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Angst vor den Ruinen – die Bauflation erreicht die Städte

Thorsten Kaatze, Helm und gelbe Neonweste über dem Anzug, steuert an diesem Juni-Tag durch sein Problemgebiet: zwei Rohbauten gleich hinter dem Hauptgebäude des Universitätsklinikums Essen. „Jeden Tag“, sagt Klinik-Vorstandsmitglied Kaatze, müsse er „Lösungen“ finden, um diese Gebäude „im Zeitplan fertig zu bekommen“.

Städte und Gemeinden haben Schwierigkeiten, ihre Bauprojekte abzuschließen Quelle: Bloomberg/Krisztian Bocsi

© Bloomberg/Krisztian BocsiStädte und Gemeinden haben Schwierigkeiten, ihre Bauprojekte abzuschließen Quelle: Bloomberg/Krisztian Bocsi

Doch das ist kaum noch zu schaffen. Die Probleme von Kaatzes liegen verteilt um die staubige Betonfläche, die einmal das Foyer der Spezialabteilung „Nuklearmedizin“ werden soll. Um 30 Prozent und mehr seien die Kosten für einzelne Gewerke auf der Baustelle gestiegen. „Wir sind froh, dass unsere Rohbauten stehen“, sagt Kaatze. Denn Stahlbeton ist auf manchen Baustellen gar nicht mehr verfügbar.

Ansonsten kann am Universitätsklinikum Essen nicht mehr alles gebaut werden wie geplant. Für ein neues Modulgebäude etwa will das Land wegen gestiegener Kosten die Mittel nicht freigeben, obwohl ein Angebot vorliegt, das den Preisanstieg berücksichtigt. „Klar, dass wir einen höheren Eigenanteil tragen müssen“, so Kaatze. Es ist trotzdem schwierig.

Gerissene Lieferketten, Materialengpässe und die massiv gestiegenen Kosten für Baustoffe machen viele Projekte gerade zu Hochrisikovorhaben. Wie teuer ein Bau am Ende wird, kann angesichts der ständig steigenden Materialkosten kaum jemand vorhersagen. Betroffen sind große Firmen genauso wie private Häuslebauer. Wer die Preisrallye nicht mitgehen kann, kann eben nicht bauen.

Besonders zu leiden haben die öffentlichen Auftraggeber der Länder und Kommunen – und damit letztlich auch das Gemeinwohl. Die oft klammen Haushalte und die komplizierten Ausschreibungsverfahren machten Bauprojekte für sie schon vor der Materialkrise zur Herausforderung. Durch die unkalkulierbaren Kostensteigerungen können viele Bauvorhaben nicht mehr verwirklicht werden.

Die Folgen sind quer durch die Republik zu beobachten: Im brandenburgischen Cottbus kann ein Grundschulzentrum nicht fertig gebaut werden, im niedersächsischen Haren ist der Bau des neuen Hallenbads verschoben worden. In Hamburg gerät ein zu zwei Dritteln von der Stadt finanzierter Krankenhausneubau weiter in Verzug.

Angst vor der Bauruine

Interessenverbände beobachten die Entwicklung mit Sorge. Tim-Oliver Müller, Chef des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, sieht „angesichts der Preissteigerungen von bis zu 50 Prozent eine große Zurückhaltung der Kommunen“. Man konzentriere sich darauf, laufende Vorhaben zu Ende zu bringen. „Keiner möchte eine Bauruine stehen haben“, sagt Müller.

„In Städten und Gemeinden müssen Projekte gestoppt oder können nicht wie geplant weiterbetrieben werden, weil man die finanziellen Folgen nicht abschätzen kann“, sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB). „Große Sorgen“ bereitet Landsberg die Entwicklung auch mit Blick auf den kommunalen und sozialen Wohnbau. Auch der droht deutlich geringer als geplant auszufallen.

Krankenhaus-Vorstandsmitglied Kaatze ist unterdessen im Rohbau der Kinderklinik am Universitätsklinikum Essen angelangt. Durch das fensterlose Loch in der Mauer blickt er auf das alte Klinikgebäude gegenüber: ein Bau von 1931 mit scheckiger Fassade.

Der Lift darin ist so alt, dass es keine Ersatzteile mehr dafür gibt. „Im neuen Kinderklinikum sind die Zimmer endlich groß genug, dass die Eltern bei ihren Kindern übernachten können“, sagt Kaatze.

Aufwendige Auftragsvergabe

Doch dafür muss das Krankenhaus erst einmal fertig werden. Zehn Wochen lang konnten die Fenster nicht eingebaut werden, weil der Fensterhersteller wegen fehlender Aluminiumteile nicht liefern konnte. Die Firma zu wechseln war keine Option für Kaatze. Dafür hätte er erneut eine öffentliche Ausschreibung machen müssen. „Mit dieser hätten wir die Fenster auch nicht schneller bekommen“, sagt er.

Die Knappheit ist nicht das einzige Problem. Die Auftragsvergabe für öffentliche Bauten an sich ist schon aufwendig. „Allein für den Bau einer Schule schreibt das Vergaberecht vor, dass das Projekt in zahlreiche Baulose zerlegt werden muss“, sagt Bauindustrie-Verbandschef Müller. „Dadurch muss eine Kommune Hunderte Einzelverträge ausschreiben und verwalten.“ Die Folge: Baufirmen bevorzugen oft private Auftraggeber, die solchen Zwängen nicht unterliegen.

