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News aus der EU

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Internetwirtschaft: Forderung der EVP: Die EU soll Google, Amazon und Co. strikter besteuern

 

Die größte Fraktion im Europaparlament fordert globale Lösungen für die Besteuerung der Digitalriesen. Die Kompromissbereitschaft der USA unter Präsident Biden könnte hilfreich sein.

Die EU-Kommission soll sich stärker dafür einsetzen, dass Internetgiganten wie Google, Facebook, Apple oder Amazon weltweit einheitlich besteuert werden. Das fordert die größte Fraktion im Europäischen Parlament, die Europäische Volkspartei (EVP). „Wir brauchen einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die Besteuerung von Digitalkonzernen auf der Ebene der G20 oder der OECD. Wenn das nicht klappt, brauchen wir zumindest einen Vorschlag der Kommission auf EU-Ebene“, sagte der EVP-Binnenmarktsprecher Andreas Schwab am Donnerstag in Brüssel. „Wir benötigen ein faires und globales Steuersystem in einer globalisierten und digitalisierten Welt.“

Ähnlich äußerte sich auch der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber (CSU): „Wir brauchen dringend eine globale Lösung für die Besteuerung der digitalen Welt. Die Mitgliedstaaten und die Kommission müssen diese bei der OECD mutig vorantreiben.“

Schwab, ein einflussreicher Europaabgeordneter, sieht angesichts des Regierungswechsels in den USA durchaus Chancen für einen transatlantischen Kompromiss bei der Besteuerung von Big Tech. „Der Druck auf die großen Marktplattformen ist enorm. Deshalb sind die Chancen, mit den Amerikanern zu einer Position zu kommen, größer als zuvor“, sagte der CDU-Politiker in Anspielung auf die scharfe Kritik am Verhalten der Internetgiganten auf beiden Seiten des Atlantiks.

Schwab schlägt zudem vor, bisherige Regelungen zu beseitigen, damit die einzelnen Länder von den Internetkonzernen nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden können. „Jeder Digitalkonzern soll dort besteuert werden, wo er seine Geschäfte macht“, fordert der EVP-Binnenmarktsprecher. Bislang nutzen die Internetgrößen weltweit Steueroasen oder Länder mit massiven Steuervorteilen, um die Abgaben auf ein Minimum zu beschränken. In der EU sind das insbesondere Irland, Luxemburg und die Niederlande.

Die EVP unterstützt das umfassende Vorhaben der Kommission, in der digitalen Wirtschaft für einen gerechteren Wettbewerb zu sorgen. „Wir können als Europäer digital nur erfolgreich sein, wenn wir einen gemeinsamen Standpunkt vertreten“, sagte Schwab. Im Dezember hatte die EU-Kommission mit der Vorstellung des Digital Markets Act (DMA) und des Digital Services Act (DSA) Vorschläge präsentiert, die den Handlungsspielraum der großen Digitalunternehmen stark einschränken.

Die Konzerne sollen mehr Verantwortung für die Inhalte auf ihren Plattformen übernehmen, kleineren Wettbewerbern mehr Raum lassen und sich zugleich einer strengeren Aufsicht unterwerfen. Bei Verstößen drohen hohe Geldbußen, und im äußersten Fall droht die Zerschlagung. Die EU will damit eine weltweite Vorreiterrolle bei der Regulierung der mächtigen Tech-Riesen einnehmen. „Mit den Vorschlägen organisieren wir unseren digitalen Raum für die nächsten Jahrzehnte“, sagte der französische Binnenmarktkommissar Thierry Breton.

Katalog für Gatekeeper

DMA sieht einen Pflichtenkatalog speziell für sogenannte Gatekeeper-Plattformen vor, die wegen ihrer zentralen Rolle und Marktmacht anderen die Spielregeln diktieren können. Als Gatekeeper will die Kommission Unternehmen einstufen, die mindestens 6,5 Milliarden Euro Umsatz in Europa erwirtschaften, eine Marktkapitalisierung von durchschnittlich 65 Milliarden Euro im vergangenen Finanzjahr hatten und mindestens 45 Millionen aktive Nutzer monatlich haben.

Schwab setzt sich für eine schnelle Umsetzung der neuen EU-Digitalordnung ein. Bis Juni will die Kommission ihre detaillierten Vorschläge machen, denen die Mitgliedstaaten und das Europaparlament dann noch zustimmen müssen. Der Europapolitiker sieht gute Chancen, DMA und DSA noch in diesem Jahr zu verabschieden: „Wir haben sechs Jahre auf den Vorschlag der Kommission warten müssen und sollten daher noch in diesem Jahr zu Ergebnissen kommen.“

Doch er sieht auch einen sehr grundsätzlichen Nachbesserungsbedarf. „Die Werte der Sozialen Marktwirtschaft müssen auch in die digitale Wirtschaft einfließen“, fordert der EVP-Binnenmarktsprecher. „Die Regeln müssen klar und leicht für die Unternehmen anwendbar sein. Sie sollen nicht in jedem Fall vom Europäischen Gerichtshof überprüft werden.“

Schwab warnt davor, leichtfertig Verbote festzulegen. Als Beispiel nennt er, etwa bei der Produktsuche die Bevorzugung eigener Angebote auf der Website generell zu untersagen, auch für kleinere Anbieter. So könne eine neue Konkurrenz für Google und Amazon gar nicht erst entstehen. Im Digital Markets Act ist bislang vorgesehen, derartigen Praktiken einen Riegel vorzuschieben. Die Gatekeeper sollen nach den Plänen der Kommission ihre eigenen Dienste nicht mehr prominenter anzeigen als konkurrierende Angebote.

Plattformen müssen Umsätze von Verkäufern melden

Verschärfen will die EU auch die Besteuerung von Onlinehändlern. Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments beschloss am Montag mit großer Mehrheit die Überarbeitung der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung, wie das Parlament am Donnerstag bekanntgab. Eine endgültige Abstimmung im Plenum wird voraussichtlich im März stattfinden.

Erstmals müssen digitale Plattformen die Steuerbehörden automatisch über die Umsätze und Gewinne von Verkäufern auf ihren Plattformen informieren. „Der Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung muss auch im digitalen Bereich klappen. Die Plattformökonomie ist ein zentraler Faktor für die Besteuerung der digitalen Welt. Es ist ein wichtiger und richtiger Schritt, diese nun in den Anwendungsbereich der Amtshilferichtlinie zu ziehen“, sagte der wirtschaftspolitische EVP-Sprecher Ferber.

„Der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung ist auch im Internet eine wichtige Priorität.“ Auf den internationalen Plattformen hätten bislang Verkäufer viele Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung und -vermeidung gehabt, kritisierte der Europapolitiker.

 

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Brexit: Ein Fehler der EU spielt Boris Johnson in die Hände

 

Großbritannien und die EU ringen um Nordirland und die beim Brexit getroffenen Vereinbarungen. Jetzt steht das Nordirland-Protokoll infrage.

Der Ärger um Nordirland geht in die nächste Runde. In dieser Woche wollen die Europäische Union und die britische Regierung noch einmal versuchen, Lösungen für den stockenden Handel zwischen Großbritannien und der Provinz Nordirland zu finden. Denn nach dem Austritt aus der EU mit einem Abkommen setzt sich der Streit fort: Das mühsam ausgehandelte Nordirland-Protokoll, seit Jahresbeginn in Kraft, wird wieder infrage gestellt.

