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Vor Nato-Treffen: Ukraine warnt vor russischem Einmarsch

An der Grenze zu Russland stünden 115 000 russische Soldaten. Im schlimmsten Fall versuche Russland, die Grenzen in Europa mit Gewalt neu zu ziehen, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba.

Ukraine warnt vor russischem Einmarsch

Die Ukraine hat kurz vor einem Nato-Treffen vor einem möglichen Einmarsch Russlands in ihr Land gewarnt. "Im schlimmsten Fall versucht Russland, die Grenzen in Europa mit Gewalt neu zu ziehen, wie es das 2008 in Georgien und 2014 in der Ukraine bereits tat", sagte Außenminister Dmytro Kuleba am Montag in Kiew. Er nannte die Zahl von angeblich 115 000 Soldaten auf russischem Gebiet an der gemeinsamen Grenze. Was man jetzt sehe, sei "sehr ernst".

Die Außenminister der 30 Nato-Staaten kommen an diesem Dienstag zu einer zweitägigen Sitzung in der lettischen Hauptstadt Riga zusammen. Unter Vorsitz von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wollen sie unter anderem über die Situation an den Grenzen der EU zu Belarus sowie an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland beraten. Brisant ist das Treffen auch, weil es das erste Mal ist, dass eine Tagung der Nato-Außenminister in dem direkt an Russland grenzenden Bündnisstaat Lettland organisiert wird.

Stoltenberg hatte sich zuletzt alarmiert über den erneuten Aufmarsch russischer Streitkräfte unweit der Ukraine gezeigt und von "großen und ungewöhnlichen" Truppenkonzentrationen gesprochen. Zu der Frage, ob das Militärbündnis erwarte, dass Moskau die Ukraine weiter destabilisieren wolle, sagte er, Russland habe bereits bei der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim und bei der Unterstützung der Separatisten in der ostukrainischen Region Donbass gezeigt, dass es den Willen und die Fähigkeiten habe, militärische Gewalt einzusetzen. Niemand solle zu viel spekulieren, aber der Ausbau der militärischen Präsenz sei ein Fakt und ungewöhnlich.

Die Regierung in Moskau betont hingegen, dass Russland für niemanden eine Bedrohung darstelle. Vorwürfe, russische Truppen könnten eine Ukraine-Invasion vorbereiten, wurden als Falschinformationen bezeichnet.

Auch Belarus wird zum Thema auf der Nato-Tagung

Als höchst besorgniserregend wird in der Nato auch der Kurs des russischen Partnerlandes Belarus gesehen. Der Führung in Kiew wird vorgeworfen, gezielt Migranten ins Land zu holen, um sie dann zur Weiterreise in die EU an die Grenze zu Ländern wie Polen und Litauen zu bringen. Die Vermutung ist, dass sich Machthaber Alexander Lukaschenko mit diesem Vorgehen für Sanktionen rächen will, die die EU wegen der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition erlassen hat.

Seit Wochen versuchen Tausende Migranten und Flüchtlinge, von der Ex-Sowjetrepublik in die angrenzenden EU-Länder zu gelangen. Wegen der angespannten Lage hatten Polen, Litauen oder Lettland bereits in Erwägung gezogen, eine Nato-Sondersitzung zu beantragen. Artikel 4 des Nordatlantikvertrags sieht Konsultationen vor, wenn ein Mitglied meint, dass die Unversehrtheit des eigenen Territoriums, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sei.

Aus Deutschland wird der geschäftsführende Außenminister Heiko Maas (SPD) zu den Beratungen erwartet. Das Treffen ist auch das erste seit dem Ende des Nato-Militäreinsatzes in Afghanistan und der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban. Bei den Beratungen soll es daher auch um den Stand der Aufarbeitung des Bündniseinsatzes gehen.

Ziel des knapp zwei Jahrzehnte dauernden Engagements war es eigentlich gewesen, eine Machtübernahme der Taliban zu verhindern. Davor hatten diese dem internationalen Terrorismus Unterschlupf geboten. So wurden die Anschläge, die am 11. September 2001 die USA trafen, in Afghanistan vorbereitet.

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NATO erwägt Reaktion auf Russlands Militärmanöver

Findet die NATO das richtige Gleichgewicht zwischen Abschreckung und diplomatischem Geschick, um den Kreml zum Einlenken zu bewegen? In der Nähe der russischen Grenze ringt das Bündnis um den richtigen Weg.

"Wir sind diejenigen, die die anderen nachts wach halten": Diese Wirkung erhofft sich Brigadegeneral Simon Doran vom US Marine Corps von der Machtdemonstration der NATO auf die russischen Militärs. Doran ist der ranghöchste amerikanische Vertreter bei der britischen Carrier Strike Group 21 (CSG21). Die hier gebündelten Seestreitkräfte befinden sich nach einem sieben Monate andauernden Einsatz auf dem Rückweg ins britische Portsmouth. Auf den Weltmeeren hatten die Streitkräfte an Angriffen gegen den "Islamischen Staat" teilgenommen, chinesische U-Boote verfolgt und Übungen im Schwarzen Meer durchgeführt. "Die CSG21", betonte Doran, "ist überall einsatzbereit".

Der General hofft, "dass wir nicht nur potenzielle Gegner abschrecken, sondern auch allen unseren Partnern und Verbündeten die Gewissheit geben, dass wir da sind, wenn man uns ruft". Eine der wichtigsten Regionen für die NATO ist derzeit wahrscheinlich das Schwarze Meer, wo die CSG21 im Juni militärische Übungen durchführte. Die Spannungen haben in der Region wieder zugenommen, da Russland seine Truppenpräsenz an der Grenze zur Ukraine erneut verstärkt hat.

"Hybride Angriffe" sorgen für höchste Alarmbereitschaft

Danach kam es zur - von Belarus herbeigeführten und, wie viele behaupten, von Moskau unterstützten - Flüchtlingskrise an den Grenzen zu den NATO-Verbündeten Lettland, Litauen und insbesondere Polen. Der Westen hat den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko beschuldigt, die Migranten bewusst dafür einzusetzen, die Europäische Union zu destabilisieren.

Polens Präsident Andrzej Duda erklärte, dass die Geschehnisse an der belarussischen Grenze und die Verstärkung der russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Letzte Woche bat Duda bei einem Besuch des NATO-Hauptquartiers in Brüssel um "eine Verstärkung der Luftraumüberwachung" sowie "der Erhöhung der Bereitschaft der NATO-Einheiten entlang der Ostflanke des Bündnisses."

 

Für das am Dienstag beginnende Treffen der NATO-Außenminister, das in Lettlands Hauptstadt Riga, nur 200 Kilometer von der russischen Grenze, stattfindet, steht also besonders viel auf dem Spiel. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wies am Samstag darauf hin, dass es "das zweite Mal in diesem Jahr ist, dass Russland eine große und ungewöhnliche Konzentration von Streitkräften in der Region zusammengezogen hat". Darunter befänden sich "Panzer, Artillerie, Drohnen und elektronische Kriegsführungssysteme sowie kampfbereite Truppen."