Müller fordert, das Vergaberecht zu flexibilisieren. Außerdem sollten Materialkosten offengelegt werden. „Durch die Preissteigerungen ist auch das Misstrauen zwischen Auftraggebern und Baufirmen gestiegen.“ Mit einem „Open Book Verfahren“ hingegen könnten Auftraggeber sehen, dass die Baufirma nur die tatsächlichen Kosten ohne Zuschläge abrechnet.

Auch DStGB-Hauptgeschäftsführer Landsberg sieht in den Vergabeverfahren eine wesentliche Hürde. „Das Vergaberecht wurde im Laufe der Jahre mit Vorschriften überfrachtet“, sagt er und wünscht sich ein Beschleunigungsgesetz, wie es die Bundesregierung für Flüssiggas-Terminals auf den Weg gebracht hat. „Was für Flüssiggas-Terminals gilt, soll auch für unsere kommunale Infrastruktur gelten“, so Landsberg.

Verschlimmern könnte sich die Lage auch im kommunalen Wohnungsbau. Die Bundesregierung hat den Bau von 400.000 Wohnungen verkündet. „Diese politischen Ziele werden wir nicht oder nicht so erreichen, wie es skizziert wurde“, so Landsberg. Statt sich auf den Neubau von Wohnungen zu konzentrieren, rät Landsberg der Politik zu pragmatischen Maßnahmen.

„In Deutschland herrscht Wohnungsnot. Gleichzeitig stehen 1,5 Millionen Wohnungen, überwiegend in abgelegenen ländlichen Regionen, leer. Man sollte überlegen, ob man Menschen ein interessantes Angebot machen kann, dass sie dort hinziehen“, so Landsberg – etwa mit besserer Verkehrsanbindung.

Kaatze hat unterdessen seinen Baustellenhelm und die gelbe Neonweste abgenommen. Er steht vor dem Rohbau und spricht von der Zeit, wenn die Kliniken endlich fertig sein werden.

Dann nämlich kommt das nächste Knappheitsproblem: Wann die medizinischen Geräte in die Gebäude kommen werden, sei noch nicht klar. „Der Chipmangel hat die Wartezeiten auch hier erhöht“, erzählt Kaatze. Aus der Mangelwirtschaft gibt es derzeit offenbar kein Entkommen.

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70 Prozent aller Bauprojekte zurückgestellt - Sozialer Wohnungsneubau bricht laut Städtebund drastisch ein

Laut Spitzenverband der Wohnungswirtschaft sind 70 Prozent aller Wohnungsbau-Projekte zurückgestellt oder abgesagt worden. Steigenden Baukosten führten dazu, dass zahlreiche Neubauprojekte im frei finanzierten und geförderten Wohnungsbau gestoppt wurden.

Das farbige Laubenganghaus in der Goebelstraße in Charlottenburg. Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/ZB/Archivbild

Das farbige Laubenganghaus in der Goebelstraße in Charlottenburg. Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/ZB/Archivbild© Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/ZB/Archivbild

Der Neubau günstiger Miet- und Sozialwohnungen droht in den kommenden Jahren angesichts steigender Zinsen und Baukosten nach Befürchtungen von Kommunen und Wohnungswirtschaft um bis zu 70 Prozent der ursprünglich geplante Projekte einzubrechen. „Die steigenden Baukosten führen derzeit dazu, dass zahlreiche Neubauprojekte im frei finanzierten sowie im geförderten Wohnungsbau auf Eis gelegt beziehungsweise nicht neu begonnen werden“, sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg der „Augsburger Allgemeinen“. „Dies führt gerade in Ballungszentren zu einer weiteren Wohnraumverknappung und damit verbunden partiell auch zu einem Anstieg von Mieten“, warnte Landsberg.

60.000 Mietwohnungsbau  bis 2024 auf der Kippe

Auch der Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, in dem auch die öffentlichen, genossenschaftlichen und kirchlichen Wohnungsunternehmen neben privaten zusammengeschlossen sind, erwartet, dass Zehntausende neue Mietwohnungen nicht wie geplant gebaut werden können. „Unsere internen Umfragen lassen darauf schließen, dass etwa 70 Prozent aller geplanten Projekte entweder komplett abgesagt werden oder zumindest für längere Zeit zurückgestellt werden“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko der „Augsburger Allgemeinen“.

„Es ist ein brutaler Stopp, aber mit Ansage“, betonte er Verbandschef. „Aktuell wird noch das fertig gebaut, was in der Pipeline ist“, erklärte er. „Und dann wird es immer weniger werden. Es geht einfach nicht mehr.“ Bis 2024 stünden allen im Mietwohnungsbau 60.000 Neubauwohnungen auf der Kippe.

Bau-Ziel der Koalition fast unmöglich zu erreichen

Neben deutlich höherer Finanzierungszinsen, steigender Baukosten und Inflation würden auch die immer weiter verschärften Energiestandards die Neubauprojekte für Mietwohnungen ausbremsen. „Wir stehen hinter den Klimaschutzzielen“, betonte Gedaschko. „Aber Klimaschutz muss sinnvoll umgesetzt werden und am Ende auch für unsere Mieter bezahlbar sein.“ Während die Regierung die Ansprüche immer weiter hochschraube, fahre sie zugleich die Förderung runter, kritisiert er.