Eine weitere Eskalation sollen nun Maroš Šefčovič und Michael Gove verhindern. Der Vizepräsident der EU-Kommission und der britische Minister, der für die Umsetzung des Protokolls zuständig ist, wollen in London eine Lösung für die Schwierigkeiten finden. Das Problem: Die EU hat das Gefühl, dass die Briten daran nicht interessiert sind. In einem Brief an die EU-Kommission schrieb Gove vergangene Woche: "Was wir jetzt brauchen, sind politische, keine technischen Lösungen."

Laut der geltenden Vereinbarung gelten für Nordirland weiter Regeln von EU-Binnenmarkt und Zollunion. Damit soll verhindert werden, dass zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Landesteil Nordirland eine harte Grenze mit Kontrollen entsteht, durch die alte Konflikte wieder aufflammen könnten.

Damit gehört die Provinz Nordirland faktisch zur EU-Zollunion und zum EU-Binnenmarkt. Premierminister Boris Johnson hatte es mit der EU so ausgehandelt und den Briten als "fantastischen Deal" verkauft.

Johnson will das Nordirland-Protokoll aufweichen

Jetzt aber wird die Wirtschaft auf beiden Seiten der Irischen See mit den Konsequenzen der neuen Zollgrenze nicht fertig. Nicht nur die großen Einzelhändler, sondern vor allem der Mittelstand verzweifelt an der Flut neuer Zollbescheinigungen, Gesundheitszeugnisse und Grenzkontrollen. Zudem stört die Wirtschaftsgrenze die nordirischen Unionisten, die auf wirtschaftlicher und politischer Einheit mit dem britischen Festland bestehen.

Johnson spekulierte wohl darauf, das Nordirland-Protokoll im Nachhinein aufweichen oder kippen zu können. Denn das bereitet die britische Regierung derzeit mithilfe der Unionisten vor. Dabei kommt Großbritannien ein Fehler der EU-Kommission gelegen. Diese drohte am 29. Januar, Artikel 16 des Nordirland-Protokolls zu ziehen. Der Artikel erlaubt es der EU oder der britischen Regierung, Teile des Protokolls auszusetzen, wenn es Handelsströme gefährdet.

Die EU-Kommission drohte, Exportgenehmigungen für Impflieferungen aus der EU nach Belfast zu verlangen. Die waren aber gar nicht erforderlich, weil Belfast im Warenhandel als Teil des EU-Binnenmarktes angesehen wird. EU-Präsidentin Ursula von der Leyen versuchte, den Fauxpas einzufangen. Šefčovič entschuldigte sich bei Gove und Arlene Foster, der Vorsitzenden der nordirischen Unionist-Partei DUP.

Es half nichts: Die EU hatte der britischen Regierung die moralische Rechtfertigung gegeben, ihrerseits zurückzuschlagen. Wenn die Kommission Artikel 16 als Drohgebärde in den politischen Werkzeugkasten legt, kann London sie auch benutzen.

Die britische Regierung zieht "alle Möglichkeiten" in Betracht

Gove sagte, in Nordirland sei man "schockiert und wütend" über das Verhalten der EU-Kommission. Das habe die Umsetzung des Nordirland-Protokolls "unterminiert". Sollten innerhalb einer Woche die Handelsbeschwerden nicht gelöst werden, werde die britische Regierung "alle Möglichkeiten" in Betracht ziehen.

Einen Tag später sagte der britische Premier im Unterhaus, im Zweifel werde London zu juristischen Mitteln greifen oder Artikel 16 selbst ziehen, damit es "keine Hürden in der Irischen See" gebe. Am Wochenende bestätigte die britische Generalstaatsanwältin Suella Braverman dem Sunday Telegraph, dass Johnson recht habe, wenn er sich nicht von der EU "herumkommandieren" lasse und drohe, Artikel 16 anzuwenden.

Gleichzeitig veröffentlichte der Telegraph einen Gastbeitrag von Professor Vernon Bogdanor vom Londoner King's College. Darin plädiert er für eine Notlösung, um das Nordirland-Protokoll zu kippen. Im Jahr 2024 soll das Parlament in Nordirland darüber abstimmen. Dieses Votum könne in das kommende Jahr vorgezogen werden, wenn es Wahlen zur Nordirland-Versammlung gebe und der politische Druck groß genug sei.

Der Druck wird bereits aufgebaut. In Nordirland tauchten Graffiti mit der Drohung auf: "Zielscheibe: Grenzposten und Grenzpersonal in Larne und Belfast". Es bezog sich auf Personal, das in den Häfen in und um Belfast die Waren aus Großbritannien im Sinne der EU-Bestimmungen kontrollieren muss. Maskierte Männer hätten die Autokennzeichen der Beamtinnen und Beamten bereits notiert, hieß es. Das Personal wurde zeitweilig abgezogen.

Gleichzeitig vergeht kaum ein Tag, an dem Foster von der DUP das Nordirland-Protokoll nicht als "Desaster" bezeichnet. Am Wochenende warnte auch der Vorsitzende der aggressiveren Progressive Unionist Party, die Miliz der Unionists werde zwar nicht eingreifen, aber wenn die EU nicht zuhöre, komme im Zweifel eine neue Generation, die einschreiten werde.

Die Positionen der EU und Großbritannien sind weit voneinander entfernt. Gove hatte in seinem Brief verlangt, Übergangsfristen bis zum 1. Januar 2023 zu verlängern. Das würde bedeuten, dass Sonderregelungen, die derzeit noch befristet für den vereinfachten Handel von Supermärkten gelten, zwei Jahre lang auf alle Unternehmen im Handel angewendet werden.

Es hieße, dass Nordirland nun doch gekühlte Fleischprodukte aus Großbritannien einführen darf. Großbritannien könnte Pflanzen, Saatgut, organische Produkte, Medizin, Stahl und Haustiere importieren, ohne Formalitäten, Quoten oder Gesundheitsprüfungen. Damit würden zahlreiche Regeln des Binnenmarktes außer Kraft gesetzt. Die EU hatte mit London deshalb extra vereinbart, dass die Sonderregelungen nicht verlängert werden sollen.

"Es ist einfach alles Mist"

Im Prinzip forderte Gove eine offene Grenze in der Irischen See in den EU-Binnenmarkt hinein. Die EU lehnte ab. Schließlich ist das gemeinsame Komitee, das diese Woche tagt, dafür da, diese Probleme auf technischem Wege auszutarieren. Zudem hatten EU und britische Regierung im Rahmen des Nordirland-Protokolls Lösungen vereinbart, die den Handel erleichtern sollten. Voraussetzung dafür war, dass Großbritannien der EU vom 1. Januar an Zugang zu seinen Handelsdaten gewähren sollte, was aber nicht passierte.

Es gibt zahlreiche solcher Beispiele. Der Irland-Korrespondent Tony Connelly von RTE schrieb kürzlich: "In Brüssel und Dublin besteht die Sorge, dass Johnson und die DUP die politischen Spannungen im Moment ausnutzen, um das Nordirland-Protokoll zu unterminieren, was die DUP ohnehin immer ablehnte, Johnson aber aushandelte und absegnete."

Die Hardliner, die in der Konservativen Partei den Ton angeben, fordern nun, das Ergebnis zu kippen, das sie selbst mit verhandelt haben. Sie wollen Artikel 16 ziehen, weil sie die Folgen ihres harten Brexits nicht akzeptieren wollen. Der Abgeordnete Ian Duncan Smith drückt es so aus: "Die Realität ist, dass es sich hier nicht um Anfangsschwierigkeiten handelt. Nordirland wird nicht mehr richtig beliefert und Unternehmen fangen an, ihr Geschäft in die Republik Irland zu verlagern. Es ist einfach alles Mist."