NATO warnt vor "Konsequenzen" - aber welche?

Stoltenberg sagte, der Schritt erhöhe die Spannungen und berge die Gefahr von Fehleinschätzungen. Er warnte auch, dass jede Anwendung von Gewalt gegen die Ukraine Konsequenzen für Russland haben werde.

Nun ringt die NATO mit der Frage, wie sie den Kreml zum Rückzug bewegen kann. "Alle Optionen liegen auf dem Tisch, und es ist nun an der Allianz zu entscheiden, welche Schritte die NATO als Nächstes unternehmen will", sagte Karen Donfried, die stellvertretende US-Außenministerin für europäische und eurasische Angelegenheiten, am Freitag. "Es gibt einen Zusammenhalt unter den Verbündeten, was die Unterstützung für die Ukraine angeht, und es ist nicht hinnehmbar, dass Russland weiterhin potenziell militärische Maßnahmen gegen die Ukraine ergreift."

Ganz so einfach sei es jedoch nicht, sagt ein hochrangiger US-Diplomat, der zwar befugt war, sich zu diesem Thema zu äußern, aber nicht namentlich genannt werden wollte. Die NATO befinde sich in einem "klassischen Dilemma im Abschreckungsspiel": "Wenn wir auf der einen Seite sagen, dass es eindeutig Konsequenzen hätte, wenn Russland eine solche Aktion durchführt, dann sollte man sich auch darüber im Klaren sein, was das für Konsequenzen sein sollen."

Andererseits, so fügte er hinzu, wolle man nicht in eine Situation geraten, die zu einer ungewollten Dynamik beitrage. Es gehe also darum, "die richtigen Signale und die richtige Abschreckungshaltung zu finden, die tatsächlich eher zu einer Deeskalation führen."

Funktioniert die Abschreckung?

NATO-Diplomaten neigen dazu, die Abschreckungsstrategie des Bündnisses im Frühjahr, nach der schon einmal eine russische Aufrüstung ohne Zwischenfälle deeskaliert werden konnte, als "Erfolg" darzustellen. Doch nur wenige Monate später sind die russischen Truppen zurück, und dieses Mal sollen sie Berichten zufolge auch Feldlazarette eingerichtet haben, was als Zeichen für einen möglichen Konflikt gewertet wird.

Die NATO hätte mehr tun können, um diese Situation zu verhindern, ist Lauren Speranza überzeugt. Die Expertin für transatlantische Verteidigung und Sicherheit am Center for European Policy Analysis (CEPA), kritisiert, dass die NATO es nicht geschafft habe, den russischen Präsidenten Wladimir Putin die Grenzen aufzuzeigen.

"Russlands 'hybride Kampagnen' sind weit verbreitet und finden im gesamten Bündnis statt", sagte Speranza gegenüber der DW. "Es reicht nicht aus, auf einzelne Vorfälle zu reagieren." Das Bündnis müsse enger mit der EU zusammenarbeiten, um "koordiniertere, verhältnismäßige Gegenmaßnahmen" aufzustellen.

"Dies könnte sorgfältig kalibrierte offensive Cybermanöver, diplomatische Ausweisungen und die Beschlagnahmung oder das Einfrieren von russischem Staatsvermögen beinhalten", sagte sie. Putin würde nicht erwarten, dass die Verbündeten die Maßnahmen geschlossen und politisch einheitlich durchführten. Dies könnte ihn dazu bringen," sein Kalkül zu ändern."

Putin isolieren

Solange sich Russlands Haltung nicht ändere, sollten die NATO und die Regierungen der Verbündeten aufhören, dem russischen Präsidenten zu schmeicheln und ihn wie einen Dialogpartner zu behandeln, fordert die unabhängige Russland-Analystin Olga Lautman. So solle NATO-Generalsekretär Stoltenberg keine Treffen des NATO-Russland-Rates einberufen, bevor diese "aggressiven Aktionen" aufhörten.

"Der Westen stellt Putin als großen Strategen dar - das ist er nicht", sagte sie der DW. "Im Moment testet er, wie ernst es uns ist." Lautman befürchtet, "dass er in den nächsten Wochen in die Ukraine einmarschieren wird". Gleichzeitig probiere er jedoch auch, wie weit er gehen könne, bevor er eine Art Kompromiss oder einen weiteren Gipfel bekomme. "Er muss einfach isoliert werden."

In der Zwischenzeit werden die Truppen an Bord der HMS Queen Elizabeth weiterhin Botschaften an den Kreml senden. "Die Tatsache, dass der Flugzeugträger das Schwarze Meer durchquert und seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt hat, beweist, dass die Verteidigung des euro-atlantischen Raums für die NATO absolut im Vordergrund steht", sagte General Tim Radford, der stellvertretende Oberbefehlshaber der NATO in Europa, vergangene Woche an Bord des Schiffes. "Das Gebiet und der gesamte euro-atlantische Raum werden ständig überwacht, sei es im Norden, im Süden oder in der Schwarzmeerregion." Aus dem Englischen adaptiert von Thomas Latschan

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„Der Moment ist gefährlicher als den meisten Amerikanern bewusst ist“

Von einer „direkten russischen Invasion“ sprach Robert Menendez, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im US-Senat. Er forderte EU und Nato auf, die Ukraine im Kampf gegen Russland mit Waffen zu unterstützen. „Wir müssen der Ukraine die Möglichkeit geben, sich zu verteidigen“, sagte Menendez.

Das war im Jahre 2014, nachdem Russland die Krim annektiert hatte und während Moskau mit pro-russischen Separatisten die Ost-Ukraine destabilisierte. Sieben Jahre später marschieren russische Soldaten an der Grenze zur Ukraine auf. Die Ukraine spricht von 115.000 Soldaten. Russland wirft der Ukraine vor, sie habe mehr als 120.000 Soldaten an die Linie zu den prorussischen Separatistenregionen verlegt.

Wiederholt sich die Geschichte? Wagt Russland Präsident den letzten Schritt? Bereitet Wladimir Putin eine Invasion der Ukraine vor?

Der Kreml erwischt die westliche Allianz bedingt abwehrbereit. Deutschland wartet auf eine neue Regierung, Frankreich stehen Präsidentschaftswahlen ins Haus.

Vor allem aber herrscht in den USA eine außenpolitische Unlust, die Interventionisten befinden sich in beiden Parteien auf dem Rückzug. Senator Menendez ist zwar noch immer Chef des Außen-Ausschusses. Waffenlieferungen an die Ukraine fordert er bisher nicht.

Biden kann sich keine Demütigung erlauben

Präsident Joe Biden, politisch angeschlagen, steht unter extremem Druck. Eine Demütigung durch Putin kann sich Biden nicht erlauben. Dabei üben sogar die eigenen Leute Druck auf Biden aus. So kämpft Menendez im Falle einer russischen Invasion in der Ukraine für eine ganze Reihe von Sanktionen, etwa gegen hohe Regierungsvertreter und die Pipeline Nord Stream 2. Für jenes Projekt hatte Biden im Sommer schweren Herzens faktisch grünes Licht gegeben.

