ERKLÄRT - Wie funktionieren die Waffen, die Russland und die Ukraine im Krieg einsetzen – und wer liefert sie?
Täglich treffen tonnenschwere Lieferungen von Waffen und anderem Kriegsmaterial an der Grenze zur Ukraine ein. Noch bei Kriegsbeginn lieferte der Westen vorwiegend leichte Waffen für die Selbstverteidigung des Landes. Als solche werden tragbare Systeme bezeichnet, die von einzelnen Personen eingesetzt werden können. Dazu gehören neben Pistolen und Sturmgewehren auch Granatwerfer sowie Panzer- und Flugabwehrraketen.
Nun liefern westliche Länder aber auch schwere Waffen. Das sind komplexe und personalintensive Systeme wie Panzer, Kampfhelikopter oder Artilleriesysteme, die auch für Gegenoffensiven eingesetzt werden können.
Hier eine alphabetische Übersicht über neun Waffensysteme, die auf beiden Seiten im Einsatz sind. Die Liste wird regelmässig aktualisiert.
Artilleriegeschütz M777
Was es ist: Die 155 mm gezogene Haubitze M777 ist das modernste Artilleriegeschütz, das im Westen breit eingesetzt wird. Sie wurde 2005 von den USA in Dienst genommen und in Afghanistan erstmals im Kriegseinsatz verwendet. Neben den USA besitzen es bis jetzt auch Kanada, Australien und Indien. Insgesamt sind bisher Bestellungen für über 1200 Stück aufgegeben worden.
So funktioniert sie: Die M777 ist mit einem Gewicht von rund 4,2 Tonnen bedeutend leichter als vergleichbare andere Geschütze (beispielsweise 40 Prozent leichter als die Vorgängerin M198). Sie kann deshalb – im Gegensatz zu den besser gegen feindliches Feuer geschützten Panzerhaubitzen – einfach und schnell via Land, Luft und Wasser transportiert werden. Die Verschiebung per Helikopter ermöglicht einen raschen Stellungswechsel zum Schutz vor Angriffen der feindlichen Artillerie oder Luftwaffe. Das geringe Gewicht verdankt sie der extensiven Verwendung von Titan bei der Konstruktion. Dank eingebautem Feuerkontrollsystem kann die M777 unabhängig von einer Feuerleitstelle schiessen.
Die praktische Schussdistanz mit herkömmlicher Munition beträgt bis zu 24 Kilometer. Doch im Gegensatz zu den Geschützen sowjetischer Bauart kann die M777 moderne westliche Spezialmunition verwenden. Mit der GPS-gesteuerten Munition vom Typ Excalibur schiesst sie bis zu 40 Kilometer weit. Im Vergleich zur Standardmunition kann sie damit aus einer Stellung Ziele auf der doppelten Fläche abdecken.
Wer sie liefert: Die USA haben der Ukraine 90 M777-Haubitzen versprochen. Ein hoher Beamter des Pentagons erklärte am 4. Mai, dass davon bereits mehr als 90 Prozent an die ukrainische Armee geliefert worden seien – dazu ebenso fast 90 000 von 144 000 versprochenen Artilleriegranaten. Australien und Kanada sollen der Ukraine weitere M777 liefern. Da die Ukraine diese Haubitze bisher nicht verwendete, werden ukrainische Militärangehörige zurzeit in Deutschland auf dem amerikanischen Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz in deren Handhabung instruiert: Ukrainische Ausbilder werden geschult und unterrichten danach selbständig ihre Artillerieeinheiten.
Iskander-Raketen
Was es ist: Iskander-M ist ein Kurzstreckenraketensystem russischer Bauart. Die ballistischen Raketen, die auch Nuklearsprengköpfe tragen können, haben eine Reichweite von 500 Kilometern. Daher kann Russland damit auch vom eigenen Staatsgebiet aus Ziele in der Ukraine angreifen.
So funktioniert es: Das System ist auf einem Lastwagen angebracht und schnell verlegbar. Sein Vorteil: Die abgefeuerten Raketen sind von gegnerischen Flugabwehrsystemen schwer abzuschiessen. Wird eine Rakete gestartet, kann sie ihre Flugbahn so schnell anpassen, dass ihr Ziel schwer berechenbar ist.
Wer es liefert: Russland produziert das Iskander-M-System ausschliesslich für das eigene Militär. Mit Iskander-E gibt es seit 1999 ein Exportmodell mit einigen Einschränkungen, etwa einer geringeren Reichweite. Systeme dieser Art wurden nachweislich an Armenien und Algerien verkauft. Der Stückpreis ist allerdings nicht bekannt.
Javelin-Panzerabwehrraketen
Was es ist: Die Javelin FGM-148 ist eine Panzerabwehrlenkwaffe amerikanischer Bauart. Sie ist klein, nur etwas mehr als 20 Kilogramm schwer und kann von einem Soldaten von der Schulter abgefeuert werden. Sie kann gepanzerte Ziele wie Kampfpanzer in bis zu 2000 Metern Entfernung bekämpfen.
So funktioniert sie: Das System besteht aus einem Gerät für die Beobachtung und Zielerfassung sowie dem Startrohr, das den Flugkörper enthält. Der grosse Vorteil der Javelin ist, dass der Schütze mobil bleibt. Er muss sein Ziel nur beim Abschuss anvisieren, danach findet die infrarotgelenkte Rakete ihr Ziel selbst.
Wer sie liefert: Die Ukraine erhielt von den USA Tausende von Javelins vor dem Krieg. Amerika ist auch im Krieg der Hauptlieferant. Aber auch europäische Staaten wie Frankreich, Polen oder Grossbritannien liefern das System. Der Stückpreis liegt gemäss amerikanischen Angaben bei rund 250 000 Dollar.
Kampfhelikopter Kamow Ka-52
Was es ist: Der Kamow Ka-52 ist ein zweisitziger russischer Kampfhelikopter und hat zwei Doppelrotoren mit je drei Rotorblättern. Die Rotoren drehen in entgegengesetzter Richtung. Dank ihnen braucht der Ka-52 keinen Heckrotor, und die Doppelrotoren verbessern seine Flugeigenschaften. Er ist eine Weiterentwicklung des einsitzigen Ka-50. Er gilt als sehr beweglich. So kann er mit beträchtlicher Geschwindigkeit vertikal bis zu 4000 Meter steigen.
So funktioniert er: Der Kamow Ka-52 ist ein Hochleistungs-Kampfhelikopter, der bei Tag und bei Nacht operieren kann. Er ist geeignet für Aufklärungsmissionen, Zielbezeichnung (beispielsweise für die Artillerie) und Luftangriffe im Gruppenverband. Im Ukraine-Krieg hat sich allerdings gezeigt, dass er gegenüber schultergestützten Flugabwehrraketen wie Stinger verletzlich ist. Mindestens 13 Helikopter dieses Typs sollen bisher von der ukrainischen Armee abgeschossen worden sein.
Wer ihn liefert: Die Entwicklung des Ka-52 begann Mitte der 1990er Jahre in Russland. Die Serienproduktion begann 2008 durch das Unternehmen Progress in Arsenjew im Fernen Osten. Seit 2011 steht er im Einsatz.
Kampfpanzer T-72
Was es ist: Der T-72 ist ein Kampfpanzer sowjetischer Bauart. Er ist verhältnismässig klein und mit rund 40 Tonnen Gefechtsgewicht leicht. Er wird von drei Mann bedient: dem Kommandanten, dem Fahrer und dem Richtschützen. Der Panzer ist mit einer Ladeautomatik bestückt, die die Geschosse innert weniger als drei Sekunden nachlädt.
So funktioniert er: Die Hauptwaffe des T-72 ist die 125-mm-Kanone. Die Kampfbeladung besteht aus 44 Schuss. 22 Schuss werden in einem Ladekarussell im Wannenboden unter dem Turm aufbewahrt, die restlichen an verschiedenen Plätzen im Innenraum. Das Ladekarussell des Panzers hat einen grossen Nachteil: Der Kommandant und der Richtschütze sitzen auf der Munition, der Fahrer des Panzers mit dem Rücken dazu. Trifft eine Panzerabwehrrakete den T-72, gibt es kaum ein Entkommen für die Besatzung.
Wer ihn liefert: Der T-72 war einer der meistverwendeten Panzer der Sowjetarmee. Viele Staaten des ehemaligen Ostblocks verfügen noch über Restbestände. Entsprechend setzen sowohl Russen als auch Ukrainer auf das Modell. Zudem haben Tschechen, Polen und Slowaken T-72 der Ukraine geliefert. Der Stückpreis soll sich laut ukrainischen Angaben auf rund 500 000 Dollar belaufen.
Mehrfachraketenwerfer BM-21 Grad
Was es ist: Der BM-21 Grad ist ein auf einem Lastwagen montierter Mehrfachraketenwerfer sowjetischer Bauart. Er kann 40 Raketen von 2,87 Metern Länge verschiessen, ohne nachgeladen zu werden. Er gehört zum Arsenal der russischen wie auch der ukrainischen Armee. Varianten sind in über sechzig Ländern im Einsatz, unter anderem in China.
So funktioniert er: Nachdem der Grad in Stellung gefahren ist, kann er in drei Minuten schussbereit gemacht werden. Die Raketen können einzeln oder in kleinen Gruppen in Intervallen verschossen werden. Es ist aber auch möglich, alle vierzig Raketen innerhalb von zwanzig Sekunden gleichzeitig zu verschiessen. Danach braucht der Grad maximal zwei Minuten, um die Stellung wieder zu verlassen. Das heisst, dass er im Extremfall weniger als sechs Minuten in der Stellung bleiben muss, um alle 40 Raketen abzuschiessen. Der kurze Zeitraum macht es für die feindliche Artillerie schwierig, ihn anzugreifen. Zum Nachladen werden rund zehn Minuten gebraucht.
Der Grad schiesst weniger genau als Haubitzen mit moderner Munition. Um ein spezifisches Ziel zu treffen, benötigt man wegen der Streuung der Einschläge eine grosse Zahl von Raketen.
Wer ihn liefert: Der BM-21 Grad wurde in den frühen 1960er Jahren in der Sowjetunion entwickelt. Seinen ersten Kampfeinsatz erlebte er 1969 im sino-sowjetischen Grenzkonflikt. 2003 wurde in Russland eine neue Version mit verbessertem Kampfwert präsentiert. Sie verfügt über Satellitennavigation und ein automatisches Feuerkontrollsystem und kann mit einem neuen Typ Raketen bis zu 40 Kilometer weit schiessen. Das ist im Vergleich zu neueren Raketenwerfern aber immer noch relativ gering.
Panzerhaubitze 2000
Was es ist: Die Panzerhaubitze 2000 ist eine der modernsten Panzerhaubitzen. Hergestellt wird sie in Deutschland. Normalerweise wird das Geschütz von einer fünfköpfigen Besatzung bedient, bei automatisiertem Munitionsfluss ist die Bedienung mit drei Soldaten möglich.
So funktioniert sie: Das Geschütz ist selbstfahrend und auf eine Panzerwanne mit Kettenantrieb gebaut. Es kann bis zu sechs Granaten so abfeuern, dass sie fast gleichzeitig im Ziel einschlagen. Mit der Standardmunition hat die Haubitze eine Reichweite von 30 Kilometern, mit Spezialmunition sind sogar 40 Kilometer möglich. Ihr Ziel erhält die Panzerhaubitze digital von einem Leitstand zugewiesen.
Wer sie liefert: Die Niederlande haben bereits fünf Geschütze aus ihren Beständen an die Ukraine geliefert. Nun prüft auch das Herstellerland Deutschland, ob es Panzerhaubitzen 2000 liefern will. Nach Informationen der «Welt» soll die Regierung die Lieferung inzwischen beschlossen haben. Ihr Stückpreis soll sich, inklusive Ausbildungspaket und Ersatzteile, auf 17 Millionen Euro belaufen.
Boden-Luft-Rakete Stinger
Was es ist: Die Stinger ist eine Flugabwehrrakete amerikanischer Bauart. Sie wird für die Bekämpfung von tief fliegenden Flugzeugen und Helikoptern eingesetzt und von der Schulter abgefeuert. Zur Stinger-Bedienung werden für die Zielerfassung und den Abschuss oft zwei Mann eingesetzt. Der Flugkörper kann Ziele bei idealen Bedingungen in bis zu 6000 Metern Entfernung und 3000 Metern Höhe bekämpfen.
So funktioniert sie: Die Rakete sucht zur Zielerfassung nach dem Infrarotlicht, das von den Triebwerken des Zielflugzeugs erzeugt wird, und verfolgt so das Flugzeug. Nach dem Start fliegt die Rakete ihr Ziel selbständig an.
Wer sie liefert: Seit Kriegsbeginn wurde das System aus den USA, Deutschland, Lettland und den Niederlanden an die Ukraine geliefert. Der Stückpreis liegt gemäss amerikanischen Angaben bei rund 190 000 Dollar.
Switchblade-Drohne
Was es ist: Die Switchblade ist ein unbemanntes Fluggerät aus amerikanischer Herstellung. Anders als andere Drohnen feuert sie keine Raketen ab, sondern funktioniert als sogenannte Kamikaze-Drohne. Das heisst, das Fluggerät ist selbst die Waffe und zerstört sich, wenn es sein Ziel trifft. Es gibt davon zwei Typen: die Switchblade 300 mit einer Reichweite von 10 Kilometern, die sich fünfzehn Minuten in der Luft halten kann, und die Switchblade 600 mit einer Reichweite von 40 Kilometern, die vierzig Minuten fliegen kann. Nur die Switchblade 600 ist auch zur Bekämpfung von gepanzerten Objekten geeignet.
So funktioniert sie: Die Kamikaze-Drohne kreist zunächst in der Luft, bis sie ihr Ziel im Sturzflug ansteuert und explodiert. Sie kann entweder vom Boden aus gesteuert werden oder ist so programmiert, dass sie ihr Ziel selbst findet. Zudem hat das Fluggerät eine Funktion, durch die ein Angriff noch kurz vor der Detonation gestoppt werden kann.
Wer sie liefert: Bereits Anfang April kündigten die USA die Lieferung von Switchblade-Drohnen in die Ukraine an. Später doppelte Washington nach und schickte über 700 Switchblade-Drohnen in das Land. Der Stückpreis für das Modell 300 wird auf 6000 Dollar geschätzt.
ERKLÄRT - Wie funktionieren die Waffen, die Russland und die Ukraine im Krieg einsetzen – und wer liefert sie?
Täglich treffen tonnenschwere Lieferungen von Waffen und anderem Kriegsmaterial an der Grenze zur Ukraine ein. Noch bei Kriegsbeginn lieferte der Westen vorwiegend leichte Waffen für die Selbstverteidigung des Landes. Als solche werden tragbare Systeme bezeichnet, die von einzelnen Personen eingesetzt werden können. Dazu gehören neben Pistolen und Sturmgewehren auch Granatwerfer sowie Panzer- und Flugabwehrraketen.