Axel Gedaschko schaut in die Kamera. nilshasenaufotografie/dpa-tmn/Archivbild

Axel Gedaschko schaut in die Kamera. nilshasenaufotografie/dpa-tmn/Archivbild© nilshasenaufotografie/dpa-tmn/Archivbild

Das Ziel der Koalition, dass in Deutschland künftig jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen gebaut werden sollen, sei vor diesem Hintergrund Makulatur, kritisiert Gedaschko. „Mit der bisherigen Fördersumme von gerade einmal einer Milliarde Euro im Jahr für ganz Deutschland kann dieses Neubauziel nicht ansatzweise erreicht werden“, betonte er. „Das ist noch nicht einmal eine Beruhigungspille.“ Nötig sei mindestens die fünffache Summe für die Neubauförderung bezahlbaren Wohnens, sagt Gedaschko. „Marktmieten von künftig 16 bis 18 Euro netto kalt pro Quadratmeter sind für die breite Mittelschicht schlicht unbezahlbar.“

Anzahl der Sozialwohnungen innerhalb der letzten 20 Jahre halbiert

Auch Städtebunds-Geschäftsführer Landsberg forderte realistisch umsetzbare Standards für Neubauten.. „Da die aktuellen Preissteigerungen nicht kurzfristig verändert werden können, kommt es umso mehr darauf an, dass die beeinflussbaren Faktoren beim Thema Wohnungsbau zügig angepasst werden“, forderte er „Bund und Länder sind aufgefordert, die baulichen Standards im Sinne von notwendigen Mindeststandards kritisch zu überprüfen.“

So sollte eine unabhängige Stelle die Folgekosten neuer Baunormen abschätzen und das serielle Bauen gefördert werden, forderte er. „So sollten einmal erteilte Typengenehmigungen grundsätzlich bundesweit gelten, sofern keine zwingenden landesrechtlichen Aspekte dagegen stehen“, fordert Landsberg. Zudem brauche es ein weiter geschärftes, kommunales Vorkaufsrecht. „Auch die weitere Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Baurecht sowie die Wiedereinführung einer Sonder-Abschreibung im Bereich des Mietwohnungsneubaus können wichtige Impulse setzen, um die Bautätigkeit in schwierigen Zeiten wieder anzukurbeln.“

„Die Schaffung bezahlbaren Wohnraums bleibt eine zentrale politische Herausforderung“ , betonte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. „Es gibt in Deutschland insbesondere zu wenige preisgebundene Wohnungen“, sagte Landsberg. „Während es im Jahr 2002 noch rund 2,6 Millionen Sozialwohnungen gab, hat sich ihre Zahl bis zum Jahr 2021 auf nur noch rund 1,09 Millionen verringert. Jährlich fallen etwa 60.000 weitere Wohnungen aus der sozialen Bindung.“

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Unions-Fraktionsvize wirft Faeser Täuschung bei Flüchtlingszahlen vor

Während die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine abgenommen hat, steigt der Anteil der Asylbewerber aus asiatischen oder afrikanischen Staaten – beide Zahlen nähern sich gegenseitig an. Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg sieht eine gezielte Irreführung durch die Innenministerin.

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null dpa/Kay Nietfeld© Bereitgestellt von WELT

Seit Jahresbeginn sind rund 81.000 Menschen vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Deutschland geflüchtet, deutlich weniger als in den ersten Kriegsmonaten. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion, Mathias Middelberg hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Danach waren zum Stichtag 31. März im Ausländerzentralregister 81.647 Menschen erfasst, die im Zeitraum Januar bis März 2023, im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine, nach Deutschland eingereist waren.

Angesichts dieser Zahl warf Middelberg Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor, sie führe die Öffentlichkeit in die Irre. Der CDU-Politiker bezog sich dabei auf eine Interview-Äußererung der Ministerin aus der vorvergangenen Woche. Faeser hatte gesagt: „Acht von zehn Geflüchteten kommen aus der Ukraine. Da kann es keine Höchstgrenzen für Menschlichkeit geben.“

Middelberg sagte mit Blick auf die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber insgesamt: „Der Anteil der Ukraine-Flüchtlinge geht gegenüber dem letzten Jahr drastisch zurück.“ Der Anteil der Asylbewerber aus asiatischen oder afrikanischen Staaten nehme parallel dazu rasant zu. In den ersten drei Monaten dieses Jahres habe es in Deutschland fast genauso so viele neue Asylanträge wie Neuankömmlinge aus der Ukraine gegeben.

Im ersten Quartal 2023 stellten nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 80.978 Menschen erstmalig in Deutschland einen Asylantrag. Davon betrafen 5817 Anträge Kinder im Alter von unter einem Jahr. Flüchtlinge aus der Ukraine müssen in Deutschland und anderen EU-Staaten keine Asylanträge stellen, sondern finden über die sogenannte Massenzustrom-Richtline Aufnahme. Laut Statistischem Bundesamt ergab sich aus dem Saldo der Zuzüge und Fortzüge für 2022 eine Nettozuwanderung von 962.000 Menschen aus der Ukraine.

„Bundesinnenministerin Faeser täuscht über die Entwicklung der Migration nach Deutschland“, kritisierte Middelberg, der im Fraktionsvorstand der Union unter anderem die Kommunalpolitik verantwortet. Bund und Länder wollen am 10. Mai erneut über die Aufteilung der Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen beraten. Faeser hatte vergangene Woche die Verlängerung der stationären Kontrollen an der Landesgrenze zu Österreich angeordnet. Begründet hatte sie dies mit der Entwicklung des irregulären Migrationsgeschehens nach Mittel- und Westeuropa.

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Vor dem Absturz

Artikel von T - Online • Gestern um 17:02

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Wohnungsbau

Vor dem Absturz

Vor dem Absturz

Vor dem Absturz© T - Online

400.000 Wohnungen pro Jahr hat die Ampelregierung versprochen. Doch der Neubau bricht ein, Experten sehen eine "Gefahr für die Gesellschaft". Auf dem Wohnungsbautag muss sich die Bauministerin rechtfertigen.