Der US-Präsident leidet unter miserablen Umfragewerten. Die Zwischenwahlen 2022 könnten zum Desaster für seine Partei werden, zum Anfang vom Ende seiner Präsidentschaft. Republikaner werfen Biden vor, im Umgang mit Putin zu weich zu sein, freilich ungeachtet der Tatsache, dass Donald Trump mit Putin geschmust hatte. Was denn bitte der Gipfel zwischen Biden und Putin im Juni gebracht habe, fragen Bidens Kritiker nun.

Nun soll es eine weitere Begegnung zwischen Biden und Putin geben, so zumindest schlägt Moskau es vor. Ob, wann und in welchem Format? Unklar. Biden steckt in einem Dilemma. Einerseits will er die Ukraine größtmöglich unterstützen, Russlands aggressive Ambitionen eingrenzen. Andererseits ist die Ukraine kein Nato-Mitgliedstaat, fällt also nicht unter die Beistandsverpflichtung gemäß Artikel 5.

Der außenpolitische Realist Biden weiß, dass Mehrheiten und Voraussetzungen für eine mittelfristige Nato-Mitgliedschaft nicht in Sicht sind. Andererseits muss er gegenüber Putin klar machen, dass nicht Russland über die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine entscheidet, sondern: die Ukraine und die Nato.

Derweil sind viele Amerikaner überzeugt, die USA hätten außerhalb ihrer Grenzen nichts verloren. Die außenpolitischen Falken sind einflusslos. Frustriert stellt das konservative „Wall Street Journal“ mit Blick auf den Konflikt an der ukrainisch-russischen Grenze fest: „Der Moment ist gefährlicher als den meisten Amerikanern bewusst ist.“

Dass Russland nun die USA in die Gespräche um die Ukraine bittet, setzt Washington unter Druck. „Unsere amerikanischen Kollegen haben nicht nur einmal gesagt, dass sie helfen wollen“, ätzte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag bei seinem Treffen mit seinem US-Kollegen Antony Blinken in Stockholm.

Die USA hatten die operative Zuständigkeit für die Ukraine weitgehend Berlin und Paris überlassen. Im sogenannten Normandie-Format vermitteln bisher nur Frankreich und Deutschland zwischen der Ukraine und Russland.

Lawrow forderte die Nato am Donnerstag erneut zu einem Ende der Nato-Osterweiterung auf. Dabei weiß auch der alte Fuchs Lawrow, dass eine solche Mitgliedschaft der Ukraine derzeit politisch in den Sternen steht. Robert Menendez selbst schloss schon 2014 die Entsendung von US- und Nato-Truppen in die Ukraine aus.

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Die Nato muss verhindern, dass die Putin-Falle zuschnappt

Erstmals seit mehr als zwei Jahren kommt der Nato-Russland-Rat zusammen. Auf russischer Seite verhandelt Vize-Verteidigungsminister Gruschko, den viele als „arrogant und eiskalt“ in Erinnerung haben. Bei dem Treffen wird einiges anders sein als zuletzt.

Mittwochmorgen, 10 Uhr, im großen abhörsicheren Sitzungssaal des Nato-Hauptquartiers in Brüssel: Der Nato-Russland-Rat kommt nach zweieinhalb Jahren zum ersten Mal wieder zusammen. Es geht um viel: Nach den Sicherheitsgesprächen zwischen Washington und Moskau am Montag in Genf ist dies das zweite Treffen des Westens mit Russland.

Präsident Wladimir Putin hatte im Dezember von der Nato ultimativ „Sicherheitsgarantien“ gefordert in einem bereits vollständig ausformulierten Vertragsentwurf. Der Kreml will eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa schaffen, den Kontinent in Einflusssphären aufteilen.

Es gibt also viel zu besprechen. Darum hat sich Moskau dieses Mal auch auf ein Treffen in Brüssel eingelassen. Das war zuletzt anders, der Kreml reagierte jahrelang nicht einmal auf die Einladungen der Nato. Grund: Seit der Krim-Annexion im Jahr 2014 durch Russland verliefen die Treffen häufig eisig: Vorwürfe, Drohungen und Streit über die Tagesordnung – am Ende verließ der russische Vertreter meistens grußlos den Tisch.

Beim Treffen am Mittwoch wird nun einiges anders sein. Die Botschafter der 30 Verbündeten und Russlands tagen nicht mehr allein unter dem Vorsitz von Nato-Chef Jens Stoltenberg. Dieses Mal sind Top-Diplomaten und Generäle aus Washington und Moskau im Raum – und sie werden die Zügel in die Hand nehmen.

Wie bereits in Genf wird US-Vizeaußenministerin Wendy Sherman dabei sein. Moskau schickt dagegen nicht wie vor zwei Tagen Sergej Rjabkow, sondern – in Begleitung von General Alexander Fomin – einen weiteren Vize-Außenminister: Alexander Gruschko. Der 66-Jährige ist gut bekannt in Brüssel, er war von 2012 bis 2018 russischer Nato-Botschafter. In Militär- und Diplomatenkreisen des Bündnisses heißt es heute noch, der Mann sei „geschliffen, arrogant und eiskalt“.

Die Allianz ist unsicher, was genau am Mittwochmorgen passieren wird. „Es herrscht eine gewisse Anspannung“, sagt ein Diplomat. Werden die Gespräche, wie in Genf, acht Stunden lang dauern? Wird Moskau mit einer vierzig Minuten langen Tirade gegen den Westen das Treffen eröffnen?

Gruschko, das weiß man in Brüssel, ist ein anderes Kaliber als sein Kollege Rjabkow. „Was passiert denn, wenn die Russen schnell aufstehen und dann am Abend mit ‚grünen Männchen‘ im Baltikum Unruhen anzetteln, um Druck auf uns auszuüben?“, fragt ein weiterer Diplomat.

Am Montagnachmittag noch sorgte ein Tweet der russischen Botschaft in London im Hauptquartier für Unruhe. Darin griff Außenminister Sergej Lawrow das Bündnis frontal an: „Die Nato ist zu einem rein geopolitischen Projekt geworden, deren Ziel es ist, jene Gebiete zu übernehmen, die seit dem Ende des Warschauer Paktes und der Sowjetunion verwaist sind.“

Redet man so über Nato-Mitglieder wie Polen oder Litauen, wenn man ernsthaft verhandeln will? Und noch etwas erzürnte die Nato-Strategen: Vize-Außenminister Rjabkow hatte am Montag in Genf höhnisch formuliert, die Nato solle „ihren Kram packen und sich an die Grenzen von 1997 begeben“.

28 europäische Staaten sind neben Amerika und Kanada am Mittwochmorgen nun erstmals bei den Gesprächen mit Moskau dabei. Das ist wichtig aus Sicht der Nato. Die Allianz weiß, dass Putin vor allem in Richtung Washington schaut und am liebsten alle Fragen zur Sicherheitsarchitektur in Europa mit US-Präsident Joe Biden allein regeln würde. Es ist ein Balanceakt: Die Nato muss verhindern, dass die Putin-Falle zuschnappt und sich der Westen von Moskau spalten lässt.