Nun liefern westliche Länder aber auch schwere Waffen. Das sind komplexe und personalintensive Systeme wie Panzer, Kampfhelikopter oder Artilleriesysteme, die auch für Gegenoffensiven eingesetzt werden können.
Hier eine alphabetische Übersicht über neun Waffensysteme, die auf beiden Seiten im Einsatz sind. Die Liste wird regelmässig aktualisiert.
Artilleriegeschütz M777
Was es ist: Die 155 mm gezogene Haubitze M777 ist das modernste Artilleriegeschütz, das im Westen breit eingesetzt wird. Sie wurde 2005 von den USA in Dienst genommen und in Afghanistan erstmals im Kriegseinsatz verwendet. Neben den USA besitzen es bis jetzt auch Kanada, Australien und Indien. Insgesamt sind bisher Bestellungen für über 1200 Stück aufgegeben worden.
So funktioniert sie: Die M777 ist mit einem Gewicht von rund 4,2 Tonnen bedeutend leichter als vergleichbare andere Geschütze (beispielsweise 40 Prozent leichter als die Vorgängerin M198). Sie kann deshalb – im Gegensatz zu den besser gegen feindliches Feuer geschützten Panzerhaubitzen – einfach und schnell via Land, Luft und Wasser transportiert werden. Die Verschiebung per Helikopter ermöglicht einen raschen Stellungswechsel zum Schutz vor Angriffen der feindlichen Artillerie oder Luftwaffe. Das geringe Gewicht verdankt sie der extensiven Verwendung von Titan bei der Konstruktion. Dank eingebautem Feuerkontrollsystem kann die M777 unabhängig von einer Feuerleitstelle schiessen.
Die praktische Schussdistanz mit herkömmlicher Munition beträgt bis zu 24 Kilometer. Doch im Gegensatz zu den Geschützen sowjetischer Bauart kann die M777 moderne westliche Spezialmunition verwenden. Mit der GPS-gesteuerten Munition vom Typ Excalibur schiesst sie bis zu 40 Kilometer weit. Im Vergleich zur Standardmunition kann sie damit aus einer Stellung Ziele auf der doppelten Fläche abdecken.
Wer sie liefert: Die USA haben der Ukraine 90 M777-Haubitzen versprochen. Ein hoher Beamter des Pentagons erklärte am 4. Mai, dass davon bereits mehr als 90 Prozent an die ukrainische Armee geliefert worden seien – dazu ebenso fast 90 000 von 144 000 versprochenen Artilleriegranaten. Australien und Kanada sollen der Ukraine weitere M777 liefern. Da die Ukraine diese Haubitze bisher nicht verwendete, werden ukrainische Militärangehörige zurzeit in Deutschland auf dem amerikanischen Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz in deren Handhabung instruiert: Ukrainische Ausbilder werden geschult und unterrichten danach selbständig ihre Artillerieeinheiten.
Iskander-Raketen
Was es ist: Iskander-M ist ein Kurzstreckenraketensystem russischer Bauart. Die ballistischen Raketen, die auch Nuklearsprengköpfe tragen können, haben eine Reichweite von 500 Kilometern. Daher kann Russland damit auch vom eigenen Staatsgebiet aus Ziele in der Ukraine angreifen.
So funktioniert es: Das System ist auf einem Lastwagen angebracht und schnell verlegbar. Sein Vorteil: Die abgefeuerten Raketen sind von gegnerischen Flugabwehrsystemen schwer abzuschiessen. Wird eine Rakete gestartet, kann sie ihre Flugbahn so schnell anpassen, dass ihr Ziel schwer berechenbar ist.
Wer es liefert: Russland produziert das Iskander-M-System ausschliesslich für das eigene Militär. Mit Iskander-E gibt es seit 1999 ein Exportmodell mit einigen Einschränkungen, etwa einer geringeren Reichweite. Systeme dieser Art wurden nachweislich an Armenien und Algerien verkauft. Der Stückpreis ist allerdings nicht bekannt.
Javelin-Panzerabwehrraketen
Was es ist: Die Javelin FGM-148 ist eine Panzerabwehrlenkwaffe amerikanischer Bauart. Sie ist klein, nur etwas mehr als 20 Kilogramm schwer und kann von einem Soldaten von der Schulter abgefeuert werden. Sie kann gepanzerte Ziele wie Kampfpanzer in bis zu 2000 Metern Entfernung bekämpfen.
So funktioniert sie: Das System besteht aus einem Gerät für die Beobachtung und Zielerfassung sowie dem Startrohr, das den Flugkörper enthält. Der grosse Vorteil der Javelin ist, dass der Schütze mobil bleibt. Er muss sein Ziel nur beim Abschuss anvisieren, danach findet die infrarotgelenkte Rakete ihr Ziel selbst.
Wer sie liefert: Die Ukraine erhielt von den USA Tausende von Javelins vor dem Krieg. Amerika ist auch im Krieg der Hauptlieferant. Aber auch europäische Staaten wie Frankreich, Polen oder Grossbritannien liefern das System. Der Stückpreis liegt gemäss amerikanischen Angaben bei rund 250 000 Dollar.
Kampfhelikopter Kamow Ka-52
Was es ist: Der Kamow Ka-52 ist ein zweisitziger russischer Kampfhelikopter und hat zwei Doppelrotoren mit je drei Rotorblättern. Die Rotoren drehen in entgegengesetzter Richtung. Dank ihnen braucht der Ka-52 keinen Heckrotor, und die Doppelrotoren verbessern seine Flugeigenschaften. Er ist eine Weiterentwicklung des einsitzigen Ka-50. Er gilt als sehr beweglich. So kann er mit beträchtlicher Geschwindigkeit vertikal bis zu 4000 Meter steigen.
So funktioniert er: Der Kamow Ka-52 ist ein Hochleistungs-Kampfhelikopter, der bei Tag und bei Nacht operieren kann. Er ist geeignet für Aufklärungsmissionen, Zielbezeichnung (beispielsweise für die Artillerie) und Luftangriffe im Gruppenverband. Im Ukraine-Krieg hat sich allerdings gezeigt, dass er gegenüber schultergestützten Flugabwehrraketen wie Stinger verletzlich ist. Mindestens 13 Helikopter dieses Typs sollen bisher von der ukrainischen Armee abgeschossen worden sein.
Wer ihn liefert: Die Entwicklung des Ka-52 begann Mitte der 1990er Jahre in Russland. Die Serienproduktion begann 2008 durch das Unternehmen Progress in Arsenjew im Fernen Osten. Seit 2011 steht er im Einsatz.
Kampfpanzer T-72
Was es ist: Der T-72 ist ein Kampfpanzer sowjetischer Bauart. Er ist verhältnismässig klein und mit rund 40 Tonnen Gefechtsgewicht leicht. Er wird von drei Mann bedient: dem Kommandanten, dem Fahrer und dem Richtschützen. Der Panzer ist mit einer Ladeautomatik bestückt, die die Geschosse innert weniger als drei Sekunden nachlädt.
So funktioniert er: Die Hauptwaffe des T-72 ist die 125-mm-Kanone. Die Kampfbeladung besteht aus 44 Schuss. 22 Schuss werden in einem Ladekarussell im Wannenboden unter dem Turm aufbewahrt, die restlichen an verschiedenen Plätzen im Innenraum. Das Ladekarussell des Panzers hat einen grossen Nachteil: Der Kommandant und der Richtschütze sitzen auf der Munition, der Fahrer des Panzers mit dem Rücken dazu. Trifft eine Panzerabwehrrakete den T-72, gibt es kaum ein Entkommen für die Besatzung.
Wer ihn liefert: Der T-72 war einer der meistverwendeten Panzer der Sowjetarmee. Viele Staaten des ehemaligen Ostblocks verfügen noch über Restbestände. Entsprechend setzen sowohl Russen als auch Ukrainer auf das Modell. Zudem haben Tschechen, Polen und Slowaken T-72 der Ukraine geliefert. Der Stückpreis soll sich laut ukrainischen Angaben auf rund 500 000 Dollar belaufen.
Mehrfachraketenwerfer BM-21 Grad
Was es ist: Der BM-21 Grad ist ein auf einem Lastwagen montierter Mehrfachraketenwerfer sowjetischer Bauart. Er kann 40 Raketen von 2,87 Metern Länge verschiessen, ohne nachgeladen zu werden. Er gehört zum Arsenal der russischen wie auch der ukrainischen Armee. Varianten sind in über sechzig Ländern im Einsatz, unter anderem in China.
So funktioniert er: Nachdem der Grad in Stellung gefahren ist, kann er in drei Minuten schussbereit gemacht werden. Die Raketen können einzeln oder in kleinen Gruppen in Intervallen verschossen werden. Es ist aber auch möglich, alle vierzig Raketen innerhalb von zwanzig Sekunden gleichzeitig zu verschiessen. Danach braucht der Grad maximal zwei Minuten, um die Stellung wieder zu verlassen. Das heisst, dass er im Extremfall weniger als sechs Minuten in der Stellung bleiben muss, um alle 40 Raketen abzuschiessen. Der kurze Zeitraum macht es für die feindliche Artillerie schwierig, ihn anzugreifen. Zum Nachladen werden rund zehn Minuten gebraucht.
Der Grad schiesst weniger genau als Haubitzen mit moderner Munition. Um ein spezifisches Ziel zu treffen, benötigt man wegen der Streuung der Einschläge eine grosse Zahl von Raketen.
Wer ihn liefert: Der BM-21 Grad wurde in den frühen 1960er Jahren in der Sowjetunion entwickelt. Seinen ersten Kampfeinsatz erlebte er 1969 im sino-sowjetischen Grenzkonflikt. 2003 wurde in Russland eine neue Version mit verbessertem Kampfwert präsentiert. Sie verfügt über Satellitennavigation und ein automatisches Feuerkontrollsystem und kann mit einem neuen Typ Raketen bis zu 40 Kilometer weit schiessen. Das ist im Vergleich zu neueren Raketenwerfern aber immer noch relativ gering.
Panzerhaubitze 2000
Was es ist: Die Panzerhaubitze 2000 ist eine der modernsten Panzerhaubitzen. Hergestellt wird sie in Deutschland. Normalerweise wird das Geschütz von einer fünfköpfigen Besatzung bedient, bei automatisiertem Munitionsfluss ist die Bedienung mit drei Soldaten möglich.
So funktioniert sie: Das Geschütz ist selbstfahrend und auf eine Panzerwanne mit Kettenantrieb gebaut. Es kann bis zu sechs Granaten so abfeuern, dass sie fast gleichzeitig im Ziel einschlagen. Mit der Standardmunition hat die Haubitze eine Reichweite von 30 Kilometern, mit Spezialmunition sind sogar 40 Kilometer möglich. Ihr Ziel erhält die Panzerhaubitze digital von einem Leitstand zugewiesen.
Wer sie liefert: Die Niederlande haben bereits fünf Geschütze aus ihren Beständen an die Ukraine geliefert. Nun prüft auch das Herstellerland Deutschland, ob es Panzerhaubitzen 2000 liefern will. Nach Informationen der «Welt» soll die Regierung die Lieferung inzwischen beschlossen haben. Ihr Stückpreis soll sich, inklusive Ausbildungspaket und Ersatzteile, auf 17 Millionen Euro belaufen.
Boden-Luft-Rakete Stinger
Was es ist: Die Stinger ist eine Flugabwehrrakete amerikanischer Bauart. Sie wird für die Bekämpfung von tief fliegenden Flugzeugen und Helikoptern eingesetzt und von der Schulter abgefeuert. Zur Stinger-Bedienung werden für die Zielerfassung und den Abschuss oft zwei Mann eingesetzt. Der Flugkörper kann Ziele bei idealen Bedingungen in bis zu 6000 Metern Entfernung und 3000 Metern Höhe bekämpfen.
So funktioniert sie: Die Rakete sucht zur Zielerfassung nach dem Infrarotlicht, das von den Triebwerken des Zielflugzeugs erzeugt wird, und verfolgt so das Flugzeug. Nach dem Start fliegt die Rakete ihr Ziel selbständig an.
Wer sie liefert: Seit Kriegsbeginn wurde das System aus den USA, Deutschland, Lettland und den Niederlanden an die Ukraine geliefert. Der Stückpreis liegt gemäss amerikanischen Angaben bei rund 190 000 Dollar.
Switchblade-Drohne
Was es ist: Die Switchblade ist ein unbemanntes Fluggerät aus amerikanischer Herstellung. Anders als andere Drohnen feuert sie keine Raketen ab, sondern funktioniert als sogenannte Kamikaze-Drohne. Das heisst, das Fluggerät ist selbst die Waffe und zerstört sich, wenn es sein Ziel trifft. Es gibt davon zwei Typen: die Switchblade 300 mit einer Reichweite von 10 Kilometern, die sich fünfzehn Minuten in der Luft halten kann, und die Switchblade 600 mit einer Reichweite von 40 Kilometern, die vierzig Minuten fliegen kann. Nur die Switchblade 600 ist auch zur Bekämpfung von gepanzerten Objekten geeignet.
So funktioniert sie: Die Kamikaze-Drohne kreist zunächst in der Luft, bis sie ihr Ziel im Sturzflug ansteuert und explodiert. Sie kann entweder vom Boden aus gesteuert werden oder ist so programmiert, dass sie ihr Ziel selbst findet. Zudem hat das Fluggerät eine Funktion, durch die ein Angriff noch kurz vor der Detonation gestoppt werden kann.
Wer sie liefert: Bereits Anfang April kündigten die USA die Lieferung von Switchblade-Drohnen in die Ukraine an. Später doppelte Washington nach und schickte über 700 Switchblade-Drohnen in das Land. Der Stückpreis für das Modell 300 wird auf 6000 Dollar geschätzt.
Experte rechnet durch: Was kostet Putin der Krieg pro Tag?
Rund zehn Wochen ist es inzwischen her, dass Wladimir Putin seinen Truppen den Befehl gab, in die Ukraine einzumarschieren. Geheimdienstinformationen zufolge soll der russische Machthaber mit einem schnellen Erfolg gerechnet und eine große Siegesfeier für den „Tag des Sieges“, den 9. Mai, geplant haben.
Doch der Widerstand der ukrainischen Truppen bleibt nach wie vor groß, Russland muss sich auf einen langen Krieg einstellen, während die eigene Wirtschaft durch Sanktionen zunehmend geschwächt wird. Stellt sich die Frage: Was kostet Putin die Invasion, und geht ihm möglicherweise in absehbarer Zeit das Geld aus?