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Im „Elfenbeinturm“ des Berlaymont: Ist Ursula von der Leyens nächster großer Fehler einer zu viel?

 

Die Kommissionspräsidentin steht wegen des schleppenden Impfstarts aus Deutschland unter Feuer. Auch in Brüssel hat sie mit Problemen zu kämpfen.

In der kommenden Woche wird Ursula von der Leyen sich in der Plenarsitzung des Europaparlaments erklären. Das Hinterherhinken der EU bei den Impfungen gegenüber den USA und Großbritannien, die Abläufe bei den Vakzin-Bestellungen im vergangenen Jahr, die Produktionsengpässe der Hersteller in der EU - all das werden voraussichtlich Fragen sein, denen sich die Präsidentin der EU-Kommission wird stellen müssen.

Dass nicht alles rund gelaufen ist in der entscheidenden Phase der Bestellungen im vergangenen Jahr, ist ein häufig vorgebrachter Vorwurf. Vor allem seit der Hersteller Astrazeneca einen enormen Ausfall bei den Lieferungen bekanntgab, ist die Enttäuschung in der Öffentlichkeit groß.

Drastisch war die Wortwahl, zu der Vizekanzler Olaf Scholz im Corona-Kabinett griff. Dort hatte der SPD-Kanzlerkandidat gepoltert, die Impfstoffbestellung durch die EU-Kommission sei "scheiße gelaufen".

Man kann nicht unbedingt sagen, dass derartige Äußerungen aus Berlin in Brüssel ein politisches Erdbeben auslösen. "Man darf die Debatte in Deutschland nicht mit der europäischen Debatte verwechseln", heißt es in EU-Diplomatenkreisen.

Beim Treffen der Botschafter der 27 EU-Staaten gab es in der zurückliegenden Woche kein einziges Land, aus dem Kritik an der Impfstrategie der EU zu hören war. Vor allem kleinere Staaten wie Griechenland, Slowenien, Kroatien und Malta sind froh, dass seit Ende des vergangenen Jahres überhaupt Impfstoff zur Verfügung steht.

Von der Leyen: Man hätte früher über Produktion nachdenken müssen

Dennoch weiß von der Leyen, dass sie zur Rechenschaft verpflichtet ist - zumal beim Impftempo wohl auch in den kommenden Wochen immer wieder einmal der Vergleich mit den USA und Großbritannien gezogen werden wird.

Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung"  gab sie daher jüngst selbstkritisch zu, dass man im vergangenen Jahr neben der Frage der Impfstoff-Entwicklung parallel auch über die "Herausforderungen der Massenproduktion" hätte nachdenken müssen. "Neue Lieferketten aufbauen, die Fertigung hochfahren: Das hätten wir früher machen können", sagte sie.

Auch die schwerfälligen Entscheidungsabläufe innerhalb der EU hält die Kommissionschefin für kritikwürdig. Der Hintergrund: Die britische Regierung von Premierminister Boris Johnson schloss bereits im Mai 2020 einen Vertrag mit Astrazeneca ab, die EU erst im folgenden August. Von der Leyen sagte nun: "Natürlich, ein Land kann ein Schnellboot sein, und die EU ist mehr ein Tanker."

Damit richtete sie den Blick auf ein Problem bei der Impfstoffbestellung, für das ihre Kommission nicht allein verantwortlich ist. Denn einerseits drängte die Kommissionschefin im vergangenen Jahr darauf, dass die Brüsseler Behörde die Versorgung sämtlicher EU-Staaten mit Vakzinen sicherstellen müsse. Aber im so genannten Brüsseler Lenkungsausschuss, der anschließend eingerichtet wurde, redeten auch sämtliche EU-Staaten mit. Und dabei ging viel Zeit ins Land.

Das gilt insbesondere für die Bestellung von mRNA-Impfstoffen wie das Vakzin von Biontech/Pfizer: Während Deutschland sich für eine schnelle Bestellung einsetzte, waren andere Länder anfangs zurückhaltend. Bedenken gegen einen groß angelegten Einsatz von mRNA-Impfstoffen, die vergleichsweise teuer sind, kamen unter anderem aus Bulgarien und Polen.

SPD in Brüssel gegen Untersuchungsausschuss

Aus der Sicht von Tiemo Wölken, des gesundheitspolitischen Sprechers der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, muss vor der "Aufarbeitung der Fehler" bei der Impfstoffbestellung zunächst einmal die Versorgung der Europäer mit Impfstoff sichergestellt werden.

"Es wäre derzeit fehl am Platz, den Rücktritt von Frau von der Leyen zu betreiben", sagte er dem Tagesspiegel. Die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, wie er bei den Liberalen im Europaparlament erwogen worden war, hält Wölken "nicht für das richtige Mittel".

Auch der Fraktionschef der Liberalen im Europaparlament, der Rumäne Dacian Ciolos, verzichtete in der zurückliegenden Woche nach einem Gespräch mit der Kommissionschefin darauf, die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zu erheben.

Er forderte lediglich, dass sämtliche Verträge der EU mit den Pharmakonzernen über die Lieferung der Vakzine veröffentlicht werden müssten. Bislang ist der Öffentlichkeit nur die Abmachung mit Astrazeneca - teilweise geschwärzt - zugänglich.

Die Kommissionschefin galt nicht als Wunschkandidatin des EU-Parlaments

Aus dem Schneider ist von der Leyen in Brüssel damit allerdings noch nicht. Auffällig ist, dass sich auch in ihrer eigenen Parteienfamilie, der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), die Solidaritätsbekundungen für die CDU-Politikerin in Grenzen halten. Zwar verteidigte der EVP-Fraktionschef im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), jüngst die Idee der gemeinsamen europäischen Impfstrategie "voll und ganz".

Aber auch in der EVP hat von der Leyen immer noch mit dem Makel zu kämpfen, dass sie 2019 nach der Europawahl bei der Besetzung des Brüsseler Spitzenpostens nicht als Wunschkandidatin des EU-Parlaments galt. Statt dessen waren es in erster Linie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewesen, die ihr zu dem Chefposten verholfen hatten.

Einsame Entscheidungen der Behördenchefin

Vor diesem Hintergrund wird auch jeder Fauxpas von der Leyens in Brüssel ganz besonders kritisch beäugt. So standen denn auch in der EU-Hauptstadt in den letzten Tagen weniger die Versäumnisse bei der Beschaffung der Impfstoffe im Fokus, sondern der Führungsstil von der Leyens.

Zwar ging es im weiteren Sinne auch um die Vakzine und den Hickhack mit Großbritannien in Sachen Astrazeneca. Aber der eigentliche Grund der Aufregung lag darin, dass die Kommission zwischenzeitlich Impfstoff-Exportkontrollen zwischen Irland und Nordirland erwogen hatte.

Das Thema ist sensibel, denn schon während der Brexit-Verhandlungen hatten Kontrollen auf der Grünen Insel als Tabu gegolten. Der Vorwurf an von der Leyen lautet nun, die Export-Kontrollen für Impfstoffe erwogen zu haben, ohne den irischen Premierminister Micheal Martin nach seiner Meinung gefragt zu haben.

Anschließend bedauerte von der Leyen den Schnitzer. Dennoch trifft sie der Vorwurf, in der Brüsseler Behörde allzu oft einsame Entscheidungen zu treffen und sich nicht genügend mit den übrigen Kolleginnen und Kollegen im Kommissarskollegium abzusprechen.

