zahl der Abgänger ohne Abschluss hat sich in einem Jahrzehnt in BW fast verdoppelt. Je mehr Migrantenkinder in die Schulen kommen, um so weiter steigt die Überforderung, weil qualifiziertes Personal zur Förderung all dieser Sonderbedarfe nicht mehr zu finden ist.

In der Jugendhilfe verursachen die unbegleiteten Minderjährigen enorme Kosten, ein „Systemsprenger“ bis zu 50.000 Euro im Monat, der Stellenbedarf wächst gigantisch, auch hier kein Personal mehr zu finden. Aus traumatisierten jungen Männern werden ohne engmaschige Betreuung allzuoft Gewalttäter. Der Staat kann die Menschen davor nicht mehr schützen.

„Wer es zu uns schafft, hat ein besseres Leben“

Tödliche Messerattacken nehmen zu. In den Haushalten der Kommunen sind tiefe Löcher absehbar. Die Kosten für Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten werden nach offiziellen Angaben 30 Milliarden Euro im Jahr 2023 erreichen. Die Kreisumlagen stehen vor einem dramatischen Sprung nach oben. In der Vergangenheit konnten alle Leistungen für Migration aus Überschüssen finanziert werden.

Das ist vorbei, wir stehen vor tiefen Einschnitten in kommunale Leistungen, die alle spüren werden, nicht aber die Migranten, weil deren Ansprüche bundesrechtlich fixiert sind. Es lässt sich gut argumentieren, dass das alles geringfügige Einschränkungen sind, im Vergleich zur Lebenslage der Menschen, die bei uns Asyl beantragen.

Der Großteil der Welt ist sehr viel ärmer als Deutschland. Wer es zu uns schafft, hat ein besseres Leben. Man kann also die bisherige Politik fortsetzen, aber man muss dann auch über die Folgen sprechen und mit den Konsequenzen leben. Ich bekenne offen: Ich bin nicht dazu bereit, diese Folgen zu tragen.

Ich befürchte, dass sie unser Land so weit destabilisieren und in eine Abwärtsspirale zwingen würden, dass wir ohnehin keine Hilfe mehr leisten würden. Ich teile die Auffassung von Joachim Gauck, dass eine Begrenzung der Zuwanderung nicht verwerflich und politisch geboten ist. Ich will zurück zum Wortlaut des Grundgesetzes. Wer politisch verfolgt ist, genießt Asyl.

„Diese Gleichung können wir beeinflussen“

Wer über einen sicheren Drittstaat einreist, hat kein Anrecht auf Schutz in Deutschland. So steht es dort. Darüber hinaus können wir direkte Hilfe durch großzügige Kontingente für die Länder und Menschengruppen definieren, die Hilfe am dringendsten brauchen. Wir können nicht allen helfen.Und wie man das realpolitisch erreichen kann?

Die Mittelmeerroute wäre ganz schnell geschlossen, wenn die Marine alle Flüchtlinge rettet, so das dort niemand mehr ertrinkt, und wieder nach Afrika zurück bringt. Dort könnte Europa eine offene Unterbrinung aufbauen, in der man ernährt wird und jederzeit die Heimreise ins Herkunftsland antreten darf, sich also völlig frei bewegen kann.

Wenn Deutschland selbst handeln muss, weil Europa sich nicht einig wird, dann kann für alle Geflüchteten, die nicht anerkannt sind, das Sachleistungsprinzip eingeführt werden. Nur noch wenige Euro Taschengeld, Verpflegung, Kleidung und Unterkunft nur noch in von den Ländern betriebenen Einrichtungen ausreichender Größe.

Das würde sofort auf alle wirken, die ohne Aussicht auf Anerkennung den Aufenthalt in Deutschland erreichen wollen. Es ist nicht wahr, dass Europa und Deutschland gar nicht in der Lage sind, die Kontrolle über die Lage zurück gewinnen.