Gestiegene Zinskosten, zurückhaltende Investoren, einbrechende Baugenehmigungen – Bauministerin Klara Geywitz (SPD) steht am Donnerstag beim Wohnungsbautag auf dem Podium und startet ihre Rede mit einer ganzen Reihe von Problemen, unter denen die Branche gerade leidet.

"Das ist für mich auch kein Grund zur Freude", sagt Geywitz. "Ich werde das nicht mit Wohlfühlglasur überstreichen."

Dabei müsste dieser Tag eigentlich Klara Geywitz' Sternstunde sein. Seit einem Jahr gibt es ihr Ministerium, es wurde eigens geschaffen, ganz neu eingerichtet, nur für dieses Thema: Bauen und Wohnen. Oberste Priorität: der Neubau von 400.000 Wohnungen im Jahr.

Doch es läuft schlecht mit dieser obersten Priorität. Statt sehr viel mehr wird zurzeit sogar weniger gebaut. Dass auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beim Wohnungsbautag ist und später wie Geywitz noch eine Keynote halten wird, ist dabei ein Symbol für die Macht der Bauministerin. Denn die ist zu klein, um das zu meistern, was eigentlich nötig wäre.

Vor dem Absturz

Vor dem Absturz© T - Online

Neue Priorität: Umbau

Das Grundproblem: Geywitz' Ministerium hat zu wenig Geld, um in der aktuellen Krise wirkungsvoll gegenzusteuern. Die Mittel setzt die Regierung zurzeit anders ein: zur Abmilderung der Energiekosten, zum Aufpäppeln der Bundeswehr. Im Bausektor fließen gerade Milliarden in die Förderung von Umbauten für das Klima – also auch an Habecks Ministerium.

Am Tag zuvor erst haben Habeck und Geywitz die Fördermaßnahmen für die Umstellung auf klimaneutrale Heizungen vorgestellt. 30 Prozent der Kosten will der Staat für alle Bürger tragen, noch einmal 20 Prozent für besonders Bedürftige oder Besitzer besonders alter Heizungen.

Das ist dringend nötig, die Umstellung ist teuer. Nur ist es Geld, das auch der Neubau gut gebrauchen könnte. Doch die Prioritäten der Regierung haben sich seit 2021, als der Koalitionsvertrag geschrieben wurde, eben verändert: Umbau statt Neubau gilt zumindest zurzeit.

43 Prozent der Unternehmen bauen nicht mehr neu

Dabei schlagen Experten wie Baubranche schon seit Monaten Alarm. Um die Brisanz noch einmal zu verdeutlichen, haben sechs Verbandschefs aus dem "Verbändebündnis Wohnungsbau" am Morgen eine Pressekonferenz gegeben und in drastischen Worten gewarnt: Die Lage am Bau sei so schlecht wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Wohnungsmarkt stehe an einem Kipppunkt und wenn die Politik nicht handele, stürze der Markt komplett ab. Die Wohnungsfrage entwickle sich zu einer "Gefahr für unsere Gesellschaft".

Eine neue Studie des Wohnungs- und Bauforschungsinstituts ARGE, die am Donnerstag vorgestellt wird, stützt die Klagen der Verbände mit düsteren Zahlen: Statt die von der Bundesregierung versprochenen 400.000 Wohnungen wurden 2022 nur 280.000 gebaut. In diesem Jahr werden es vermutlich nur 240.000 sein. Dabei sei Personal auf den Baustellen inzwischen ausreichend vorhanden, auch Baumaterialien gebe es nach Lieferschwierigkeiten wieder zur Genüge.

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Es ginge also einiges auf Deutschlands Baustellen. Eigentlich. Wenn da nicht das zentrale Problem der gestiegenen Kosten wäre: Baumaterialien sind sehr viel teurer als vor Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, auch die Bauzinsen bei den Banken sind in die Höhe geschossen. Rentables Bauen, vor allem von bezahlbarem Wohnraum, ist so kaum möglich. Von 1.500 Unternehmen sagen laut Studie 43 Prozent: Wir stellen den Neubau vorläufig ein, weil es sich zu den Preisen nicht lohnt.

Die Verbände appellieren deswegen am Donnerstagmorgen vereint an die Politik: Es brauche ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro für den Neubau. Und zwar sofort.

"Das ist ein Batzen Geld"

Doch Geywitz erteilt dieser Forderung in einer Rede vor der Diskussionsrunde rasch eine Absage: Sondervermögen klinge super, sagt die Ministerin. Aber: "Das ist ein Batzen Geld, in Wirklichkeit ist es ein Batzen Schulden." Stattdessen zählt sie fast eine halbe Stunde lang die Maßnahmen auf, die ihr Ministerium bereits angegangen ist: 14,5 Milliarden flössen bereits in den sozialen Wohnungsbau, 500 Millionen in das Programm "Junges Wohnen", dann die große Wohngeldreform, die Städtebauförderung.

Die Keynote der Ministerin klingt so in großen Teilen wie eine Rechtfertigung – und endet wenig ermutigend. "Wird in Deutschland gebaut?", fragt Geywitz da nämlich. "Ja, es wird gebaut. Ich hoffe, dass auch sozialer gebaut wird." Im Publikum schütteln Vertreter der Baubranche die Köpfe.

