Forum

Forum-Breadcrumbs - Du bist hier:ForumPolitik: EU - newsSteuerhinterziehung

Steuerhinterziehung

Zitat

Cum-Ex-Steuerskandal: 343-Millionen-Anklage: Viel schlimmer als bei Schuhbeck

Die Richterin Andrea Wagner ist Vorsitzende der sechsten Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht München I. Auf große Milde dürfen Steuerhinterzieher bei ihr nicht hoffen.

Die Richterin Andrea Wagner ist Vorsitzende der sechsten Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht München I. Auf große Milde dürfen Steuerhinterzieher bei ihr nicht hoffen.© Sven Simon/IMAGO

Zwei Geschäftsführer einer Münchner Firmengruppe sollen mit Aktiendeals 149 Mal so viel Steuern hinterzogen haben wie der verurteilte Starkoch Alfons Schuhbeck. Die Richterin ist beide Male die gleiche. Endet der neue Fall ebenfalls mit Gefängnis?

343-Millionen-Anklage: Viel schlimmer als bei Schuhbeck

Es ist eine der härtesten Steueranklagen, die es in München je gegeben hat. Dabei sind Steuerfälle in Bayerns Landeshauptstadt gar nicht mal so selten. Zwei Geschäftsleute, die Herren K. und U., sollen mit mutmaßlich kriminellen Aktiendeals Steuern in Höhe von insgesamt 343 Millionen Euro zugunsten ihrer Firmengruppe hinterzogen haben. Als "Tatbeute" sollen die beiden Beschuldigten laut Staatsanwaltschaft München I jeweils 16 Millionen Euro kassiert haben. 343 Millionen Euro sind ein Vielfaches davon, was im jüngsten prominenten Fall in München den Starkoch Alfons Schuhbeck ins Gefängnis gebracht hat. Der Küchenkünstler, der auch den FC Bayern München kulinarisch versorgt hatte, war wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 2,3 Millionen Euro zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden.

343 Millionen Euro, das wäre 149 Mal so viel wie bei Schuhbeck, sollte sich der schwere Verdacht bestätigen. Und es wäre mehr als das Zehnfache davon, was andere Prominente in München hinterzogen haben sollen. Uli Hoeneß vom FC Bayern hatte wegen rund 27 Millionen Euro ins Gefängnis gemusst. Und der Werbeunternehmerin Andrea Tandler, die über CSU-Kanäle Deals mit Corona-Schutzmasken vermittelt hatte, wird Steuerhinterziehung in Höhe von 23,5 Millionen Euro vorgeworfen. Die Tochter des einstigen CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler, die derzeit vor Gericht steht, bestreitet die Vorwürfe.

Der Starkoch Alfons Schuhbeck wurde vor dem Landgericht München zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt.

Der Starkoch Alfons Schuhbeck wurde vor dem Landgericht München zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt.© Sven Hoppe/dpa

Andrea Tandlers Fall wird bei Andrea Wagner verhandelt, der Vorsitzenden der sechsten Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht München I. Richterin Wagner hat auch schon über Schuhbeck zu Gericht gesessen. Und bei ihr liegt jetzt auch die 343-Millionen-Anklage. Andrea Wagner will immer ganz genau wissen, was da wie gelaufen ist. Und sie spricht Klartext, wenn sich ein Verdacht bestätigt. Auf große Milde dürfen Steuerhinterzieher bei ihr nicht hoffen.

Was viele Banken getrieben haben, war faktisch Steuerdiebstahl

Der Vergleich des neuen Falles mit Schuhbeck und anderen Verfahren macht deutlich: Die 343-Millionen-Anklage der Staatsanwaltschaft München I hat eine ganz andere Dimension als das, was normalerweise zu Gericht geht. Die Anklage ist Teil eines der größten Steuerskandale in Deutschland. Banken, andere Finanzfirmen und Börsenhändler haben mit Hilfe von gerissenen Steueranwälten den Fiskus um viele Milliarden Euro geschädigt. Die in den Skandal verwickelten Geldinstitute und deren Kompagnons ließen sich beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende von den trickreich getäuschten Finanzbehörden Steuern erstatten, die nie gezahlt worden waren.

Juristisch gilt das, sofern es beweisbar ist, als Steuerhinterziehung. Faktisch handelt es sich um Steuerdiebstahl. Dem Staat wurde ja nicht Geld vorenthalten, das ihm zusteht, um etwa Schulen, Krankenhäuser und vieles andere bezahlen zu können. Vielmehr wurde aus der Staatskasse Geld entwendet, das ehrliche Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen dort eingezahlt hatten. Auch deshalb und nicht nur wegen der finanziellen Dimension gelten die Cum-Ex-Tricksereien als besonders verwerflich.