Die Menschen machen sich auch nicht „einfach auf den Weg“, sondern sie wägen nüchtern ab, welches Risiko sie eingehen und welche Chancen sie haben. Diese Gleichung können wir beeinflussen. Und ich meine, wir müssen das nun auch tun."

Länder und Kommunen senden Warnungen

Aus Ländern und Kommunen waren zuletzt zunehmend dramatische Warnungen vor einer Überlastung gekommen.

Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über 204 000 Erstanträge auf Asyl - ein Plus von 77 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Außerdem kommt noch hinzu, dass infolge des russischen Angriffskriegs mehr als eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland Schutz suchten, die keinen Asylantrag stellen müssen.

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Dieser Plan könnte funktionieren

Was tun, wenn 350.000 Geflüchtete um Asyl bitten? Sichere Drittstaaten suchen, hiesige Grenzen sichern, Richtgrößen definieren: Mut und Fantasie sind gefragt, damit das Liberale an der Demokratie nicht noch mehr bröckelt.

Jetzt ist sie wieder in vollem Gange, die Debatte übers Asyl. Mit neuem Ernst und Tatendrang und der Ahnung, wie ungemein schwer es fallen wird, die Zahl der Geflüchteten zu reduzieren.

350.000 Menschen aus vielen Ländern werden sich in diesem Jahr voraussichtlich dafür bewerben, hier leben zu dürfen. Dazu kommen 1,1 Millionen Menschen aus der Ukraine, die Sonderrechte genießen.

Experten sagen, dass die hohe Zahl der Geflüchteten einem Post-Corona-Effekt geschuldet sei – und natürlich auch der Not in vielen Staaten dieser Erde. Die Menschen kommen aus Somalia und Mali, aus Kolumbien und VenezuelaSyrien, dem Irak und Afghanistan.

Das Mitgefühl der Deutschen nimmt ab

Mehr als fünf Millionen Menschen haben allein Afghanistan nach der Wiederkehr der Taliban verlassen. Deutschland ist für viele von ihnen das gelobte Land. Dass die Regierung Merkel im Jahr 2015 die Moralität ihrer Denkungsart unter Beweis stellte, trägt wesentlich zur Anziehungskraft bei.

Was tun? Im neuen "Spiegel" wird eine Umfrage zitiert, wonach 84 Prozent der Deutschen der Meinung sind, dass zu viele Geflüchtete nach Deutschland kommen, und 82 Prozent glauben nicht, dass Politik und Verwaltung die Krise meistern könnten. Die Moralität der Denkungsart, gegenüber den Geflüchteten aus der Ukraine erneut bewiesen, ist mächtig auf dem Rückzug.

Die Empathie sinkt mit der Angst vor Kontrollverlust. Und die Desillusion, dass der Staat die Kontrolle zurückgewinnen kann, gründet auf Erfahrung. Denn seit vielen Jahrzehnten kreisen die Vorschläge der Parteien immer schon um den Kampf gegen die Schleuserbanden, die Ausweisung nicht anerkannter Asylbewerber und die verschärfte Sicherung der Grenzen als Mittel zur Entlastung der herrschenden Verhältnisse.

Jeder weiß: Es kann nicht so bleiben, wie es ist

Bisher war es so, dass es ohne Zutun der jeweiligen Bundesregierung ein Auf und Ab der Asylbewerberzahlen gab. Nun aber stellt sich die Frage, ob die liberale Demokratie, die ohnehin durch schwierigste Debatten über Klima und Ukraine-Krieg und Inflation ramponiert ist, so liberal bleiben kann, wie wir es gewohnt waren, wenn die Asylpolitik das Land zusätzlich spaltet und wiederum der AfD die Segel füllt.

Früher hießen es populistisch: "Das Boot ist voll". Heute redet Markus Söder (CSU) über Integrationsgrenzen, wofür er die Zahl 200.000 aufführt, die er im Nachtrag allerdings zur Richtgröße aufweicht. Und natürlich sind die Bürgermeister und Oberbürgermeister ans Limit gekommen oder auch schon darüber hinaus. Sie sollen ja für Unterkünfte und Schulen und Kitas und medizinische Versorgung sorgen.