Statt Geld verspricht Geywitz vor allem eines: die Vereinfachung und Vereinheitlichung von Vorgaben für die Branche. Schließlich gibt es noch immer 16 unterschiedliche Bauordnungen, für jedes Bundesland eine. Auch das ist eine zentrale Forderung der Verbände, sie stöhnen über den "Bürokratie-Irrsinn".

An einer Lösung aber arbeitet die Bundesregierung schon lange und immer wieder. Der Föderalismus ist bisher stärker. Und wichtiger für die Branche, auch Geywitz gegenüber betonen die Verbandschefs es, ist eben: Geld.

Habeck schenkt Hoffnung

Die Aussicht darauf schenkt der Branche am Wohnungsbautag erstaunlicherweise nicht die Bauministerin, sondern Wirtschaftsminister Robert Habeck. Auch er listet lange die aktuellen Probleme auf. "Es wäre falsch zu versprechen, dass wir den Zustand von 2021 wieder herstellen können", sagt er. Aber das heiße nicht, "dass wir nichts tun können und dass wir zurzeit genug tun".

In der Diskussion mit den Branchenvertreten sagt Habeck schließlich den entscheidenden Satz: "Ich würde dafür werben, dass die Kollegin mehr Geld ausgeben darf", sagt er über Geywitz. Die politische Begründung dafür sei gegeben: Viele der Gelder aktuell seien zur Überbrückung der Krise da – und die Baubranche sei in der Krise.

Es sind Sätze, die vorsichtig und im Konjunktiv formuliert sind – aber auf diese Sätze haben die Verbände gewartet. Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW, spricht nach Habeck von einem "kleinen Hoffnungsschimmer". Doch er betont: Es müsse schnell gehen.

Klara Geywitz wird so schnell keine Ruhe bekommen.

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Genehmigungen: Geywitz will Bauen günstiger und schneller machen – mit einer überfälligen Idee

Genehmigungen: Geywitz will Bauen günstiger und schneller machen – mit einer überfälligen Idee

Klara Geywitz im Kanzleramt in Berlin am 27. Juli 2022. Kabinettssitzung in Berlin.

Klara Geywitz im Kanzleramt in Berlin am 27. Juli 2022. Kabinettssitzung in Berlin.© Emmanuele Contini/Imago

Baugenehmigungen erfordern viel Arbeit und lange Wartezeiten. Bauministerin Geywitz will noch dieses Jahr Abhilfe schaffen – mit dem digitalen Bauantrag.

München – Sie sind die Hürde, die jeder Bauherr nehmen muss: Baugenehmigungen. Und darauf würden dann noch lange Wartezeiten folgen, klagt die Baubranche. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) will das ändern – und zwar noch in diesem Jahr.

Baugenehmigungen: Lange Wartezeiten bei Behörden

Erst im April wiesen Vertreter der Baubranche wieder auf lange Wartezeiten bei Baugenehmigungen hin. Die Bearbeitung eines Bauantrags dauere heute doppelt so lang wie der Bau an sich, sagte der Präsident der Bundesingenieurkammer, Heinrich Bökamp, bei der Eröffnung der internationalen Bau-Messe in München. „Das ist für uns ein Megathema“, sagte der Präsident des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Peter Hübner.

Dabei sind die Baugenehmigungen seit Monaten rückläufig. Die Behörden bewilligten im Februar den Bau von 22.300 Wohnungen – und damit 20,6 Prozent weniger gegenüber dem Vorjahresmonat. Der Grund: Wegen der stark gestiegenen Kreditzinsen und hoher Baupreise halten sich viele Bauherren mit Projekten zurück oder stornieren sie – von privaten Hausbauern bis Großinvestoren.

Bundesweit fehlen nach Branchenschätzungen annähernd 700.000 Wohnungen. Aber Bauanträge hingen teilweise so lange in den Ämtern, dass die Vorschriften bis zur Genehmigung schon wieder geändert worden seien, sagte die Braunschweiger Architektur-Professorin Elisabeth Endres.

Geywitz: Digitaler Bauantrag soll Baugenehmigungsverfahren schneller und einfacher machen

Geywitz kündigte an, dass sich das durch die Digitalisierung künftig ändern solle. Die Bauanträge sollen dann in den Ämtern auch digital bearbeitet werden können. Dann würden fehlende Unterlagen mithilfe eines Algorithmus schon bei der Abgabe festgestellt und die Einhaltung vieler Vorschriften könnten vom Computer überprüft werden. „Das wollen wir dieses Jahr so ausrollen, dass es Realität wird in den Bauämtern“, sagte die Bauministerin.

Mehr als die Hälfte der Behörden soll dafür noch in diesem Jahr ein neues System nutzen, verkündete Geywitz am Montag dem Handelsblatt zufolge. Die zentrale Plattform dafür sei schon fertig. Dieses System ist Teil der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und wird allen anderen Bundesländern im Sinne des „Einer-für-Alle-Prinzips“ zur Verfügung gestellt. Entwickelt wurde es von Mecklenburg-Vorpommern.

Baugenehmigungen online: Laut Geywitz ein „Sprung nach vorn“

Bisher mussten die digital erstellten Planungen ausgedruckt und die Anträge laut Geywitz „in dicken Leitzordnern“ in die Ämter getragen werden, statt diese einfach digital hochladen zu können – was nun möglich werden soll. Damit soll das Verfahren nicht nur schneller, sondern auch kostengünstiger werden. Das sei laut Geywitz ein „Sprung nach vorn“, um die Baugenehmigungsverfahren schneller und einfacher zu machen.

