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News zu den Linken

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Wahl 2021  

Wagenknecht will wieder für Bundestag kandidieren

Nach einem Burnout zog sich Sahra Wagenknecht aus der ersten Reihe der Politik zurück. Doch die Linke-Politikerin will erneut für den Bundestag kandidieren. Ihre Chancen stehen gut. 

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Die frühere Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht will im September wieder für den Bundestag kandidieren. "Ich kandidiere gerne wieder in Nordrhein-Westfalen. Gerade jetzt ist es bitternötig, den sozialen Ungerechtigkeiten und dem Missmanagement der Regierung in der Corona-Krise überzeugende Alternativen entgegenzustellen", erklärte sie am Samstag.

Zuvor hatte der Landesvorstand der nordrhein-westfälischen Linken eine Kandidatur Wagenknechts auf Platz eins der Landesliste mit Zweidrittelmehrheit befürwortet. Es gab aber keinen formellen Beschluss dazu, wie eine Sprecherin mitteilte.

Wagenknecht führte die Bundestagsfraktion von 2015 bis 2019 zusammen mit Dietmar Bartsch, kandidierte dann aber nach einem Burnout und harten Auseinandersetzungen mit der Parteiführung nicht mehr für den Posten. Bis heute zählt sie zu den prominentesten Politikern ihrer Partei.

Doppelspitze der Linken wird gewählt

Die Linke sucht nach einer neuen Doppelspitze. Wegen der hohen Corona-Infektionszahlen hat sie ihren Parteitag am 26. und 27. Februar mit der Wahl ins Internet verlegt. Das beschloss der Parteivorstand am Samstag einstimmig, wie Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler mitteilte. "Das Corona-Geschehen lässt uns keine Wahl", sagte er. Ursprünglich war geplant, dass man sich einen Tag online trifft und an einem Tag bei Präsenzveranstaltungen an mehreren Orten die Nachfolger der Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger und einen Vorstand wählt.

Jetzt findet alles online statt. Auch die CDU hatte vergangenen Samstag schon ihre Parteispitze auf einem virtuellen Parteitag gewählt. Schindler sagte, bei einer Beibehaltung der bisherigen Planung wäre die Gefahr einer kurzfristigen Absage wegen es Infektionsgeschehens zu groß gewesen. "Was bleibt, ist, dass wir keine reine Showveranstaltung machen, sondern dass bei uns die Delegierten wie auf einem regulären Parteitag zu Wort kommen. Das sind wir der Diskussionskultur in unserer Partei schuldig", sagte Schindler. Wie die CDU will die Linke ihre Vorstandswahlen am Ende per Briefwahl bestätigen lassen.

Die Partei hatte Ende Oktober ihren in Erfurt geplanten Parteitag wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Dort sollte eigentlich schon über die neue Doppelspitze entschieden werden. Als eindeutige Favoritinnen für die Nachfolge von Kipping und Riexinger gelten die Fraktionschefin im hessischen Landtag, Janine Wissler, und die thüringische Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow.

 

Sie wird die politische Qualität der Linken wieder etwas erhöhen, denn Sie ist eine der wenigen Realisten in der Partei, welche sieht was machbar ist und was nicht.

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Linken-Chef Riexinger zu Wohnraum-Debatte: „Können mit Einfamilienhäusern nicht so weitermachen wie bisher“

 

Die Grünen fühlen sich in ihrer Haltung zu Einfamilienhäusern falsch verstanden. Bernd Riexinger schlägt sich nun auf ihre Seite.

Linken-Chef Bernd Riexinger hat ein Umdenken beim Bau von Einfamilienhäusern gefordert. „Man muss den Flächenverbrauch reduzieren, aus sozialen Gründen und aus Gründen des Klimaschutzes“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

„Deshalb können wir mit den Einfamilienhäusern nicht so weitermachen wie bisher. Wir sollten stattdessen in den Städten verdichten und Grundstücke so bebauen, dass mehr Wohnungen rauskommen - vor allem mehr bezahlbare Wohnungen.“

Die Grünen hatten am Wochenende Vorwürfe zurückgewiesen, sie wollten den Neubau von Einfamilienhäuser pauschal verbieten. „Die Behauptungen sind falsch“, sagte ein Fraktionssprecher am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.

„Die eigenen vier Wände sind für viele Menschen wichtig - dazu gehört auch das Einfamilienhaus. Das wird es auch in Zukunft geben - so wie Reihenhäuser, Mehrfamilienhäuser, Mietshäuser.“ Was aber wo gebaut werde, entschieden die Kommunen vor Ort. Dabei werde etwa auch berücksichtigt, wie viel Fläche da sei und wie viel Leerstand es gebe.

Fraktionschef Anton Hofreiter sei nach einem Interview mit dem „Spiegel“ überspitzt wiedergegeben worden, schrieb der Sprecher zudem auf Twitter. Hofreiter war in dem Interview nach einem Beschluss eines Hamburger Bezirksamts gefragt worden, das keine Einfamilienhäuser in die Bebauungspläne aufgenommen habe.

Er begründete diese Entscheidung mit der „dramatischen Wohnungsnot“ in der Gegend. Der Bezirk habe entschieden, Wohnraum für viele statt für wenige zu schaffen. Zugleich stellte Hofreiter klar: „Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten.“

Geht es noch! Die sind ja schlimmer als in der früheren DDR!! Diese Partei müsste man so langsam verbieten. Wie kann man nur einen solchen Mist von sich geben!!

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Identitätspolitik: Alte Linke gegen neue Linke

 

Der SPD-Streit zwischen Saskia Esken und Wolfgang Thierse mag putzig wirken. Aber es geht um eine zentrale Frage: Wie halten es linke Parteien mit der Identitätspolitik?

Der vor ein paar Tagen ausgebrochene Streit zwischen der alten Tante SPD und einem ihrer ebenfalls nicht mehr ganz jungen ehemaligen Vorzeigepolitiker Wolfgang Thierse hat auf den ersten Blick etwas Putziges. Heiteres gar. Selbst wenn es in den sozialen Netzwerken gleich hoch hergegangen ist. Aber das tut es ja zu vielen anderen Themen auch. Das sollte also nicht weiter irritieren.