Überhaupt ist es so, um mal etwas Positives zu sagen, dass derzeit Vorschläge und Ideen die Runde machen, über die man ohne Schaum vor dem Mund diskutieren kann. Altbundespräsident Joachim Gauck rechtfertigt neues Denken, er vermag "Spielräume zu entdecken, die uns zunächst unsympathisch sind, weil sie inhuman klingen". Denn dass es nicht bleiben kann, wie es ist, weiß so ziemlich jeder und gibt es auch zu.

Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention?

Den am weitesten gehenden Vorschlag unterbreitet der CDU-Abgeordnete Thorsten Frei. Er empfiehlt, das deutsche Asylrecht radikal umzubauen, wodurch aus dem individuellen Recht eine Institutsgarantie würde. Die Konsequenz wäre, dass die Europäische Union pro Jahr 300.000 bis 400.000 Schutzbedürftige direkt aus dem Ausland aufnimmt und auf die Mitgliedsstaaten verleiht. Natürlich wäre heute schon gesichert, dass weder Polen noch Ungarn ein Kontingent aufnehmen wollen würde, und deshalb sollten sie sich nach dem Frei-Plan davon mit Geld freikaufen können.

Die Begründung für den Vorschlag ist der trostlose Umstand, dass schätzungsweise 26.000 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken sind und mindestens genau so viele auf dem Weg durch die Sahara ihr Leben verloren. Wer kein Herz aus Stein hat, den lässt diese Menschentragik nicht kalt.

Freis Vorschlag leidet allerdings darunter, dass er nicht im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention steht. Außerdem ist das Problem viel zu komplex, um monokausal gelöst zu werden.

"Recht auf Asyl, nicht auf Migration"

Zahllose deutsche TV-Talkshows, zuletzt am Sonntag mit Anne Will, haben sich mit den real existierenden Verhältnisse in Lampedusa oder Moria, im Mittelmeer und der Sahara beschäftigt. Mich hat am meisten ein Mann beeindruckt, der enorm kompetent und ohne Tamtam seine Auffassungen vertritt. Er heißt Gerald Knaus und ist ein österreichischer Migrationsforscher.

Von ihm stammt einer der wenigen klärenden Sätze in der Kakophonie von halbgaren Meinungen. Knaus sagte im Interview mit dem "Spiegel": "Es gibt ein Recht auf Asyl, aber nicht auf Migration." So sagt es übrigens auch die Flüchtlingsorganisation der Uno, UNHCR.

Das Institut, das Knaus leitet, hat das Abkommen der Europäischen Union mit der Türkei ausgearbeitet, das im März 2016 in Kraft trat und zur Entspannung beitrug, weil die Zahl der Flüchtlinge von einer Million (im berühmten Jahr 2015) auf 26.000 zurückging. Dieses Abkommen, so meint Knaus, müsste erneuert werden, um den gleichen Effekt wie damals vor sieben Jahren zu entfalten. Besonders Griechenland ist daran interessiert und würde Zehntausende Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen, wenn die Türkei wieder illegal von dort nach Griechenland Geflüchtete aufnähme.

Ein anderer Vorschlag, der auch in der deutschen Debatte nahegelegt wird, betrifft sichere Drittstaaten im Norden Afrikas, in die dann Menschen, die hierzulande einen Antrag auf Asyl gestellt haben, in Aufnahmezentren geschickt werden. Dänemark, von einer Sozialdemokratin regiert, geht einen Schritt weiter und will, dass anerkannte Asylbewerber dann auch dort bleiben.