Von der Leyen, die in Brüssel geboren wurde, konnte es im vergangenen Jahr auch als großen persönlichen Erfolg verbuchen, dass sich die Europäer in der Krise auf einen Corona-Wiederaufbaufonds mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro einigten. Aber jetzt, in der Debatte über die Versäumnisse bei der Vakzin-Beschaffung, werden wieder alte Vorbehalte laut.

Einer lautet, dass sie sich zu oft in ihren "Elfenbeinturm" im Brüsseler Berlaymont-Gebäude zurückziehe und dort ohne allzu große Einbindung der übrigen Kommissare agiere. Am kommenden Mittwoch, wenn sie vor dem Europaparlament spricht, wird sie in jedem Fall den "Elfenbeinturm" verlassen.

 

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Impfstreit in der EU: Corona-Vakzine werden in mindestens 21 Länder exportiert

 

Impfstoff ist knapp in der EU. Dennoch exportieren Unternehmen aus der EU in zahlreiche Länder außerhalb zum Beispiel nach Großbritannien und in die USA.

Die Einführung der umstrittenen Exportkontrollen der EU für Corona-Impfstoffe hat in der Praxis bisher nicht zu einem Ausfuhrstopp geführt.

Wie das ARD-Europastudio in Brüssel am Montag unter Berufung auf die EU-Kommission berichtete, wurden alle 37 Exportanfragen, die zwischen dem 30. Januar und dem 10. Februar an die EU gestellt wurden, bewilligt. Am 30. Januar war der sogenannte "Transparenz-Mechanismus" in Kraft getreten.

Die 37 genehmigten Exporte gingen oder gehen dem Bericht zufolge in insgesamt 21 Länder, darunter die USA, Großbritannien, China, Japan, Kanada und Australien. Damit gehen auch Impfdosen auch an Länder, in denen selbst Corona-Vakzine hergestellt werden.

Angaben zu den exportierenden Unternehmen sowie zur Menge der ausgeführten Impfstoffe machte die EU-Kommission unter Verweis auf die teilweise Vertraulichkeit der Daten laut ARD nicht.

Zahlreiche Länder von Genehmigungspflicht ausgeschlossen

Die tatsächliche Liste der Staaten, in die Impfstoffe aus der EU exportiert werden, dürfte dem Bericht zufolge noch deutlich länger sein. Zahlreiche Länder sind von der Genehmigungspflicht ausgenommen, etwa Norwegen, die Schweiz, Israel und die Ukraine.

Auch mehrere Dutzend Staaten, die im Rahmen des Covax-Programms mit Corona-Vakzinen versorgt werden sollen, gehören dazu.

Die EU hatte den "Transparenz-Mechanismus" infolge des Streits mit Astrazeneca um Lieferverzögerungen eingeführt.

Der britisch-schwedische Hersteller will nach EU-Angaben im ersten Quartal dieses Jahres nur 40 Millionen Dosen seines Corona-Impfstoffs an die EU liefern, halb so viel wie ursprünglich geplant. Brüssel kritisiert, dass Großbritannien und andere Nicht-EU-Länder offenbar bevorzugt werden.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte dem ARD-Europastudio vergangene Woche, das schwedisch-britische Unternehmen habe "in dieser Phase" noch keinen Export-Antrag gestellt.

Die Exportkontrollen gelten zunächst bis zum 31. März. Genehmigen lassen müssen sich ihre Exporte alle Pharmafirmen, die einen Liefervertrag für Corona-Impfstoffe mit der EU haben. Aktuell sind dies Astrazeneca, Sanofi-GSK, Johnson&Johnson, Curevac, Moderna und Biontech/Pfizer.

Mit den umstrittenen Exportkontrollen will die EU sicherstellen, dass die zugesagten Lieferungen der Unternehmen an die EU erfüllt werden.

Was soll der Mist? Sterben zu wenig Menschen in der EU??

Wie immer fehlt die Konsequenz! Es dürfen erst Impfmittel ausgeführt werden, wenn die Liefermenge an die EU erfüllt worden ist!

Das Vorbild Amerika geht schon lange darüber hinaus viel weiter.

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Die Wut wächst  

Nordirland zeigt den ganzen Brexit-Irrsinn

Das Nordirland-Problem war ein Haupthindernis auf dem Weg zu einem Brexit-Deal. Nun wird immer deutlicher: Was ausgehandelt wurde, funktioniert nicht. In Nordirland wächst die Wut – auf die EU und Boris Johnson. 

Kein Krümel Erde darf rein. Das ist das Ergebnis des sogenannten Nordirland-Protokolls, zu dem sich die EU und Großbritannien nach monatelangen Verhandlungen durchgerungen hatten. Um eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland zu verhindern, ist die britische Provinz nach wie vor Teil des Vereinigten Königreichs und gleichzeitig Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion. Eine paradoxe Notlösung, die dazu führt, dass nicht ein Krümel Erde vom britischen Festland auf die irische Insel gelangen darf, die Krisentreffen zwischen EU und den Briten nötig macht und Frust und Wut in Nordirland anschwellen lässt.

Keine Kontrollen für den Warenverkehr zwischen Großbritannien und Nordirland – das hatte Boris Johnson immer wieder versprochen. Und dieses Versprechen musste er brechen. Bürger und Unternehmen klagen nun über bürokratische Hürden. Die probritischen Unionisten in Nordirland laufen Sturm. Der Brexit-Deal hat zwar eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert, dafür aber eine De-facto-Grenze in der Irischen See errichtet. Und an der wird alles, wirklich alles, penibel kontrolliert, was aus einem Teil des Vereinigten Königreichs in einen anderen Teil ausgeführt wird. Durchgeführt werden diese Kontrollen überwiegend an den nordirischen Häfen.

Die Situation führte Anfang des Jahres nicht nur zu leeren Regalen in nordirischen Supermärkten, weil die Warenlieferungen aus Großbritannien nicht oder verspätet durchgekommen waren, sie ist noch viel absurder. Sie führt zur Knappheit von Topfpflanzen, die in englischer Erde stecken, und nicht mehr auf nordirischen Boden gelangen dürfen. Ein Bauunternehmer bekam Probleme, weil Baggerschaufeln, die mit dem Schiff kamen, noch mit Sand aus Großbritannien verschmutzt waren – und Sand sowie Erde aus Großbritannien darf nicht einfach so in den EU-Binnenmarkt "eingeführt" werden, denn beides gilt nach den strengen EU-Gesundheitsregeln als Risiko.

Käse verdirbt – Amazon stellt nicht mehr alles zu

Käsehersteller auf dem britischen Festland schicken ihre Produkte nicht mehr nach Nordirland. Es dauert einfach zu lange, bis die Ware ankommt. Früher waren es maximal drei Tage, nun können Wochen vergehen, bis die Zustellung erfolgt – dann ist der Käse verdorben. Der Internethändler Amazon liefert derzeit kein Bier, keinen Wein und keinen Schnaps mehr nach Nordirland. Die Begründung: Die Einfuhrbestimmungen sind zu aufwendig und die anfallenden Zölle zu hoch. Weitere Waren könnten in Zukunft ebenfalls vom Lieferstopp betroffen sein, kündigte Amazon im Januar an.

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Nach dem Urteil gegen Nawalny: EU fasst Sanktionen gegen Moskau ins Auge

 

Das Urteil gegen Kreml-Kritiker Nawalny dürfte nun auch in Brüssel Folgen haben. Die EU-Außenminister werden wohl neue Sanktionen gegen Russland beschließen.