Die Forderungen Russlands liegen bereits auf dem Tisch, vielen Nato-Ländern muten sie an wie ein „Diktat“. „Wir werden Moskau sicherlich nicht den Gefallen tun, einen Paragrafen nach dem anderen eins zu eins abzuarbeiten“, heißt es im Bündnis. Putin will, dass sich die Nato verpflichtet, künftig nicht mehr in der Ukraine und Osteuropa aktiv zu werden. Zudem sollen keine weiteren Länder der Allianz mehr beitreten dürfen. Es ist ein Frontalangriff.

Putin reizt jetzt sein Blatt aus. Es sind Forderungen, die die Nato niemals akzeptieren kann. Stoltenberg sagte dazu, über eine Aufnahme der Ukraine könnten einzig das Land selbst und die 30 Allianzmitglieder entscheiden: „Niemand sonst hat das Recht, etwas dazu zu sagen.“

Aber es gibt auch Themen, bei denen eine Annäherung möglich erscheint: mehr Transparenz bei Militärübungen, bessere Kommunikationskanäle und Abrüstung. „Wir hoffen, dass wir uns darüber einigen, wie es weitergeht und dass wir uns auf eine Reihe von Treffen verständigen können“, sagte Stoltenberg. Er will einen längerfristigen „Prozess“ in Gang setzen, in dem sich beide Seiten ehrlich die Meinung sagen und irgendwann auch beginnen, Punkt für Punkt zu verhandeln. Aber wird Moskau dabei mitspielen?

Nato-Militärkreise betonen, dass der russische Truppenaufbau an der Grenze zur Ukraine auch jetzt noch weiter gehe und Moskau in der Lage wäre, die Ukraine von drei Seiten zeitgleich anzugreifen – und dabei auch noch auf Verstärkung von Zehntausenden Soldaten aus den Separatistengebieten im Donbass setzen könnte. Das ist die düstere Drohkulisse, vor der die Gespräche in Brüssel jetzt stattfinden.

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Ukraine-Konflikt: Schweden und Finnland halten an militärischer Bündnisfreiheit fest

Die russischen Drohgebärden an der Grenze zur Ukraine haben Politiker in den nordischen Ländern aufgeschreckt. Einen Nato-Beitritt lehnen die Regierungen aber ab.

Das Säbelrasseln an der ukrainisch-russischen Grenze sowie der im hohen Norden als „inakzeptabel“ angesehene Forderungskatalog Moskaus, der eine fortgesetzte Nato-Erweiterung mit deutlichen Worten ausschließt, hat zu einer erneuten Diskussion über die sicherheitspolitische Ausrichtung der beiden nordeuropäischen Länder geführt.

Anders als Dänemark und Norwegen rühmen sich Finnland und Schweden seit Langem ihrer Bündnisfreiheit. Es war über Jahrzehnte ein Tabuthema, überhaupt über eine eventuelle Nato-Mitgliedschaft nachzudenken. Das hat sich seit den Drohgebärden Russlands verändert. Von einem baldigen Nato-Beitritt sind aber beide Länder noch weit entfernt.

Finnlands Präsident Sauli Niinistö und Regierungschefin Sanna Marin nutzten ihre Neujahrsansprachen, um die sicherheitspolitische Position des Landes klarzumachen. „Die Möglichkeit eines militärischen Bündnisanschlusses und einer Nato-Mitgliedschaft gehört zu Finnlands Handlungsspielraum und Entscheidungsfreiheit“, stellte Niinistö eindeutig klar. Regierungschefin Marin unterstrich, dass ihr Land aus der Vergangenheit gelernt habe. „Wir lassen uns unseren Handlungsspielraum nicht nehmen.“

Das sind neue Töne. Denn über Jahrzehnte hinweg war die finnische Sicherheitspolitik von der Rücksichtnahme auf den großen Nachbarn geprägt, mit dem sich Finnland eine über 1300 Kilometer lange Grenze teilt. „Finnlandisierung“ bezeichnete eine Politik, bei der Moskau stets bei wichtigen außenpolitischen Entscheidungen konsultiert wurde.

Eine zunächst vorsichtige Abkehr von dieser Politik wurde nach dem EU-Beitritt Finnlands 1995 eingeläutet. Seit einigen Jahren nimmt Finnland offiziell an dem Nato-Sicherheitskonzept „Partnerschaft für den Frieden“ teil und hat erst kurz vor Weihnachten für zehn Milliarden Euro 64 F-35-Kampfjets des amerikanischen Rüstungsunternehmens Lockheed Martin bestellt. Es war eine Entscheidung, die beim Nachbarn Schweden auf Enttäuschung, bei einigen sogar auf Unverständnis stieß.

Denn das allianzfreie Schweden leistet sich seit Jahrzehnten die Entwicklung eigener Militärjets und hatte die JAS 39 Gripen dem Nachbarn angeboten. Dass sich Finnland nun für die US-Lösung entschied, wird in Stockholm als Signal einer Neuausrichtung empfunden.

Beide Länder arbeiten ansonsten militärisch eng zusammen, halten gemeinsame Manöver ab und koordinieren wichtige sicherheitspolitische Entscheidungen. Schwedens neue Ministerpräsidentin, die Sozialdemokratin Magdalena Andersson, ließ sich die Enttäuschung über die finnische Entscheidung gegen den schwedischen Mehrzweck-Jet nicht anmerken und sekundierte ihrer finnischen Amtskollegin.

„Wir in Schweden entscheiden selbst, mit wem wir kooperieren“, sagte sie. Und während einer Parlamentsdebatte am Mittwoch zeigte sie den Nato-Befürwortern die Rote Karte: „Es ist nicht der Zeitpunkt, an dem wir unsere sicherheitspolitische Linie verändern“, erklärte sie unmissverständlich.

Auch der Oberbefehlshaber der schwedischen Streitkräfte, Micael Bydén, sprach vor einigen Tagen davon, dass die Forderungen Moskaus, nach denen keine Nato-Truppen in Ländern stationiert werden dürfen, die 1997 noch nicht Mitglied in dem Militärbündnis waren, das „sicherheitspolitische Fundament Schwedens“ zerstören würden. Sein Vorgesetzter, Verteidigungsminister Peter Hultqvist, pflichtete ihm bei und nannte die russischen Forderungen „vollkommen inakzeptabel“.

Nato-Mitgliedschaft ist nur eine „Option“

Über eine Nato-Mitgliedschaft wird weder in Finnland noch in Schweden offen gesprochen. Es sei „eine Option“, nicht mehr, aber auch nicht weniger. So klingt es bereits seit vielen Jahren. Beide Länder wollen die Entscheidungshoheit über die Ausrichtung ihrer Sicherheitspolitik behalten und fürchten, dass sie durch die Verhandlungen zwischen den USA und Russland unter die Räder kommen.