Das Liberale an der deutschen Demokratie bröckelt

Am Ende wird sich die Veränderung des real angewandten Asylrechts nicht ohne unsympathische Vorschläge vollziehen, die inhuman klingen. Da Geflüchtete auch über die Route Russland/Belarus an deutsche Grenzen gelangen, geht es kaum noch ohne Schutz der Grenzen, um die Kontrolle nicht noch mehr zu verlieren.

Da das Liberale an der deutschen Demokratie bröckelt, könnten Richtgrößen definiert werden, wie viele Geflüchtete das Land verkraften kann. Damit nicht noch mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken, sollten zusätzliche Abkommen mit sicheren Drittstaaten wie Marokko geschlossen werden, in denen dann Asylverfahren stattfinden.

Auf die umsichtige Kombination von Faktoren kommt es an. Frisches Denken empfiehlt sich. Fantasie und Mut zu neuen Lösungen sind willkommen.

In zwei Wochen wählen Bayern und Hessen neue Landtage. Dass die Angst vor Kontrollverlust dabei eine Rolle spielt, ist ziemlich sicher. Hinterher wissen wir, wie groß sie ist.

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So viele Migranten reisen mit polnischen Visa ein und stellen Asylantrag

Polen hat auffällig viele Visa an Nicht-EU-Bürger vergeben, ein Teil von ihnen will dann in Deutschland Asyl erhalten. Nun gibt die Bundesregierung Einblick in die Dimension. Rücküberstellungen von unerlaubt Eingereisten nach Polen finden kaum statt.

Frankfurt (Oder): Polizisten kontrollieren den Verkehr auf der Grenzbrücke zwischen Deutschland und Polen, um illegale Einreisen zu verhindern picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Frankfurt (Oder): Polizisten kontrollieren den Verkehr auf der Grenzbrücke zwischen Deutschland und Polen, um illegale Einreisen zu verhindern picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild© Bereitgestellt von WELT

In Deutschland gibt es erste belastbare Anhaltspunkte zum Umfang der Einreisen von Asylsuchenden aus Polen, die per Visum dorthin gekommen waren. Der östliche Nachbarstaat hatte in den vergangenen drei Jahren Hunderttausende Visa an Nichteuropäer vergeben, darunter offenbar auch in unklarer Größenordnung solche, die aufgrund von Schmiergeldzahlungen an polnische Beamte ausgehändigt wurden.

Nach bisherigem Kenntnisstand der Bundesregierung lässt sich sagen, dass die Zuwanderung von Asylsuchenden mit polnischem Visum zwar deutlich über Einzelfälle hinausgeht und tendenziell zunimmt, aber kein Massenphänomen darstellt. Laut einer WELT vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD im Bundestag waren „nach Kenntnis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 1230 Personen, die im Zeitraum von Januar 2021 bis Mai 2023 einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, im Besitz eines von polnischen Behörden ausgestellten Visums“. Im Jahr 2021 seien es 273 Personen gewesen, 2022 dann 606 und im laufenden Jahr von Januar bis Mai 2023 dann 351 Personen.

Laut der Regierungsantwort werde bei hier ankommenden Asylantragstellern, die per polnischem Visum einreisten, eine sogenannte Dublin-Überstellung nach Polen geprüft. Denn nach den Regeln der Dublin-Vereinbarung ist das EU-Land für einen Asylantrag zuständig, dass der Asylsuchende als Erstes erreicht hat.

„Tag für Tag greift die Bundespolizei mehr illegale Einwanderer im Grenzgebiet zu Polen auf. Und nun bestätigt sich auch noch der Verdacht, dass Migranten mit von polnischen Behörden ausgestellten Visa nach Europa gereist sind, um dann in Deutschland Asyl zu beantragen“, sagte der Vizevorsitzende der AfD-Fraktion, Leif-Erik Holm. „Das ist eine weitere Aushöhlung unseres Asylrechts und nicht akzeptabel.“