Vor Beratungen der EU-Außenminister an diesem Montag hat der luxemburgische Chefdiplomat Jean Asselborn neue Sanktionen gegen Russland wegen des Falls des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny angekündigt. Die EU dürfe Verstöße gegen Menschenrechte nicht dulden, sagte Asselborn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Appeasement wird es in dieser Sache nicht geben." Unter "Appeasement" wird in der Sprache der Diplomatie eine Politik der Konzessionen und Beschwichtigung verstanden.

Am Wochenende hatte ein Berufungsgericht in Moskau die Verurteilung Nawalnys zu rund zweieinhalb Jahren Haft in einem Straflager bestätigt.

Asselborn betonte, die neuen Sanktionen müssten "gerichtsfest" sein, damit sie "uns nicht vor dem Europäischen Gerichtshof auf die Füße fallen". Zugleich zeigte sich der luxemburgische Außenminister skeptisch, dass die neuen Sanktionen in Russland Wirkung zeigen werden.

Anfang des Monats hatte ein Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Moskau noch zu einer heftigen diplomatischen Schlappe für die EU geführt. Borrell hatte in Moskau gefordert, dass Nawalny freigelassen werden müsse. Bei seinem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow wurde der EU-Chefdiplomat allerdings düpiert; Russland wies zahlreiche EU-Diplomaten aus.

Kreml drohte mit Abbruch der Beziehungen

Mit der voraussichtlichen Verhängung von Sanktionen reagiert nun die EU ihrerseits. Auch wenn Lawrow zwischenzeitlich gedroht hatte, dass Russland auf einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit der EU vorbereitet sei, wird in Brüssel mit neuen Strafmaßnahmen gegen Moskau gerechnet. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg sagte der „Welt am Sonntag“, dass beim Treffen der EU-Chefdiplomaten an diesem Montag angemessene Reaktionen diskutiert würden.

„Dazu zählen auch gezielte Maßnahmen gegen Einzelpersonen im Rahmen des neu geschaffenen Menschenrechtssanktionsregimes. Ich erwarte mir dafür eine breite Mehrheit an Unterstützung.“ Zugleich forderte Schallenberg, dass die Listungen der Einzelpersonen rechtlich wasserdicht sein müssten.

EU hat seit Dezember ein neues Sanktionsinstrument

Das neue Menschenrechts-Sanktionsinstrument der EU war im Dezember beschlossen worden. Damit sollen nun für die Gemeinschaft Strafmaßnahmen ermöglicht werden, die sich in der Vergangenheit als kompliziert erwiesen haben - etwa nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul.

Gegen Russland hat die EU aus anderen Gründen in der Vergangenheit eine Vielzahl von Strafmaßnahmen verhängt. So kam es nach der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 zur Verhängung von Einreiseverboten und Kontosperrungen gegen 177 Russen und Ukrainer. Auf der Sanktionsliste stehen auch 48 Organisationen. Die Sanktionen richten sich unter anderem gegen Einzelpersonen und Organisationen, die am Bau der Brücke und der Eisenbahntrassen beteiligt sind, welche Russland über die Straße von Kertsch mit der annektierten Halbinsel Krim verbinden und zur weiteren Isolierung der Krim von der Ukraine beitragen.

US-Außenminister Blinken nimmt virtuell am Treffen in Brüssel teil

Die virtuelle Teilnahme des neuen US-Außenministers Antony Blinken an dem Treffen am Montag in Brüssel dürfte noch einmal den Anspruch des US-Staatschefs Joe Biden untermauern, das transatlantische Verhältnis nach dem Ende der Amtszeit von Donald Trump wieder zu verbessern. Nachdem Nawalny Anfang des Monates in erster Instanz zu der zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden war, hatte Blinken angekündigt, dass die USA eng mit den Verbündeten zusammenarbeiten würden, um Russland für die Missachtung der Bürgerrechte zur Verantwortung zu ziehen.

Am vergangenen Freitag hatte Biden bei der virtuellen Münchner Sicherheitskonferenz kritisiert, dass Russland unter Präsident Wladimir Putin die europäische Einigung und das transatlantische Bündnis zu schwächen versuche.

Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow warnte die Europäer vor neuen Sanktionen gegen sein Land. Er wolle nicht darüber spekulieren, ob die EU "eine neue Runde illegitimer einseitiger restriktiver Maßnahmen" gegen Russland" einleiten werde. Falls dies jedoch geschehe, "werden wir vorbereitet sein zu antworten", sagte Tschischow der Zeitung "Die Welt".

Der russische Botschafter kritisierte die Entscheidungen "unserer Partner in der EU" in der Russland-Politik als "unlogisch und erstaunlich politisiert". Die EU habe in den vergangenen Jahren systematisch die Entwicklung der Beziehungen zu Russland behindert - "unter Vorwänden, die an den Haaren herbeigezogen waren". Dagegen sei Russland ein "verlässlicher Partner", der im Gegenzug die Tür nicht zuschlage.

Ich meine: Macht endlich Schluss mit der Doppelmoral. China schlupfen unsere Politiker in alle Ritzen. Da wird kein Fall von Missachtung der Menschenrechte geahndet. Die dürfen tun und lassen, was sie möchten. Mit Russland machen sie einen Aufstand wegen einer Person!

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Warum die Briten plötzlich „zum Teilen“ bereit sind

 

Die EU-Kommission will den Export der Corona-Impfstoffe noch schärfer kontrollieren. Der Vorstoß richtet sich vor allem gegen Großbritannien und den Hersteller AstraZeneca. In London steigt die Nervosität, denn die erfolgreiche Impfkampagne gerät in Gefahr.

Die Corona-Pandemie ist in den meisten EU-Staaten mit voller Wucht zurückgekehrt. In 19 der 27 Mitgliedstaaten werden laut EU-Kommission stetig steigende Fallzahlen beobachtet, in acht Ländern erhöhen sich auch die Todesfälle wieder spürbar. Der Druck auf die Regierungen steigt.

Denn die Wut der meisten Europäer über die schleppende Impfstoffversorgung wird immer größer. Gereizte Stimmung also vor dem Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag. Zu viele Fragen sind immer noch offen und zu viele Probleme sind immer noch ungelöst. Hinzu kommen die anhaltenden Querelen mit dem Vereinigten Königreich über den Impfstoff von AstraZeneca.

Pünktlich zum Gipfel präsentierte die EU-Kommission am Mittwoch einen Beschluss, wonach der Export der knappen Corona-Impfstoffe aus der Europäischen Union noch schärfer kontrolliert und notfalls häufiger gestoppt werden soll. Damit wurde die erst im Januar eingeführte Exportkontrolle mithilfe eines sogenannten Transparenzmechanismus – dieser erfasst die Ausfuhr von in der EU hergestelltem und abgefülltem Impfstoff – erweitert.

Neue Kriterien sollen es den betroffenen Mitgliedsländern nunmehr erlauben, Impfstoffe vom Export in Drittstaaten zurückzuhalten, wenn Verhältnismäßigkeit und Gegenseitigkeit nicht gewahrt sind. Ausnahmen für unkontrollierte Impfstoffexporte in 17 Partnerstaaten wie die Schweiz oder Israel soll es zudem künftig nicht mehr geben. Generelle Exportverbote für Corona-Vakzine sind aber nicht geplant. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen drückt aufs Tempo: „Wir müssen schnelle und ausreichende Lieferungen an die EU-Bürger sicherstellen. Jeder Tag zählt.“

Die EU-Kommission will mit dem neuen Beschluss die Gemüter in den europäischen Hauptstädten beruhigen und zudem den Druck auf den umstrittenen Impfstoffhersteller AstraZeneca erhöhen. Das Unternehmen produziert und füllt Impfstoff in der EU ab, um ihn anschließend in großem Umfang zu exportieren. Ein Berater des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sagte dazu in Paris, die EU dürfe im Kampf gegen das Virus nicht länger „eine Art zweckdienlicher Idiot“ sein, indem sie Vakzine exportiere, während andere Länder die Vorräte für sich behielten.