Worum es ging? Der ehemalige Bundestagspräsident, Gründungsmitglied der Ost-SPD, hatte in der vergangenen Woche morgens zum Frühstück im Deutschlandfunk ein Interview zur sogenannten Identitätspolitik gegeben. Er hatte ihr zuvor in einem FAZ-Beitrag unter anderem vorgeworfen, die Gesellschaft zu spalten. Und weil im Moment die meisten zu Hause sind und nicht mehr in vollgestopften Bussen und Bahnen sitzen, regte sich, ein wenig überraschend, könnte man fast sagen, ziemlich lauter Protest. Überraschend, weil: Gegen Identitätspolitik – mehr eine Denkrichtung als politische Bewegung – wettern im Moment viele. Auch immer mehr Linke. Und Thierse sagte in dem Interview eigentlich nichts, was er nicht seit einiger Zeit schon öfter gesagt hat. Wir gehen auf die Aussagen später ein.

Das Ganze erlebte seinen vorläufigen Höhepunkt, weil Saskia Esken, SPD-Vorsitzende, sich von Thierses Aussagen öffentlich irritiert gezeigt hat. Und Thierse, ein wenig beleidigt und dünnhäutig könnte man sagen, daraufhin bat, ihm mitzuteilen, ob in der SPD noch ein Platz für ihn wäre. Kurz schien so etwas wie ein Skandal aufzuflammen. Nach dem Motto: Die Partei wolle Thierse loswerden. Hinter solchen Eskalationsversuchen stehen natürlich handfeste Interessen. Wir werden sie später zu beschreiben versuchen.

Worum aber geht es eigentlich? Das ist ja in derartigen Auseinandersetzungen stets die wichtigste Frage: Eigentlich geht es nämlich darum, wie es die linken Parteien mit der Identitätspolitik halten wollen. In der Linkspartei ist dieser Streit schon seit einigen Jahre im Gange. Mit der Niederlage des Wagenknecht-Lagers auf dem Parteitag am vergangenen Wochenende ist dieser Streit vollends sichtbar geworden. Das Wagenknecht-Lager lässt sich grob als das Antiidentitätspolitiklager in der Linkspartei bezeichnen. Es steht für die Haltung: Kulturell argumentierende Linke kümmerten sich heute eher um anerkennungspolitische Minderheitenthemen wie Herkunft und Geschlecht und weniger um die soziale Frage, also um die Klassenfrage. Schon die 2018 gegründete Aufstehen-Bewegung wollte gegen diesen Irrweg kämpfen – und scheiterte mangels ausreichender Unterstützer.

Das "Gift kollektiver Identitäten" und die Solidarität

Bei den Sozialdemokraten selbst schwelte dieser Konflikte bis dato eher unterhalb der Wahrnehmungsschwelle – auch wenn Siegmar Gabriel, ehemaliger Parteivorsitzender, immer mal wieder Schüsse gegen die Identitätspolitik abgefeuert hatte. Nun aber stellte sich auch Gesine Schwan an Thierses Seite und schrieb in der Süddeutschen Zeitung vom "Gift kollektiver Identitäten". Und der Zeitpunkt ist mindestens bemerkenswert. Der Wahlkampf beginnt und die SPD möchte ihn ausgerechnet unter dem Slogan "Respekt" führen. Sie muss also beweisen, wem genau welche Art von Respekt entgegengebracht werden soll? Welche Teile der Gesellschaft als Allianzpartner und welche als Gegner betrachtet werden? Anders gesagt: Es geht um die hauseigene Definition von Solidarität und für eine Partei wie die SPD daher ans Eingemachte.

Es mag auf den ersten Blick ein wenig übertrieben klingen, aber: So sehr konservative Parteien wie die CDU, die CSU und in Teilen auch die FDP sich an den Positionen der AfD abarbeiten, so arbeiten sich die linken Parteien eben an der Identitätspolitik ab. Sie ist nämlich Fleisch von ihrem Fleisch, wie man so schön sagt. Linkes Fleisch, versteht sich.

Aber zurück zum Anfang. Was hat Wolfgang Thierse denn nun wirklich gesagt? Vorab, sein FAZ-Beitrag liest sich differenziert, um Klärung bemüht. Er räumt zu Beginn ein, dass "Debatten über Rassismus, Postkolonialismus und Gender (…) unausweichliche Auseinandersetzungen in einer pluralistischer werdenden Gesellschaft sind". Um dann aber auch den schon von Wagenknecht behaupteten Gegensatz zwischen "kultureller Zugehörigkeit" und "verteilungspolitischen Gerechtigkeitsthemen" zu wiederholen. Kurzum: Die, die Erstere thematisieren, spalten das Land. Jene, die Letztere thematisieren, suchten den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Thierse ordnet sich selbst bei Letzteren ein.

Mit diesen Aussagen wiederholte er die bekannten Argumente gegen Identitätspolitik. Keines davon ist, wie gesagt, wirklich neu. Einige treffen einen gewissen Kern, andere zielen an der Sache vorbei. Hinter vielen seiner Beschreibungen lauern Stereotype und Vorurteile. In einigen stecken ernsthafte Gefühle von Enttäuschung, die man Thierse und anderen Sozialdemokraten durchaus zugestehen sollte.

Zum Vorwurf der Spaltung: Dem kann entgegnet werden, dass Identitätspolitik die zweifellos existierenden sozialen und ökonomischen Spaltungen in unserer Gesellschaft sehr wohl thematisiert – nur eben anhand neuer Linien. Also im Grunde klassische linke Gerechtigkeits- und Umverteilungsfragen neu aufruft und tatsächlich um die Forderung nach Anerkennung ergänzt. Das traditionelle Oben und Unten wird dabei nicht ersetzt, sondern um die Frage erweitert, inwieweit soziale und gesellschaftliche Gruppen mit diesem Oben und Unten verbunden und verwoben sind. Frauen und Alleinerziehende in einem stärkeren Ausmaß, Deutsche mit Einwanderungsbiografien und vor allem solche mit einem sichtbaren, größtenteils außereuropäischen Migrationshintergrund und mit Abstrichen Ostdeutsche finden sich weitaus häufiger in prekären Lebensumständen wieder als der Rest der Gesellschaft. Verdienen weniger, besitzen weniger, gehören selten der Elite an.