Polen sei ein sicherer Drittstaat, die Bundesregierung müsse bei der Rücküberstellung von Asylbewerbern, die über Polen nach Deutschland gekommen sind, mehr Druck auf die polnische Regierung machen. „Und es muss jetzt endlich stationäre Grenzkontrollen geben, damit verhindert wird, dass polnische Behörden Migranten einfach durchwinken.“

Kretschmer erklärt Situation für „dramatisch“

Tatsächlich finden Rücküberstellungen nach Polen kaum statt. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2023 laut einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linkspartei im Bundestag nur 211 Personen nach Polen abgeschoben, darunter waren 136 polnische Staatsbürger und die übrigen 75 Bürger anderer Staaten. Im Jahr 2022 gab es 631 Abschiebungen ins östliche Nachbarland, darunter 270 Polen.

Diesen geringen Rückführungszahlen stehen vielfach mehr unerlaubte Einreisen über die polnisch-deutsche Grenze gegenüber. In diesem Jahr wurden sogar schon mehr als 18.000 durch die Bundespolizei dort festgestellt, wie WELT AM SONNTAG berichtet hatte. Dabei gilt es zu beachten, dass nur ein Teil der tatsächlichen unerlaubten Einreisen durch die Bundespolizei festgestellt wird, weil viele Menschen unerkannt per Auto oder Zug ankommen. Denn in jedem Jahr, auch in diesem, gibt es viel mehr Asylerstanträge als durch die Bundespolizei festgestellte unerlaubte Einreisen.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte am Sonntag erneut die Bundesregierung zur Einführung stationärer Grenzkontrollen an den östlichen Landesgrenzen auf. „Die Situation ist dramatisch“, sagte er der ARD.

Bisher gibt es neben der an allen Grenzabschnitten ablaufenden Schleierfahndung nur am Abschnitt zu Österreich auch stationäre Kontrollen durch die Bundespolizei. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte im Interview mit WELT AM SONNTAG Offenheit für solche Maßnahmen auch an den östlichen Grenzen signalisiert. „Mir geht es darum, jetzt pragmatisch zu handeln. Aus meiner Sicht ist das eine Möglichkeit, Schleuserkriminalität härter zu bekämpfen“, sagte sie auf die Frage, ob es an der polnischen und tschechischen Grenze kurzfristige stationäre Grenzkontrollen geben werde.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Wochenende in Nürnberg, man werde je nach aktueller Lage „an den Grenzen möglicherweise weitere Maßnahmen ergreifen müssen, zum Beispiel an der polnischen“.

Bereits im Mai zeigte sich die Bundesregierung zur Ausweitung der stationären Kontrollen bereit. Im Beschlusspapier des sogenannten Asylgipfels von Bund und Ländern im Bundeskanzleramt wurde festgehalten: „Lageabhängig wird der Bund das im Verhältnis zu Österreich bestehende Grenzsicherungskonzept auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands nach Konsultation mit den betreffenden Ländern der Bundesrepublik Deutschland etablieren.“

Danach folgten umgehend die Forderungen der betreffenden Länder, Brandenburg und Sachsen, ebendies umzusetzen. Wie Faesers Sprecher am Montag mitteilte, führe die Ministerin derzeit Gespräche mit Polen und Tschechien über mögliche „zusätzliche grenzpolizeiliche Maßnahmen“. Am Wochenende habe es dazu Kontakte mit dem tschechischen Innenminister und auf hoher Beamtenebene auch mit der polnischen Seite gegeben. Faeser werde „in Kürze“, noch vor dem EU-Innenministertreffen am kommenden Donnerstag, mit ihrem polnischen Amtskollegen über das Thema beraten, sodass sehr schnell zusätzliche Maßnahmen getroffen werden könnten.