Genaue Berechnung aufgrund fehlender unabhängiger Angaben nicht möglich
Um die zweite Frage beantworten zu können, muss man zunächst einmal der ersten auf den Grund gehen. In eine Berechnung der Kosten müssen unzählige Faktoren mit einfließen. Munition, Kraftstoff, Söldner – die Liste der Kostenpunkte ist lang. Genau hier liegt ein großes Problem: Da unabhängige Zahlen zu eingesetzten Soldaten, Kriegsfahrzeugen sowie zu Verlusten nicht existieren, ist eine exakte Berechnung nicht möglich.
Der Autor Tomi Ahonen versucht sich deswegen in einer detaillierten Rechenanalyse auf Twitter den realen Zahlen anzunähern – mehr als das kann aufgrund der genannten Unwägbarkeiten ohnehin nicht der Anspruch sein. Dafür hat er verschiedenen Quellen ausgewertet und zunächst einmal die Zahl der russischen Soldaten in der Ukraine auf 190.000 geschätzt.
In einem zweiten Schritt nennt Ahonen die nach seiner Analyse annehmbaren Zahlen für Panzer, Artillerieeinheiten und weiterer Militärfahrzeuge- sowie Ausrüstung. Diese Zahlen bilden die Grundlage für seine Kostenaufstellung.
Munition großer Kostenfaktor
Demnach sind die Munitionskosten einer der größten Kostenpunkte für Putin. Die Artillerie verbrauche davon mit Abstand am meisten. In seiner Berechnung kommt Ahonen auf geschätzte 3800 Artillerie-Einheiten, die insgesamt bei maximaler Auslastung knapp 30.000 Tonnen Munition verbräuchten. Hinzu kommen abgefeuerte Raketen.
Ende April veröffentlichte das „Forbes Magazine“ eine Kalkulation, die bis zum 28. April von Munitionskosten für Raketen von mindestens 7,5 Milliarden Dollar ausgeht.
Das ergibt heruntergerechnet 120 Millionen Dollar pro Kriegstag. Insgesamt beziffert Ahonen auf der Grundlage all dieser Rechenanstellungen die täglichen Maximalkosten für Munition auf 720 Millionen Dollar – an einem Tag.
Geschätzte 270 Millionen Dollar pro Tag für Munition
In der Realität dürften die tatsächlichen Kosten allerdings niedriger liegen, wie der Autor einräumt, da sie vor allem davon abhängen, wieviel tatsächlich geschossen wird. Um dieser Verzerrung Sorge zu tragen, veranschlagt Ahonen in seiner Berechnung für die Munitionskosten – mit Ausnahme der Kosten für Raketen – nur ein Viertel der Maximalsumme und kommt am Ende auf einen Wert von 270 Millionen Dollar.
Der Kraftstoff für Panzer, Flugzeuge und Schiffe fällt da verhältnismäßig gering ins Gewicht. Auf Grundlage von einer Tankfüllung pro Fahrzeug pro Tag und einem Spritpreis von einem Dollar pro Liter errechnet Ahonen einen Wert von rund 6,3 Millionen Dollar.
Ahonen rechnet mit 10 Millionen Dollar täglich für Sprit
Hinzu kommen gemessen an den bislang schätzungsweise geflogenen Einsätzen 2,3 Millionen für Kampfflugzeuge und 5,9 Millionen für alle weiteren Kampffahrzeuge. Insgesamt summieren sich die Kosten demnach auf gut 15 Millionen Dollar. Für realistisch hält Ahonen zwei Drittel der mit Maximalverbrauch berechneten Spritkosten, also 10 Millionen Dollar pro Tag.
Doch damit endet Ahonens aufwendige Rechenanalyse noch nicht. Knapp 25 Millionen Dollar pro Tag veranschlagt der Technologie-Experte für die Bezahlung von Söldnern sowie für die Entschädigung getöteter und verletzter Soldaten. Auch hier legt er Referenzangaben für Entschädigungssummen sowie pro Tag im Schnitt getötete russische Soldaten zugrunde.
Teuerster Krieg aller Zeiten?
Um ein vielfaches teurer sind die Auslagen für verlorenes Kriegsgerät. Alleine das versenkte Kriegsschiff „Moskwa“ soll 750 Millionen Dollar gekostet haben. Schätzungen zu Verlusten an Ausrüstung und Fahrzeugen auf russischer Seite gehen bis zu einem Wert von 10 Milliarden Dollar. Ahonen kommt in seiner Berechnung auf tägliche Maximalkosten von 230 Millionen Dollar.
Am Ende seines Versuches, den tatsächlichen Kriegskosten Putins nahe zu kommen, kommt Ahonen auf tägliche Gesamtkosten von 539 Millionen Dollar. Kosten von mehr als einer halben Milliarde Dollar pro Tag würden Putins Invasion in der Ukraine zum teuersten Krieg aller Zeiten machen. Auf 70 Kriegstage hochgerechnet käme man auf knapp 38 Milliarden Dollar (umgerechnet knapp 36 Milliarden Euro). Nicht mit eingerechnet wurden in dieser Kalkulation Gehälter von Berufssoldaten, da diese ja auch in Friedenszeiten anfielen.
Die Berechnung entspricht sicher nicht den tatsächlichen Ausgaben, gibt aber einen Eindruck davon, wie teuer der Krieg für Putin in etwa sein könnte.
Derartige Aufwendungen belasten den Staatsetat, ob beziehungsweise wann Russland in ernsthafte finanzielle Nöte geraten könnte, lässt sich allerdings aus der Ferne nicht fundiert beantworten.
Experte rechnet durch: Was kostet Putin der Krieg pro Tag?
Rund zehn Wochen ist es inzwischen her, dass Wladimir Putin seinen Truppen den Befehl gab, in die Ukraine einzumarschieren. Geheimdienstinformationen zufolge soll der russische Machthaber mit einem schnellen Erfolg gerechnet und eine große Siegesfeier für den „Tag des Sieges“, den 9. Mai, geplant haben.
Doch der Widerstand der ukrainischen Truppen bleibt nach wie vor groß, Russland muss sich auf einen langen Krieg einstellen, während die eigene Wirtschaft durch Sanktionen zunehmend geschwächt wird. Stellt sich die Frage: Was kostet Putin die Invasion, und geht ihm möglicherweise in absehbarer Zeit das Geld aus?
Genaue Berechnung aufgrund fehlender unabhängiger Angaben nicht möglich
Um die zweite Frage beantworten zu können, muss man zunächst einmal der ersten auf den Grund gehen. In eine Berechnung der Kosten müssen unzählige Faktoren mit einfließen. Munition, Kraftstoff, Söldner – die Liste der Kostenpunkte ist lang. Genau hier liegt ein großes Problem: Da unabhängige Zahlen zu eingesetzten Soldaten, Kriegsfahrzeugen sowie zu Verlusten nicht existieren, ist eine exakte Berechnung nicht möglich.
Der Autor Tomi Ahonen versucht sich deswegen in einer detaillierten Rechenanalyse auf Twitter den realen Zahlen anzunähern – mehr als das kann aufgrund der genannten Unwägbarkeiten ohnehin nicht der Anspruch sein. Dafür hat er verschiedenen Quellen ausgewertet und zunächst einmal die Zahl der russischen Soldaten in der Ukraine auf 190.000 geschätzt.
In einem zweiten Schritt nennt Ahonen die nach seiner Analyse annehmbaren Zahlen für Panzer, Artillerieeinheiten und weiterer Militärfahrzeuge- sowie Ausrüstung. Diese Zahlen bilden die Grundlage für seine Kostenaufstellung.
Munition großer Kostenfaktor
Demnach sind die Munitionskosten einer der größten Kostenpunkte für Putin. Die Artillerie verbrauche davon mit Abstand am meisten. In seiner Berechnung kommt Ahonen auf geschätzte 3800 Artillerie-Einheiten, die insgesamt bei maximaler Auslastung knapp 30.000 Tonnen Munition verbräuchten. Hinzu kommen abgefeuerte Raketen.
Ende April veröffentlichte das „Forbes Magazine“ eine Kalkulation, die bis zum 28. April von Munitionskosten für Raketen von mindestens 7,5 Milliarden Dollar ausgeht.
Das ergibt heruntergerechnet 120 Millionen Dollar pro Kriegstag. Insgesamt beziffert Ahonen auf der Grundlage all dieser Rechenanstellungen die täglichen Maximalkosten für Munition auf 720 Millionen Dollar – an einem Tag.
Geschätzte 270 Millionen Dollar pro Tag für Munition
In der Realität dürften die tatsächlichen Kosten allerdings niedriger liegen, wie der Autor einräumt, da sie vor allem davon abhängen, wieviel tatsächlich geschossen wird. Um dieser Verzerrung Sorge zu tragen, veranschlagt Ahonen in seiner Berechnung für die Munitionskosten – mit Ausnahme der Kosten für Raketen – nur ein Viertel der Maximalsumme und kommt am Ende auf einen Wert von 270 Millionen Dollar.
Der Kraftstoff für Panzer, Flugzeuge und Schiffe fällt da verhältnismäßig gering ins Gewicht. Auf Grundlage von einer Tankfüllung pro Fahrzeug pro Tag und einem Spritpreis von einem Dollar pro Liter errechnet Ahonen einen Wert von rund 6,3 Millionen Dollar.
Ahonen rechnet mit 10 Millionen Dollar täglich für Sprit
Hinzu kommen gemessen an den bislang schätzungsweise geflogenen Einsätzen 2,3 Millionen für Kampfflugzeuge und 5,9 Millionen für alle weiteren Kampffahrzeuge. Insgesamt summieren sich die Kosten demnach auf gut 15 Millionen Dollar. Für realistisch hält Ahonen zwei Drittel der mit Maximalverbrauch berechneten Spritkosten, also 10 Millionen Dollar pro Tag.
Doch damit endet Ahonens aufwendige Rechenanalyse noch nicht. Knapp 25 Millionen Dollar pro Tag veranschlagt der Technologie-Experte für die Bezahlung von Söldnern sowie für die Entschädigung getöteter und verletzter Soldaten. Auch hier legt er Referenzangaben für Entschädigungssummen sowie pro Tag im Schnitt getötete russische Soldaten zugrunde.
Teuerster Krieg aller Zeiten?
Um ein vielfaches teurer sind die Auslagen für verlorenes Kriegsgerät. Alleine das versenkte Kriegsschiff „Moskwa“ soll 750 Millionen Dollar gekostet haben. Schätzungen zu Verlusten an Ausrüstung und Fahrzeugen auf russischer Seite gehen bis zu einem Wert von 10 Milliarden Dollar. Ahonen kommt in seiner Berechnung auf tägliche Maximalkosten von 230 Millionen Dollar.
Am Ende seines Versuches, den tatsächlichen Kriegskosten Putins nahe zu kommen, kommt Ahonen auf tägliche Gesamtkosten von 539 Millionen Dollar. Kosten von mehr als einer halben Milliarde Dollar pro Tag würden Putins Invasion in der Ukraine zum teuersten Krieg aller Zeiten machen. Auf 70 Kriegstage hochgerechnet käme man auf knapp 38 Milliarden Dollar (umgerechnet knapp 36 Milliarden Euro). Nicht mit eingerechnet wurden in dieser Kalkulation Gehälter von Berufssoldaten, da diese ja auch in Friedenszeiten anfielen.
Die Berechnung entspricht sicher nicht den tatsächlichen Ausgaben, gibt aber einen Eindruck davon, wie teuer der Krieg für Putin in etwa sein könnte.
Derartige Aufwendungen belasten den Staatsetat, ob beziehungsweise wann Russland in ernsthafte finanzielle Nöte geraten könnte, lässt sich allerdings aus der Ferne nicht fundiert beantworten.
Ukrainische Armee bremst Russlands Vormarsch im Osten - Russischer Beschuss in Lwiw
Die ukrainischen Truppen haben mit heftigem Widerstand den russischen Vormarsch im Osten des Landes abbremsen können, Moskaus Truppen halten den Druck jedoch aufrecht. "Wir bereiten uns auf große Offensiven in Sewerodonezk und an der Straße zwischen Lysytschansk und Bachmut vor", teilte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gajdaj, am Samstag mit. Die russische Armee zerstörte nach eigenen Abgaben mehrere militärische Ziele in der Region Donezk und griff auch die westukrainische Region Lwiw wieder an.
Bisherige Versuche zur Einkesselung von Sewerodonezk hätten die ukrainischen Soldaten zurückgeschlagen, erklärte Gajdaj. Zugleich beschrieb er die zunehmend schwierige humanitäre Lage in der Region Luhansk: "Es gibt absolut kein Gas, kein Wasser und keinen Strom." An der Grenze zur Region Donezk, auf der Seite der Stadt Popasna, werde heftig gekämpft.
Nahe des Dorfes Bilohoriwka versuchen die russischen Streitkräfte seit drei Wochen erfolglos, einen Fluss zu überqueren. Nach Angaben des Gouverneurs erlitten die russischen Truppen schwere Verluste an Soldaten und Ausrüstung.
Aus abgehörten Telefongesprächen habe die ukrainische Seite erfahren, "dass ein ganzes russisches Bataillon sich geweigert hat anzugreifen, weil sie gesehen haben, was passiert". Luftaufnahmen zeigten Dutzende von zerstörten Panzerfahrzeugen am Flussufer sowie zerstörte Pontonbrücken.
Das britische Verteidigungsministerium erklärte, die russische Armee habe schwere Verluste erlitten, nachdem die ukrainischen Streitkräfte ihren Versuch der Überquerung des Flusses zurückgeschlagen hätten. Das Manöver spreche "für den Druck, unter dem die russischen Befehlshaber stehen, ihre Operationen in der Ostukraine voranzubringen".
In der Region Lwiw nahe der Grenze zu Polen trafen laut Regionalgouverneur Maxym Kosytsky vier russische Raketen militärische Infrastruktur. Opfer gab es den Angaben zufolge keine und die ukrainische Armee zerstörte nach eigenen Angaben zwei Marschflugkörper in der Region. Lwiw war zuletzt am 3. Mai von russischen Raketen getroffen worden.
Nach Angaben aus Moskau wurden in der Nacht zum Sonntag mehrere Hochpräzisionsraketen auf zwei ukrainische Kommandopunkte und vier Artilleriemunitionslager in der Nähe von Saporischschja, Konstantinowka und Nowomichailowka in der Region Donezk angefeuert. Die russische Luftwaffe habe zudem zwei Raketenwerfer der S-300-Systeme und ein Radarsystem in der Region Sumy zerstört, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Russische Flugabwehrsysteme hätten zudem 15 ukrainische Drohnen in den Regionen Donezk und Luhansk vernichtet.
Der britische Militärgeheimdienst ging von herben Verlusten Moskaus in der Ostukraine aus, weshalb die Offensive "an Schwung verloren" habe. Der russische Schlachtplan sei "erheblich in Verzug", hieß es aus Geheimdienstquellen.