Die Situation in unserem Land lässt sich auf folgende Formel bringen: Während es unten äußerst heterogen zugeht, sich dort Frauen wie Männer, Deutsche mit und ohne Einwanderungsgeschichte, Ost- und Westdeutsche versammeln, wird die Gesellschaft, je weiter man nach oben schaut, immer homogener. Bildungschancen, gesellschaftlicher Aufstieg und Wohlstand sind aufs Engste mit der Frage verknüpft, aus welcher gesellschaftlichen Gruppe man stammt, welches Geschlecht man hat. Und ganz oben versammeln sich eben überproportional weiße Männer aus Westdeutschland. All das ist durch zahlreiche Daten zuletzt immer präziser bewiesen worden. Werden deshalb die Attacken im Moment lauter?

Es sind es vor allem junge, gut ausgebildete und urbane Menschen, die diese Ausschließungsmechanismen der Mehrheitsgesellschaft wie stellvertretend für ihre gesellschaftlichen Gruppen artikulieren. Das mag manchem wie ein Widerspruch erscheinen. Zeigen sie doch, dass unsere Gesellschaft nicht derart undurchlässig ist, wie es in manchen der identitätspolitischen Statements den Anschein hat. Allerdings sprechen jene, die es, auf gut Deutsch gesagt, geschafft haben, eben immer auch für jene, die es nicht geschafft haben. Denn das sind Nachbarn, ehemalige Mitschülerinnen, Cousins und Cousinen und nicht selten auch die eigenen Eltern. Die Fürsprecher der Identitätspolitik stehen mithin für beides: für gesellschaftliche Emanzipations- und Aufstiegserfolge wie für die Niederlagen gleichermaßen.

Die plurale Gesellschaft ist längst Realität

Dass sich nun prominente Vertreter der SPD wie vorher bereits das Wagenknecht-Lager in der Linkspartei so dezidiert gegen diese im Kern linke Bewegung stellen und wie Thierse sogar in die Nähe rechter und völkischer Gedanken rücken, nimmt sich in Anbetracht der schlechten Umfragewerte beider Parteien mindestens verwunderlich aus. Wenn nicht sogar ein wenig realitätsfremd. Müsste es nicht im Gegenteil für SPD, Linkspartei und auch Grüne aus simplen machtpolitischen Erwägungen darum gehen, neue gesellschaftliche Bündnisse zu formulieren und anzustreben, die Gruppen potenzieller Wählerinnen zu erweitern? Sich also viel breiter als bisher aufzustellen? Zumal die Besserverdienenden längst zu den Grünen abgewandert sind und es für ein linkes Regierungsbündnis, das die SPD ja immer wieder als Ziel der nächsten Bundestagswahl ausgibt, im Moment rein rechnerisch nicht reicht.

Aber Thierse sitzt noch einem weiteren Denkfehler auf: Jene plurale Gesellschaft, die für ihn im Werden begriffen ist, ist in der Vergangenheit längst Realität geworden. Deutschland ist seit mehr als 50 Jahren eine Einwanderungsgesellschaft, seit 30 Jahren ist das Land wiedervereinigt. Es sind die Kinder und Kindeskinder jener Migrantinnen und Migranten, die den hiesigen Wohlstand mitbegründet haben und nun ein Recht auf jene Teilhabe einklagen, das eigentlich schon ihren Eltern und Großeltern zugestanden hätte. Sie machen immerhin rund 25 Prozent der Bevölkerung aus. Ihr mitunter überschießender Furor und auch die Radikalität, mit der sie auf die Abwertungs- und Ausschließungsmechanismen hinweisen, künden von teilweise seit Jahrzehnten auch von den Sozialdemokraten verschleppten Problemen. Der von ihnen in Westdeutschland seit den Siebzigerjahren organisierte viel gerühmte Bildungsaufstieg hat eben beispielsweise nicht verhindert, dass noch immer viel zu oft die Herkunft darüber entscheidet, welches Kind welche Schule besucht. Eine gern auch kontroverse Auseinandersetzung über eigene Versäumnisse und Irrtümer stattdessen mag keine der linken Parteien im Moment wirklich führen.

Eigentlich geht es um nichts anderes als Empathie

Eine solche Debatte würde nämlich zum eigentlichen Kernproblem der linken Parteien führen. In Wahrheit gelingt es nämlich weder ihnen noch jenen, die für Identitätspolitik streiten, die Menschen in großen Zahlen zu erreichen, für deren Belange beide Seiten vorgeben zu streiten. Die größte Gruppe der Nichtwähler setzt sich nämlich vor allem aus Menschen zusammen, die in Haushalten leben, die über ein signifikant geringeres Haushaltseinkommen verfügen. Das sind Frauen, die sich nicht als Feministinnen bezeichnen, Deutsche mit Einwanderungsbiografien, die im Zweifelsfall von keinerlei Vielfaltsquote erfasst würden, und Ostdeutsche, denen es auf die Nerven geht, wenn man ihnen die Unterschiede zwischen Ost und West erklärt.

Allesamt Menschen, die von den Einkünften ihrer Arbeit mehr schlecht als recht leben können, keine "Opfer" sind, wie Thierse schreibt, sondern Verkäuferinnen, Paketboten, Friseurinnen. Menschen, die in Reinigungsfirmen, Umzugsunternehmen, bei Amazon oder Lieferando arbeiten. Und die deshalb ihre Hoffnungen, wenn sie je diese Hoffnung hatten, auf die Politik haben fahren lassen, weil sie ihren Traum vom gesellschaftlichen Aufstieg irgendwann einmal aufgegeben haben.

Diesen Menschen ist es egal, ob Wolfgang Thierse oder Sahra Wagenknecht in der Identitätspolitik den neuen Feind ausmachen oder nicht, aber die linken Parteien wiederum wären gut beraten, den einen oder anderen identitätspolitischen Impuls wenn schon nicht zu übernehmen, so doch aufzunehmen und sich anzuverwandeln. Statt ihn mit großer Geste abzuwehren. Wie eine Art Brückentechnologie in Milieus, zu denen sie selbst schon lange keinen Zugang mehr finden. Um derart langfristig ein neues kulturelles und letztlich politisches Kapital aufzubauen, das ihnen ermöglicht, fortan auch die Sprache jener zu sprechen, die sich von ihnen schon längst nicht mehr angesprochen fühlen.