Nach der Annexion der Krim durch Russland 2014 hat sich das Meinungsbild über eine eventuelle Nato-Mitgliedschaft in beiden Ländern etwas verschoben. Eine Mehrheit für den Beitritt gibt es aber weder in Finnland noch in Schweden. Nach einer Umfrage des finnischen Thinktanks EVA sprechen sich 26 Prozent für einen Nato-Beitritt aus, 40 Prozent sind dagegen. Auch in Schweden sind die Nato-Gegner noch in der Mehrheit: 35 Prozent lehnen einen Beitritt ab, rund 32 Prozent sind dafür, der Rest ist unentschieden. Solange sich die geopolitische Lage in Europa nicht grundlegend verändert, werden beide Länder weiterhin die Bündnisfreiheit als ihre sicherheitspolitische Doktrin wählen.

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„So schwer es fällt: Wir werden dem nicht nachgeben“ – Kanzler Scholz erteilt Flugverbotszone Absage

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Forderungen nach einer Flugverbotszone über der Ukraine und dem Eingreifen der Nato-Friedenstruppen in den Krieg eine Absage erteilt. „So schwer es fällt: Wir werden dem nicht nachgeben“, sagte er am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestags.

Es müsse dabei bleiben, dass es keine direkte Konfrontation zwischen der Nato und Russland geben dürfe. „Die Nato wird nicht Kriegspartei – da sind wir uns mit unseren europäischen Verbündeten und den Vereinigten Staaten einig“, so Scholz weiter. Das sei ein Gebot der Vernunft. Zugleich betonte er: „Präsident Selenskyj, die Ukraine kann sich auf unsere Hilfe verlassen.“

Er forderte ein sofortiges Ende des Ukraine-Krieges: „Die Waffen müssen schweigen – und zwar sofort.“ Er habe in den vergangenen Tagen lange und intensiv auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin gesprochen, so Scholz. „Putin muss die Wahrheit hören.“ Mit dem Krieg werde nicht nur die Ukraine zerstört, sondern auch die Zukunft Russlands. Putins Offensive steckte fest, trotz aller Zerstörung, die sie anrichte.


Scholz: „Russlands Wirtschaft wankt – doch das ist erst der Anfang“

Scholz führte aus, dass die Sanktionen, die monatelang vorbereitet worden seien, damit sie wirken und die Richtigen treffen, wirkten: „Russlands Wirtschaft wankt – doch das ist erst der Anfang.“ Denn die Sanktionen würden ständig nachgeschärft.

Der Bundeskanzler kündigte an, die deutsche Abhängigkeit von Gas aus Russland „so schnell, wie es irgend geht“, zu beenden. „Das aber von einem Tag auf den anderen zu tun, hieße, unser Land und ganz Europa in eine Rezession zu stürzen“, warnte er. „Hunderttausende Arbeitsplätze wären in Gefahr. Ganze Industriezweige stünden auf der Kippe.“ Es sei niemandem geholfen, „wenn wir sehenden Auges unsere wirtschaftliche Substanz aufs Spiel setzen“.

Und schon jetzt träfen die wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verhängten Sanktionen auch die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland hart – und zwar nicht nur in Form von hohen Spritpreisen. Er handele nach dem Prinzip: „Sanktionen dürfen die europäischen Staaten nicht härter treffen als die russische Führung.“

Die kaum auszuhaltenden Bilder aus der Ukraine hätten in Deutschland eine überwältigende Welle des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Viele Bürger hätten „nicht nur ihre Herzen, sondern auch ihre Häuser und Wohnungen“ geöffnet – wofür er sich ausdrücklich bedankte und betonte: „Die Flüchtlinge sind hier bei uns willkommen.“

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Der Ukraine-Krieg und die US-Atomwaffen in Deutschland – Fluch oder Segen?

Die Bundeswehr hält US-Atomwaffen bereit und trägt so zur nuklearen Abschreckung bei. Russlands Krieg gegen die Ukraine stellt dieses Prinzip auf die Probe. Ein Besuch an dem Ort, an dem die Bomben vermutet werden.

Im Fliegerhorst Büchel lagern sie angeblich: die letzten amerikanischen Atomwaffen in Deutschland. Die Bomben sind Ausdruck der »nuklearen Teilhabe« innerhalb der Nato, sie dienen der Abschreckung. Das verleiht der Militärbasis in der Eifel weltpolitische Brisanz.

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Absprachen über Waffenhilfe auf US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein: Was dürfen die USA in Deutschland, was nicht?

Die Ukraine-Konferenz auf der US-Basis ist diplomatisch ungewöhnlich. Was in Ramstein erlaubt ist, beschäftigte mehrfach deutsche Gerichte. Eine Analyse.

Die USA hatten zu der internationalen Konferenz nach Deutschland eingeladen: auf ihren Militärstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz. Thema: Waffenhilfe für die Ukraine.

Deren Umfang ist jedoch in ihrem Gastland umstritten. Eine diplomatisch delikate Konstellation.

Geht das einfach so? Hat die Bundesregierung ein Wort mitzureden?

Dies war keine kontroverse Nutzung der Air Base. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht nahm gerne teil.

Ein Drehkreuz - auch für den Transport in Folterlager?

In der Vergangenheit hat es jedoch mehrfach Streit gegeben, was das US-Militär in der Bundesrepublik darf und was nicht. Deutsche Gerichte wurden angerufen: Welche Militärgüter dürfen die USA nur mit, welche ohne deutsche Genehmigung über Ramstein transportieren?

Dürfen sie Drohnen im Mittleren Osten von Ramstein aus steuern? Das fragten Verwandte von Opfern im Jemen. Es gab auch den Verdacht, dass Terrorverdächtige während des Afghanistankriegs über Ramstein in Folterlager gebracht wurden.

Ramstein ist der größte US-Luftwaffenstützpunkt außerhalb der USA und das Drehkreuz für Operationen von Afrika über den Mittleren Osten bis Zentralasien. Verwundete US-Soldaten aus dem Irak- und Afghanistankrieg wurden nach Ramstein ausgeflogen.

Die Rechtsfragen sind in Stationierungsverträgen geregelt, die bis 1954 zurückreichen. 1990 hat das vereinte, souveräne Deutschland sie erneuert.

Nicht exterritorial, und doch ist deutsches Recht kaum durchzusetzen

Ramstein und andere Basen wie Grafenwöhr in Bayern, der größte Truppenübungsplatz der US Army außerhalb der USA, sind „nicht exterritorial“, erläutert der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Sie genießen aber gewiss Immunitätsrechte.

Das führt zu dem Widerspruch, dass deutsches Recht dort gilt, aber kaum durchsetzbar ist. Deutsche Behörden dürfen die Militärbasen nicht ohne Erlaubnis der Betreiber betreten. Und ausländische Militärs unterliegen bei Rechtsverletzungen der Gerichtsbarkeit, ihres Heimatlandes.