Russland habe "wahrscheinlich Verluste von einem Drittel der Bodenkampftruppe erlitten, die es im Februar eingesetzt hatte", hieß es weiter. Unter den derzeitigen Bedingungen sei es unwahrscheinlich, dass Russland sein Vormarschtempo in den nächsten 30 Tagen erheblich beschleunigen werde.
Die Ukraine meldete derweil Erfolge aus dem Norden des Landes: Die russischen Streitkräfte mussten sich nach Angaben des ukrainischen Generalstabs aus mehreren Ortschaften nordöstlich der Großstadt Charkiw zurückziehen.
Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kirilo Budanow, sagte einen militärischen "Wendepunkt" in dem Konflikt für die zweite Augusthälfte voraus. Noch vor Jahresende werde der Krieg mit einer Niederlage für Russland enden, erklärte er.
Trotz der militärischen Rückschläge für Russland konnte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach eigenen Angaben bei einem Telefonat mit Wladimir Putin am Freitag keine Änderung im Verhalten des Kreml-Chefs erkennen. Dabei sei klar, dass Russland keines seiner zu Beginn genannten Kriegsziele erreicht habe, sagte Scholz dem Nachrichtenportal "t-online". Deswegen sollte Putin langsam klar werden, "dass ein Ausweg aus dieser Situation nur über eine Verständigung mit der Ukraine führt".
Die G7-Außenminister erklärten derweil, sie würden von Russland durch seinen Angriffskrieg angestrebte neue Grenzziehungen "niemals" akzeptieren
Ukrainische Armee bremst Russlands Vormarsch im Osten - Russischer Beschuss in Lwiw
Die ukrainischen Truppen haben mit heftigem Widerstand den russischen Vormarsch im Osten des Landes abbremsen können, Moskaus Truppen halten den Druck jedoch aufrecht. "Wir bereiten uns auf große Offensiven in Sewerodonezk und an der Straße zwischen Lysytschansk und Bachmut vor", teilte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gajdaj, am Samstag mit. Die russische Armee zerstörte nach eigenen Abgaben mehrere militärische Ziele in der Region Donezk und griff auch die westukrainische Region Lwiw wieder an.
Bisherige Versuche zur Einkesselung von Sewerodonezk hätten die ukrainischen Soldaten zurückgeschlagen, erklärte Gajdaj. Zugleich beschrieb er die zunehmend schwierige humanitäre Lage in der Region Luhansk: "Es gibt absolut kein Gas, kein Wasser und keinen Strom." An der Grenze zur Region Donezk, auf der Seite der Stadt Popasna, werde heftig gekämpft.
Nahe des Dorfes Bilohoriwka versuchen die russischen Streitkräfte seit drei Wochen erfolglos, einen Fluss zu überqueren. Nach Angaben des Gouverneurs erlitten die russischen Truppen schwere Verluste an Soldaten und Ausrüstung.
Aus abgehörten Telefongesprächen habe die ukrainische Seite erfahren, "dass ein ganzes russisches Bataillon sich geweigert hat anzugreifen, weil sie gesehen haben, was passiert". Luftaufnahmen zeigten Dutzende von zerstörten Panzerfahrzeugen am Flussufer sowie zerstörte Pontonbrücken.
Das britische Verteidigungsministerium erklärte, die russische Armee habe schwere Verluste erlitten, nachdem die ukrainischen Streitkräfte ihren Versuch der Überquerung des Flusses zurückgeschlagen hätten. Das Manöver spreche "für den Druck, unter dem die russischen Befehlshaber stehen, ihre Operationen in der Ostukraine voranzubringen".
In der Region Lwiw nahe der Grenze zu Polen trafen laut Regionalgouverneur Maxym Kosytsky vier russische Raketen militärische Infrastruktur. Opfer gab es den Angaben zufolge keine und die ukrainische Armee zerstörte nach eigenen Angaben zwei Marschflugkörper in der Region. Lwiw war zuletzt am 3. Mai von russischen Raketen getroffen worden.
Nach Angaben aus Moskau wurden in der Nacht zum Sonntag mehrere Hochpräzisionsraketen auf zwei ukrainische Kommandopunkte und vier Artilleriemunitionslager in der Nähe von Saporischschja, Konstantinowka und Nowomichailowka in der Region Donezk angefeuert. Die russische Luftwaffe habe zudem zwei Raketenwerfer der S-300-Systeme und ein Radarsystem in der Region Sumy zerstört, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Russische Flugabwehrsysteme hätten zudem 15 ukrainische Drohnen in den Regionen Donezk und Luhansk vernichtet.
Der britische Militärgeheimdienst ging von herben Verlusten Moskaus in der Ostukraine aus, weshalb die Offensive "an Schwung verloren" habe. Der russische Schlachtplan sei "erheblich in Verzug", hieß es aus Geheimdienstquellen.
Russland habe "wahrscheinlich Verluste von einem Drittel der Bodenkampftruppe erlitten, die es im Februar eingesetzt hatte", hieß es weiter. Unter den derzeitigen Bedingungen sei es unwahrscheinlich, dass Russland sein Vormarschtempo in den nächsten 30 Tagen erheblich beschleunigen werde.
Die Ukraine meldete derweil Erfolge aus dem Norden des Landes: Die russischen Streitkräfte mussten sich nach Angaben des ukrainischen Generalstabs aus mehreren Ortschaften nordöstlich der Großstadt Charkiw zurückziehen.
Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kirilo Budanow, sagte einen militärischen "Wendepunkt" in dem Konflikt für die zweite Augusthälfte voraus. Noch vor Jahresende werde der Krieg mit einer Niederlage für Russland enden, erklärte er.
Trotz der militärischen Rückschläge für Russland konnte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach eigenen Angaben bei einem Telefonat mit Wladimir Putin am Freitag keine Änderung im Verhalten des Kreml-Chefs erkennen. Dabei sei klar, dass Russland keines seiner zu Beginn genannten Kriegsziele erreicht habe, sagte Scholz dem Nachrichtenportal "t-online". Deswegen sollte Putin langsam klar werden, "dass ein Ausweg aus dieser Situation nur über eine Verständigung mit der Ukraine führt".
Die G7-Außenminister erklärten derweil, sie würden von Russland durch seinen Angriffskrieg angestrebte neue Grenzziehungen "niemals" akzeptieren
Russlandtreue Einheiten rücken in der Region um Severodonetsk vor. (Quelle: imago-images-bilder)
aus der Ferne sieht er furchteinflößend aus, doch je näher er kommt, desto mehr schrumpft er auf Normalmaß. Wer könnte das sein? Ganz klar: ein "Scheinriese". So hat der Schriftsteller Michael Ende das seltsame Wesen in seinem Kinderbuch genannt. Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer hatten einen Heidenrespekt vor ihm, als sie das Monstrum am Horizont erblickten. Zum Glück wurde es mit jedem Schritt kleiner. Was wenige wissen: Scheinriesen gibt es wirklich. Einer von ihnen sorgt gerade für Schlagzeilen. Es ist die russische Armee.
"Die Situation ist nicht normal", ätzte ein russischer Militärexperte kürzlich im staatlichen Propagandafernsehen, zum Entsetzen der Moderatorin. Man solle sich nicht in die Tasche lügen: Die ukrainische Armee befinde sich keinesfalls kurz vor dem Zusammenbruch. Die Kampfmoral der Ukrainer sei hoch, ihre Armee professionell, und hinter ihr stehe eine Allianz aus 42 Staaten, die modernste Waffen liefere. Russland befinde sich in "totaler geopolitischer Isolation". Die Situation werde aus Moskauer Sicht "ganz klar schlechter".
Die russische Offensive, die sich nun auf den Osten der Ukraine beschränkt, kommt nur noch im Schneckentempo voran. Sie trifft auf erbitterten Widerstand. An vorderster Front stehen ukrainische Soldaten, von denen viele bis vor Kurzem keinerlei Kampferfahrung besaßen, aber um jedes Dorf mitunter mit einfachsten Mitteln kämpfen: Kaserniert im Keller, patrouillieren sie im Laufschritt durch Gemüsegärten, während rundherum russische Granaten einschlagen (hier das Video eines britischen Reporters). Von den schweren Waffen, über deren Lieferung hierzulande so heiß diskutiert wird, ist in solchen Dörfern noch nichts zu sehen. Man kämpft zu Fuß. Dennoch halten selbst an einem so schlecht ausgestatteten Frontabschnitt die Verteidiger dem russischen Druck stand.
Es läuft schlecht für den Aggressor, so viel ist klar. Aber wie schlecht? Wie hoch sind die russischen Verluste wirklich? Ein Drittel der Invasionsarmee sei zerstört oder nicht mehr einsatzfähig, meldet das britische Verteidigungsministerium. Mehr als 28.000 getötete russische Soldaten wollen ukrainische Behörden gezählt haben. Doch bei den forschen Einschätzungen ist Vorsicht angebracht. Denn genau darum handelt es sich: nur um Schätzungen. Sie stützen sich auf allerlei Annahmen, doch Genaues weiß man nicht.
Ein Beispiel: Auf Luft- und Satellitenaufnahmen werden nicht Gefallene gezählt, sondern zerstörte Fahrzeuge, etwa Transportpanzer. Und dann wird hochgerechnet. Aber wie viele Soldaten saßen in dem ausgebrannten Gefährt? War es voll besetzt? Hatte es vielleicht nur drei, vier Mann an Bord, weil die taktischen Bataillonsgruppen der russischen Armee nicht in voller Mannschaftsstärke ins Gefecht gezogen sind? Oder ist gar kein russischer Soldat zu Schaden bekommen, weil sie ihr klappriges Fahrzeug schon längst zurückgelassen hatten? Man kann diesen Zahlen nicht trauen.
Mit Gewissheit darf man jedoch feststellen, dass die russische Armee nicht nur mit dem Gegner, sondern auch mit sich selbst ringt. Immer wieder müssen die Angreifer schwere Niederlagen einstecken. Erhellend sind die Umstände, unter denen das geschieht. Das Debakel am Siwerskyj Donez, einem Flüsschen im Donbass, hat selbst bei linientreuen russischen Militärbloggern für Entsetzen gesorgt – wegen der Inkompetenz der eigenen Einheiten. Beim Versuch der Russen, den Fluss zu überqueren, zerschossen ukrainische Artillerie und Luftwaffe die Pontonbrücken, schnitten die bereits übergesetzten Einheiten von Nachschub und Rückzug ab und richteten eines der bisher größten Blutvergießen dieses Krieges an.
Der Vorstoß über einen Fluss auf selbst gelegten Brücken gehört zu den anspruchsvollsten Operationen während einer Offensive.Verschiedene Einheiten müssen in einer komplexen Choreografie zusammenarbeiten, wobei sie zwischenzeitlich sehr verwundbar sind. Luftunterstützung, Artillerie, Pioniere, Aufklärer, Panzer und Infanterie müssen ihr Timing im Griff haben. Seit Beginn des Krieges ist immer deutlicher geworden, dass die russische Armee an der präzisen Koordination scheitert und jeder Kommandeur sein eigenes Süppchen kocht. Es fehlt am Training. Und das lässt sich nicht mal eben nachholen. Ein ehemaliger Nato-Kommandeur, der wiederholt russische Manöver beobachtet hat, berichtet von beeindruckenden Tauchgängen russischer Panzer, die unter Wasser durch Flüsse walzten (hier ein Video). Nur wurde dann schnell klar, dass Pioniere das Flussbett unter Wasser zuvor für eine störungsfreie Durchfahrt fein säuberlich planiert hatten. Realitätsnah? Nein. Ein Einzelfall? Auch nicht. Harte Urteile sind zu hören: Russische Einheiten hätten oft nicht für den Kampfeinsatz geübt, sondern für die Show. Und noch nicht einmal das übergreifend und koordiniert, sondern jede Einheit für sich, für den eigenen Ruhm. Das rächt sich nun.
Was folgt daraus?Während manche Experten bereits die kommende Niederlage der Invasoren bejubeln, zeigen sich andere zurückhaltender. Konsens scheint immerhin zu sein, dass den Russen nach dieser Offensive die Kräfte für einen weiteren Anlauf fehlen. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass die ukrainischen Generäle ihrem eingegrabenen Gegner dessen Eroberungen einfach wieder abnehmen können. Sobald die russischen Angreifer den Rollenwechsel zum Verteidiger erst einmal vollzogen haben, wird es leichter für sie. Ohne eine politische Lösung dürfte sich der Krieg noch lange hinziehen. Denn das ist auch so eine Sache, die man über Scheinriesen wissen muss: Sie schrumpfen auf Normalmaß. Aber sie werden nicht zum Zwerg.
Von russischem Beschuss zerstörte Häuser in Severodonetsk. (Quelle: imago-images-bilder)
Helfer bergen in Severodonetsk eine Verletzte aus einem Bunker. (Quelle: imago-images-bilder)
Die Schlinge zieht sich zu
Russlandtreue Einheiten rücken in der Region um Severodonetsk vor. (Quelle: imago-images-bilder)
aus der Ferne sieht er furchteinflößend aus, doch je näher er kommt, desto mehr schrumpft er auf Normalmaß. Wer könnte das sein? Ganz klar: ein "Scheinriese". So hat der Schriftsteller Michael Ende das seltsame Wesen in seinem Kinderbuch genannt. Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer hatten einen Heidenrespekt vor ihm, als sie das Monstrum am Horizont erblickten. Zum Glück wurde es mit jedem Schritt kleiner. Was wenige wissen: Scheinriesen gibt es wirklich. Einer von ihnen sorgt gerade für Schlagzeilen. Es ist die russische Armee.
"Die Situation ist nicht normal", ätzte ein russischer Militärexperte kürzlich im staatlichen Propagandafernsehen, zum Entsetzen der Moderatorin. Man solle sich nicht in die Tasche lügen: Die ukrainische Armee befinde sich keinesfalls kurz vor dem Zusammenbruch. Die Kampfmoral der Ukrainer sei hoch, ihre Armee professionell, und hinter ihr stehe eine Allianz aus 42 Staaten, die modernste Waffen liefere. Russland befinde sich in "totaler geopolitischer Isolation". Die Situation werde aus Moskauer Sicht "ganz klar schlechter".
Die russische Offensive, die sich nun auf den Osten der Ukraine beschränkt, kommt nur noch im Schneckentempo voran. Sie trifft auf erbitterten Widerstand. An vorderster Front stehen ukrainische Soldaten, von denen viele bis vor Kurzem keinerlei Kampferfahrung besaßen, aber um jedes Dorf mitunter mit einfachsten Mitteln kämpfen: Kaserniert im Keller, patrouillieren sie im Laufschritt durch Gemüsegärten, während rundherum russische Granaten einschlagen (hier das Video eines britischen Reporters). Von den schweren Waffen, über deren Lieferung hierzulande so heiß diskutiert wird, ist in solchen Dörfern noch nichts zu sehen. Man kämpft zu Fuß. Dennoch halten selbst an einem so schlecht ausgestatteten Frontabschnitt die Verteidiger dem russischen Druck stand.
