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Öl-Preis kollabiert um 11,0 %! 4 Gründe, warum dies ein Freudentag ist

silhouette of working oil pumps on sunset background

© Bereitgestellt von The Motley Fool, Incsilhouette of working oil pumps on sunset background

Wer meine Artikel regelmäßig liest, weiß bereits, dass ich einen fallenden Öl-Preis und eine sinkende Inflation erwarte. Letztere wurde hauptsächlich durch hohe Energiekurse verursacht. Doch nachdem der Ukrainekrieg begann, preiste der Markt wahrscheinlich schon das schlimmste aller Szenarien ein.

Seitdem fällt der Öl-Preis. In Erwartung der steigenden Zinsen sind aber auch bereits viele andere Rohstoffe im Kurs gesunken. Während die Welt und die Zentralbanken noch über die Inflation als wichtigstes Thema diskutiert, nimmt die Börse bereits eine Rezession (Wirtschaftskrise) vorweg.

1. Russland geht bald das Geld aus

Doch der fallende Öl-Preis bringt auch viele Vorteile mit sich. So ist es sehr wahrscheinlich, dass Russland bald das Geld ausgeht und es somit gezwungen ist, den Krieg zu beenden. Frieden zwischen den Ländern ist nicht nur für die betroffenen Menschen gut, sondern auch für die Weltwirtschaft. So könnten sich ebenfalls schnell viele Engpässe wieder auflösen.

2. Sinkender Öl-Preis entlastet Bürger und Unternehmen

Ein fallender Öl-Preis entlastet aber auch die Unternehmen, deren Kosten so sinken. In der Folge steigen die Gewinne, was wiederum für steigende Aktienkurse sorgt.

Auch an der Tankstelle wird der Öl-Preis-Kollaps schnell seine Wirkung zeigen. Ein fallender Benzinpreis entlastet die Bürger, sodass sie wieder mehr konsumieren und somit die Wirtschaft antreiben.

Einzig für Öl-Aktien wie Shell (WKN: A3C99G) oder BP (WKN: 850517) ist der fallende Öl-Preis negativ. Doch sie verkraften ihn leicht. Shell bricht heute (05.07.2022) um 7,95 % und BP um 6,29 % ein. Dafür profitieren an der Börse viele andere Unternehmen, die zuvor unter den hohen Preisen gelitten haben.

3. Wenn Öl fällt, sinkt die Inflation

Da die hohen Öl-Preise beispielsweise auch Nahrungsmittel verteuerten, würde ein weiterer Rückgang auch hier für Entlastung sorgen. Die Inflation könnte so schnell sinken.

4. Nach der Rezession kommt der Aktien-Aufschwung

Auch für die Aktienmärkte ist ein fallender Öl-Preis positiv. Er deutet zunächst auf eine sich anbahnende Rezession hin. Doch tritt sie erst einmal in den Ergebnissen offensichtlich zu Tage, werden europäische und amerikanische Zentralbanken wahrscheinlich schnell ihre starken Zinserhöhungsgedanken wieder überwerfen. Die Anleihenrenditen nehmen diese Entwicklung aktuell bereits vorweg.

Damit wäre der Grundstein für einen neuen Aufschwung am Aktienmarkt gelegt. Doch zuvor muss die Wirtschaft erst noch durch das Rezessionstal gehen, die zu einer höheren Arbeitslosigkeit und bei den Unternehmen für sinkende Gewinne sorgt.

Wie stark der Öl-Preis in Konjunkturkrisen zusammenbricht, zeigt ein Rückblick auf das Jahr 2008. Damals sank er von mehr als 147 auf nur noch 35 US-Dollar. Während der Wirtschaftsschließung 2020 fiel er sogar auf nur noch etwa 17 US-Dollar.

Auch Russland kann Energie nur eine gewisse Zeit verknappen. Danach wird die aktuelle Politik in der Katastrophe enden und das Land ruinieren.

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Russland warnt vor Scheitern des Getreideabkommens

Das russische Außenministerium hat vor einem Scheitern des Getreideabkommens gewarnt. Der Export von Getreide aus Russland und der Ukraine müsse gleichzeitig beginnen, forderte der stellvertretende russische Außenminister Andrej Rudenko am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. Daher müssten die Hindernisse zum Export russischen Getreides schnell beseitigt werden.