Die Alliierten hatten 1990 angeboten, ihre Garnisonen aus der Besatzungszeit aufzugeben, erinnert Stephan Bierling, Politologe an der Universität Regensburg. „Kanzler Kohl wollte, dass sie bleiben – als Rückversicherung für die europäischen Nachbarn, dass Deutschland nicht wieder den Frieden stört.“

Müssen die USA sich um China kümmern, ist Russland Europas Problem

Zudem sind sie ein regionaler Wirtschaftsfaktor und sichern tausende Arbeitsplätze, sagt Bierling.

Josef Braml, Generalsekretär der deutschen Sektion der Trilateralen Kommission, warnt: „Wir werden bald größere Probleme haben als die Frage, was die USA hier dürfen und was nicht. Wenn ein neuer Trump Präsident wird, den Europa nicht interessiert, oder sie ihren Fokus nach Asien verlegen, weil China Taiwan angreift, wird Russland allein unser Problem sein.“

Europa müsse ein handlungsfähiges Militär aufbauen, rät Braml. "Wer sich das nicht leisten möchte, ist eingeschränkt souverän.“

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Unterstützung für die Ukraine: Bundestag stimmt mit großer Mehrheit für Lieferung schwerer Waffen

Zwei Monate nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ist Deutschland bereit zur Lieferung schwerer Waffen. Ampel und Union haben das einmütig beschlossen.

Der Bundestag hat mit einem gemeinsamen Antrag der Union und der regierenden Ampel-Parteien am Donnerstag für eine Lieferung schwerer Waffen an die von Russland angegriffene Ukraine gestimmt.

Mit großer Mehrheit von 586 Stimmen forderten die Abgeordneten die Bundesregierung auf, die „Lieferung benötigter Ausrüstung an die Ukraine fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtausches zu erweitern“. Die Fähigkeiten Deutschlands zur Bündnisverteidigung dürften dabei nicht gefährdet werden. Mit Nein stimmten 100 Abgeordnete, sieben enthielten sich.

Die Bundesregierung erhielt auch ausdrückliche Rückendeckung für alle bisher ergriffenen Schritte, darunter die Sanktionen gegen Russland, Hilfe bei Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen und den Umbau der Infrastruktur in Deutschland, um nicht mehr auf russische Energielieferungen angewiesen zu sein.

„Der Deutsche Bundestag verurteilt den brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine aufs Schärfste. Russland bricht damit das internationale und humanitäre Völkerrecht auf eklatante Weise und versucht, die europäische Friedensordnung dauerhaft zu zerstören“, heißt es in dem Antrag.

Änderungen am Antrag von SPD, Grünen und FDP hatten dazu geführt, dass CDU und CSU bereit waren, ihren eigenen, weitergehenden Antrag zurückzuziehen. Nach einigem Zögern und teils auch internationaler Kritik daran hatte die Regierung am Dienstag erstmals die Lieferung eines schweren Waffensystems angekündigt, des Flugabwehrpanzers Gepard. Auch das dürfte zur Einigung mit der Union beigetragen haben.

Die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann hatte zu Beginn der Debatte die geplanten Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine verteidigt und dem Land weitere Unterstützung zugesagt. „Die Ukraine kann sich auf unsere Unterstützung verlassen“, sagte Haßelmann.

„Der Krieg zerstört unsere europäische Friedens- und Sicherheitsordnung und ist ein Angriff auf unsere Werte von Freiheit und Selbstbestimmung“, sagte Haßelmann.  „Die russische Regierung muss alle Kampfhandlungen unverzüglich einstellen.“ Haßelmann machte deutlich, dass die Politik täglich um ehrliche Antworten ringe. „Wir wägen ab, wir zweifeln, ja und wir hadern – aber, und wir entscheiden.“ Die Ukraine habe nach der Charta der Vereinten Nationen ein uneingeschränktes Recht auf Selbstverteidigung.

Haßelmann bekräftigte den Grundsatz, dass Deutschland nicht Kriegspartei werden dürfe, die Ukraine aber nicht schutzlos dem Aggressor – Russlands Präsidenten Wladimir Putin – ausgeliefert werden dürfe. Haßelmann zeigte sich zugleich erfreut über das geplante gemeinsame Signal mit der Union. Einem gemeinsamen Antrag der Ampel-Koalition und der Union als größter Oppositionsfraktion war längerer Streit vorangegangen.

Merz macht Scholz Vorwürfe – Klingbeil kontert

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) nutzte die Debatte zu einem Angriff auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dem er „Unsicherheit und Schwäche“ im Ukraine-Konflikt vorwarf. Scholz habe über Wochen hingehalten, offen gelassen, ausweichend geantwortet, sagte er. „Das ist nicht Besonnenheit“, fügte er hinzu, „das ist Zögern, das ist Zaudern und das ist Ängstlichkeit“. Scholz war nicht bei Debatte anwesend, weil er nach Japan gereist ist.

Merz kritisierte eine Äußerung von Scholz, der in einem Interview gesagt hatte, „manchen von diesen Jungs und Mädels muss ich mal sagen: Weil ich nicht tue, was Ihr wollt, deshalb führe ich.“ Gemeint gewesen seien offenbar die drei Vorsitzenden der Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung und Europa, Michael Roth (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne), die Mitte April in die Westukraine gereist waren, sagte Merz. „Mitglieder des Deutschen Bundestages herablassend mit Jungs und Mädels zu bezeichnen, das ist auch für einen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland völlig inakzeptabel“, rief der Oppositionsführer.

Merz ergänzte: „Einfach nur das Gegenteil von dem zu tun, was Mitglieder des Deutschen Bundestages für richtig halten, ist auch kein Ausdruck von Führung.“ Dieser Sprachgebrauch sei „eher ein Zeichen von Unsicherheit und von Schwäche“.

Äußerungen von Scholz, die Lieferung deutscher Waffen würden möglicherweise einen dritten Weltkrieg auslösen, nannte Merz „ebenso unverantwortlich wie aus unserer eigenen historischen Erfahrung heraus falsch und irreführend“. Der Hinweis lasse nur den Schluss zu, dass aus der Sicht von Scholz alle anderen Länder, die mehr für die Ukraine täten als Deutschland, die Kriegsgefahr in Europa erhöhten. „Das ist doch eine geradezu groteske Umkehrung von Ursache und Verantwortung für diesen Krieg.“ Warum sollten gerade deutsche Waffen diese Wirkung haben, alle anderen aber nicht, fragte Merz.

Der Hinweis sei zudem „auch historisch falsch, weil doch gerade wir wissen, dass Besänftigung und Beschwichtigung – in der internationalen Sprache der Politik heißt das Appeasement – die Ausweitung einer Aggression überhaupt erst möglich macht“, sagte Merz.

Zugleich betonte er, die Bundesregierung könne sich von nun an auf ein breites Votum des Bundestages stützen und der Ukraine jene Waffen liefern, die sie brauche. Als Appeasement wird unter anderem eine beschwichtigende Haltung etwa Großbritanniens gegenüber Hitler-Deutschland bezeichnet.

SPD-Chef Lars Klingbeil warf Merz als Erwiderung auf dessen Rede parteipolitische Profilierung vor. „Das hätte heute eine staatspolitische Rede von Ihnen werden können. Es ist aber eine parteipolitische Rede geworden“, sagte Klingbeil.