Es läuft schlecht für den Aggressor, so viel ist klar. Aber wie schlecht? Wie hoch sind die russischen Verluste wirklich? Ein Drittel der Invasionsarmee sei zerstört oder nicht mehr einsatzfähig, meldet das britische Verteidigungsministerium. Mehr als 28.000 getötete russische Soldaten wollen ukrainische Behörden gezählt haben. Doch bei den forschen Einschätzungen ist Vorsicht angebracht. Denn genau darum handelt es sich: nur um Schätzungen. Sie stützen sich auf allerlei Annahmen, doch Genaues weiß man nicht.
Ein Beispiel: Auf Luft- und Satellitenaufnahmen werden nicht Gefallene gezählt, sondern zerstörte Fahrzeuge, etwa Transportpanzer. Und dann wird hochgerechnet. Aber wie viele Soldaten saßen in dem ausgebrannten Gefährt? War es voll besetzt? Hatte es vielleicht nur drei, vier Mann an Bord, weil die taktischen Bataillonsgruppen der russischen Armee nicht in voller Mannschaftsstärke ins Gefecht gezogen sind? Oder ist gar kein russischer Soldat zu Schaden bekommen, weil sie ihr klappriges Fahrzeug schon längst zurückgelassen hatten? Man kann diesen Zahlen nicht trauen.
Mit Gewissheit darf man jedoch feststellen, dass die russische Armee nicht nur mit dem Gegner, sondern auch mit sich selbst ringt. Immer wieder müssen die Angreifer schwere Niederlagen einstecken. Erhellend sind die Umstände, unter denen das geschieht. Das Debakel am Siwerskyj Donez, einem Flüsschen im Donbass, hat selbst bei linientreuen russischen Militärbloggern für Entsetzen gesorgt – wegen der Inkompetenz der eigenen Einheiten. Beim Versuch der Russen, den Fluss zu überqueren, zerschossen ukrainische Artillerie und Luftwaffe die Pontonbrücken, schnitten die bereits übergesetzten Einheiten von Nachschub und Rückzug ab und richteten eines der bisher größten Blutvergießen dieses Krieges an.
Der Vorstoß über einen Fluss auf selbst gelegten Brücken gehört zu den anspruchsvollsten Operationen während einer Offensive.Verschiedene Einheiten müssen in einer komplexen Choreografie zusammenarbeiten, wobei sie zwischenzeitlich sehr verwundbar sind. Luftunterstützung, Artillerie, Pioniere, Aufklärer, Panzer und Infanterie müssen ihr Timing im Griff haben. Seit Beginn des Krieges ist immer deutlicher geworden, dass die russische Armee an der präzisen Koordination scheitert und jeder Kommandeur sein eigenes Süppchen kocht. Es fehlt am Training. Und das lässt sich nicht mal eben nachholen. Ein ehemaliger Nato-Kommandeur, der wiederholt russische Manöver beobachtet hat, berichtet von beeindruckenden Tauchgängen russischer Panzer, die unter Wasser durch Flüsse walzten (hier ein Video). Nur wurde dann schnell klar, dass Pioniere das Flussbett unter Wasser zuvor für eine störungsfreie Durchfahrt fein säuberlich planiert hatten. Realitätsnah? Nein. Ein Einzelfall? Auch nicht. Harte Urteile sind zu hören: Russische Einheiten hätten oft nicht für den Kampfeinsatz geübt, sondern für die Show. Und noch nicht einmal das übergreifend und koordiniert, sondern jede Einheit für sich, für den eigenen Ruhm. Das rächt sich nun.
Was folgt daraus?Während manche Experten bereits die kommende Niederlage der Invasoren bejubeln, zeigen sich andere zurückhaltender. Konsens scheint immerhin zu sein, dass den Russen nach dieser Offensive die Kräfte für einen weiteren Anlauf fehlen. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass die ukrainischen Generäle ihrem eingegrabenen Gegner dessen Eroberungen einfach wieder abnehmen können. Sobald die russischen Angreifer den Rollenwechsel zum Verteidiger erst einmal vollzogen haben, wird es leichter für sie. Ohne eine politische Lösung dürfte sich der Krieg noch lange hinziehen. Denn das ist auch so eine Sache, die man über Scheinriesen wissen muss: Sie schrumpfen auf Normalmaß. Aber sie werden nicht zum Zwerg.
Von russischem Beschuss zerstörte Häuser in Severodonetsk. (Quelle: imago-images-bilder)
Helfer bergen in Severodonetsk eine Verletzte aus einem Bunker. (Quelle: imago-images-bilder)
Biden: USA würden Taiwan bei Angriff militärisch verteidigen
Die USA würden Taiwan nach Aussage von US-Präsident Joe Biden im Fall eines Angriffs auch militärisch verteidigen.
China habe kein Recht, sich Taiwan mit Gewalt einzuverleiben, betonte Biden am Montag in Tokio bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem japanischen Regierungschef Fumio Kishida.
Chinas Verhalten, darunter Militärmanöver und Flüge nahe der Insel, «flirte mit der Gefahr», sagte Biden. Er gehe aber nicht davon aus, dass China tatsächlich versuchen werde, Taiwan anzugreifen.
Auf die Frage einer Journalistin, ob die USA Taiwan im Angriffsfall auch militärisch verteidigen würden, sagte Biden: «Ja.» Auf Nachfrage der Reporterin betonte Biden: «Das ist eine Verpflichtung, die wir eingegangen sind.» Eine gewaltsame Einnahme Taiwans würde die ganze Region destabilisieren und dem ähneln, was in der Ukraine passiert sei, sagte Biden mit Blick auf den russischen Angriffskrieg. «Wir halten daran fest, den Frieden und die Stabilität um die Taiwanstraße zu unterstützen und sicherzustellen, dass es keine einseitige Veränderung des Status Quo gibt», sagte Biden in Bezug auf die Meerenge zwischen dem chinesischen Festland und Taiwan.
Biden hatte bereits Ende vergangenen Jahres erklärt, die USA hätten eine «Verpflichtung», Taiwan im Angriffsfall beizustehen. Die kommunistische Führung in Peking betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet - was bislang vor allem Waffenlieferungen bedeutete. Die Frage nach einem militärischen Beistand im Angriffsfall wurde bewusst offengelassen, weil es von Peking als Verstoß gegen die «Ein-China-Doktrin» gesehen würde. Mit dieser «strategischen Mehrdeutigkeit» der USA sollte Peking unsicher bleiben, was die USA im Kriegsfall tun würden.
Eine formelle militärische Beistandserklärung haben die USA in Asien bislang den engen Verbündeten Japan und Südkorea vorbehalten. Dort haben die US-Streitkräfte auch jeweils eine Militärpräsenz.
Biden: USA würden Taiwan bei Angriff militärisch verteidigen
Die USA würden Taiwan nach Aussage von US-Präsident Joe Biden im Fall eines Angriffs auch militärisch verteidigen.
China habe kein Recht, sich Taiwan mit Gewalt einzuverleiben, betonte Biden am Montag in Tokio bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem japanischen Regierungschef Fumio Kishida.
Chinas Verhalten, darunter Militärmanöver und Flüge nahe der Insel, «flirte mit der Gefahr», sagte Biden. Er gehe aber nicht davon aus, dass China tatsächlich versuchen werde, Taiwan anzugreifen.
Auf die Frage einer Journalistin, ob die USA Taiwan im Angriffsfall auch militärisch verteidigen würden, sagte Biden: «Ja.» Auf Nachfrage der Reporterin betonte Biden: «Das ist eine Verpflichtung, die wir eingegangen sind.» Eine gewaltsame Einnahme Taiwans würde die ganze Region destabilisieren und dem ähneln, was in der Ukraine passiert sei, sagte Biden mit Blick auf den russischen Angriffskrieg. «Wir halten daran fest, den Frieden und die Stabilität um die Taiwanstraße zu unterstützen und sicherzustellen, dass es keine einseitige Veränderung des Status Quo gibt», sagte Biden in Bezug auf die Meerenge zwischen dem chinesischen Festland und Taiwan.
Biden hatte bereits Ende vergangenen Jahres erklärt, die USA hätten eine «Verpflichtung», Taiwan im Angriffsfall beizustehen. Die kommunistische Führung in Peking betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet - was bislang vor allem Waffenlieferungen bedeutete. Die Frage nach einem militärischen Beistand im Angriffsfall wurde bewusst offengelassen, weil es von Peking als Verstoß gegen die «Ein-China-Doktrin» gesehen würde. Mit dieser «strategischen Mehrdeutigkeit» der USA sollte Peking unsicher bleiben, was die USA im Kriegsfall tun würden.
Eine formelle militärische Beistandserklärung haben die USA in Asien bislang den engen Verbündeten Japan und Südkorea vorbehalten. Dort haben die US-Streitkräfte auch jeweils eine Militärpräsenz.
Die Ukraine befindet sich seit Ende Februar im Ausnahmezustand. Am 24. Februar erklärte der russische Präsident Wladimir Putin den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine. Doch die russische Invasion verläuft langsamer als zunächst von Experten eingeschätzt.
Mindestens die Hälfte von Putins Generälen gestorben
Wie die "Bild", die wie Business Insider zu dem Medien- und Technologieunternehmen Axel Springer gehört, jetzt berichtet, sei ein weiterer General Putins in der Ukraine getötet worden. Laut Bericht handelt es sich um den Generalmajor Roman Kutusow, er soll am Sonntag die Frontlinien im ostukrainischen Dorf Nikolajewka inspiziert haben.
Er sei mindestens der zehnte russische General, der im Krieg gestorben sei. Laut "Bild" gehen westliche Analysten davon aus, dass 20 Generäle die Angriffe auf die Ukraine leiten. Damit wäre nun die Hälfte dieser ranghohen Generäle tot.
Weiterer russischer General in der Ukraine gestorben – inzwischen ist die Hälfte von Putins Befehlshabern tot
Die Ukraine befindet sich seit Ende Februar im Ausnahmezustand. Am 24. Februar erklärte der russische Präsident Wladimir Putin den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine. Doch die russische Invasion verläuft langsamer als zunächst von Experten eingeschätzt.
Mindestens die Hälfte von Putins Generälen gestorben
Wie die "Bild", die wie Business Insider zu dem Medien- und Technologieunternehmen Axel Springer gehört, jetzt berichtet, sei ein weiterer General Putins in der Ukraine getötet worden. Laut Bericht handelt es sich um den Generalmajor Roman Kutusow, er soll am Sonntag die Frontlinien im ostukrainischen Dorf Nikolajewka inspiziert haben.
Er sei mindestens der zehnte russische General, der im Krieg gestorben sei. Laut "Bild" gehen westliche Analysten davon aus, dass 20 Generäle die Angriffe auf die Ukraine leiten. Damit wäre nun die Hälfte dieser ranghohen Generäle tot.
Russlands Angriffsstärke reicht laut US-Militärexperten nicht für Einnahme von Sjewjerodonezk
Russlands Überlegenheit bei der Artilleriebewaffnung reicht Militärexperten zufolge nicht für die Einnahme des Verwaltungszentrums Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine aus. „Russlands konzentrierte Artilleriekapazität gepaart mit wohl geschwächten Infanterieeinheiten bleibt unzureichend, um russische Fortschritte in Sjewjerodonezk zu erzielen“, heißt es in der jüngsten Analyse des Institute for the Study of the War (ISW). Russische Truppen kämpften zwar weiter um die Kontrolle der Stadt, hätten aber wenig Fortschritte am Sonntag gemacht.
Russland dürfte den Experten zufolge weiter versuchen, die ehemalige Großstadt einzukesseln und die dort verbliebenen ukrainischen Kräfte, die sich weitgehend im Chemiewerk Azot verschanzt haben, vom Nachschub abzuriegeln. Allerdings seien derzeit wenig Fortschritte bei diesem Vorhaben zu sehen. Zudem bereite Moskau eine Offensive auf Slowjansk vor. Der Raum Slowjansk-Kramatorsk gilt als Zentrum der ukrainischen Verteidigungskräfte im Donbass-Gebiet.
Nach Einschätzung des ISW behindert Moskau den Erfolg seiner Invasion selbst dadurch, dass es immer noch von einer „militärischen Spezialoperation“ statt von einem Krieg spricht. Das hindere Russland an einer Mobilmachung, um weitere Kräfte zu generieren. Zudem fehle so dem Kreml die rechtliche Handhabe, um Soldaten zu bestrafen, die sich einem Einsatz verweigerten.
Die ukrainischen Behörden räumten am Montag den Verlust der Ortschaft Metjolkine, südöstlich von Sjewjerodonezk ein. „Die Kontrolle über Metjolkine nahe Sjewjerodonezk ist verloren“, teilte der Militärgouverneur des ostukrainischen Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, auf seinem Telegram-Kanal mit.
Auch die Schwesterstadt von Sjewjerodonezk, Lyssytschansk, am Westufer des Flusses Siwerskyj Donez sei unter Beschuss geraten. Die Evakuierungsmaßnahmen in der Stadt für Zivilisten liefen. Harte Kämpfe gibt es laut Hajdaj zudem um die Vororte Toschkiwka und Ustyniwka, „weil die Orks dort einen Durchbruch erzielen wollen und zu diesem Zweck dort große Mengen an Militärtechnik konzentriert haben“, schrieb er.
Ukrainische Offizielle verwenden oft den abwertenden Begriff „Orks“ aus der Trilogie „Herr der Ringe“ für die russischen Truppen.
Ein Verletzter bei erneutem Beschuss russischer Grenzregion
In der westrussischen Region Brjansk an der Grenze zur Ukraine wurde unterdessen ein Mann nach offiziellen Angaben durch Artilleriebeschuss verletzt. „Heute Morgen wurde die Ortschaft Susemka durch die ukrainischen Streitkräfte beschossen“, teilte der Gouverneur der Region Brjansk, Alexander Bogomas, in seinem Telegram-Kanal mit. Eine Person sei dabei „zu Schaden gekommen“, mehrere „Objekte“ beschädigt worden.
Bei dem Verletzten soll es sich um einen Mitarbeiter des örtlichen Energieversorgers handeln. Er erhielt demnach leichte Hautverletzungen durch Splitter. Beschädigt wurden ein Einfamilien- und zwei Mehrfamilienhäuser. Darüber hinaus wurde die Stromversorgung der Ortschaft teilweise lahmgelegt.