Eigentlich geht es um nichts anderes als Empathie. Und wo, wenn nicht im linken politischen Lager sollte man die Fähigkeit und Bereitschaft, sich in die Einstellungen anderer Menschen hineinversetzen zu können, vermuten dürfen. Ein anderes Wort für Empathie ist übrigens: Respekt.

 

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Wagenknechts Abrechnung: Ex-Fraktionschefin wirft Linken Selbstgerechtigkeit vor

 

Die umstrittene Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht kritisiert „Lifestyle-Linke“ - und setzt einen alten Machtkampf fort.

Lange war Sahra Wagenknecht von der Bildfläche verschwunden. Ihre letzte Bundestagsrede hielt die Linken-Politikerin im vergangenen Juni, es war ihr einziger Auftritt am Rednerpult im ganzen Jahr. Bei der Mehrzahl der namentlichen Abstimmungen im Parlament 2020 fehlte die ehemalige Fraktionschefin der Linken. Auch auf dem Parteitag im Februar meldete sie sich nicht zu Wort.

Doch nun will sie es noch einmal wissen: Bei der Bundestagwahl tritt sie wieder an, am Wochenende wurde die parteiintern höchst umstrittene Politikerin zur Spitzenkandidatin der Linken in Nordrhein-Westfalen gewählt. In einem an diesem Mittwoch erscheinenden Buch rechnet Wagenknecht mit ihrer Partei und den deutschen Linken insgesamt ab.

Die Abfolge – erst die Wahl zur Spitzenkandidatin, dann die Buchveröffentlichung – erscheint sorgfältig gewählt, der Verlag erinnerte vorab mehrfach daran, dass nicht vor dem Erscheinungstag über das Buch berichtet werden dürfe. Dennoch wurden vor dem Parteitag in Nordrhein-Westfalen Zitate aus dem Buch bekannt, verbreitet von Wagenknecht-Kritikern in der Partei, die Aufregung war intern so groß wie erwartbar.

In ihrem Buch „Die Selbstgerechten – Mein Gegenprogramm für Gemeinsinn und Zusammenhalt“ (Campus-Verlag) zeichnet Wagenknecht das Bild eines Landes, das „tief gespalten“ sei. Für den Niedergang der Debattenkultur macht sie vor allem den „Linksliberalismus“ verantwortlich, der aus Sicht Wagenknechts aber nicht liberal ist und schon gar nicht links. Dessen Meinungsführer kämen aus der „gut situierten akademischen Mittelschicht der Großstädte“, schreibt die promovierte Volkswirtin.

Weltbürger mit Helikoptereltern

Der „Lifestyle-Linke“ wird in Wagenknechts Buch polemisch-plakativ überzeichnet. „Er sorgt sich um das Klima und setzt sich für Emanzipation, Zuwanderung und sexuelle Minderheiten ein.“ Er halte den Nationalstaat für ein Auslaufmodell und sich selbst für einen Weltbürger, „den mit dem eigenen Land eher wenig verbindet“, schreibt Wagenknecht. „Überkommene Werte wie Leistung, Fleiß und Anstrengung findet er uncool.“ Denn großgezogen wurde er von „meist gut situierten Helikoptereltern“. Sicherheit gäben ihm „Papas kleines Vermögen und Mamas Beziehungen“, deshalb könne er sich auch unbezahlte Praktika leisten.

Identitätspolitik stehe im Zentrum des linksliberalen Weltbildes. „Die Identitätspolitik läuft darauf hinaus das Augenmerk auf immer kleinere und immer skurrilere Minderheiten zu richten, die ihre Identität jeweils in irgendeiner Marotte finden, durch die sie sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und aus der sie den Anspruch ableiten, ein Opfer zu sein“, schreibt Wagenknecht. Es gehe dem Linksliberalismus nicht um die rechtliche Gleichstellung von Minderheiten, sondern um die „Forderung nach Privilegierung von Minderheiten“, um die „Heiligsprechung von Ungleichheit“.

Doch letztlich zielt Wagenknecht mit ihrer Kritik an einer angeblichen linken Selbstgerechtigkeit vor allem auf die eigene Partei. Kurz nach der Gründung 2007 habe die Linke noch viele Menschen erreicht. Die Wählerschaft habe sich aber geändert, „als die Parteiführung auf die Themen und den Gestus der Lifestyle-Linken zu setzen begann“.  Auch die Linke sei heute überwiegend eine Akademikerpartei.

Die traditionellen Linken – in Wagenknechts Lesart die einzig wahren Linken, zu denen sie sich unausgesprochen selbst zählt – hätten in den Parteigremien immer weniger Einfluss. Wegen der „Übernahme der Parteispitze durch Lifestyle-Linke“ habe die Partei Wähler verloren. Damit wird Wagenknechts Buch zur Fortsetzung ihres jahrelangen erbitterten Machtkampfes, den sie als Fraktionschefin gegen die damaligen Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger führte. In ihrem Buch spricht sie an einer Stelle vom „damaligen Vorsitzenden einer deutschen linken Partei, dessen Name heute zu Recht vergessen ist“ – gemeint ist Riexinger. Wagenknecht hatte 2018 versucht, mit der Gründung der linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“ einen Akzent auch gegen die Parteiführung zu setzen.

Wagenknecht macht Migration für Niedriglöhne verantwortlich

Auf massive Kritik stießen parteiintern auch Passagen in dem Buch, in denen Wagenknecht die Zuwanderung für Niedriglöhne in Deutschland verantwortlich macht. Alle Parteien jenseits der Rechten weigerten sich, „die aus Migration resultierenden Probleme auch nur anzuerkennen“ – sie würden stattdessen „die wütenden Opfer moralisch verurteilen“. In der Frage der Begrenzung der Zuwanderung habe die AfD „die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich“, behauptet Wagenknecht. Kein Wunder, dass sie nach der Kritik aus den Reihen der Linken ausgerechnet Unterstützung aus der AfD bekam. „Sahra Wagenknecht trifft es auf den Punkt“, lobte die AfD in NRW auf Twitter und zitierte Wagenknechts Satz über die „immer skurrileren Minderheiten“.