Das Getreideabkommen wurde erst kürzlich beschlossen. Nun warnt Russland vor einem Scheitern.

© Jussi Nukari/Lehtikuva/dpa/ArchivDas Getreideabkommen wurde erst kürzlich beschlossen. Nun warnt Russland vor einem Scheitern.

«Wir hoffen stets auf das Beste und rechnen darauf, dass unsere Partner die beiden Komponenten des Getreide-Deals verwirklichen, der die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine und die Beendigung der Begrenzungen für den russischen Getreideexport insgesamt betrifft», sagte Rudenko. Russland hat in der Vergangenheit eine Beendigung der Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen explizit von einer Lockerung der westlichen Sanktionen gegen sich abhängig gemacht.

Zwar richten sich die Sanktionen nicht gegen den Export von Lebensmitteln und Dünger aus Russland, doch haben sie inzwischen eine solche Strahlkraft entwickelt, dass sie auch deren Ausfuhr behindern. So klagt Moskau darüber, dass russische Schiffe, die Getreide transportieren, nicht mehr in europäischen Häfen anlegen oder versichert werden können. Auch bei der Finanzierung solcher Transporte gebe es Probleme durch die Beschränkungen im Finanzsektor.

Kontrollzentrum in Istanbul eröffnet

Das von Russland und der Ukraine vereinbarte Kontrollzentrum zur Überwachung von ukrainischen Getreideexporten wurde heute in Istanbul offiziell eröffnet. Die Türkei glaube, dass das Zentrum einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Nahrungsmittelkrise leisten werde, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar am Mittwoch bei der Eröffnungszeremonie.

Derzeit liefen Vorbereitungen, damit das erste mit Getreide beladene Schiff die Ukraine über das Schwarze Meer verlassen könne. Schiffe sollen bei der Durchfahrt durch die Meerenge Bosporus, also bei Ein- und Ausfahrt ins Schwarze Meer, kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen oder Ähnliches geladen haben. Das Koordinationszentrum werde die Handelsschiffe registrieren und deren Bewegungen unter anderem über Satelliten verfolgen, sagte Akar.

Das Zentrum ist Teil eines am Freitag in Istanbul unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei geschlossenen Abkommens, mit der die Blockade ukrainischer Häfen aufgehoben wurde. Es ist laut Akar schon seit Samstag im Betrieb. Dass die Ukraine, Russland und die UN schon einen Tag nach Unterzeichnung Vertreter entsandten, wertete Akar als Zeichen der Entschlossenheit, das Abkommen umzusetzen. In dem Zentrum arbeiteten Zivilisten und Militärs - jeweils fünf Vertreter pro Partei, sagte Akar.

Reederverband: Getreideexporte sind große Herausforderung

Aus Sicht des internationalen Reederverbandes Bimco werden die vereinbarten ukrainischen Getreideexporte die maritime Logistik vor eine schwierige Aufgabe stellen. Weil die drei ukrainischen Häfen Odessa, Tschornomorsk und Juschnyj «in den letzten fünf Jahren noch nie eine so große Menge Getreide umgeschlagen haben», könnten sich die geplanten Exporte als Herausforderung erweisen, heißt es in einer Mitteilung des Verbandes vom Mittwoch in Bagsværd bei Kopenhagen. «Selbst wenn die Hafenlogistik beschleunigt wird, um die Exporte zu beschleunigen, wird die Notwendigkeit, die Schiffe in die Häfen hinein und aus ihnen heraus zu eskortieren, wahrscheinlich zu einer gewissen Überlastung führen», sagte Bimco-Analyst Niels Rasmussen.

Als «ein wesentliches Hindernis für die ukrainischen Getreideexporte» bewertet Bimco-Analyt Rasmussen zudem die hohen Transportrisiken und entsprechend hohe Versicherungsprämien. «Damit die Verschiffung ukrainischen Getreides attraktiv ist, sind hohe Raten erforderlich, um die risikobedingten Kosten zu mindern», sagte er. «Russlands jüngste Raketenangriffe auf Häfen wie Odessa werden die Unsicherheit und Ungewissheit bei Operationen im Schwarzen Meer noch verstärken.»