Er sei dankbar dafür, dass die Ampel-Fraktionen und die CDU/CSU einen gemeinsamen Antrag auf den Weg gebracht hätten, sagte Klingbeil. „Aber hier ist kein Platz für parteipolitische Profilierung.“ Der Antrag richte das klare Signal an Putin und an die Menschen in der Ukraine, „dass wir auf der richtigen Seite der Geschichte als Deutscher Bundestag stehen“.

Der SPD-Vorsitzende appellierte an die Union, sich bei der geplanten Grundgesetzänderung für das 100-Milliarden-Sondervermögen zur Aufrüstung der Bundeswehr nicht quer zu stellen. „Machen Sie deutlich, dass Sie an der Seite der Soldatinnen und Soldaten stehen.“ Die Union, die das Verteidigungsministerium 16 Jahre lang geführt habe, müsse deutlich machen, dass sie bereit sei, die dabei begangenen Fehler zu korrigieren.

FDP begründet Waffenlieferungen mit russischen Verbrechen

FDP-Fraktionschef Christian Dürr begründete die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine auch mit der Art der russischen Kriegsführung. „Es ist richtig, schwere Waffen in diese Lieferungen mit einzubeziehen. Russland hat die Ukraine überfallen mit einem Vielfachen an Militärgerät. Fünfmal so viele Panzer, dreimal so viele aktive Soldaten. Die Ukraine befindet sich in einem Krieg auf offenem Boden“, sagte Dürr.

Es sei bereits zu sehen gewesen, was das bedeute. „Butscha ist kein Einzelfall. Jeder russische Vorstoß bedeutet, dass sich diese Verbrechen wiederholen“, sagte Dürr. In der Ortschaft nördlich von Kiew gehen Ermittler nach dem Abzug russischer Soldaten konkreten Hinweisen auf Kriegsverbrechen und die gezielte Tötung von Zivilisten nach.

Strack-Zimmermann hält militärische Hilfe für die Ukraine für nötig, bis das Land wieder sein ganzes Staatsterritorium kontrolliert. Deutschland habe Warnzeichen übersehen und „naiv, ignorant, in deutscher Ruhe“ zugesehen, wie Russland bereits vor acht Jahren einen Krieg in der Ostukraine anzettelte, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Seitdem seien 14.000 Menschen ums Leben gekommen.

„Es geht um Freiheit und Demokratie, um Selbstbestimmung, um Menschenrechte, die mit den Füßen getreten werden“, so die FDP-Politikerin. Deshalb bitte, rufe und schreie die Ukraine „nach unserer Hilfe“. Strack-Zimmermann unterstrich: „Und das mag manchen tierisch auf den Keks gehen. Wir sollten aber so lange bereit sein, da zu stehen, so lange, bis die vollständige territoriale Integrität der Ukraine wiederhergestellt ist.“

AfD sieht „Beitrittsbekundung zum Krieg“

Die AfD glaubt, dass weitere Waffenlieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine Deutschland in den Krieg hineinziehen könnten. „Heute bringen die Koalition und die Unionsfraktion einen gemeinsamen Antrag ein, der den Ukraine-Krieg verlängern wird und uns zur Kriegspartei in einem atomar geführten Krieg machen könnte“, sagte ihr Fraktionsvorsitzender Tino Chrupalla. Der Antrag lese sich wie „die Beitrittsbekundung zu einem Krieg“, kritisierte er.

Der AfD-Fraktionschef sagte, die Ukraine sei ebenso ein souveräner Staat wie Russland. „Es liegt im deutschen Interesse, auch zukünftig zu beiden Staaten ein gutes Verhältnis zu unterhalten, politisch, wirtschaftlich und kulturell.“

Was im gemeinsamen Antrag steht:

Die Bundesregierung wird darin unter anderem aufgefordert,

  • die Bemühungen um einen Waffenstillstand im Sinne der Ukrainer zu unterstützen und gegebenenfalls bereit zu sein, mit den EU- und Nato-Partnern seine Einhaltung zu gewährleisten;
  • die Ausrüstungslieferung „fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtausches zu erweitern, ohne die Fähigkeiten Deutschlands zur Bündnisverteidigung zu gefährden“;
  • „zu prüfen, ob weitere Waffen abgegeben werden können und aktiv auf andere Länder zuzugehen, um ihnen einen Ringtausch anzubieten“;
  • die Ausbildung an gelieferten Waffensystemen „in Deutschland oder auf Nato-Gebiet“ zu unterstützen;
  • entstehende Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr schnellstmöglich zu schließen.

Was Deutschland konkret tun will:

  • Gepard: Die Bundeswehr hat das Waffensystem schon seit zehn Jahren nicht mehr. Aber der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann hat noch eine mittlere zweistellige Zahl, für deren Verkauf die Regierung nun grünes Licht gegeben hat. Allerdings muss dafür erst Munition angekauft werden, dazu laufen Gespräche mit Brasilien. Die Schulung ukrainischer Ausbilder soll in Deutschland erfolgen.
  • Ringtausch: Slowenien soll eine größere Stückzahl von Kampfpanzern in der Bauart des sowjetischen T-72 an die Ukraine abgeben und dafür aus Deutschland den Schützenpanzer Marder sowie den Radpanzer Fuchs erhalten.
  • Mörser: Bundeskanzler Scholz hat gesagt, mit der deutschen Industrie sei eine Liste rasch lieferbarer Militärausrüstung erstellt und mit der Ukraine besprochen worden. Dabei nannte er die sechs Kilometer weit reichenden Granatwerfer.
  • Ausbildung: Deutschland will ukrainische Soldaten im Gebrauch der Panzerhaubitze 2000 schulen. Das 40 Kilometer weit reichende Geschütz soll von den Niederlanden an die Ukraine geliefert werden.

Was noch getan werden könnte:

  • Der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall hat bei der Bundesregierung beantragt, die Lieferung von 88 gebrauchten Leopard-Kampfpanzern zu genehmigen.
  • Ein weiterer Rheinmetall-Antrag bezieht sich auf 100 Marder.
  • Der Konzern Krauss-Maffei Wegmann beantragt, 100 Panzerhaubitzen 2000 liefern zu dürfen.

Die Ukraine hat (Stand: 21. April) seit Kriegsbeginn von Deutschland gut 2500 Luftabwehrraketen, 900 Panzerfäuste mit 3000 Schuss Munition, 100 Maschinengewehre und 15 Bunkerfäuste mit 50 Raketen erhalten. Hinzu kommen 100.000 Handgranaten, 2000 Minen, rund 5300 Sprengladungen sowie mehr als 16 Millionen Schuss Munition für Handfeuerwaffen vom Sturmgewehr bis zum schweren Maschinengewehr (mit Agenturen).

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Ramstein: US-Militärbasis in Deutschland

Für Beratungen zur Unterstützung der Ukraine hatte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin auf die Militärbasis Ramstein eingeladen. Was ist das für ein Ort und was hat das Bundesverfassungsgericht damit zu tun?