Russland, das im Februar den Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat, beklagt seit Wochen den Beschuss eigener grenznaher Regionen. In dem Zusammenhang ist die Formulierung von Bogomas pikant. „Der Beschuss erfolgte als Vergeltungsschlag“, die Feuerquelle sei aber schnell neutralisiert worden, schrieb der Gouverneur. Daraus folgt, dass zuvor die Ukraine von russischem Territorium aus beschossen wurde.
Selenskyj warnt vor noch heftigeren russischen Angriffen in der Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt derweil vor noch heftigeren russischen Angriffen in der Ukraine. „Natürlich erwarten wir, dass Russland seine feindliche Aktivität in dieser Woche verstärkt“, sagte Selenskyj am Sonntagabend in seiner abendlichen Videobotschaft. Er ergänzte: „Wir bereiten uns vor. Wir sind bereit.“
Der ukrainische Präsident bekräftigte zudem die Bedeutung der anstehenden Entscheidung der EU-Mitgliedstaaten über einen möglichen Kandidatenstatus seines Landes. Wenige Entscheidungen seien je „so schicksalhaft für die Ukraine“ gewesen, sagte Selenskyj. „Nur eine positive Entscheidung ist im Interesse ganz Europas“, ergänzte er.
Russlands Angriffsstärke reicht laut US-Militärexperten nicht für Einnahme von Sjewjerodonezk
Russlands Überlegenheit bei der Artilleriebewaffnung reicht Militärexperten zufolge nicht für die Einnahme des Verwaltungszentrums Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine aus. „Russlands konzentrierte Artilleriekapazität gepaart mit wohl geschwächten Infanterieeinheiten bleibt unzureichend, um russische Fortschritte in Sjewjerodonezk zu erzielen“, heißt es in der jüngsten Analyse des Institute for the Study of the War (ISW). Russische Truppen kämpften zwar weiter um die Kontrolle der Stadt, hätten aber wenig Fortschritte am Sonntag gemacht.
Russland dürfte den Experten zufolge weiter versuchen, die ehemalige Großstadt einzukesseln und die dort verbliebenen ukrainischen Kräfte, die sich weitgehend im Chemiewerk Azot verschanzt haben, vom Nachschub abzuriegeln. Allerdings seien derzeit wenig Fortschritte bei diesem Vorhaben zu sehen. Zudem bereite Moskau eine Offensive auf Slowjansk vor. Der Raum Slowjansk-Kramatorsk gilt als Zentrum der ukrainischen Verteidigungskräfte im Donbass-Gebiet.
Nach Einschätzung des ISW behindert Moskau den Erfolg seiner Invasion selbst dadurch, dass es immer noch von einer „militärischen Spezialoperation“ statt von einem Krieg spricht. Das hindere Russland an einer Mobilmachung, um weitere Kräfte zu generieren. Zudem fehle so dem Kreml die rechtliche Handhabe, um Soldaten zu bestrafen, die sich einem Einsatz verweigerten.
Die ukrainischen Behörden räumten am Montag den Verlust der Ortschaft Metjolkine, südöstlich von Sjewjerodonezk ein. „Die Kontrolle über Metjolkine nahe Sjewjerodonezk ist verloren“, teilte der Militärgouverneur des ostukrainischen Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, auf seinem Telegram-Kanal mit.
Auch die Schwesterstadt von Sjewjerodonezk, Lyssytschansk, am Westufer des Flusses Siwerskyj Donez sei unter Beschuss geraten. Die Evakuierungsmaßnahmen in der Stadt für Zivilisten liefen. Harte Kämpfe gibt es laut Hajdaj zudem um die Vororte Toschkiwka und Ustyniwka, „weil die Orks dort einen Durchbruch erzielen wollen und zu diesem Zweck dort große Mengen an Militärtechnik konzentriert haben“, schrieb er.
Ukrainische Offizielle verwenden oft den abwertenden Begriff „Orks“ aus der Trilogie „Herr der Ringe“ für die russischen Truppen.
Ein Verletzter bei erneutem Beschuss russischer Grenzregion
In der westrussischen Region Brjansk an der Grenze zur Ukraine wurde unterdessen ein Mann nach offiziellen Angaben durch Artilleriebeschuss verletzt. „Heute Morgen wurde die Ortschaft Susemka durch die ukrainischen Streitkräfte beschossen“, teilte der Gouverneur der Region Brjansk, Alexander Bogomas, in seinem Telegram-Kanal mit. Eine Person sei dabei „zu Schaden gekommen“, mehrere „Objekte“ beschädigt worden.
Bei dem Verletzten soll es sich um einen Mitarbeiter des örtlichen Energieversorgers handeln. Er erhielt demnach leichte Hautverletzungen durch Splitter. Beschädigt wurden ein Einfamilien- und zwei Mehrfamilienhäuser. Darüber hinaus wurde die Stromversorgung der Ortschaft teilweise lahmgelegt.
Russland, das im Februar den Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat, beklagt seit Wochen den Beschuss eigener grenznaher Regionen. In dem Zusammenhang ist die Formulierung von Bogomas pikant. „Der Beschuss erfolgte als Vergeltungsschlag“, die Feuerquelle sei aber schnell neutralisiert worden, schrieb der Gouverneur. Daraus folgt, dass zuvor die Ukraine von russischem Territorium aus beschossen wurde.
Selenskyj warnt vor noch heftigeren russischen Angriffen in der Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt derweil vor noch heftigeren russischen Angriffen in der Ukraine. „Natürlich erwarten wir, dass Russland seine feindliche Aktivität in dieser Woche verstärkt“, sagte Selenskyj am Sonntagabend in seiner abendlichen Videobotschaft. Er ergänzte: „Wir bereiten uns vor. Wir sind bereit.“
Der ukrainische Präsident bekräftigte zudem die Bedeutung der anstehenden Entscheidung der EU-Mitgliedstaaten über einen möglichen Kandidatenstatus seines Landes. Wenige Entscheidungen seien je „so schicksalhaft für die Ukraine“ gewesen, sagte Selenskyj. „Nur eine positive Entscheidung ist im Interesse ganz Europas“, ergänzte er.
Türkei steht vor Militäroffensive: Greift Erdogan wirklich bald an?
Bereits seit Wochen hat sich die Lage im Norden Syriens weiter zugespitzt: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht mit einem neuen Militäreinsatz, der könnte bis zu 30 Kilometer in das Nachbarland führen.
Anfang des Monats erklärte er, dass die Kurdenmiliz YPG aus den Orten Tall Rifat und Manbidsch vertrieben werden solle. Russland ist besorgt.
Im Norden Syriens scheint sich ein neuer Krieg anzubahnen
„Wir hoffen, dass Ankara auf solche Aktionen verzichtet, die zu einer gefährlichen Verschlechterung der ohnehin komplizierten Lage in Syrien führen“, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, zu jener Zeit.
Russland äußerte Verständnis dafür, dass die Türkei ihre Sicherheit bedroht sehe, die Sicherheit in der Region sei aber am besten zu gewährleisten, wenn Einheiten der syrischen Regierung dort stationiert werden würden, hieß es aus Moskau weiter.
Wie die „Welt“ berichtet, stauen sich in den vergangenen Tagen die Straßen mit Geländewagen, die voll mit Kämpfern der Syrischen Nationalen Armee (SNA) sind. Sie zögen durch den Norden, skandierten „Gott ist groß“, man wolle „Stärke und Kampfbereitschaft“ zeigen, wird ein General zitiert.
Das zeigt: Die Lage ist brandgefährlich in der Region, es scheint sich ein neuer Krieg zusammenzubrauen.
Erdogan: Präsident hat im Mai Angriff in Nordsyrien angekündigt
Die einstigen syrischen Rebellen folgen den Befehlen von Erdogan, die radikalislamischen Gruppen waren schon in Libyen oder Bergkarabach sein Instrument. Auch in Nord-Syrien kämpfen sie für ihn, hier gegen die verhasste Kurdenmiliz YPG, die als Ableger der verbotenen PKK gilt.
Expertinnen und Experten vermuten, dass bald eine Invasion beginnen könnte, wie der Bericht nahelegt. Nachdem Erdogan den Angriff im Mai angekündigt hatte, hat er seine Absichten immer wieder bekräftigt. Bei türkischen Luftschlägen gab es bereits mehrere Tote, mehrere kurdische Stellungen wurden beschossen. Sein Plan: Eine 30-Kilometer-Sicherheitszone in Syrien entlang der türkischen Grenze.
Erdogan: Sein Angriff wäre ein Sicherheitsrisiko für den Iran
Wie gut wird der Plan gelingen? Während Russland 2018 ihm noch dabei half, Afrin zu erobern, hat sich die Lage nun für Erdogan geändert: Der Iran ist neben Russland ein wichtiger Verbündeter Baschar al-Assads, des Präsidenten von Syrien. Und für den Iran besteht ein Konflikt in der Region, die Erdogan angreifen will: Seine SNA würde bis auf wenige Kilometer an schiitische Ortschaften des Regimes heranrücken – also in Raketenreichweite.
Das wäre ein Risiko für den Iran. Nicht zuletzt, weil viele extrem radikale Sunniten in der SNA kämpfen, die die Schiiten als Kontrahenten sehen und schon zahlreiche Male gefoltert, entführt, ermordet haben, wie Menschenrechtsorganisationen anklagen.
Auch die kurdischen Milizen sollen vom Iran unterstützt werden. In einem Interview mit einer arabischen Zeitung habe dem Bericht nach auch Assad angedeutet, dass Syrien sich gegen eine „türkische Aggression“ verteidigen würde – das könnte mit dem Verbündeten Iran geschehen. Würde Erdogan seine Invasion durchführen, könnte das gefährliche Folgen für die Region haben, er hätte einen mächtigen Feind.
Türkei steht vor Militäroffensive: Greift Erdogan wirklich bald an?
Bereits seit Wochen hat sich die Lage im Norden Syriens weiter zugespitzt: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht mit einem neuen Militäreinsatz, der könnte bis zu 30 Kilometer in das Nachbarland führen.
Anfang des Monats erklärte er, dass die Kurdenmiliz YPG aus den Orten Tall Rifat und Manbidsch vertrieben werden solle. Russland ist besorgt.
Im Norden Syriens scheint sich ein neuer Krieg anzubahnen
„Wir hoffen, dass Ankara auf solche Aktionen verzichtet, die zu einer gefährlichen Verschlechterung der ohnehin komplizierten Lage in Syrien führen“, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, zu jener Zeit.
Russland äußerte Verständnis dafür, dass die Türkei ihre Sicherheit bedroht sehe, die Sicherheit in der Region sei aber am besten zu gewährleisten, wenn Einheiten der syrischen Regierung dort stationiert werden würden, hieß es aus Moskau weiter.
Wie die „Welt“ berichtet, stauen sich in den vergangenen Tagen die Straßen mit Geländewagen, die voll mit Kämpfern der Syrischen Nationalen Armee (SNA) sind. Sie zögen durch den Norden, skandierten „Gott ist groß“, man wolle „Stärke und Kampfbereitschaft“ zeigen, wird ein General zitiert.
Das zeigt: Die Lage ist brandgefährlich in der Region, es scheint sich ein neuer Krieg zusammenzubrauen.
Erdogan: Präsident hat im Mai Angriff in Nordsyrien angekündigt
Die einstigen syrischen Rebellen folgen den Befehlen von Erdogan, die radikalislamischen Gruppen waren schon in Libyen oder Bergkarabach sein Instrument. Auch in Nord-Syrien kämpfen sie für ihn, hier gegen die verhasste Kurdenmiliz YPG, die als Ableger der verbotenen PKK gilt.
Expertinnen und Experten vermuten, dass bald eine Invasion beginnen könnte, wie der Bericht nahelegt. Nachdem Erdogan den Angriff im Mai angekündigt hatte, hat er seine Absichten immer wieder bekräftigt. Bei türkischen Luftschlägen gab es bereits mehrere Tote, mehrere kurdische Stellungen wurden beschossen. Sein Plan: Eine 30-Kilometer-Sicherheitszone in Syrien entlang der türkischen Grenze.
Erdogan: Sein Angriff wäre ein Sicherheitsrisiko für den Iran
Wie gut wird der Plan gelingen? Während Russland 2018 ihm noch dabei half, Afrin zu erobern, hat sich die Lage nun für Erdogan geändert: Der Iran ist neben Russland ein wichtiger Verbündeter Baschar al-Assads, des Präsidenten von Syrien. Und für den Iran besteht ein Konflikt in der Region, die Erdogan angreifen will: Seine SNA würde bis auf wenige Kilometer an schiitische Ortschaften des Regimes heranrücken – also in Raketenreichweite.
Das wäre ein Risiko für den Iran. Nicht zuletzt, weil viele extrem radikale Sunniten in der SNA kämpfen, die die Schiiten als Kontrahenten sehen und schon zahlreiche Male gefoltert, entführt, ermordet haben, wie Menschenrechtsorganisationen anklagen.
Auch die kurdischen Milizen sollen vom Iran unterstützt werden. In einem Interview mit einer arabischen Zeitung habe dem Bericht nach auch Assad angedeutet, dass Syrien sich gegen eine „türkische Aggression“ verteidigen würde – das könnte mit dem Verbündeten Iran geschehen. Würde Erdogan seine Invasion durchführen, könnte das gefährliche Folgen für die Region haben, er hätte einen mächtigen Feind.
Finnland macht Russland eine Kampfansage. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters sagt der finnische General Timo Kivinen, dass sich sein Land jahrzehntelang auf einen russischen Angriff vorbereit habe.
Neben einem „beachtlichen“ Arsenal seien die Finnen zum Kampf motiviert. „Die wichtigste Verteidigungslinie ist zwischen den Ohren, wie der Krieg in der Ukraine derzeit beweist“, so Kivinen. Und weiter: „Die Ukraine war ein harter Brocken, und Finnland wäre es auch.“
Nachdem Finnland und Schweden Ende Mai einen Antrag auf eine NATO-Mitgliedschaft stellten, sprach der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow von einem „weiteren schweren Fehler mit weitreichenden Folgen.“
Lage spitzt sich zu: Finnland macht Russland eine Kampfansage
Finnland macht Russland eine Kampfansage. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters sagt der finnische General Timo Kivinen, dass sich sein Land jahrzehntelang auf einen russischen Angriff vorbereit habe.