Die Ukraine zählt zu den wichtigsten Getreideexporteuren der Welt. Wegen des Krieges können noch etwa 20 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine nicht exportiert werden. Die Nahrungsmittel werden vor allem in Asien und Afrika dringend benötigt. Die Vereinten Nationen warnten zuletzt schon vor der größten Hungerkrise seit Jahrzehnten.

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Reise nach nirgendwo - Getreide aus der Ukraine ohne Abnehmer

Beirut/Istanbul. Die Abreise der „Razoni“ aus Odessa in Richtung Libanon war als Erfolg des Getreide-Deals mit Russland gefeiert worden. Doch plötzlich ändert das Schiff den Kurs, dümpelt in der Türkei - und weckt Argwohn.

 Der unter der Flagge von Sierra Leone fahrende Getreidefrachter „Razoni“ am 3. August am Bosporus in der Türkei (Archivfoto).

© Emrah GurelDer unter der Flagge von Sierra Leone fahrende Getreidefrachter „Razoni“ am 3. August am Bosporus in der Türkei (Archivfoto).

Das mit ukrainischem Getreide beladene Frachtschiff „Razoni“ hat unerwartet vor dem türkischen Hafen in Mersin geankert. Das zeigten die Schiffsortungsdienste vesselfinder.com und marinetraffic.com am Dienstag. Eigentlich sollten die 26.000 Tonnen Mais in den libanesischen Hafen Tripoli und von dort nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur weiter ins benachbarte Syrien transportiert werden. Etwa einen Tag vor Ankunft änderte das Schiff dann seinen Kurs.

Die „Razoni“ hatte den ukrainischen Schwarzmeer-Hafen Odessa vor einer Woche verlassen - als erstes Schiff nach Ende einer Getreide-Blockade Russlands. Nach einer Inspektion in Istanbul steuerte sie zuerst den Libanon an, erklärte als neues Ziel dann aber unerwartet „Order“, also einen unbestimmten Ort, von dem aus ein Händler die geladene Ware dann bestellt.

Seit Samstag lag die „Razoni“ nahe der türkischen Küste bei Iskenderun vor Anker - und machte sich laut Marinetraffic dann in der Nacht zum Dienstag auf in Richtung des Hafens von Mersin. Der Hafenbetreiber war vorerst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die ukrainische Botschaft im Libanon teilte am Montagabend unter Berufung auf die Spediteure mit, der Käufer sei abgesprungen - unter Verweis auf eine fünf Monate lange Wartezeit. Man sei auf der Suche nach einem neuen Empfänger im Libanon oder anderswo. Dass die „Razoni“ ihren Zielort kurz vor Ankunft geändert habe, sei aber „etwas seltsam“, sagte ein Sprecher von Marinetraffic.

Libanesische Regierungsvertreter hatten der dpa zuvor gesagt, Händler hätten wohl einen Teil der erwarteten Mais-Ladung vom Libanon ins benachbarte Syrien bringen wollen. Der Export von Lebensmitteln nach Syrien ist legal, wird aber erschwert durch Finanzsanktionen des Westens gegen die syrische Regierung. Die Hisbollah etwa schmuggelt in großem Stil unter anderem Lebensmittel und Medizin nach Syrien und kontrolliert auch die meisten illegalen Grenzübergänge.

Beobachter im Libanon machte die große Ladung Mais ebenfalls stutzig, die angeblich gemahlen und an Tiere verfüttert werden sollte. Der Libanon brauche in seiner schweren Wirtschafts- und Lebensmittelkrise Weizen, keinen Mais, sagte Hani Buschali, Präsident des libanesischen Konsortiums für Lebensmittelimporte. Möglich schien auch, dass der angedachte Transport nach Syrien platzte - wegen der großen medialen Aufmerksamkeit für die „Razoni“.