Vor allem das Vereinigte Königreich steht in Brüssel in der Kritik. „Das Argument der britischen Regierung, sie habe die Entwicklung des AstraZeneca-Impfstoffs finanziert, und deshalb kämen die Briten zuerst an die Reihe, funktioniert nicht. Zum einen hat die Universität Oxford in den letzten Jahren über 80 Millionen Euro EU-Forschungsmittel im Gesundheitsbereich erhalten. Das hat sicher auch dazu beigetragen, dass der Impfstoff entwickelt werden konnte“, sagte der CDU-Gesundheitsexperte im EU-Parlament, Peter Liese. „Zum anderen könnten die Deutschen dann auch argumentieren, der Biontech-Impfstoff müsse in Deutschland bleiben“, fügt er hinzu. Der Mediziner betonte auch, dass seiner Kenntnis nach eine Abmachung zwischen London und AstraZeneca über die Bevorzugung britischer Lieferungen bestünde: „Diese Unausgewogenheit ist für die EU nicht akzeptabel.“

London spürt den Druck aus Brüssel. Im Vereinigten Königreich hat sich die vormals aggressive Stimmung im Impfstoffstreit mit der EU in den vergangenen Tagen schrittweise verändert. Aus politischen Kreisen ist vermehrt zu hören, das Land solle „großzügig“ mit den europäischen Nachbarn umgehen und angesichts des weit fortgeschrittenen Impfprogramms „zum Teilen“ bereit sein. Die Zahl der Briten, die bisher zumindest einmal geimpft wurden, ist fast viermal höher als die der Europäer.

Das Narrativ der Großzügigkeit passt zu Johnsons außenpolitischem Anspruch, nach dem EU-Austritt Partner und Vermittler in den großen globalen Fragen zu sein. Der Konservative sitzt dieses Jahr den G7 vor und ist Gastgeber der UN-Klimakonferenz. Um dort Erfolg zu haben, ist nach den Brexit-Querelen ein gutes Arbeitsverhältnis mit dem Kontinent unabdingbar.

Für den britischen Premier ist ein gutes Verhältnis mit der EU aber auch kurzfristig mit Blick auf das eigene Land wichtig. Weil London eine sogenannte Strategie der Erstdosen eingegangen ist, um möglichst viele Menschen impfen zu können, müssen nun zügig die Zweitdosen vergeben werden. Vergangene Woche hatte bereits Indien den Export von fünf Millionen AstraZeneca-Dosen nach Großbritannien gestoppt, weil die Ansteckungen auf dem Subkontinent in die Höhe schnellen. Die Regierung musste daraufhin ankündigen, dass unter 50-Jährige nun später als geplant eine Impfeinladung bekommen.

Wenn nun auch noch die Europäer Biontech- oder AstraZeneca-Impfstoffe blockieren sollten, gerät das bisher so erfolgreiche britische Programm in Gefahr. Deshalb schickte Johnson schon vor einigen Tagen seinen ehemaligen EU-Botschafter Tim Barrow nach Brüssel, um Verhandlungen zu führen.

Bei allen Schwierigkeiten kann sich Johnson sein Triumphgeheul über die britische Impfkampagne aber weiterhin nicht verkneifen. Die EU-Regierungen sehen das mit zunehmendem Argwohn. Der Grund, warum sein Land ein so erfolgreiches Impfprogramm auf die Beine gestellte habe, seien „der Kapitalismus, die Gier, meine Freunde“, alberte der Premier jüngst in einem Fraktions-Call. Aber schon einen Moment später bat Johnson, diesen Kommentar „aus dem kollektiven Gedächtnis zu streichen“.

Neben dem Impfstoffexport ist auch weiterhin die gerechte Verteilung der verfügbaren Vakzine innerhalb der EU ein Thema. Nach Angaben von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hat sich herausgestellt, dass entgegen den Absprachen die „Auslieferung der Impfstoffe nicht nach Bevölkerungsschüssel, sondern nach Bestellmenge“ erfolgt sei. Kurz will das Thema beim Videogipfel auf den Tisch bringen – sehr zum Ärger der Bundesregierung in Berlin, die bei der Verteilung keine grundsätzlichen Probleme erkennen kann.

Kurz argumentiert dagegen, die ungerechte Impfstoffverteilung führe dazu, dass die Menschen in Dänemark und Malta deutlich schneller geimpft sein werden als in anderen EU-Ländern. Fünf weitere Staaten schließen sich dieser Auffassung an. „Wir können kein Interesse daran haben, dass sich die Kluft innerhalb der Europäischen Union bei der Durchimpfung der Bevölkerung immer mehr vergrößert und wir somit EU-Mitgliedstaaten zweiter Klasse schaffen“, sagte Kurz WELT.

Drittes Thema beim Gipfel: der digitale Impfpass. Er soll ab dem 1. Juni bei negativen PCR-Tests und der Vorlage einer Corona-Impfung wieder problemlos Urlaubsreisen innerhalb Europas ermöglichen. Eine schöne Perspektive – aber es gibt noch viele ungelöste Probleme: Wird die komplizierte Technik in zweieinhalb Monaten überall schon so weit sein? Ist der Pass wirklich fälschungssicher? Was passiert, wenn der Impfstoff gegen neue Mutationen nicht mehr wirkt? Kanzlerin Merkel steht erneut eine Nacht mit schwierigen Verhandlungen bevor.

Die EU hat ca. 10 % geimpft, die Briten ca. 50%, das sinnlose herumdiskutieren geht so nicht mehr weiter. Es muss dringend gehandelt werden! Das bedeutet Ausfuhrstopp für Impfmittel (wie es übrigens schon seit Beginn mehrere Länder tun) und Schluss mit der Bürokratie. Schickt Impfteams los die Flächendeckend impfen und impft ohne Termin.

Nur so kann man weitere unnötige Tote verhindern und die Menschen müssen nicht weitere Zeit in Ihren Grundrechten eingeschränkt werden!

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Interview am Morgen: "Es ist kompliziert": Warum die Uhren immer noch umgestellt werden

 

In der Nacht zum Sonntag rückt der Uhrzeiger in der EU eine Stunde vor - dabei sollte die Zeitumstellung längst abgeschafft sein. Die EU-Abgeordnete Anna Cavazzini erklärt, warum die europäischen Länder sich nicht darauf einigen können.

In der Nacht zum Sonntag rückt der Uhrzeiger in der EU eine Stunde vor - dabei sollte die Zeitumstellung längst abgeschafft sein. Die EU-Abgeordnete Anna Cavazzini erklärt, warum die europäischen Länder sich nicht darauf einigen können.