Zudem sollen künftig Bauherr und Verwaltungen gleichzeitig auf den Antrag zugreifen können. So könnten die Sachbearbeiter Unterlagen nachfordern oder Statusmeldungen abgeben, erklärte Christian Pegel (SPD), Mecklenburg-Vorpommerns Landesminister für Inneres, Bau und Digitalisierung. Und: „Die Akte ist künftig nicht mehr monatelang zwischen Bauamt, Feuerwehr, Denkmalschutz, Straßen- oder Umweltbehörde unterwegs“, sagte Pegel laut Handelsblatt. Nun gehe es darum, das System breit auszurollen.

Baurecht ist Ländersache: Das sind die Lösungen der Bundesländer

Das kann sich dann allerdings je nach Bundesland unterscheiden, da das Baurecht Ländersache ist. Laut Handelsblatt werden zehn Bundesländer das System nutzen. Derzeit laufe es Pegel zufolge bundesweit bereits in 149 Behörden im Pilotbetrieb und in drei Ämtern im „echten Wirkbetrieb“. Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen und Thüringen würden nicht das Portal aus Mecklenburg-Vorpommern nutzen und hätten parallel eigene Systeme entwickelt.

So gibt es in Bayern den digitalen Bauantrag schon seit März 2021. Genutzt wird er bisher von 35 Behörden, über 5000 digitale Anträge wurden dabei schon eingereicht. In Baden-Württemberg will man dabei sogar künftig komplett auf das Papier verzichten: Bauherren sollen ihre Bauanträge im Ländle von 2025 an nur noch digital einreichen können. „Ab dann ist die Papierform ausgeschlossen“, kündigte die hiesige Bauministerin Nicole Razavi (CDU) im April an.

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„Bezahlbarer Wohnraum kann nur durch geringere Standards geschaffen werden“

Die Zahlen der Bauwirtschaft sind so schlecht wie lange nicht mehr. Besonders katastrophal trifft es den Wohnungsbau. Um der Krise zu trotzen, fordert die Branche jetzt ein Umdenken – auch von den europäischen Nachbarn könne man lernen.

Der Auftragseingang der Baubranche ist Anfang des Jahres um fast 19 Prozent eingebrochen Getty Images/Anton Petrus

Der Auftragseingang der Baubranche ist Anfang des Jahres um fast 19 Prozent eingebrochen Getty Images/Anton Petrus© Bereitgestellt von WELT

Peter Hübner steht im 33. Stockwerk des Rohbaus des Edge East Side Towers in Berlin-Friedrichshain. Neben Hübner, Präsident des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie, türmen sich Zementsäcke und andere Baumaterialien. Durch die Panoramafenster des Hochhauses, in das Amazon als Hauptmieter einziehen soll, hat Hübner freien Blick auf die Warschauer Brücke und den Fernsehturm. „Bauen ist immer faszinierend“, sagt Hübner. Doch zugleich war es seit Jahren nicht so schwierig, Gebäude oder Infrastruktur zu errichten, wie im Moment.

Jedes Jahr lädt der Hauptverband der deutschen Bauwirtschaft im Vorfeld des Tages der Bauwirtschaft zu einer Pressekonferenz. Doch so schlecht wie in diesem Jahr waren die dort präsentierten Zahlen seit Langem nicht mehr.

Alle Bereiche der Bauwirtschaft befinden sich im Rückgang. Besonders schlecht steht es um den Wohnungsbau. Damit der Rückgang in dem Bereich zu einem Halt kommt, fordert Hübner nun die Absenkung von Baustandards.

Bevor Hübner in einem Fahrstuhl die Rohbaustelle des Edge East Side Towers hochfuhr, präsentierte er in einem anliegenden Baucontainer die aktuellen Zahlen des Verbands. „Derzeit geht es in keinem Bereich so voran, wie wir uns das wünschen. Es hakt beim Bau von Wohnungen, beim Ausbau der Stromtrassen und bei der Erneuerung von Infrastruktur“, sagte Hübner.

Nachdem der Auftragseingang in der Baubranche bereits im Vorjahr real um rund zehn Prozent zurückgegangen ist, ist er im ersten Quartal 2023 laut Zahlen des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie sogar um fast 19 Prozent eingebrochen. Damit geht auch der Umsatz der Branche zurück. Insgesamt rechnet der Hauptverband der deutschen Bauindustrie für das laufende Jahr mit einem realen Umsatzrückgang im Bauhauptgewerbe von sechs Prozent.

Peter Hübner, Präsident der deutschen Bauindustrie pa/dpa/Kay Nietfeld

Peter Hübner, Präsident der deutschen Bauindustrie pa/dpa/Kay Nietfeld© Bereitgestellt von WELT

Der Wohnungsbau ist vom Umsatzrückgang besonders betroffen. Laut der Prognose des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie wird der Umsatz in dieser Sparte im Laufe des Jahres um neun Prozent zurückgehen. „Allerdings glaube ich nicht, dass wir damit durchkommen werden“, sagte Hübner und stimmte damit bereits auf einen noch höheren Einbruch ein.

Wie stark der Wohnungsbau von der Baukrise betroffen ist, zeigt sich auch im Auftragsbestand. Während dieser für die Baubranche Ende März 2023 real ein Minus von elf Prozent im Vergleich zum entsprechenden Zeitpunkt im Vorjahr auswies, betrug der Rückgang im Wohnungsbau 21 Prozent. Hübner betonte, dass die Aufstockung der Neubauförderung nicht reiche, um die Baupreissteigerungen und die gestiegenen Zinsen aufzufangen.