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Afrikas Erdölriese fördert immer weniger und verpasst damit eine der letzten Chancen, von der Fossilindustrie zu profitieren

Eigentlich könnte es gerade gut laufen für Nigerias Erdölindustrie, die grösste in Afrika. Der Rohölpreis ist hoch, die Opec hat ihre Förderquoten hochgeschraubt, und europäische Länder suchen seit Beginn des Ukraine-Kriegs verzweifelt nach Alternativen für russisches Öl und Gas, auch in Afrika.

Industrie mit vielen Problemen: Ölförderung im Nigerdelta. Afolabi Sotunde / Reuters

Industrie mit vielen Problemen: Ölförderung im Nigerdelta. Afolabi Sotunde / Reuters© Bereitgestellt von Neue Zürcher Zeitung Deutschland

Doch es läuft nicht gut für die Industrie, die noch immer für knapp 90 Prozent der Exporteinnahmen der grössten afrikanischen Volkswirtschaft verantwortlich ist. Nigeria hat zuletzt in den 1980er Jahren so wenig Öl gefördert wie in diesem Jahr. Im Juni schöpfte das Land nur zwei Drittel der von der Opec festgelegten täglichen Fördermenge aus.

Nigeria schlingert. Es verpasst damit womöglich eine der letzten Chancen, von einer Industrie zu profitieren, die das Land seit der Unabhängigkeit 1960 geprägt hat und aus der sich Investoren allmählich zurückziehen.

Warten auf die geplante Riesenraffinerie

Das grösste Problem für Nigerias Erdölindustrie ist nach wie vor der organisierte Diebstahl von Rohöl, meist durch das Anzapfen von Pipelines. Die staatliche Erdölgesellschaft NNPC schätzt, dass Nigeria auf diese Weise pro Tag 200 000 Fässer Rohöl verliert – was mehr als 10 Prozent der Produktion entspricht. Im ersten Quartal 2022 entgingen Nigeria dadurch Einnahmen in Höhe von einer Milliarde Dollar.

Die Energiesektor-Analystin Noelle Okwedy, die für das nigerianische Wirtschaftsmedium Stears arbeitet, sagt, es sei noch nie so viel Erdöl gestohlen worden wie derzeit. Das liege vor allem am hohen Öl- und Dieselpreis. Die Beschädigung von Pipelines zwinge die Förderer dann häufig, die Produktion vorübergehend einzustellen, wodurch die Fördermenge weiter sinke. «Die Firmen verlieren doppelt», sagt Okwedy.

Nigeria bekommt das Problem nicht in den Griff, weil zu viele Akteure davon profitieren. Unter anderem sind einflussreiche Militärs und Politiker in die Sache verwickelt – was die lokalen Gangs schützt, die den Diebstahl organisieren.

Nigerias Produktion kommt auch deshalb nicht auf Touren, weil die Infrastruktur es nicht zulässt. Viele Pipelines sind veraltet, Lecks – nicht nur durch Sabotage – sind häufig. Die vier Raffinerien der NNPC wurden lange vernachlässigt und funktionieren zurzeit nicht. Es heisst, sie würden erneuert und 2023 wieder in Betrieb genommen. Ob das passiert, ist offen.

Auch das Vorzeigeprojekt der nigerianischen Erdölwirtschaft ist noch nicht in Betrieb. Der reichste Nigerianer, der Industrielle Aliko Dangote, lässt am Rand der Metropole Lagos seit 2016 eine gigantische Raffinerie bauen, die rund 650 000 Fässer pro Tag produzieren soll. Doch wegen baulicher Verzögerungen und höherer Kosten wurde der für 2020 geplante Start dreimal verschoben, er ist nun für 2023 geplant.

Die Analystin Noelle Okwedy sagt: «Wir wissen nicht, wann Nigeria funktionierende Raffinerien haben wird. In der Zwischenzeit exportieren wir.» Nur werden die Exporteinnahmen aufgefressen, weil der nigerianische Staat raffinierte Produkte importieren muss. Die Regierung subventioniert Benzin zudem, um den Preis für die Bevölkerung erträglich zu halten. 2021 liess sich der Staat die Subventionierung von Erdölprodukten vier Milliarden Dollar kosten – was etwas mehr als einem Zehntel der Gesamtausgaben entsprach.