Die neue Linkenführung bemüht sich nun, den langjährigen Konflikt mit Wagenknecht im Wahljahr nicht eskalieren zu lassen. Die neuen Vorsitzenden Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow stellten am Montag den Entwurf des Wahlprogramms vor, das schon einmal von Kipping und Riexinger präsentiert und nun vom Vorstand noch leicht abgeändert wurde. Die Partei fordert eine Anhebung des Mindestlohns, die Einstellung von 200.000 Pflegekräften in Krankenhäusern und Altenpflege, eine „sanktionsfreie Mindestsicherung“ statt Hartz IV und einen Mietendeckel nach Berliner Vorbild für ganz Deutschland. Außerdem plädieren die Linken für eine Vermögenssteuer und eine zusätzliche Vermögensabgabe für Millionäre.

Auf Nachfrage sagte Wissler, sie gehe davon aus, dass jeder, der für die Partei kandidiere, auf den Grundsätzen des Wahl- und Parteiprogramms stehe. Die Parteichefin wies außerdem darauf hin, dass sich Wagenknecht auf den Wahlkampf in NRW konzentrieren wolle. Mehr wollen die neuen Vorsitzenden zum Thema Sahra Wagenknecht öffentlich nicht sagen.

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„Ein wahnsinnig schlechtes Ergebnis für die Linken“

 

Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz sieht das schlechte Abschneiden der Linken bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt als ein Warnsignal für die Partei mit Blick auf die Bundestagswahl. „Es ist ein wahnsinnig schlechtes Ergebnis für die Linken, sie sind der große Wahlverlierer“, sagte Brodocz der Deutschen Presse-Agentur. Die Linke lebe vor allem vom Zuspruch aus den ostdeutschen Bundesländern. „Je mehr ihr dort die Stimmen wegfallen, desto schwieriger könnte ihr damit auch der Wiedereinzug in den Bundestag gelingen.“

Die Partei musste bei der Landtagswahl einen großen Stimmenverlust verbuchen. Es gebe Debatten innerhalb der Linken zur strategischen Ausrichtung, die ihr schadeten, sagte Brodocz. „In der Tat hat die Linke dieses Problem nicht wirklich gelöst und es scheint, dass sie dadurch nach und nach immer mehr Stimmen verliert.“

Die CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff ging bei der Wahl am Sonntag als klarer Sieger hervor. Für Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet bedeute dies laut Brodocz vor allem, dass ihm aus Sachsen-Anhalt kein Gegenwind entgegen wehe. „Er hat sicherlich als führende Gestalt der CDU seinen Anteil daran, dass es ein gutes Ergebnis ist“, sagte Brodocz.

Zugleich wies er darauf hin, dass Laschet in einer ganz anderen Situation sein werde als Haseloff, wenn am 26. September ein neuer Bundestag gewählt wird. „Er wird einer von vielen Kandidaten sein, von denen keiner einen Amtsbonus hat.“ Es ergebe sich daher keine vergleichbare Situation im Bund.

Regierungschef Haseloff habe nun durch das Wahlergebnis mehrere Optionen, eine neue Regierung zu schmieden. „Vor dem Hintergrund wird es jetzt sicher eine Frage sein, inwiefern er die letzten Jahre als erfolgreiche Jahre verstanden hat“, sagte Brodocz. Es komme wohl auch darauf an, welche Vertrauensverhältnisse zwischen den einzelnen Akteuren bestehen.

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Was die Linke plant: Vier-Tage-Woche, Enteignung, Geheimdienste abschaffen

Das Programm der Linken zur Bundestagswahl ist knapp 120 Seiten lang und trägt den Titel "Zeit zu handeln: Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit!" Die Inhalte im Kurzüberblick.

Klima

Die Linke will Klimaneutralität in Deutschland bis 2035 erreichen. Dazu will die Partei die Automobilindustrie umbauen, in erneuerbare Energien und in die ökologische Modernisierung von Gebäuden investieren. Bis 2030 soll Deutschland aus der Kohle aussteigen, Strom- und Wärmenetze sollen in die öffentliche Hand überführt werden. Die Kosten für die Stilllegung und den Rückbau von Atomanlagen sollen die Konzerne tragen.

Wirtschaft/Jobs

Leiharbeit und sachgrundlose Befristungen will die Linke abschaffen, der Mindestlohn soll auf 13 Euro (jetzt 9,50 Euro) steigen. Die Linke will sich für eine Vermögensabgabe zur Finanzierung der Corona-Kosten ab einem Nettovermögen von zwei Millionen Euro einsetzen, für eine Vier-Tage-Arbeitswoche (30 Stunden) bei vollem Lohnausgleich und für eine Anhebung des Urlaubsanspruchs von 24 auf 36 Tage.

Teilzeitjobber sollen einen Rechtsanspruch auf eine Mindeststundenzahl von 22 Stunden pro Woche erhalten, Angestellte sollen Mitbestimmungsrechte bei der Personalbemessung bekommen und eine Anti-Stress-Verordnung soll verabschiedet werden.

Rente

Die Partei plädiert für eine Mindestrente von 1.200 Euro, niedrigere Renten sollen aufgestockt werden. Das gesetzliche Rentenniveau soll auf 53 Prozent angehoben werden. Auch PolitikerSelbstständige und Beamte sollen in die gesetzliche Rente einzahlen. Die Renten im Osten will die Linke sofort an die Renten im Westen angleichen.

Steuern

Zur Finanzierung ihrer Politik will die Partei neben der Vermögensabgabe hohe Einkommen sowie Unternehmen stärker besteuern und auch die Vermögensteuer wieder einführen. Greifen soll die Vermögensteuer ab einem Vermögen von einer Million Euro. Kleine und mittlere Einkommen sollen hingegen entlastet werden, indem der Steuerfreibetrag für die Einkommensteuer auf 14.400 Euro erhöht wird. Die Schaumweinsteuer will die Linke abschaffen.