Es gehe darum, im gesamten Grenzgebiet mit der Bundespolizei präsent zu sein und kontrollieren zu können, „gegebenenfalls auch schon auf der anderen Seite der Grenze, so wie wir das beispielsweise mit der Schweiz machen mit gemeinsamen grenzpolizeilichen Maßnahmen“, sagte der Sprecher. Dies prüfe man aktuell auch mit Tschechien und Polen. Ziel sei es, mehr Schleuser aufzugreifen. Er dämpfte zugleich mögliche Erwartungen. Menschen könnten nicht einfach abgewiesen werden. Wenn sie Asyl beantragten, müsse deren Antrag geprüft werden.

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Flüchtlinge: Bund und Länder sollen Flüchtlingskosten vollständig übernehmen

Es geht um Milliarden: Bund, Länder und Kommunen streiten darum, wer die Kosten für Flüchtlinge übernimmt. Städte und Gemeinden drängen auf Entlastung – und zwar komplett.

Flüchtlinge: Bund und Länder sollen Flüchtlingskosten vollständig übernehmen

Flüchtlinge: Bund und Länder sollen Flüchtlingskosten vollständig übernehmen© Sebastian Willnow / dpa

Wenn sich am Montag Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den 16 Ministerpräsidenten trifft, dürfte das Thema Migration das strittigste auf der Tagesordnung sein. Seit Monaten gibt es in der Frage, wer die Kosten für Flüchtlinge übernimmt, keine Einigung. Nun haben die Kommunen erneut Entlastung gefordert, und zwar eine vollständige. Spitzenvertreter haben Bund und Länder aufgefordert, in Zukunft für die gesamten Flüchtlingskosten aufzukommen. »Wir erwarten, dass Bund und Länder die Kosten für Unterbringung, Verpflegung und Integration der nach Deutschland geflüchteten Menschen vollständig übernehmen«, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, dem »Handelsblatt«.

»Der Bund ist verantwortlich für fehlende Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung und damit die erheblich steigenden Kosten auf kommunaler Ebene«, sagte der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager, der Zeitung. »Bezogen auf die ukrainischen Flüchtlinge steigen beispielsweise die Wohnkosten weiter an und weisen eine hohe Dynamik auf.« Ebenso stiegen die Leistungen für Asylbewerber und das vor allem in den Landkreisen. »Bund und Länder müssen diese Kosten übernehmen«, forderte Sager.

Kontroverse Debatte vorgezeichnet

Am Montag findet die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) statt. Zunächst beraten die Länderchefs allein, am Nachmittag diskutieren sie dann mit Scholz und der Bundesregierung. Die Diskussion ist festgefahren. Aus Sicht der Länder und Kommunen stiehlt sich der Bund aus der Verantwortung. Aus Sicht des Bundes stellen die Länder völlig überzogene Forderungen.

In der Frage ist eine kontroverse Debatte am Montag vorgezeichnet. In einem Entwurf für die Beschlussvorlage zum Thema Migration, der dem SPIEGEL vorliegt, heißt es bislang nur lapidar, über die Frage der finanziellen Lastenteilung bestünden unterschiedliche Auffassungen – alles Weitere solle am Montag besprochen werden.

Städte und Gemeinden erwarten beim Spitzentreffen von Bund und Ländern an diesem Montag in Berlin »eine entsprechende Zusage an die Kommunen«, wie es Verbandsvertreter Landsberg mit Bezug auf die Kostenübernahme formulierte. Dass es so konkret wird, gilt allerdings als unwahrscheinlich.

Zeigen dürfte sich allerdings, welche Fortschritte ein Treffen von Scholz mit Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) am Freitag gebracht hat. Merz war mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Kanzleramt. Die Rede war von einem »intensiven Austausch« zu vielerlei Migrationsthemen. Konkretes wurde nicht bekannt.

Die Ampel braucht die Bundesländer, aber nicht die Opposition im Bundestag, um Gesetzesvorhaben durchzubringen. Scholz hatte aber betont, dass angesichts des politisch heiklen Themas Migration ein Schulterschluss von Bund, Ländern, Kommunen und oppositioneller Union wünschenswert sei. Danach sieht es bisher jedoch nicht aus.

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