Die Internationalen ziehen ab

Die Regierung hat durchaus Ideen, um die Produktion anzukurbeln, solange sich noch gutes Geld mit fossilen Produkten verdienen lässt. Ende Juni etwa hat sie bekanntgegeben, sie habe 57 kleinere Ölfelder an 161 Firmen versteigert. Die Auktion hatte 2020 begonnen. Doch bis diese Felder grössere Mengen Öl hervorbringen, werden Jahre vergehen.

Derweil versuchen die internationalen Ölfirmen, die Nigerias Industrie seit der Entdeckung von Öl im Nigerdelta 1956 geprägt haben, ihr Onshore-Geschäft an nigerianische Firmen abzustossen und teilweise durch Offshore-Förderung zu ersetzen. Diese ist viel weniger anfällig für Diebstahl und Sabotage. Shell zum Beispiel, die wichtigste internationale Firma, hat schon 2010 damit begonnen, Onshore-Felder abzustossen, und plant, die Produktion in Nigeria um weitere 80 Prozent zu reduzieren. Auch Shells grösster Rivale ExxonMobil plant den Verkauf von vier Ölfeldern im Nigerdelta an eine lokale Firma für 1,28 Milliarden Dollar.

Das Vorzeigeprojekt der Regierung, mit dem sie die zunehmend investitionsscheuen Unternehmen bei Laune halten will, ist ein neues Erdölindustriegesetz, das 2021 nach zwei Jahrzehnten Vorbereitung verabschiedet wurde. Es sieht unter anderem Steuerreduktionen für internationale Unternehmen vor und öffnet die staatliche Erdölgesellschaft für Investitionen. Doch bisher hat das Gesetz kaum zu neuen Investitionen geführt. Und das, obwohl europäische Regierungen auch in Afrika nach Alternativen für russisches Öl suchen und Vertreter italienischer und französischer Energieunternehmen im Frühjahr Gespräche in Nigeria geführt haben.

Damit verpasst Nigeria gerade die Chance, von den hohen Erdölpreisen zu profitieren. Im Juni veröffentlichte die Opec Zahlen, laut denen Angola im vorangegangenen Monat erstmals mehr Öl gefördert hatte als Nigeria. Medien titelten: «Angola übertrumpft Nigeria und wird zu Afrikas grösstem Ölproduzenten.» Dabei ging unter, dass die Produktion auch in Angola gesunken ist – und es sich um ein Rennen zwischen zwei Verlierern handelt.

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„Wenn wir scheitern, haben wir bald in Europa eine Reihe pro-russischer Regierungen“

Seit 2021 ist Jozef Sikela Minister für Wirtschaft und Handel in der Regierung von Petr Fiala. Der 55-Jährige war lange international in Führungspositionen für verschiedene Banken tätig, unter anderem für die Unicredit Bank Austria und die Erste Bank. Er ist Teil des konservativ-liberalen Wahlbündnisses Bürgermeister und Unabhängige (Stan).

Tschechiens Wirtschaftsminister Jozef Sikela im Brüsseler Ratsgebäude Ende Februar Quelle: Getty Images/Thierry Monasse

Tschechiens Wirtschaftsminister Jozef Sikela im Brüsseler Ratsgebäude Ende Februar Quelle: Getty Images/Thierry Monasse© Getty Images/Thierry Monasse

WELT: Herr Sikela, am vergangenen Sonntag gingen in Ihrem Land Zehntausende auf die Straßen, um gegen hohe Energiepreise und für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland zu protestieren. Ihre Regierung hat derzeit die Ratspräsidentschaft inne. Sie überblicken also die Situation in Europa. Sind Sie in Sorge, dass europaweit zum Winter hin Proteste wie der in Prag zunehmen könnten?

Jozef Sikela: Ja, ich mache mir große Sorgen. Wir sollten uns nichts vormachen, die Situation ist dramatisch. Zwar wurde die Demonstration in Prag von Extremisten organisiert, von Kommunisten, Corona-Leugnern und pro-russischen Kräften, es sind jedoch auch normale Menschen mitgelaufen, die einfach Angst vor einer unsicheren Zukunft haben. Das müssen wir ernst nehmen und die Regierungen in Europa müssen die Probleme dieser Menschen eingrenzen.