Soziales/Wohnen

Hartz IV will die Linke durch eine Mindestsicherung ersetzen, die nicht gekürzt werden kann. So soll niemand unter 1.200 Euro pro Monat fallen. Sie will ein neues Arbeitslosengeld Plus einführen, das nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I greift. Es soll 58 Prozent des Nettoentgelts plus Inflationsausgleich betragen. Wer mindestens 30 Jahre in der Arbeitslosenversicherung versichert war, soll unbefristeten Anspruch auf das Arbeitslosengeld Plus haben.

Wohnen versteht die Linke als ein Grundrecht, bereits jetzt setzt sie sich – zum Beispiel in Berlin – für die Enteignung großer Immobilienkonzerne ein. Mit einem Vergesellschaftungsgesetz im Wahlprogramm will auch die Bundespartei den Weg dafür frei machen, Wohnungen in öffentliches Eigentum zu überführen und einen Fonds zur Rekommunalisierung aufsetzen. Mit einer neuen Wohnungswirtschaftsgesetzgebung soll ein "wesentlicher Teil der Miete" in Rücklagen für Instandhaltung fließen. Das Vorkaufsrecht der Kommunen soll gestärkt werden.

Digitalisierung/Daseinsvorsorge

Jedes Kind soll ein mobiles Endgerät als Teil der Bildungsausstattung erhalten und früh mit digitalen Technologien vertraut gemacht werden. Es soll außerdem zu Hause über einen Computer, Drucker und einen Internetanschluss verfügen, fordert die Linke. Alle Wohnungen in Deutschland sollen Breitbandanschluss erhalten; Breitband- und Mobilfunknetze sollen in die öffentliche Hand übergehen. Der Ausbau soll mit 10 Milliarden Euro jährlich gefördert werden.

Digitalkonzerne sollen in den Ländern Steuern zahlen, in denen sie wirtschaftlich aktiv sind. Plattformen wie Airbnb will die Linke verpflichten, ihre Daten mit öffentlichen Behörden zu teilen und Mitbewerbern ein Zugriffsrecht zu geben. So will sie Monopole verhindern. Open-Source-Betriebssysteme sollen öffentlich gefördert werden.

Migration/Integration

Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse sollen unabhängig von der Beschäftigungsdauer gewährt und Qualifikationen von Nicht-EU-Bürgern anerkannt werden. Abschiebungen lehnt die Linke generell ab, besonders aber in Kriegsgebiete oder als "Form der Doppelbestrafung".

Flüchtlinge sollen nicht mehr in Massenunterkünften untergebracht werden, sondern Wohnungen erhalten. Die Linke will eine Erstausstattung an Schulbedarf für geflüchtete Kinder garantieren, sowie zusätzliche Sprach- und Alphabetisierungskurse für Erwachsene.

Außen- und Sicherheitspolitik

Dieser Punkt gilt als Knackpunkt für Koalitionsverhandlungen zwischen Linken, Grünen und SPD: Die Linke fordert den Abzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen und will keine neuen Einsätze. Sie fordert die Auflösung der Nato und die Ersetzung "durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands". Geheimdienste sollen abgeschafft und Rüstungsexporte verboten werden.

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Ein scharfes Auge auf Millionäre und Milliardäre: Die Linke will Reiche und Superreiche zur Kasse bitten, die Bundeswehr schrumpfen und kostenlosen öffentlichen Nahverkehr für alle bezahlen.

„Zeit zu handeln. Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit!“, ist das Wahlprogramm der Partei die Linke überschrieben. Vor allem Vermögende und Superreiche will die Partei mit einer Vermögenssteuer und einer Vermögensabgabe an den Kosten der Corona-Krise und für den Umbau von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft beteiligen.

Klima: Für die Linke steht fest, „dass die Umweltzerstörung von den sozialen Verhältnissen im Kapitalismus nicht zu trennen ist“. Ressourcenverbrauch und Emissionen sollen auf ein nachhaltiges Niveau zurückgefahren werden. Die Linke will eine Mobilitätswende und bezahlbare, energieeffiziente Wohnungen. „Klimapolitik darf keine Frage des Geldbeutels sein, dann wird sie am Ende elitär“, sagte Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch zum Abschluss des Konvents. „Wir machen vor allem Politik für Polo-FahrerInnen und nicht für Tesla-Jünger“, betonte Bartsch. Den öffentlichen Personennahverkehr mit Bus und Bahn soll es künftig zum „Nulltarif“ geben, wenn die Linke im Bund mitregiert. Klimaschutz soll es zudem ohne Mieterhöhung geben. Dazu will die Partei die Modernisierungsumlage abschaffen. Sie diene der Mietsteigerung, aber nicht dem Klimaschutz.

Finanzen: Die Linke will Reiche und Superreiche besteuern und dazu wieder die Vermögensteuer einführen – mit einem progressiven Tarif und einem Freibetrag für Privatvermögen von einer Million Euro pro Person (ohne Schulden). Wichtig: Wer mit einer Eigentumswohnung in einer Innenstadt „Papier-Millionär“ sei, werde nicht belastet. Der Eingangssteuersatz der Vermögensteuer startet laut Programm bei einem Prozent und steigt bis zu einem Nettovermögen von 50 Millionen Euro stetig an. Ab 50 Millionen Euro soll der Höchststeuersatz von fünf Prozent greifen. Zur Bewältigung der Corona-Krise soll zudem eine Vermögensabgabe ab Nettovermögen von über zwei Millionen Euro erhoben werden. Für Betriebsvermögen gilt ein Freibetrag von fünf Millionen Euro. Die Vermögensabgabe soll in einem Zeitraum von 20 Jahren rund 310 Milliarden Euro in die Staatskasse bringen.