Für manche sind es die USA im Taschenformat, für andere ist es der Dreh- und Angelpunkt des weltweiten US-amerikanischen Drohnenkriegs. Seit Jahren polarisiert der Militärstützpunkt Ramstein in Deutschland.

Am Dienstag hatte US-Verteidigungsminister Llyod Austin Vertreter von 40 Staaten auf die Ramstein Air Base in Deutschland eingeladen, um über den Krieg in der Ukraine zu beraten. Deutschland sagte im Rahmen des Treffens zu, schwere Waffen an Kiew zu liefern. Was sollte man über Ramstein wissen?

Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs gehören an vielen Orten in Deutschland US-Truppen zum Stadtbild. Der Standort Ramstein ist einer von über 20 US-Militärbasen in der Bundesrepublik, gilt jedoch als wichtigster europäischer Stützpunkt für den Lufttransport der US-Streitkräfte. Auch Streitkräfte anderer Staaten haben Truppen in Deutschland stationiert.

Die Ramstein Air Base liegt im Südwesten Deutschlands

Im Zweiten Weltkrieg nutzte die deutsche Luftwaffe ein Stück der Reichsautobahn zwischen Saarbrücken und Kaiserslautern für Notlandungen. US-Truppen nahmen den Behelfsflugplatz in der Nähe zu Frankreich gegen Kriegsende ein und bauten die Stelle ab 1951 zu einer Militärbasis aus. Seit 1954 regelt ein völkerrechtlicher Vertrag den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in Deutschland.

Little America

Als Transportflugplatz dient die Ramstein Air Base heute als Logistikdrehkreuz für die US-Streitkräfte. Bei der Evakuierung aus Afghanistan im Sommer 2021 wurden etwa 7000 Menschen nach Ramstein ausgeflogen. Neben dem Flugplatz sind auch Hauptquartiere der US Air Force in Europa und Afrika sowie weitere Koordinierungsstellen auf dem Stützpunkt untergebracht.

August 2021: Die USA bringen Evakuierte aus Afghanistan zunächst auf der Ramstein Air Base unter

Die Militärbasis im Südwesten Deutschlands misst 14 Quadratkilometer und beschäftigt über 9000 US-Soldatinnen und Soldaten. In der Region sind etliche weitere Kasernen, Munitionsdepots und medizinische Einrichtungen angesiedelt, mit dem Landstuhl Regional Medical Center auch das größte Lazarett der US Army außerhalb der USA.

Die Gegend bildet somit die "Kaiserslautern Military Community". Dort leben nach US-Angaben etwa 53.000 US-Amerikaner, die in eigenen Shopping-Malls, High Schools und Bowlingbahnen in einem Little America leben können. Die Community ist damit auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: als größter Arbeitgeber in der Region und mit einem erheblichen Beitrag zum lokalen Wirtschaftswachstum.

2021: Soldaten der US Airforce spielen mit Evakuierten aus Afghanistan Fußball

Offiziell gilt deutsches Recht, aber mit Einschränkungen

In den vergangenen Jahren entbrannte in Deutschland eine Diskussion über die rechtliche Stellung von Ramstein. Ausländische Militärliegenschaften gelten in Deutschland nicht als extraterritoriales Gebiet. Somit gilt dort eigentlich deutsches Recht.

Aber das US-Militär genießt eine gewisse Immunität und Sonderrechte: Deutsche Behörden dürfen nur mit US-amerikanischer Erlaubnis auf die Basis und die USA üben selbst Strafgerichtsbarkeit bei Vergehen auf dem Stützpunkt aus.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags kam 2017 zum Schluss, dass "eine Sanktionierung von Straftaten, welche möglicherweise auf dem Stützpunkt Ramstein begangen werden könnten, durch deutsche Behörden schwierig" sei. Eine einseitige Kündigung der Stationierung durch die Bundesrepublik sei zwar rechtlich möglich, jedoch "politisch nicht gangbar", so der Bericht.

Drohnenkrieg von Deutschland aus?

Tatsächlich gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Bestrebungen deutscher Behörden genauer auszuleuchten, was in Ramstein passiert. Offiziell erklärten Regierungsvertreter lange Jahre, dazu lägen ihnen keine Erkenntnisse vor.

Seit 2013 berichten Medien in Deutschland immer wieder darüber, welche Rolle die Ramstein Airbase im weltweiten Drohnenkrieg der Vereinigten Staaten spielt.

Zwischen 2004 und 2020 kamen bei über 14.000 US-Drohnenangriffen zwischen 910 und 2200 Zivilisten ums Leben, das berichtete das Bureau of Investigative Journalism in London. Das US-Militär hat mit Drohnen Ziele in Irak, Afghanistan, Jemen, Pakistan und Somalia angegriffen.

Der frühere US-Drohnenpilot Brandon Bryant sagte 2015 vor dem NSA-Untersuchungsauschuss des Deutschen Bundestags aus, Ramstein sei "die zentrale Relaisstation" für die Tötungsmissionen gewesen: Die über einem Einsatzgebiet kreisenden Drohnen kommunizierten via Satelliten mit dem Stützpunkt in Deutschland. Dort werde das Signal verstärkt und per Glasfaserkabel in die USA geschickt. Von Endpunkten in den USA aus würden Ziele markiert und tödliche Raketen oder Drohnen ausgelöst.

Im Jahr 2016 räumt die US-Regierung ein, dass Ramstein nicht nur zur Weitergabe der Daten verwendet wird: Militärs und Geheimdienstmitarbeiter auf dem Stützpunkt in Deutschland wirkten auch bei der Planung, Überwachung und Auswertung von Angriffen mit.

Klage von jemenitischen Überlebenden

Jemenitische Überlebende eines Drohnenangriffs hatten 2014 gegen die Bundesregierung geklagt. Sie forderten die Bundesrepublik auf sicherzustellen, dass deutsches Bundesgebiet nicht für völkerrechtswidrige Angriffe genutzt werde. Die drei Männer aus dem Jemen hatten 2012 bei einem Angriff Angehörige verloren.

2019 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass die Bundesrepublik sich vergewissern müsse, ob die Vereinigten Staaten die Ramstein Air Base im Einklang mit dem Völkerrecht nutzen.

Jemen 2012: Zerstörungen nach einem Drohnenangriff im Süden des Landes

Das Verteidigungsministerium legte jedoch Revision gegen das Urteil ein und das Bundesverwaltungsgericht kassierte die Entscheidung aus Münster ein Jahr später. Es reiche nicht aus, dass Ramstein technisch das Drohnenprogramm ermögliche. Auf deutschem Boden müssten konkrete Entscheidungen getroffen werden, so das Gericht.

Im Jahr 2021 legten die jemenitischen Kläger, unterstützt durch das European Center for Constitutional and Human Rights, Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, dem höchsten deutschen Gericht. Sie pochen darauf, dass die Bundesrepublik völkerrechtswidrige Handlungen auf deutschem Territorium unterbinden muss.

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