"Es ist kompliziert": Warum die Uhren immer noch umgestellt werden

Eine Stunde weniger Schlaf, dafür abends eine Stunde mehr Tageslicht: In der Nacht zum Sonntag werden die Uhren eine Stunde vorgestellt. Eigentlich sollte die Zeitumstellung in diesem Jahr abgeschafft werden. So jedenfalls hatte es das Europäische Parlament 2019 nach einem entsprechenden Vorschlag des früheren Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker beschlossen. Damit das tatsächlich passieren kann, müssten sich aber auch die Mitgliedstaaten der EU darauf einigen. Anna Cavazzini (Grüne) ist Abgeordnete im EU-Parlament und weiß als Vorsitzende des Binnenmarktausschusses, warum diese Einigung schwierig ist.

SZ: Frau Cavazzini, die Entscheidung des Parlaments, die Zeitumstellung abzuschaffen, ist jetzt mehr als zwei Jahre her. Woran hakt es?

Anna Cavazzini: An uns liegt es jedenfalls nicht. Im Parlament gab es eine deutliche Mehrheit, und bei einer Konsultation 2018 hat sich auch eine Mehrheit der befragten EU-Bürger dafür ausgesprochen, die Zeitumstellung abzuschaffen. Jetzt sind die Mitgliedstaaten der EU im Rat am Zug, und dort geht es nicht voran.

Wo liegt das Problem?

Zugegeben, die Sache ist nicht ganz einfach. Jeder Staat kann selbst entscheiden, welche Zeit bei ihm gelten soll. Wenn sich aber jedes EU-Land anders entscheidet, droht ein Flickenteppich. Die Länder sollten sich zumindest innerhalb einer Region auf eine gemeinsame Lösung verständigen, sonst gibt es totales Chaos bei Terminen, Reisen oder alltäglichen Sachen wie Fernsehübertragungen. Aber offenbar ist es schwieriger als gedacht, all das in der Praxis zu koordinieren. Manche Länder wollen die Sommerzeit abschaffen, andere nicht. Länder wie Griechenland zum Beispiel freuen sich, wenn es im Sommer abends länger hell ist, weil sie glauben, dass das dem Tourismus hilft. Es ist kompliziert.

Wie könnte eine Lösung ihrer Meinung nach aussehen?

Als ersten Schritt fände ich es gut, wenn die Kommission noch mal eine genaue Folgenabschätzung vorlegen würde. Das haben einige Mitgliedstaaten gefordert. So ein Gutachten könnte helfen, Bedenken entgegenzuwirken. Außerdem wäre es sicher nicht schlecht, wenn einige Mitgliedstaaten noch mal ihre Bevölkerung befragen. Die Konsultation der EU hatte 2018 ja einen gewissen deutschen Einschlag... Danach muss der Rat einen gangbaren Vorschlag vorlegen.

Von den 4,5 Millionen Menschen, die sich damals beteiligt haben, waren zwei Drittel Deutsche. Warum interessiert das Thema ausgerechnet bei uns so viele Menschen?

Das frage ich mich auch. In Deutschland gibt es eine große Community von Menschen, die sich sehr für Gesundheitsfragen engagiert. Ich vermute, dass bei denen das Thema eine große Rolle spielt. Wissenschaftliche Studien belegen, dass sich die Zeitumstellung negativ auf die Gesundheit auswirkt - die ursprünglich erhofften Energieeinsparungen dagegen sind verschwindend gering.

Trotz dieser Erkenntnisse tut sich seit Jahren nichts. Wäre es da nicht ehrlicher, das Projekt einfach zu begraben?

Ich habe noch nicht aufgegeben. Erst mal sollte die Kommission versuchen, skeptischen Mitgliedstaaten die Sorgen zu nehmen, mehr Argumente für die Abschaffung liefern und den Druck etwas erhöhen. Wenn man dann sieht, es geht wirklich nicht, kann man noch mal neu nachdenken. Aber jetzt ist es dafür noch zu früh.

 

 

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Mit diesen Schritten will die EU jetzt Chinas Willkür bändigen

 

Von China mit Sanktionen belegt zu werden? Das sieht der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer offenbar sportlich.

„Wow, ich könnte geehrt werden! Was sollen sie mir denn antun? Mein Vermögen in China einfrieren?“, schrieb der Leiter der China-Delegation im Europäischen Parlament Ende März auf Twitter. Damals zeichnete sich bereits ab, dass er zu den zwei Handvoll Europäern gehören würde, die China mit einem Einreiseverbot belegen wollte.

Die Maßnahmen waren eine Vergeltung für die Entscheidung der EU, Sanktionen gegen vier chinesische Funktionäre zu verhängen, die an der Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren vor allem in der Provinz Xinjiang beteiligt waren. Betroffen von den chinesischen Gegensanktionen sind neben Bütikofer neun weitere Europäer, darunter sein christdemokratischer Parlamentskollege Michael Gahler.

Andere würden sich möglicherweise eingeschüchtert fühlen davon, auf der Sanktionsliste eines der mächtigsten Staaten der Welt zu stehen. „Büti“, wie er sich selbst nennt, nimmt es offenbar sogar als Herausforderung.

Er hat eine Studie in Auftrag gegeben, mit der er den letzten großen diplomatischen Erfolg Chinas demontieren will – und deren Befunde die Bundesregierung, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und andere EU-Regierungen unter Druck setzen soll.

Geopolitischer Erfolg für China

In der Untersuchung, die das Polnische Institut für Internationale Beziehungen (PISM) und das Polnische Institut für Wirtschaftsforschung im Auftrag Bütikofers erstellt haben, nehmen die beteiligten Autoren das EU-China-Investitionsabkommen (CAI) auseinander. Brüssel und Peking hatten sich darauf in einem hektischen handelsdiplomatischen Jahresendspurt am 30. Dezember geeinigt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, bedacht auf gute Beziehungen zu China, hatte auf einen Abschluss gedrängt, der auf diese Weise gerade noch am vorletzten Tag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zustande kam.

Direkt danach war die Aufregung um das Abkommen groß. Kritiker warfen Ursula von der Leyen, der Präsidentin der Europäischen Kommission, vor, China einen geopolitischen Erfolg auf dem Silbertablett zu servieren.

Und das ausgerechnet nach einem Jahr, in dem Peking Bürgerrechtsdemonstrationen in Hongkong niedergeschlagen hatte, mit einem Sicherheitsgesetz die Repression dort verschärft hatte und mit einer gezielten Kampagne in Europa Falschnachrichten über die Corona-Pandemie gestreut haben soll.

Die Kritik galt vor allem diesen geopolitischen Fragen. Wie gut das Abkommen inhaltlich ist und ob es seinen Anspruch erfüllt, den chinesischen Markt weiter für europäische Firmen zu öffnen, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Die Wirtschaft hatte seinerzeit das Abkommen begrüßt. Immerhin hatten die Verhandler und der zuständige Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis erreicht, dass es für europäische Unternehmen leichter wird, in China zu investieren und Geschäfte zu machen, besonders in einigen Bereichen der Wirtschaft, die zuvor für ausländische Investoren verschlossen waren.

Auch Forscher der Brüsseler Denkfabrik Bruegel lobten in einer vergangene Woche veröffentlichten Analyse das Abkommen, insbesondere die darin festgehaltenen Vereinbarungen zu Subventionen, Staatsfirmen, Technologietransfer und Transparenz. „Von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet ist das CAI eine wichtige Vereinbarung. Es ist lohnenswert, sie zu haben“, lautete das Resümee der Ökonomen.

EU hat keine Rechtsmittel gegen China in der Hand

Die Autoren der PISM-Studie warnen jetzt allerdings, dass die Übereinkunft zwischen Brüssel und Peking europäischen Investoren allenfalls eine trügerische Sicherheit suggeriere. Die EU habe keinerlei Rechtsmittel, um die chinesischen Zugeständnisse im Konfliktfall auch einzufordern, schreiben die Autoren.