Bei der aktuellen Anklage geht es nach Angaben der Staatsanwaltschaft München I um eine Münchner Firmengruppe, die in den Jahren 2009 und 2010 den Fiskus mit Cum-Ex-Aktiendeals gezielt betrogen haben soll. Ob sich dieser schwere Vorwurf bewahrheitet, bleibt abzuwarten. Es gilt die Unschuldsvermutung. Andrea Wagners Strafkammer muss erst einmal entscheiden, ob es überhaupt zu einem Prozess kommt. Angesichts der umfangreichen Ermittlungsergebnisse und der Dimension ist ein Gerichtsverfahren freilich absehbar. Aber auch dann wäre offen, wie ein solcher Prozess ausginge.

In Frankfurt und Köln ist bei Cum-Ex schneller angeklagt worden

Zehn Jahre lang hat die Staatsanwaltschaft München I im Fall gegen die Herren K. und U. ermittelt, was ungewöhnlich lange ist. Das liegt einerseits daran, dass die komplizierten Cum-Ex-Deals schwer aufzuklären sind. Tausende Aktiengeschäfte müssen im Detail durchleuchtet werden. Andererseits haben es die Staatsanwaltschaft Köln und die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt bei anderen großen Ermittlungsverfahren schneller geschafft, Cum-Ex-Trickser vor Gericht und einige von ihnen inzwischen auch ins Gefängnis zu bringen.

Allein in Köln laufen mehr als 100 Ermittlungsverfahren gegen rund 1700 Beschuldigte. Der zweite große Cum-Ex-Schauplatz bei der Justiz ist Frankfurt. In München sind wenige, dafür aber große Verfahren anhängig. Das bayerische Finanzministerium hatte schon vor Jahren den Steuerschaden für den Freistaat auf 770 Millionen Euro beziffert. Davon seien, so der Stand im Jahr 2020, rund 270 Millionen Euro noch offen. Die Staatsanwaltschaft München I teilt zur aktuellen Anklage mit, dass von dem mutmaßlichen Steuerschaden in Höhe von 343 Millionen Euro 220 Millionen Euro zurückerstattet worden seien.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, dann müssen die beiden Beschuldigten freilich nicht 149 Mal so lange ins Gefängnis wie Schuhbeck. Auf dessen Haftstrafe umgerechnet wären das ja mehr als 300 Jahre. In den USA werden Haftstrafen verhängt, die weit über ein Menschenalter hinausgehen; in Deutschland hingegen gibt es diese Praxis nicht. Steuerhinterzieher müssen hierzulande maximal zehn Jahre ins Gefängnis - und das auch nur in besonders schweren Fällen.

Zitat

Mit diesen zehn Methoden kommen Finanzämter Steuerbetrügern auf die Schliche

Das Finanzamt weiß beispielsweise auch über Ebay-Transaktionen Bescheid.

Das Finanzamt weiß beispielsweise auch über Ebay-Transaktionen Bescheid.© picture alliance / dpa Themendienst | Robert Guenther
Das Finanzamt weiß beispielsweise auch über Ebay-Transaktionen Bescheid.

Steuereinnahmen sind für die Stabilität eines Staates von größter Bedeutung. Aus diesem Grund stehen die Finanzämter vor der ständigen Herausforderung, Steuerbetrügern auf die Schliche zu kommen. Allein im Jahr 2022 wurden bundesweit rund 45.000 Strafverfahren wegen Steuerstraftaten eingeleitet, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) belegen. Welche Methoden sich die Finanzämter bei der Aufklärung von Steuerhinterziehung zunutze machen, zeigt ein Bericht des "Handelsblatt".

Mit diesen zehn Methoden decken Finanzämter Steuerhinterziehung auf

Grundsätzlich durchläuft jede Steuerklärung das elektronische Risikomanagementsystem, heißt es in dem Bericht. Bei diesem Prozess gleicht eine Software die Erklärung mit Kontrollmaterial ab und wertet sie anschließend aus. Welches Kontrollmaterial die Finanzämter dafür nutzen, unterscheidet sich jedoch von Einzelfall zu Einzelfall. Folgende zehn Möglichkeiten helfen den Behörden, an relevante Informationen zu gelangen.

1. Das Finanzamt prüft die Sozialversicherungsangaben, die direkt vom Arbeitgeber gemeldet werden.

Da Arbeitgeber Gehälter und Sozialversicherungsbeiträge ihrer Angestellten direkt an das Finanzamt übermitteln, fallen Falschangaben in der dazugehörigen Steuerklärung schnell auf. Selbst wenn Steuerpflichtige erst Jahre später eine Steuerklärung abgeben, schlage das entsprechende Kontrollsystem an, heißt es im "Handelsblatt". Das gelte auch im Falle von Rentengeldern.