WELT: Vieles deutet jedoch darauf hin, dass unabhängig davon, wie stark der Staat interveniert, weite Teile unserer Gesellschaften erst mal Abstriche werden machen müssen.

Sikela: Das stimmt – und wir müssen erklären, warum. Es ist Krieg in Europa. In der Ukraine wird geschossen, aber auch wir sind betroffen. Wir nutzen wirtschaftliche Waffen, Sanktionen. Diese sollen wehtun und die Russen dazu zwingen, sich aus der Ukraine zurückzuziehen. Moskau antwortet uns, indem es Energie als Waffe einsetzt. Russland hat sich schon im vergangenen Jahr auf einen Wirtschaftskrieg mit uns vorbereitet, indem es Gasspeicher in Europa einfach nicht gefüllt hat. Durch Marktmanipulationen treibt Russland die Preise jetzt weiter in die Höhe. In Kombination mit einem Wassermangel in Europa und damit, dass etwa die Hälfte der französischen Atomkraftwerke keinen Strom liefert, ist das sehr besorgniserregend. Wissen Sie, die entscheidende Schlacht wird diesen Winter geschlagen. Russland geht es nicht gut, die Sanktionen wirken. Doch der Kreml setzt darauf, dass unsere Bevölkerungen im Winter nicht mehr bereit sein werden, unseren Kurs mitzutragen und wir gezwungen werden, Sanktionen zurückzunehmen. Das darf nicht passieren.

WELT: Und wenn es doch passiert?

Sikela: Wenn wir scheitern, dann werden pro-russische Kräfte an Einfluss gewinnen. Dann haben wir im nächsten Jahr in Europa eine Reihe von pro-russischen Regierungen, die bereit sein werden, die Ukraine dazu zwingen, massive Zugeständnisse zu machen und die für billiges Gas nach Russland fliegen werden. Das wäre das Ende einer gemeinsamen Haltung der EU – und letztlich eine existenzielle Gefahr für uns. Ich erinnere nur daran, dass sich der Protest in Prag explizit auch gegen EU und Nato richtete. Die Stimmung wird von Kreml-treuen Parteien und Medien weiter angeheizt. Wir müssen uns zugestehen, dass Russland mit seinem hybriden Krieg erfolgreich ist. Russland verbreitet mit mithilfe von Desinformation Angst, und das nutzen Populisten und Extremisten – die wiederum Russland für sich nutzt. Sie arbeiten in einer solchen Symbiose.

WELT: Was schlagen Sie vor, damit wir Europäer gut durch den Winter kommen?

Sikela: Ich denke, dass auch die Beamten in Brüssel „munter“ werden müssen – ich hoffe, sie nehmen mir diese Wortwahl nicht übel. Wir müssen schneller reagieren, wir müssen den Menschen vermitteln, dass es sehr schwierig wird, aber dass wir gemeinsam aus dieser Lage rauskommen und dass die EU und die europäischen Regierungen alles, aber auch wirklich alles tun werden, um die Erschwernisse zu lindern. Wir müssen alles dafür tun, damit die europäische Wirtschaft nicht den Bach heruntergeht, wir müssen die Energieversorgung sicherstellen, Liquidität schaffen. Wir müssen reagieren, wenn die Gaspreise die Strompreise in die Höhe treiben. Gleichzeitig müssen wir fiskalisch verantwortlich handeln und die Mitglieder der EU müssen einander aushelfen. Denn gerade die kleineren Wirtschaften sind anfälliger als die großen.

WELT: Ausgerechnet Europas größte Wirtschaft zeigt sich besonders anfällig. Über Jahre haben verschiedene Bundesregierungen Deutschland abhängig von Russland gemacht. Es scheint, als wäre Berlins Handlungsspielraum daher eingeschränkt. Im Ausland blickt man zudem irritiert darauf, dass sich die Regierung in einer Energiekrise nicht auf den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken einigen kann. Wie bewerten Sie diese Politik?