Neben einem „beachtlichen“ Arsenal seien die Finnen zum Kampf motiviert. „Die wichtigste Verteidigungslinie ist zwischen den Ohren, wie der Krieg in der Ukraine derzeit beweist“, so Kivinen. Und weiter: „Die Ukraine war ein harter Brocken, und Finnland wäre es auch.“
Nachdem Finnland und Schweden Ende Mai einen Antrag auf eine NATO-Mitgliedschaft stellten, sprach der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow von einem „weiteren schweren Fehler mit weitreichenden Folgen.“
Russlands Machthaber Wladimir Putin: Die Ukrainer brauchen dringend Panzer aus dem Westen, warnt der frühere Nato-General Heinrich Brauß. (Quelle: Sefa Karacan/Anadolu Agenc/dpa-bilder)
Die Ukrainer verteidigen sich tapfer, doch der frühere Nato-General Heinrich Brauß warnt: Der Westen muss schnell mehr Waffen liefern, denn Putins Pläne reichen noch viel weiter.
Gewaltige Zerstörungen hat Russlands Armee bei ihrem Vormarsch im Osten der Ukraine angerichtet. Mittlerweile können die Verteidiger mit westlichen Waffen wie der Panzerhaubitze 2000 aus Deutschland zurückschlagen. Das ist aber noch lange nicht genug, um die Invasoren abzuwehren, sagt der ehemalige Bundeswehrgeneral Heinrich Brauß im t-online-Gespräch.
Die Ukraine brauche mehr schwere Waffen, und der Westen müsse sie liefern, das sei in seinem ureigensten Interesse, so Brauß. Warum Deutschlands Streitkräfte in einem derart desolaten Zustand sind, weshalb die Lieferung von Kampfpanzern Wladimir Putin kaum zu einem Atomkrieg verleitet und wovor der Kremlchef zurückschrecken würde, erklärt Brauß im folgenden Gespräch.
t-online: Herr Brauß, die russische Armee ist langsam, aber mit gewaltiger Feuerkraft im Osten der Ukraine vorgerückt. Sollte Deutschland den ukrainischen Verteidigern mehr schwere Waffen liefern, auch angesichts einer befürchteten neuen russischen Großoffensive?
Heinrich Brauß: Ein klares Ja. Die ukrainische Armee verteidigt ihr Land entlang einer 1.200 Kilometer langen Frontlinie. Die bisher gelieferten sieben deutschen Panzerhaubitzen 2000 sind eine wichtige Verstärkung. Aber sie reichen bei Weitem nicht aus. Die Amerikaner liefern modernste Raketenwerfer. Aber die Ukraine braucht weitere schwere Waffen, Kampf- und Schützenpanzer für eine bewegliche Verteidigung und wirkungsvolle Gegenangriffe.
Warum schickt Deutschland dann nicht schnell mehr schwere Waffen?
Wir sehen gegenwärtig zwei Entwicklungen: Zum einen ist seit dem G7-Treffen im bayerischen Elmau und dem Nato-Gipfel in Madrid die Entschlossenheit gewachsen, Russland Einhalt zu gebieten. Zum anderen sind einige Nationen immer noch zurückhaltend, den Ukrainern Kampf- und Schützenpanzer zu liefern, nicht nur Deutschland, sondern auch Frankreich, Großbritannien und die USA.
Warum?
Ich kann nur Vermutungen anstellen. Amerikanische Raketenwerfer und deutsche Haubitzen stehen weit hinter der Front. Sie wirken indirekt, also in die Tiefe des Raums, gegen russische Artillerie, Gefechtsstände und Munitionslager. Vielleicht fürchtet man, dass westliche Kampfpanzer im direkten Duell mit russischen T-72 auf dem Gefechtsfeld von Putin als praktischer Kriegseintritt westlicher Staaten angesehen würden und er den Krieg dann ausweiten könnte.
Man fürchtet also in Berlin und Washington Bilder von westlichen Waffen im direkten Gefecht mit Russen?
Das wäre eine Erklärung. Aber glaubwürdige Erklärungen hören wir von der Bundesregierung nur wenige. Und die Begründungen wechseln. Kanzler Scholz soll gesagt haben, die Lieferung von Schützenpanzern des Typs "Marder" wäre eine "schreckliche Eskalation". Aber inwiefern? Etwa weil die Ukraine sich wirkungsvoller verteidigen könnte? Verteidigungsministerin Lambrecht wies im Bundestag den Antrag auf Lieferung von Transportpanzern als "Ausplünderung der Bundeswehr" zurück – ein ganz unangemessener Ausdruck, wenn man bedenkt, dass die Ukraine unter großen Verlusten auch unsere Sicherheit gegen Russland verteidigt.
Heinrich Brauß, Jahrgang 1953, ist Generalleutnant a.D. der Bundeswehr. Von 2013 bis Juli 2018 war er Beigeordneter Nato-Generalsekretär für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung. In dieser Funktion zeichnete Brauß mitverantwortlich für die verteidigungspolitische Neuausrichtung des Verteidigungsbündnisses angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine seit 2014. Mittlerweile ist Brauß Senior Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin.
Putin kommt es gelegen, dass der Westen aus Furcht vor seiner befürchteten Reaktion bisher auf die Lieferung von Kampfpanzern verzichtet hat.
Ja, aber das kommt mir wie Selbstabschreckung vor. Die Polen, Tschechen, Slowenen haben Kampfpanzer geliefert. Hat man irgendeine Reaktion Moskaus gesehen? Putin wird uns auch nicht wegen der "Gepard"-Panzer angreifen, die nun in wenigen Tagen geliefert werden sollen. Vor einigen Wochen hat Bundeskanzler Scholz in einem Interview gar den Eindruck erweckt, Russland könnte angesichts westlicher Kampfpanzer in der Ukraine möglichweise einen Welt- und Nuklearkrieg entfachen. Das halte ich für abwegig, weil der Aggressor damit selbst dem Untergang geweiht wäre. Putins Drohungen sollen uns verunsichern und von beherzten Entscheidungen abhalten.
Welchen Nutzen haben denn deutsche "Gepard"-Panzer auf den ukrainischen Schlachtfeldern? Es handelt sich nicht um Kampf-, sondern um Flugabwehrkanonenpanzer.
Der "Gepard" ist in der Tat ein sehr effektiver Flugabwehrpanzer. Ich vermute aber, dass die Ukrainer ihn nicht nur zur Flugabwehr einsetzen werden, sondern auch im direkten Richten im Erdkampf an der Front. Mit seinen 35-Millimeter-Zwillingskanonen kann der "Gepard" auch gegen russische Kampf- und Schützenpanzer erhebliche Wirkung erzielen – wie ein Schützenpanzer. Man wird der Ukraine aber wohl nicht vorschreiben, wie sie den "Gepard" einsetzt.
Heinrich Brauß: Der General a.D. hat die verteidigungspolitische Neuausrichtung der Nato mitgestaltet. (Quelle: Heinrich Brauß)
Der russische Überfall auf die Ukraine hat auch das Scheitern der deutschen Verteidigungspolitik offenbart. Die Bundeswehr stehe "mehr oder weniger blank da", hat Heeresinspekteur Alfons Mais Ende Februar geschrieben. Wie konnte es so weit kommen?
Das ist in erster Linie eine Folge der jüngeren historischen Entwicklung. Im Kalten Krieg war die Bundeswehr einmal rund 500.000 Mann stark und besaß mehr als 4.500 Kampfpanzer. Heute sind es noch etwas mehr als 180.000 Soldatinnen und Soldaten und 266 Panzer. Das wiedervereinigte Deutschland sah sich keiner unmittelbaren Bedrohung mehr ausgesetzt. Wir sind nur von Verbündeten und Partnern umgeben. Von Russland glaubte man, es würde ein Partner des Westens. Der Verteidigungshaushalt verringerte sich Jahr für Jahr. Sogar eine ganze Truppengattung wurde abgeschafft. Heute vermissen wir sie schmerzlich.
Sie meinen die Heeresflugabwehrtruppe?
Genau. Womit wir wieder beim "Gepard" wären, der früher das Hauptwaffensystem der Heeresflugabwehrtruppe war. Die Bundeswehr befindet sich heute in einer dramatischen Situation. Die Einsatzbereitschaft des Großgeräts ist besorgniserregend. Wir haben kaum Reserven an modernen Waffensystemen. Die Kapazitäten der Rüstungsindustrie sind geschrumpft. Die Folge sehen wir jetzt: Polen und Tschechen haben den Ukrainern Kampfpanzer sowjetischer Bauart geliefert. Wir wollen ihnen als Ausgleich moderne "Leopard"-Panzer liefern – doch das dauert Monate.
Panzerhaubitze 2000 (Archivbild): Sieben Exemplare hat die Bundeswehr der ukrainischen Armee übergeben. (Quelle: Thomas Wiegold/imago-images-bilder)
Kann die Bundeswehr ihren Auftrag der Bündnisverteidigung in diesem desolaten Zustand überhaupt erfüllen?
Ich will die Frage mit einem Beispiel beantworten: Im nächsten Jahr muss die Bundeswehr eine voll einsatzbereite mechanisierte Brigade für die Schnelle Eingreiftruppe der Nato stellen. Das Heer hat aber keine voll ausgestattete Brigade. Vielmehr muss der Inspekteur des Heeres eine bestehende Brigade mit allem Nötigem aufstocken, das er im Heer quasi zusammenkratzen kann. Mit dem Sonderfonds von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr wird sich dies gottlob bald ändern.
Russland tritt aber doch schon seit Jahren immer aggressiver auf, 2014 annektierte Putin die Krim. Warum ist die Bundeswehr nicht früher für mögliche Bedrohungen aus dem Osten gerüstet worden?
Natürlich hat die Nato auf die veränderte Sicherheitslage im Osten Europas reagiert. Abschreckung und Verteidigung wurde wieder ihre Hauptaufgabe. Die Schnelle Eingreiftruppe wurde massiv verstärkt. In Polen und den baltischen Staaten stehen heute multinationale Gefechtsverbände, von denen Deutschland einen in Litauen führt. Entschieden wurde auch, dass jeder Bündnispartner mindestens zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für Verteidigung ausgibt.
Auch die Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel hatte sich diesem Ziel verpflichtet – erfüllte es dann aber nicht.
Die Einigung der Staats- und Regierungschefs der Nato sah eine sukzessive Steigerung der Verteidigungshaushalte der Staaten, die unter zwei Prozent lagen, bis zum Jahr 2024 auf zwei Prozent vor. Auf dieser Grundlage konnte das Verteidigungsministerium der Nato bis 2023 eine vollständig ausgestattete Brigade der Bundeswehr zusagen, bis 2027 eine voll ausgestattete Division und bis 2031/2 schließlich drei Divisionen. Dazu entsprechende Kräfte der Luftwaffe und Marine, Spezialkräfte und Cyberabwehr.
Doch dann schwenkte Merkel um.
Im Jahr 2018 erklärte Frau Merkel plötzlich, bis 2024 nur den Wert von 1,5 Prozent erreichen zu wollen. Die Reaktionen unserer Bündnispartner können Sie sich vorstellen. Donald Trump fühlte sich bestätigt, und die anderen Verbündeten waren teilweise regelrecht entsetzt: Der reichste und wichtigste europäische Bündnispartner erfüllt sein Versprechen nicht und gefährdet damit auch ihre Sicherheit. Der Wortbruch hat Folgen bis heute.
Nun will es Olaf Scholz mit einer "Zeitenwende" und einem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr richten. Vertrauen Sie darauf, dass Merkels Nachfolger sein Wort hält?
Ich bin froh, dass Bundeskanzler Scholz den Sonderfonds auf den Weg gebracht hat. So kann die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr in ihren jetzigen Strukturen hergestellt werden. Der Bundestag hat dem Sonderfonds zugestimmt. Er wird die Implementierung überwachen wollen. Die militärische Führung hat ehrgeizige Pläne entwickelt, wie die neuen Mittel verwendet werden sollen. Aber das komplizierte Beschaffungswesen muss grundlegend reformiert werden. Dafür müssen Regierung und Parlament an einem Strang ziehen. Der Bundeskanzler weiß, wie sehr Deutschlands Sicherheit davon abhängt und auch seine eigene Glaubwürdigkeit bei unseren Verbündeten.
In der Ukraine rückt die russische Armee nach dem gescheiterten Vorstoß auf Kiew nun im Donbass vor. Wie bewerten Sie die veränderte Strategie?
Es ist eigentlich unfassbar, wie schlecht die russische Führung ihren Angriff auf die Ukraine vorbereitet hatte und wie militärisch amateurhaft sie zunächst vorging. Allerdings waren die Ukrainer auch sehr gut vorbereitet und verteidigen sich hervorragend. Nun haben die Russen im Donbass die Masse ihrer Kräfte konzentriert und rücken langsam und systematisch vor, immer mit einer brutalen Feuerwalze der Artillerie vorweg, die alles zerschlägt, vor allem zivile Infrastruktur, Dörfer und ganze Städte, mit unsäglichen Opfern unter der Bevölkerung.
Himars: Das amerikanische Mehrfachraketen-Artilleriesystem wird von der ukrainischen Armee erfolgreich gegen die Invasoren aus Russland angewendet. (Quelle: Pavlo Narozhnyy/Reuters-bilder)
Wie lange kann die russische Artillerie den massiven Beschuss aufrechterhalten?
Auch der russische Munitionsvorrat ist nicht unendlich, allerdings arbeiten Russlands Waffen- und Munitionsfabriken sicher auf Hochtouren. Das ist Putins großer Vorteil: Während seine Armee die militärische Infrastruktur der Ukraine systematisch zerstört, bleiben Russlands Rüstungsbetriebe intakt. Der preußische General und Militärwissenschaftler Carl von Clausewitz hat einst beschrieben, dass ein Angriff, je länger er dauert, seinen "Kulminationspunkt" erreicht, also sich irgendwann erschöpft und dann stockt oder zusammenbricht. So etwas lässt sich bislang bei der russischen Armee nicht beobachten.
Hoffen Sie denn darauf?
In den kommenden Wochen soll sehr viel westliches Kriegsgerät die Ukraine erreichen. Die ukrainische Armee könnte dadurch operativ wesentlich beweglicher werden. Die Berichte über die kolossale Wirkung des weitreichenden und sehr treffgenauen amerikanischen Raketenwerfers Himars auf die russische Armee klingen ermutigend.
Was macht Putin dann?
Das Leiden seiner eigenen Soldaten ist Putin egal, das Leiden der Ukrainer sowieso. Er wird nicht klein beigeben. Der Krieg gegen die Ukraine ist der erste Schritt seiner imperialen Strategie. Er will "russische Erde zurückholen", also ein großrussisches Reich schaffen. Die Nato soll sich militärisch aus allen Ländern zurückziehen, die ihr seit 1997 beigetreten sind. Mittelosteuropa soll eine Pufferzone unter russischer Kontrolle werden. Deshalb verteidigen die Ukrainer im Donbass auch Europa. Die Nato stärkt nun ihre Verteidigung weiter massiv, Finnland und Schweden treten ihr bei. Einen Krieg gegen diese Nato riskiert Putin nicht. Denn den würde er verlieren, und damit wäre auch sein Regime am Ende.