„Bezahlbaren Wohnraum kann nur durch geringere Standards geschaffen werden“, sagte Hübner. Dabei ginge es ihm nicht darum, die Standards bei Statik oder dem Brandschutz infrage zu stellen. „Es geht nicht darum, geringwertig zu bauen, sondern übertrieben hohe Standards zu vermeiden. Darüber muss eine gesellschaftliche Diskussion beginnen“, so Hübner.

So würde der Verbandspräsident etwa beobachten, dass Trennwände in anderen EU-Ländern nicht so dick gebaut würden wie in Deutschland. „Solche Einsparungen müssen doch auch bei uns möglich sein“, sagte Hübner.

Auch am barrierefreien Wohnungsbau übt Hübner Kritik. „Im Moment versucht man, alle Wohnungen für alle zugänglich zu machen“, so Hübner. Eine Konzentration des barrierefreien Bauens auf bestimmte Objekte würde die Kosten im Wohnungsbau hingegen senken.

Eine Abkehr fordert Hübner auch von der Effizienzhausstufe 40 (EH 40). Das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Sanierungen, die über den Standard EH 55 hinausgehen, sieht er kritisch. „Zudem sollte man nicht nur die Gebäudehülle betrachten, sondern auch die Wärme- und Energieversorgung des Hauses in den Fokus rücken“, so Hübner.

Bei der Besichtigung des Edge East Side Towers werden die Probleme ersichtlich, von denen Hübner im Baucontainer referierte. Zementsäcke und Bindemittel wie Kalk, die an vielen Ecken der Baustelle stehen, befinden sich seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf einem unverändert hohen Preisniveau.

Zumindest eine gute Nachricht kann Hübner vermelden: Die Preise für Baustahl sind wieder auf Vorkriegsniveau gesunken.

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Fachleute sagen: Urteil zu Neubaugebieten hat deutschlandweite Wirkung

Was wird aus dem Neubau?

Was wird aus dem Neubau?© dpa

Fachleute gehen nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Genehmigungsverfahren für Neubaugebiete von einer weitreichenden Wirkung aus. So äußerten sich die Umweltorganisation BUND als Klägerin im konkreten Verfahren, die betroffene Gemeinde Gaiberg (Rhein-Neckar-Kreis) und die Bauwirtschaft Baden-Württemberg.

Das Gericht in Leipzig hatte entschieden, dass ein Passus im Baugesetzbuch nicht mit EU-Recht vereinbar sei. Auf dieser Grundlage dürften keine Freiflächen außerhalb des Siedlungsbereichs einer Gemeinde von weniger als 10.000 Quadratmetern im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung überplant werden, hatten die höchsten deutschen Verwaltungsrichter am Dienstag festgestellt.

„Praktisch wird den Kommunen nun jegliche Flexibilität zu schnellen und sinnvollen Entscheidungen für eine erweiterte Wohnbebauung am Ortsrand genommen“, kritisierte Baupräsident Markus Böll am Mittwoch laut Mitteilung. „Dies konterkariert unser aller Bemühen, möglichst rasch den dringend benötigten Wohnraum in den Gemeinden zu schaffen.“

BUND-Rechtsanwalt Dirk Teßmer erklärte: „Das Urteil geht in seiner Bedeutung weit über den konkreten Fall hinaus.“ Es gelte deutschlandweit für alle Bebauungspläne, die im Verfahren nach Paragraf 13b des Baugesetzbuchs aufgestellt wurden. Nach Einschätzung der Verwaltung in Gaiberg seien Hunderte, wenn nicht sogar Tausende weitere Gemeinden betroffen, die im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Regelung Bebauungsplanverfahren begonnen haben.

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Ifo-Umfrage zeigt Absturz im Wohnungsbau - "Braut sich ein Sturm zusammen"

ARCHIV: Allgemeine Luxuswohnung in Berlin

ARCHIV: Allgemeine Luxuswohnung in Berlin© Thomson Reuters

Berlin (Reuters) - Der Absturz im deutschen Wohnungsbau setzt sich laut Ifo-Institut verstärkt fort. Im Juli klagten 40,3 Prozent der Unternehmen über Auftragsmangel, nach 34,5 Prozent im Juni, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut am Montag mitteilte.

Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 10,8 Prozent. "Es braut sich ein Sturm zusammen", sagte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo- Umfragen. "Nach einem langjährigen Boom würgen die höheren Zinsen und die drastisch gestiegenen Baukosten das Neugeschäft förmlich ab."

Seit dem Frühling 2022 sind auffällig viele Auftragsstornierungen im Wohnungsbau zu beobachten. Aktuell klagten 18,9 Prozent der Betriebe über abgesagte Projekte, nach 19,2 Prozent im Vormonat. Im langfristigen Mittel betrug der Anteil nur 3,1 Prozent. Betrachtet man nur die Jahre bis 2021, waren es lediglich 1,5 Prozent. "Der Wohnungsbau steht unter starkem Druck. Auf der einen Seite werden kontinuierlich bestehende Aufträge storniert, auf der anderen Seite kommen immer weniger Neuaufträge rein", sagte Wohlrabe.

Viele Unternehmen zehren noch von den Auftragspolstern, die sie in besseren Zeiten aufbauen konnten. Für einige Betriebe wird die Situation allerdings schon bedrohlich, wie das Ifo erläuterte. Im Rahmen der jüngsten Umfrage meldeten 10,5 Prozent der Wohnungsbaufirmen Finanzierungsschwierigkeiten. Im Vorjahr waren es nur halb so viele. "Viele Projekte sind unter den neuen Rahmenbedingungen für Investoren nicht mehr rentabel, und auch private Bauleute haben zunehmende Probleme, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen", betonte Wohlrabe. Für die kommenden Monate rechne eine Mehrheit der Betriebe mit einer weiteren Abkühlung. Die Geschäftserwartungen lagen bei außerordentlich schwachen minus 52,1 Punkten.