Soziales und Gesundheit: Die Linke will den Mindestlohn auf 13 Euro anheben und tritt für eine sanktionsfreie Mindestsicherung von 658 Euro ein. Gegen Altersarmut will die Partei eine solidarische Mindestrente von 1200 Euro einführen und das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anheben. Zudem soll der Mindesturlaubsanspruch in Deutschland von derzeit 24 Tagen auf 36 Tage im Jahr steigen. In der Gesundheitspolitik will die Linke etwa das System der Fallpauschalen in Krankenhäusern beenden und Kliniken wie Pflegekonzerne von der Börse nehmen. „Sie müssen nach Bedarf und Gemeinwohl organisiert werden“, heißt es im Programm. „Es ist unmoralisch mit der Pflege alter Menschen ein Geschäft zu machen“, Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch. Deshalb will seine Partei 100 000 Pflegekräfte mehr in den Krankenhäusern sowie 100 000 Pflegekräfte mehr in den Pflegeheimen sowie 500 Euro mehr Grundgehalt.

 

Ostdeutschland: Die Linke will 30 Jahren nach der Vereinigung die Renten angleichen und dazu die Ostrenten „sofort“ an das Westniveau anpassen. Zudem tritt die Partei für einheitliche Tarifgebiete in Ost und West ein. „Die Ostdeutschen arbeiten pro Jahr im Durchschnitt 67 Stunden länger und erhalten dafür 5000 Euro weniger Gehalt“ als ihre Kolleginnen und Kollegen im Westen.

Innenpolitik: Die Linke will rechten Terror und Gewalt stoppen und plädiert unter anderem dafür, den Verfassungsschutz durch eine unabhängige Beobachtungsstelle zu ersetzen. Zudem will die Partei „gegen Rassismus und Korpsgeist bei der Polizei“ eine unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle auf Bundesebene schaffen, eine Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten sowie eine wissenschaftliche Untersuchung „extrem rechter Einrichtungen und rassistischer Praktiken“ bei Polizei und Bundeswehr.

Außen- und Sicherheitspolitik: Die Linke will den Wehretat in Deutschland jedes Jahr um zehn Prozent kürzen. Sie will die Bundeswehr aus sämtlichen Auslandseinsätzen abziehen und lehnt das Zwei-Prozent-Ziel der Nato ab. Zudem soll die Wehrpflicht nicht nur ausgesetzt, sondern ganz abgeschafft werden. Ebenso sollen alle Rüstungsexporte aus Deutschland verboten werden.

Die Kommunisten von gestern, sind am Aussterben!

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Die Linke: Sie sind wieder wer

 

Plötzlich ist die Partei doch noch zum Faktor im Wahlkampf geworden. Die Frage ist, ob sie tatsächlich etwas daraus macht.

Sie sind wieder wer

So nett, wie es rüberkam, war es von Armin Laschet vermutlich gar nicht gemeint. Der Kanzlerkandidat der Union hat am Sonntag im Triell seine Mitbewerber von SPD und Grünen nachdrücklich dazu aufgefordert, eine Koalition mit der Linkspartei auszuschließen. Olaf Scholz und Annalena Baerbock brachten jeweils ihre inhaltlichen Vorbehalte gegenüber der Linken zum Ausdruck, aber die entscheidenden Worte - "Ich mache es nicht" - ließen sie sich von Laschet nicht entlocken.

Im Karl-Liebknecht-Haus dürften sie sich aufrichtig gefreut haben, dass der CDU-Chef in solch einer Sendung seinen Konkurrenten Scholz und Baerbock diese Szene machte. Denn sie ist ein belastbares Indiz dafür, dass die Partei doch noch als Gegner ernst genommen wird. Zu den konkreten Ergebnissen dieses ersten TV-Triells gehört: Auf einmal redet man in Deutschland wieder über die Linke. Natürlich nicht nur Gutes, aber immerhin.

Ausgerechnet die SPD hilft ihr aus der Irrelevanz heraus

In den zurückliegenden Wochen ließ sich nicht mit letzter Gewissheit sagen, ob die Linkspartei überhaupt mitmacht in diesem Bundestagswahlkampf. Zwar sagten ihre Führungsleute immer wieder brav ihre Thesen auf, aber jenseits der eigenen Stammklientel schien davon kaum jemand Notiz zu nehmen. Während die anderen Parteien in den Umfrage-Diagrammen des Superwahljahres wilde Achterbahnfahrten hinlegen, bildet die Linke dort eine nahezu waagrechte Linie etwa auf Höhe der Sieben-Prozent-Marke. Sie ist inzwischen die Konstante im deutschen Parteiensystem, zuletzt war das aber kein Ausdruck von Stabilität, sondern eher von Irrelevanz. In der Koalitions-Arithmetik spielte sie lange Zeit keine Rolle, und in einem Wahlkampf, der sich bislang vor allem um Umfragen und Farbenspiele dreht, kam sie deshalb praktisch nicht vor. Es gab kaum Gründe, über die Linke zu reden - und noch weniger, um sich vor ihr zu fürchten.

Es ist natürlich ein Treppenwitz der Geschichte, dass nun ausgerechnet die SPD der Linken aus ihrer größtenteils selbstverschuldeten Bedeutungslosigkeit herausgeholfen hat. Die heutige Linkspartei gründete sich als Protestbewegung zur sozialdemokratischen Sozialpolitik der Nullerjahre, für die nicht zuletzt Olaf Scholz einmal stand. Jetzt nehmen die Linken die Schützenhilfe desselben Scholz' natürlich gerne an. Seit dieser in der Gunst der Wähler nach oben schnellt, blinkt Rot-Rot-Grün in den Umfragen zumindest wieder als theoretische Möglichkeit auf. Und im Kopf von Armin Laschet offenbar als real existierender Albtraum. Kurzum: Die Linke ist wieder im Spiel.

Vergangene Woche: ein törichter Fehler im Bundestag

Sie hat es nun selbst in der Hand, in welcher Rolle sie dort auftaucht: als ernst zu nehmende Wettbewerber oder als unverbesserliche Prinzipienreiter. In vielen innenpolitischen Fragen stehen sich die relevanten Köpfe der Linken und der linke Flügel der SPD deutlich näher, als beide Seiten zugeben würden. Umso törichter war es, dass sich die Linke vergangene Woche im Bundestag nicht klar zur Kabul-Notrettungsaktion bekennen wollte. Das war nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch strategisch. Gerade aus der starken moralischen Position heraus, das Afghanistan-Desaster von Beginn an geahnt zu haben, hätte es für die Partei keine bessere Gelegenheit gegeben, ihre außenpolitische Problemflanke abzuräumen. Sie hätte zeigen können, dass mit ihr durchaus Staat zu machen wäre.