Sikela: Kriegszeiten erfordern außerordentliche Maßnahmen. Wenn ich Druck im Kessel spüre, muss ich doch alles dafür tun, diesen Druck zu verringern. Ich bin da vielleicht etwas pragmatischer als meine Kollegen woanders. Ich verstehe, dass wir alle Rücksicht auf die Grundsätze unserer Wähler nehmen müssen, aber noch mal: Es ist Krieg. In dieser Situation müssen wir tun, was geboten ist. Ich denke hier auch an die Emissionsscheine. Vielleicht sollten wir für ein Jahr gewisse Abweichungen zulassen. Es geht nicht darum, von unseren Klimazielen abzurücken. Aber manchmal frage ich mich, worüber wir in Europa eigentlich diskutieren, während Russland einfach Gas verbrennt, damit es nicht zu uns kommt.

WELT: Wegen genau solcher Aktionen, der Gaserpressung, wirkt es oft, als säße Wladimir Putin am längeren Hebel und als würden die Europäer lediglich auf ihn reagieren. Dabei wirken die Sanktionen, Sie haben es selbst gesagt. Wie stark oder schwach ist Russland?

Sikela: Die historische Erfahrung zeigt, dass undemokratische, autoritäre Systeme gut mit Armut oder Hunger umgehen können. Die Polizei oder die Armee werden eingesetzt, um Widerstand in der Bevölkerung zu brechen. Kuba oder Nordkorea haben unter Sanktionen einen langen Atem bewiesen. Die eigene Bevölkerung ist denen oder dem Putin-Regime egal. Demokratien spüren einen Rückgang der Lebensqualität anders. In unseren freien Gesellschaften lassen wir gewisse Konflikte zu, davon leben wir, aber sicher kann das auch zum Problem werden. Darauf setzt Putin diesen Winter. Viel mehr aber kann er nicht machen. Wir sind stärker, wir müssen es ihm nur zeigen.

WELT: Was kommt nach diesem Winter? Wird es weitere Sanktionen gegen Russland geben?

Sikela: Sicher ist das möglich. Doch es geht mir vor allem darum, dass wir vollständig unabhängig von russischen Rohstoffen werden. Wissen Sie, es gibt genug Vorräte auf der Welt. Es gibt ein Angebot-Nachfrage- und ein Infrastruktur-Problem. Wenn diese beiden Probleme für uns Europäer gelöst sind, dann wird sich die Lage wieder stabilisieren.

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Biden will den Ölhahn nochmals aufdrehen

Angesichts der hohen Ölpreise will US-Präsident Joe Biden am Mittwoch die Freigabe von weiteren 15 Millionen Barrel anordnen. Das Öl stammt aus den strategischen Reserven der USA.

Beobachter sind sicher: Mit der Freigabe weiterer Ölreserven will Präsident Biden bei den Kongresswahlen punkten

Beobachter sind sicher: Mit der Freigabe weiterer Ölreserven will Präsident Biden bei den Kongresswahlen punkten© Anna Moneymaker/GETTY IMAGES/AFP

In einer Rede werde der US-Präsident zudem deutlich machen, dass zur Dämpfung der hohen Preise noch weitere Freigaben möglich seien, sagte ein US-Regierungsvertreter in Washington. Die Ankündigung sorgte bereits für sinkende Preise im Handel mit der US-Rohölsorte West Texas Intermediate (WTI).

Weitere Verkäufe nicht ausgeschlossen

Biden habe das Energieministerium darüber hinaus angewiesen, sich bereitzuhalten, um im Winter gegebenenfalls nochmals weiteres Öl aus den nationalen Reserven zu verkaufen, sagte der Regierungsvertreter. Damit könne auf durch Russland oder andere Akteure verursachte Störungen des Weltmarktes reagiert werden.

Unter anderem in West Hackberry lagert ein Teil der Strategischen Ölreserve der USA

Unter anderem in West Hackberry lagert ein Teil der Strategischen Ölreserve der USA© U.S. Department of Energy/AP/picture alliance

In seiner Rede werde Biden überdies die Ölkonzerne auffordern, sinkende Energiepreise unmittelbar an die Verbraucher weiterzugeben. Alles andere sei inakzeptabel, fügte der Regierungsvertreter hinzu. Für Beobachter ist klar, dass hinter den Ankündigungen, die strategischen Ölreserven nochmals anzuzapfen, auch wahlkampftechnische Überlegungen stehen. Angesichts der bevorstehenden Kongress-Zwischenwahlen am 8. November will Biden einen Anstieg der Benzinpreise vermeiden.