Bauministerin Klara Geywitz bekräftigte am Sonntag, dass sie im September ein Hilfspaket für die kriselnde Baubranche vorstellen werde. "Wichtig ist, dass wir in so einer Situation einen Impuls setzen", sagte die SPD-Politikerin. Die Baubranche brauche einen Nachfrageimpuls, weil Kreditfinanzierungen deutlich teurer geworden seien. Im Rahmen des sogenannten Wachstumschancengesetzes von Finanzminister Christian Lindner (FDP) werde es Hilfen geben. In der jetzigen Anpassungsphase mit höheren Zinsen wäre es das Schlimmste, Baukapazitäten abzubauen. Im ersten Halbjahr waren die Baugenehmigungen in Deutschland um gut 27 Prozent eingebrochen und lieferten so einen weiteren Beleg für die Schwäche am Bau.

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Immobilien: Kein Ende der Flaute in Sicht – Baugenehmigungen sinken erneut drastisch

Der Wohnungsbau entwickelt sich zum Sorgenkind der hiesigen Wirtschaft. Im August sank die Zahl der genehmigten Wohnungen um fast ein Drittel.

Angesichts gestiegener Kosten und ungünstigerer Finanzierungsbedingungen im Wohnungsbau sinkt die Zahl der Baugenehmigungen drastisch. Im August wurde hierzulande der Bau von 19.300 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Mittwoch auf Basis teilweise geschätzter Ergebnisse weiter mitteilte, waren das 31,6 Prozent weniger als im Vorjahresmonat.

Von Januar bis August 2023 sank die Zahl der Genehmigungen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 28,3 Prozent. Dies entspricht einem Rückgang um 69.100 auf 175.500 Wohnungen. Die Zahl der Baugenehmigungen gilt als Indikator für das künftige Baugeschehen. In den Ergebnissen sind sowohl die Baugenehmigungen für Wohnungen in neuen Gebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten.

Der Wohnungsbau entwickelt sich immer mehr zum Sorgenkind der hiesigen Wirtschaft. Im September waren 21,4 Prozent der Firmen von stornierten Projekten im Wohnungsbau betroffen – so viele noch nie seit Beginn der Umfrage 2012, wie das Münchner Ifo-Institut zu Wochenbeginn mitteilte. Viele Projekte seien wegen der höheren Zinsen und gestiegenen Baukosten nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar.

Bei einem Wohnungsbaugipfel der Bundesregierung mit Vertretern der Baubranche wurde Ende September eine Reihe von Maßnahmen beschlossen – darunter eine großzügigere Ausgestaltung der Regeln für Abschreibungen.

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Ade Vier-Prozent-Niveau: „Finanztest“: Bauzinsen legen erneut zu

Es lohnt sich, verschiedene Kreditangebote miteinander zu vergleichen. Mit einem günstigeren Zinssatz können Bauwillige so Zinskosten in Höhe von mehreren Zehntausend Euro sparen.

Es lohnt sich, verschiedene Kreditangebote miteinander zu vergleichen. Mit einem günstigeren Zinssatz können Bauwillige so Zinskosten in Höhe von mehreren Zehntausend Euro sparen.© Hauke-Christian Dittrich/dpa/dpa-tmn

Einige Wochen sah es so aus, als hätten sich die Zinsen für Immobiliendarlehen auf einem Niveau von rund vier Prozent eingependelt. Die jüngsten Entwicklungen belehren Bauwillige aber eines Besseren.

Die Zeitschrift „Finanztest“ (Ausgabe 12/2023) stellt fest, dass der durchschnittliche Zinssatz für eine 80-Prozent-Finanzierung mit zehnjähriger Zinsbindung Ende Oktober bei 4,27 Prozent lag. Das ist knapp ein viertel Prozentpunkt mehr als noch einen Monat zuvor. In jedem Fall lohne es sich, so die Tester, verschiedene Kreditangebote miteinander zu vergleichen. Mit einem günstigeren Zinssatz könne man Zinskosten in Höhe von mehreren Zehntausend Euro sparen.

Unter oben genannten Konditionen sind aber selbst mit zwei Prozent Tilgung kaum noch Angebote unter vier Prozent zu bekommen. „Finanztest“ hat mit den 3,88 Prozent Effektivzins von der BBBank und den 3,94 Prozent von DTW immerhin noch zwei ausfindig machen können.

Aufschlag für längere Laufzeit

Wer sich die Zinsen nicht nur für zehn, sondern gleich für 15 Jahre festschreiben lassen möchte, muss tiefer in die Tasche greifen. Hier startet der beste Zinssatz bei 4,04 Prozent (DTW). Bester Anbieter für die 20-jährige Zinsbindung ist der Kreditvermittler Dr. Klein mit 4,23 Prozent.

Bauwillige, denen mehr Eigenkapital zur Verfügung steht, finden bei einer 60-Prozent-Finanzierung ein größeres Angebot von Zinssätzen ganz knapp unter vier Prozent am Markt vor. Wer sich mehr Geld von der Bank leihen muss und nur zehn Prozent für die Immobilie selbst aufbringen kann, findet dem Vergleich zufolge derzeit keine Bank mehr mit einem Zinsangebot von unter vier Prozent.

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