Die Linke muss endlich verstehen: Je schwerer sie es Baerbock und Scholz macht, jene vier entscheidenden Worte zu sagen, die Laschet hören will, umso besser wird es ihr am 26. September ergehen.

 

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„Wandel wird mit der FDP nicht gehen“: Gysi warnt SPD und Grüne vor Ampelkoalition

 

Zehn Tage vor der Bundestagswahl wirbt Linke-Star Gysi erneut für ein rot-grün-rotes Bündnis. Hierzu stellt er auch die Haltung seiner Partei zur Nato klar.

Der Linken-Politiker Gregor Gysi hat die SPD und die Grünen vor einer Ampelkoalition mit der FDP gewarnt und für ein Bündnis mit seiner Partei geworben. „Wenn man einen sozialökologischen Wandel will, wird es mit der FDP nicht gehen“, sagte er dem „Spiegel“ mit Blick auf das Programm der Liberalen. „Wenn SPD und Grüne den Wandel wollen, müssen sie mit uns gehen“, ergänzte er.

Zur Debatte um mögliche Koalitionsoptionen für die SPD äußerte Gysi die Vermutung, die Sozialdemokraten würden die Linke nur benutzen, um die FDP für ein Bündnis „weichzukneten“. Hierzu fragte der 73-Jährige allerdings, ob man Demokratie und Völkerrecht nach vorne stellen wolle und ob man noch mehr Reiche haben möchte.

Die Kritik aus Reihen der CDU, wie jüngst von Friedrich Merz, die Linke sei „kein Partner für demokratische Parteien“ und wolle „zurück in düsterste Zeiten des Sozialismus“, bezeichnete Gysi als „Quatsch“. Merz, der Mitglied im sogenannten Zukunftsteam von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet ist, warnt wie andere Unions-Politiker eindringlich vor einem rot-grün-roten Regierungsbündnis nach der Bundestagswahl am 26. September.

Zudem betonte Gysi für den Fall von Sondierungsgesprächen zwischen SPD, Grünen und Linken, dass die außenpolitische Haltung seiner Partei nicht das Problem sei. Zu Forderungen aus SPD und Grünen, die Linke solle als Bedingung für eine Koalition unter anderem ein Bekenntnis zur Nato ablegen, sagte der außenpolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Bekenntnisse gehörten eher in die Kirche.

Zwar wolle die Linke künftig die Nato durch ein Bündnis inklusive Russland ersetzen, die Auflösung der Nato sei aber für die kommende Legislaturperiode nicht das Ziel, erklärte Gysi.

Zudem befand er die transatlantischen Beziehungen für wichtig, räumte jedoch ein: „Wenn man als Partnerschaft ein Vasallentum versteht, dafür bin ich nicht zu gewinnen.“ Deshalb sprach er sich nicht nur für eine Zusammenarbeit mit den USA, sondern auch mit China und Russland aus.

 

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Linke: Amira Mohamed Ali sieht Partei vor Existenzkampf

 

Nur wegen drei Direktmandaten kam die Linke wieder in den Bundestag. Für die Partei gehe es jetzt um alles oder nichts, warnt Ko-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali.

Die Linkspartei muss in der neuen Legislaturperiode um ihre Existenz kämpfen. Das glaubt Ko-Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali. »Ja, da gibt es kein Vertun«, sagte sie der »Rheinischen Post« und dem »General-Anzeiger«. »Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein und das Wahlergebnis kritisch aufarbeiten«, forderte sie.

Die Linke war bei der Bundestagswahl auf 4,9 Prozent abgestürzt. Nur dank dreier Direktmandate scheiterte sie nicht an der Fünf-Prozent-Hürde. Mohamed Ali bewirbt sich am Montag gemeinsam mit Dietmar Bartsch wieder um den Ko-Vorsitz der Linken-Bundestagsfraktion (lesen Sie hier mehr).

Sie sagte ihrer Fraktion für die kommenden vier Jahre im Bundestag eine schwere Zeit voraus. »Wir müssen unsere wichtige Oppositionsarbeit jetzt mit deutlich weniger Mitteln gestalten. Das ist eine Herausforderung. Wir müssen dafür noch effizienter werden und uns auf Kernthemen konzentrieren.«

Mohamed Ali riet ihrer Partei, bei der Aufarbeitung der Wahlschlappe auf »Zeit und unabhängige Expertise« zu setzen. »Hanebüchene Schuldzuweisungen, die am Tag nach der Wahl oder wenige Tage danach einfach aus dem Hut gezaubert werden, helfen da nicht weiter.«

Nur noch 39 Abgeordnete in der Fraktion

Seit der Wahlnacht wird innerhalb der Linken kontrovers über die Ursachen für die Niederlage debattiert. Häufig zu hören war die Einschätzung, das Abstimmungsverhalten zum Afghanistan-Evakuierungseinsatz habe Wählerstimmen gekostet. Die Linke hatte sich mehrheitlich enthalten, ein paar Abgeordnete hatten aber auch mit Ja, andere wiederum mit Nein gestimmt.

Ansonsten sind die Analysen von Partei- und Fraktionsmitgliedern uneinheitlich: Manche kritisieren, die Linke habe versucht, grüner als die Grünen zu sein, andere finden, die Partei habe sich im Wahlkampf zu sehr SPD und Grünen für ein mögliches Regierungsbündnis angedient. Wieder andere sehen eine Vernachlässigung von Ost-Themen oder von bestimmten Wählergruppen.

Die auf 39 Abgeordnete geschrumpfte Fraktion muss sich nach Ansicht der stellvertretenden Fraktionschefin Gesine Lötzsch auf eine wesentliche Aufgabe konzentrieren: »Es kommt jetzt darauf an, dass wir sehr genau und sehr deutlich klarmachen, was in der Ampel-Koalition an Unsozialem geschehen wird. Die Fraktion muss ihre gemeinsame Kraft darauf verwenden, dem Widerstand entgegenzusetzen.« Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP verhandeln derzeit über die Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung.

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