Das könnte spätestens dann problematisch werden, wenn China aus politischen Motiven beschließt, willkürlich gegen das Abkommen zu verstoßen.

„Mit zunehmender wirtschaftlicher Macht hat China mehr Möglichkeiten, Druck auf ausländische Regierungen zu machen und gegen bestehende wirtschaftliche Abkommen zu verstoßen“, schreiben die Verfasser. Ein Beispiel sei der gegenwärtige Konflikt mit Australien.

Seitdem das Land eine unabhängige Untersuchung zum Ursprung des Coronavirus fordert, hat China Importzölle und Einfuhrverbote für australische Produkte verhängt, in China laufen Kampagnen gegen australische Waren.

Die Verfasser der Analyse warnen zudem, dass China jederzeit die Bedingungen im eigenen Land verändern kann, um eigene politische und wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Weil die Führung in Peking ihren Einfluss auf die Wirtschaft im Moment weiter ausbaue, könnten die Unwägbarkeiten für Unternehmen sogar noch zunehmen.

„Dieses Szenario ist wahrscheinlich, vor allem wenn man berücksichtigt, dass China zugesagte Strukturreformen nicht implementiert hat, und weil die Bilanz nur durchwachsen ist, wenn es darum geht, ob China sich an Schiedsgerichtsurteile der WTO gehalten hat“, schreiben die Verfasser.

Besonders für Investoren aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden könnte es große Probleme bringen, wenn politisches Kalkül dafür sorgt, dass China die Inhalte des Abkommens verletzt.

Die Autoren haben eine klare Empfehlung: Die EU müsse weitere Maßnahmen festzurren, bevor das Investitionsabkommen mit China ratifiziert werden kann. Dazu sollten zum einen Maßnahmen gegen Zwangsarbeit gehören, etwa ein Importverbot für Produkte, die damit hergestellt wurden. Für Unternehmen sollten zudem künftig in Europa strenge Vorgaben gelten, wenn es darum gehe nachzuweisen, dass ihre Produkte unter Einhaltung von Menschenrechten produziert wurden.

„Bazooka“ gegen wirtschaftlichen Zwang

Nötig seien außerdem eine „Bazooka“ gegen wirtschaftlichen Zwang und ein besserer Mechanismus, um Investitionen in der EU zu prüfen und zu genehmigen.

Außerdem müsse die EU auch durch andere Gesetze sicherstellen, dass zumindest in Europa chinesische Unternehmen nach den gleichen Spielregeln spielen wie europäische: Dazu gehören geplante Regeln, die verhindern sollen, dass europäische Firmen von hochsubventionierten ausländischen Firmen übernommen werden und dass Staatskonzerne aus dem Ausland europäischen Konkurrenten öffentliche Aufträge wegschnappen.

Die zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission hatte jüngst gegenüber WELT angekündigt, dass sie einen entsprechenden Gesetzentwurf in den kommenden Wochen vorlegen will.

Noch könnten derlei Forderungen Wirklichkeit werden, denn das Abkommen ist noch nicht einmal unterschrieben. Der Text der Vereinbarung muss vom Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten abgesegnet werden. Das könnte angesichts der Widerstände noch eine Weile dauern – Zeit genug, um die rechtlichen Sicherheitsnetze zu spannen oder den Vertrag sogar nachzuverhandeln.

 

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Maas warnt vor „Konfrontationsgeschrei“ gegen Russland

 

Außenminister Heiko Maas hat vor einem Konfrontationskurs gegen Russland gewarnt und damit indirekt auch der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock widersprochen. Die EU und der Westen hätten Moskau mit neuen Sanktionen im Fall Nawalny und zuvor im Ukraine-Russland-Konflikt gezeigt, dass sie entschlossen reagieren würden, sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend in der ARD. Russlands Präsident Wladimir Putin wisse um das Risiko weiterer Sanktionen. „Wir können aber kein Interesse daran haben, uns in dieses Konfrontationsgeschrei einzureihen. Wir wollen einen Dialog und eine gute Nachbarschaft mit Russland“, fügte der Außenminister hinzu.

Es gebe viele „Schlauberger“, die nun immer härtere Maßnahmen forderten, kritisierte Maas. Aber man müsse überlegen, ob diese etwa dem inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny wirklich nutzten. Er glaube das nicht – „im Gegenteil“. Deshalb müsse man aufhören, denen nachzulaufen, die immer härtere Maßnahmen forderten.

„Letztlich kann doch keiner ein Interesse daran haben, dass aus permanenten Provokationen irgendwann ernsthafte Auseinandersetzungen werden – schon gar nicht hier in Europa“, fügte Maas hinzu. Es sei deshalb gut, dass Russland offenbar das Gesprächsangebot von US-Präsident Joe Biden annehmen wolle. Auf die Frage, ob er sich Bidens Bemerkung anschließe, dass Putin ein Mörder sei, sagte der Außenminister: „Ich habe es bisher noch nicht gesagt und habe auch nicht vor, es zu tun.“

Grünen-Co-Chefin Baerbock hatte zuvor für einen harten Kurs gegenüber Russland und China plädiert. Sie hatte unter anderem gefordert, der im Bau befindlichen deutsch-russischen Gaspipeline durch die Ostsee die politische Unterstützung zu entziehen. Dies lehnt die Bundesregierung ab.

Nawalny-Team will nicht aufgeben

Das Team des im Straflager inhaftierten Kreml-Gegners Alexej Nawalny erwartet mit dem für Montag in Moskau angesetzten Extremismus-Gerichtsverfahren massive Einschränkungen der Oppositionsarbeit in Russland. „Nächste Woche wird man uns wohl als Extremisten einstufen, alle unsere Konten einfrieren, die Räumlichkeiten versiegeln und unsere Offline-Arbeit in Russland insgesamt unmöglich machen“, sagte Nawalnys Vertrauter Leonid Wolkow in einem von ihm am Wochenende bei Twitter veröffentlichten Interview des Internetportals Znak.com.

Die Staatsanwaltschaft in Moskau hatte die Einstufung von Nawalnys Organisationen als extremistisch beantragt. Ein Gericht soll nun darüber entscheiden. Womöglich sei dann eine Pause nötig, sagte Wolkow, um zu sehen, wie die Oppositionsarbeit künftig noch aussehen könne. Es werde „fieberhaft“ an der Umorganisation gearbeitet.

„Wir sind die letzte Verteidigungslinie gegen Putin“, sagte er mit Blick auf das Vorgehen des Machtapparats unter Präsident Wladimir Putin gegen Andersdenkende. „Wenn mit diesem Extremismus alles nach dem schlechtesten Szenario läuft, dann wird es ziemlich schwer sein, das Netz der Stäbe zu erhalten.“ Zuvor hatte er in einer Mitteilung erklärt, es bestehe die Gefahr, dass alle Gegner Putins zu Extremisten erklärt würden.

Ungeachtet dessen solle der Kampf um die Freilassung Nawalnys weitergehen. Wolkow bezeichnete es als Erfolg des politischen Drucks, dass Nawalny nun in Haft von zivilen Ärzten untersucht worden sei. Zudem hätten Ärzte seines Vertrauens Zugang zu den medizinischen Untersuchungsergebnissen erhalten. Damit habe sich der Kreml auf eine „seltsame Form eines öffentlichen Kompromisses“ eingelassen. „Ich denke, das ist ein gutes Ergebnis.“