2. Betriebsprüfungen sorgen für mehr Klarheit.

Das Finanzamt prüft in regelmäßigen Betriebsprüfungen Unternehmensdaten wie die Höhe von Löhnen, Einnahmen und Ausgaben. Anschließend kontrolliert es, ob die Ausgaben des Unternehmens beim Empfänger als Einnahmen wiederzufinden sind. Die Plausibilität der Unternehmensbücher wird zudem durch interne Vergleiche mit Vorjahren und externe Vergleiche mit dem Branchendurchschnitt überprüft. Die Kontrolle umfasst auch Kassen- und Fahrtenbücher sowie Spesenabrechnungen.

3Hinweisgeber helfen dem Finanzamt, Steuerbetrug aufzudecken.

Bei den Finanzämtern besteht die Möglichkeit, anonym Verdachtsfälle von Steuerbetrug zu melden. Laut "Handelsblatt"-Informationen ist dies in Baden-Württemberg auch über ein digitales Hinweisgeberportal möglich. Diese Whistleblower-Hinweise können beim Aufdecken von Betrugsfällen helfen.

4. Notare sind eine wichtige Informationsquelle für das Finanzamt.

Notare sind verpflichtet, das Finanzamt über Immobiliengeschäfte und die daran beteiligten Personen zu informieren. So erhält die Behörde Klarheit über Einkommen-, Erbschafts- oder Grunderwerbsteuer der Bundesbürger.

5. Bei einem konkreten Anlass sind Kontoabfragen legitim.

Finanzämter sind berechtigt, zur Aufklärung einer Steuerstraftat das Bankgeheimnis zu umgehen. Sie haben also grundsätzlich das Recht zu Kontenabfragen – auch bei Privatpersonen. Dazu muss aber ein konkreter Anlass vorliegen, beispielsweise ein anonymer Hinweis. Mithilfe der Kontenabfrage erhält das Finanzamt Informationen über den Kontostand und die Umsatzentwicklung einer verdächtigen Person.

6. Steuerschulden fallen nach dem Tod eines Steuerpflichtigen auf.

Nach dem Tod einer steuerpflichtigen Person erlischt auch das Bankgeheimnis. Die Banken sind dann verpflichtet, dem Finanzamt eine Kontrollmitteilung über den Kontostand des Verstorbenen zu senden, heißt es im "Handelsblatt". So kann das Finanzamt herausfinden, ob die Person zu Lebzeiten Steuerstraftaten beging. Das Vertuschen dieser Straftaten durch die Erben könne ebenfalls strafrechtliche Probleme mit sich bringen, so der Bericht.

7. Das Finanzamt steht im Konteninformationsaustausch mit anderen Ländern.

Im Ausland Geld zu verstecken wird für Betrüger immer schwieriger, denn Deutschland steht im Konteninformationsaustausch mit 119 Ländern. Bis zum 31.7. eines jeden Jahres müssen die ausländischen Geldinstitute die Kontostände ihrer deutschen Kunden an das Bundeszentralamt für Steuern melden, berichtet das "Handelsblatt". Somit stehen auch diese Daten dem Finanzamt zur Verfügung.

8. Das Finanzamt erhält Daten von Anbietern wie Ebay und Airbnb.

Auch eure Gewinne durch Plattformen wie EbayAirbnb und Vinted sind dem Finanzamt bekannt. Die Anbieter müssen nämlich einmal jährlich die Transaktionsdaten an die Steuerbehörden melden. Gebt ihr die Gewinne nicht in der Steuererklärung an, könnt ihr unter Umständen wegen versuchter Steuerhinterziehung in Schwierigkeiten geraten.

9. Das Finanzamt kann ein Sammelauskunftsersuchen an Unternehmen richten, um Transaktionsdaten zu erhalten.

Das tat das Finanzamt beispielsweise im Falle der Kryptobörse Bitcoin.de, wie das "Handelsblatt" berichtet. Aktuell werde geprüft, ob die rund 4000 Bitcoin-Trader ihre Einkünfte korrekt versteuerten.

10. Das Finanzamt macht eigene Recherchen zu möglicher Steuerhinterziehung.

Neben den zuvor genannten Methoden zur Informationsbeschaffung setzen die Finanzämter auch auf eigene Recherchen. Beispielsweise prüfen sie, wer im Internet Dienstleistungen gegen Schwarzgeld anbietet oder Verkäufe im gewerblichen Umfang tätigt.