Reserven so niedrig wie zuletzt vor vier Jahrzehnten

Gegenüber dem Höchststand im Juni ist der Benzinpreis in den USA um 22 Prozent gesunken. Er liegt aber 16 Prozent über dem Niveau des Vergleichszeitraums im Vorjahr. Seit September 2021 haben die USA mehr als 212 Millionen Barrel aus ihren strategischen Ölreserven abgezweigt. Die Reserven befinden sich derzeit auf dem niedrigsten Stand seit 1984.

Bei den 15 Millionen Barrel, die nun auf den Markt kommen sollen, handelt es sich um die letzte Tranche aus der im März von Biden angekündigten Freigabe von insgesamt 180 Millionen Barrel. Dies war die bislang größte Freigabe aus den nationalen Reserven, die es in den USA überhaupt je gegeben hat. Der US-Präsident hatte damit auf die in die Höhe schnellenden Energiepreise infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine reagiert.

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Biden will den Ölhahn nochmals aufdrehen

Angesichts der hohen Ölpreise will US-Präsident Joe Biden am Mittwoch die Freigabe von weiteren 15 Millionen Barrel anordnen. Das Öl stammt aus den strategischen Reserven der USA.

Beobachter sind sicher: Mit der Freigabe weiterer Ölreserven will Präsident Biden bei den Kongresswahlen punkten

Beobachter sind sicher: Mit der Freigabe weiterer Ölreserven will Präsident Biden bei den Kongresswahlen punkten© Anna Moneymaker/GETTY IMAGES/AFP

In einer Rede werde der US-Präsident zudem deutlich machen, dass zur Dämpfung der hohen Preise noch weitere Freigaben möglich seien, sagte ein US-Regierungsvertreter in Washington. Die Ankündigung sorgte bereits für sinkende Preise im Handel mit der US-Rohölsorte West Texas Intermediate (WTI).

Weitere Verkäufe nicht ausgeschlossen

Biden habe das Energieministerium darüber hinaus angewiesen, sich bereitzuhalten, um im Winter gegebenenfalls nochmals weiteres Öl aus den nationalen Reserven zu verkaufen, sagte der Regierungsvertreter. Damit könne auf durch Russland oder andere Akteure verursachte Störungen des Weltmarktes reagiert werden.

Unter anderem in West Hackberry lagert ein Teil der Strategischen Ölreserve der USA

Unter anderem in West Hackberry lagert ein Teil der Strategischen Ölreserve der USA© U.S. Department of Energy/AP/picture alliance

In seiner Rede werde Biden überdies die Ölkonzerne auffordern, sinkende Energiepreise unmittelbar an die Verbraucher weiterzugeben. Alles andere sei inakzeptabel, fügte der Regierungsvertreter hinzu. Für Beobachter ist klar, dass hinter den Ankündigungen, die strategischen Ölreserven nochmals anzuzapfen, auch wahlkampftechnische Überlegungen stehen. Angesichts der bevorstehenden Kongress-Zwischenwahlen am 8. November will Biden einen Anstieg der Benzinpreise vermeiden.

Reserven so niedrig wie zuletzt vor vier Jahrzehnten

Gegenüber dem Höchststand im Juni ist der Benzinpreis in den USA um 22 Prozent gesunken. Er liegt aber 16 Prozent über dem Niveau des Vergleichszeitraums im Vorjahr. Seit September 2021 haben die USA mehr als 212 Millionen Barrel aus ihren strategischen Ölreserven abgezweigt. Die Reserven befinden sich derzeit auf dem niedrigsten Stand seit 1984.

Bei den 15 Millionen Barrel, die nun auf den Markt kommen sollen, handelt es sich um die letzte Tranche aus der im März von Biden angekündigten Freigabe von insgesamt 180 Millionen Barrel. Dies war die bislang größte Freigabe aus den nationalen Reserven, die es in den USA überhaupt je gegeben hat. Der US-Präsident hatte damit auf die in die Höhe schnellenden Energiepreise infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine reagiert.

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