"Damit wäre Putins Regime am Ende"
Russlands Machthaber Wladimir Putin: Die Ukrainer brauchen dringend Panzer aus dem Westen, warnt der frühere Nato-General Heinrich Brauß. (Quelle: Sefa Karacan/Anadolu Agenc/dpa-bilder)
Die Ukrainer verteidigen sich tapfer, doch der frühere Nato-General Heinrich Brauß warnt: Der Westen muss schnell mehr Waffen liefern, denn Putins Pläne reichen noch viel weiter.
Gewaltige Zerstörungen hat Russlands Armee bei ihrem Vormarsch im Osten der Ukraine angerichtet. Mittlerweile können die Verteidiger mit westlichen Waffen wie der Panzerhaubitze 2000 aus Deutschland zurückschlagen. Das ist aber noch lange nicht genug, um die Invasoren abzuwehren, sagt der ehemalige Bundeswehrgeneral Heinrich Brauß im t-online-Gespräch.
Die Ukraine brauche mehr schwere Waffen, und der Westen müsse sie liefern, das sei in seinem ureigensten Interesse, so Brauß. Warum Deutschlands Streitkräfte in einem derart desolaten Zustand sind, weshalb die Lieferung von Kampfpanzern Wladimir Putin kaum zu einem Atomkrieg verleitet und wovor der Kremlchef zurückschrecken würde, erklärt Brauß im folgenden Gespräch.
t-online: Herr Brauß, die russische Armee ist langsam, aber mit gewaltiger Feuerkraft im Osten der Ukraine vorgerückt. Sollte Deutschland den ukrainischen Verteidigern mehr schwere Waffen liefern, auch angesichts einer befürchteten neuen russischen Großoffensive?
Heinrich Brauß: Ein klares Ja. Die ukrainische Armee verteidigt ihr Land entlang einer 1.200 Kilometer langen Frontlinie. Die bisher gelieferten sieben deutschen Panzerhaubitzen 2000 sind eine wichtige Verstärkung. Aber sie reichen bei Weitem nicht aus. Die Amerikaner liefern modernste Raketenwerfer. Aber die Ukraine braucht weitere schwere Waffen, Kampf- und Schützenpanzer für eine bewegliche Verteidigung und wirkungsvolle Gegenangriffe.
Warum schickt Deutschland dann nicht schnell mehr schwere Waffen?
Wir sehen gegenwärtig zwei Entwicklungen: Zum einen ist seit dem G7-Treffen im bayerischen Elmau und dem Nato-Gipfel in Madrid die Entschlossenheit gewachsen, Russland Einhalt zu gebieten. Zum anderen sind einige Nationen immer noch zurückhaltend, den Ukrainern Kampf- und Schützenpanzer zu liefern, nicht nur Deutschland, sondern auch Frankreich, Großbritannien und die USA.
Warum?
Ich kann nur Vermutungen anstellen. Amerikanische Raketenwerfer und deutsche Haubitzen stehen weit hinter der Front. Sie wirken indirekt, also in die Tiefe des Raums, gegen russische Artillerie, Gefechtsstände und Munitionslager. Vielleicht fürchtet man, dass westliche Kampfpanzer im direkten Duell mit russischen T-72 auf dem Gefechtsfeld von Putin als praktischer Kriegseintritt westlicher Staaten angesehen würden und er den Krieg dann ausweiten könnte.
Man fürchtet also in Berlin und Washington Bilder von westlichen Waffen im direkten Gefecht mit Russen?
Das wäre eine Erklärung. Aber glaubwürdige Erklärungen hören wir von der Bundesregierung nur wenige. Und die Begründungen wechseln. Kanzler Scholz soll gesagt haben, die Lieferung von Schützenpanzern des Typs "Marder" wäre eine "schreckliche Eskalation". Aber inwiefern? Etwa weil die Ukraine sich wirkungsvoller verteidigen könnte? Verteidigungsministerin Lambrecht wies im Bundestag den Antrag auf Lieferung von Transportpanzern als "Ausplünderung der Bundeswehr" zurück – ein ganz unangemessener Ausdruck, wenn man bedenkt, dass die Ukraine unter großen Verlusten auch unsere Sicherheit gegen Russland verteidigt.
Heinrich Brauß, Jahrgang 1953, ist Generalleutnant a.D. der Bundeswehr. Von 2013 bis Juli 2018 war er Beigeordneter Nato-Generalsekretär für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung. In dieser Funktion zeichnete Brauß mitverantwortlich für die verteidigungspolitische Neuausrichtung des Verteidigungsbündnisses angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine seit 2014. Mittlerweile ist Brauß Senior Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin.
Putin kommt es gelegen, dass der Westen aus Furcht vor seiner befürchteten Reaktion bisher auf die Lieferung von Kampfpanzern verzichtet hat.
Ja, aber das kommt mir wie Selbstabschreckung vor. Die Polen, Tschechen, Slowenen haben Kampfpanzer geliefert. Hat man irgendeine Reaktion Moskaus gesehen? Putin wird uns auch nicht wegen der "Gepard"-Panzer angreifen, die nun in wenigen Tagen geliefert werden sollen. Vor einigen Wochen hat Bundeskanzler Scholz in einem Interview gar den Eindruck erweckt, Russland könnte angesichts westlicher Kampfpanzer in der Ukraine möglichweise einen Welt- und Nuklearkrieg entfachen. Das halte ich für abwegig, weil der Aggressor damit selbst dem Untergang geweiht wäre. Putins Drohungen sollen uns verunsichern und von beherzten Entscheidungen abhalten.
Welchen Nutzen haben denn deutsche "Gepard"-Panzer auf den ukrainischen Schlachtfeldern? Es handelt sich nicht um Kampf-, sondern um Flugabwehrkanonenpanzer.
Der "Gepard" ist in der Tat ein sehr effektiver Flugabwehrpanzer. Ich vermute aber, dass die Ukrainer ihn nicht nur zur Flugabwehr einsetzen werden, sondern auch im direkten Richten im Erdkampf an der Front. Mit seinen 35-Millimeter-Zwillingskanonen kann der "Gepard" auch gegen russische Kampf- und Schützenpanzer erhebliche Wirkung erzielen – wie ein Schützenpanzer. Man wird der Ukraine aber wohl nicht vorschreiben, wie sie den "Gepard" einsetzt.
Heinrich Brauß: Der General a.D. hat die verteidigungspolitische Neuausrichtung der Nato mitgestaltet. (Quelle: Heinrich Brauß)
Der russische Überfall auf die Ukraine hat auch das Scheitern der deutschen Verteidigungspolitik offenbart. Die Bundeswehr stehe "mehr oder weniger blank da", hat Heeresinspekteur Alfons Mais Ende Februar geschrieben. Wie konnte es so weit kommen?
Das ist in erster Linie eine Folge der jüngeren historischen Entwicklung. Im Kalten Krieg war die Bundeswehr einmal rund 500.000 Mann stark und besaß mehr als 4.500 Kampfpanzer. Heute sind es noch etwas mehr als 180.000 Soldatinnen und Soldaten und 266 Panzer. Das wiedervereinigte Deutschland sah sich keiner unmittelbaren Bedrohung mehr ausgesetzt. Wir sind nur von Verbündeten und Partnern umgeben. Von Russland glaubte man, es würde ein Partner des Westens. Der Verteidigungshaushalt verringerte sich Jahr für Jahr. Sogar eine ganze Truppengattung wurde abgeschafft. Heute vermissen wir sie schmerzlich.
Sie meinen die Heeresflugabwehrtruppe?
Genau. Womit wir wieder beim "Gepard" wären, der früher das Hauptwaffensystem der Heeresflugabwehrtruppe war. Die Bundeswehr befindet sich heute in einer dramatischen Situation. Die Einsatzbereitschaft des Großgeräts ist besorgniserregend. Wir haben kaum Reserven an modernen Waffensystemen. Die Kapazitäten der Rüstungsindustrie sind geschrumpft. Die Folge sehen wir jetzt: Polen und Tschechen haben den Ukrainern Kampfpanzer sowjetischer Bauart geliefert. Wir wollen ihnen als Ausgleich moderne "Leopard"-Panzer liefern – doch das dauert Monate.
Panzerhaubitze 2000 (Archivbild): Sieben Exemplare hat die Bundeswehr der ukrainischen Armee übergeben. (Quelle: Thomas Wiegold/imago-images-bilder)
Kann die Bundeswehr ihren Auftrag der Bündnisverteidigung in diesem desolaten Zustand überhaupt erfüllen?
Ich will die Frage mit einem Beispiel beantworten: Im nächsten Jahr muss die Bundeswehr eine voll einsatzbereite mechanisierte Brigade für die Schnelle Eingreiftruppe der Nato stellen. Das Heer hat aber keine voll ausgestattete Brigade. Vielmehr muss der Inspekteur des Heeres eine bestehende Brigade mit allem Nötigem aufstocken, das er im Heer quasi zusammenkratzen kann. Mit dem Sonderfonds von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr wird sich dies gottlob bald ändern.
Russland tritt aber doch schon seit Jahren immer aggressiver auf, 2014 annektierte Putin die Krim. Warum ist die Bundeswehr nicht früher für mögliche Bedrohungen aus dem Osten gerüstet worden?
Natürlich hat die Nato auf die veränderte Sicherheitslage im Osten Europas reagiert. Abschreckung und Verteidigung wurde wieder ihre Hauptaufgabe. Die Schnelle Eingreiftruppe wurde massiv verstärkt. In Polen und den baltischen Staaten stehen heute multinationale Gefechtsverbände, von denen Deutschland einen in Litauen führt. Entschieden wurde auch, dass jeder Bündnispartner mindestens zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für Verteidigung ausgibt.
Auch die Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel hatte sich diesem Ziel verpflichtet – erfüllte es dann aber nicht.
Die Einigung der Staats- und Regierungschefs der Nato sah eine sukzessive Steigerung der Verteidigungshaushalte der Staaten, die unter zwei Prozent lagen, bis zum Jahr 2024 auf zwei Prozent vor. Auf dieser Grundlage konnte das Verteidigungsministerium der Nato bis 2023 eine vollständig ausgestattete Brigade der Bundeswehr zusagen, bis 2027 eine voll ausgestattete Division und bis 2031/2 schließlich drei Divisionen. Dazu entsprechende Kräfte der Luftwaffe und Marine, Spezialkräfte und Cyberabwehr.
Doch dann schwenkte Merkel um.
Im Jahr 2018 erklärte Frau Merkel plötzlich, bis 2024 nur den Wert von 1,5 Prozent erreichen zu wollen. Die Reaktionen unserer Bündnispartner können Sie sich vorstellen. Donald Trump fühlte sich bestätigt, und die anderen Verbündeten waren teilweise regelrecht entsetzt: Der reichste und wichtigste europäische Bündnispartner erfüllt sein Versprechen nicht und gefährdet damit auch ihre Sicherheit. Der Wortbruch hat Folgen bis heute.
Nun will es Olaf Scholz mit einer "Zeitenwende" und einem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr richten. Vertrauen Sie darauf, dass Merkels Nachfolger sein Wort hält?
Ich bin froh, dass Bundeskanzler Scholz den Sonderfonds auf den Weg gebracht hat. So kann die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr in ihren jetzigen Strukturen hergestellt werden. Der Bundestag hat dem Sonderfonds zugestimmt. Er wird die Implementierung überwachen wollen. Die militärische Führung hat ehrgeizige Pläne entwickelt, wie die neuen Mittel verwendet werden sollen. Aber das komplizierte Beschaffungswesen muss grundlegend reformiert werden. Dafür müssen Regierung und Parlament an einem Strang ziehen. Der Bundeskanzler weiß, wie sehr Deutschlands Sicherheit davon abhängt und auch seine eigene Glaubwürdigkeit bei unseren Verbündeten.
In der Ukraine rückt die russische Armee nach dem gescheiterten Vorstoß auf Kiew nun im Donbass vor. Wie bewerten Sie die veränderte Strategie?
Es ist eigentlich unfassbar, wie schlecht die russische Führung ihren Angriff auf die Ukraine vorbereitet hatte und wie militärisch amateurhaft sie zunächst vorging. Allerdings waren die Ukrainer auch sehr gut vorbereitet und verteidigen sich hervorragend. Nun haben die Russen im Donbass die Masse ihrer Kräfte konzentriert und rücken langsam und systematisch vor, immer mit einer brutalen Feuerwalze der Artillerie vorweg, die alles zerschlägt, vor allem zivile Infrastruktur, Dörfer und ganze Städte, mit unsäglichen Opfern unter der Bevölkerung.
Himars: Das amerikanische Mehrfachraketen-Artilleriesystem wird von der ukrainischen Armee erfolgreich gegen die Invasoren aus Russland angewendet. (Quelle: Pavlo Narozhnyy/Reuters-bilder)
Wie lange kann die russische Artillerie den massiven Beschuss aufrechterhalten?
Auch der russische Munitionsvorrat ist nicht unendlich, allerdings arbeiten Russlands Waffen- und Munitionsfabriken sicher auf Hochtouren. Das ist Putins großer Vorteil: Während seine Armee die militärische Infrastruktur der Ukraine systematisch zerstört, bleiben Russlands Rüstungsbetriebe intakt. Der preußische General und Militärwissenschaftler Carl von Clausewitz hat einst beschrieben, dass ein Angriff, je länger er dauert, seinen "Kulminationspunkt" erreicht, also sich irgendwann erschöpft und dann stockt oder zusammenbricht. So etwas lässt sich bislang bei der russischen Armee nicht beobachten.
Hoffen Sie denn darauf?
In den kommenden Wochen soll sehr viel westliches Kriegsgerät die Ukraine erreichen. Die ukrainische Armee könnte dadurch operativ wesentlich beweglicher werden. Die Berichte über die kolossale Wirkung des weitreichenden und sehr treffgenauen amerikanischen Raketenwerfers Himars auf die russische Armee klingen ermutigend.
Was macht Putin dann?
Das Leiden seiner eigenen Soldaten ist Putin egal, das Leiden der Ukrainer sowieso. Er wird nicht klein beigeben. Der Krieg gegen die Ukraine ist der erste Schritt seiner imperialen Strategie. Er will "russische Erde zurückholen", also ein großrussisches Reich schaffen. Die Nato soll sich militärisch aus allen Ländern zurückziehen, die ihr seit 1997 beigetreten sind. Mittelosteuropa soll eine Pufferzone unter russischer Kontrolle werden. Deshalb verteidigen die Ukrainer im Donbass auch Europa. Die Nato stärkt nun ihre Verteidigung weiter massiv, Finnland und Schweden treten ihr bei. Einen Krieg gegen diese Nato riskiert Putin nicht. Denn den würde er verlieren, und damit wäre auch sein Regime am Ende.
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