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Nato-Aussenpolitik

Frische Panzer aus Korea: Polen rüstet gegen Putin auf

Polen rüstet seine Armee auf: Im Dezember 2022 trafen erste K2-Panzer aus Südkorea im deutschen Nachbarland ein.

Polen rüstet seine Armee auf: Im Dezember 2022 trafen erste K2-Panzer aus Südkorea im deutschen Nachbarland ein.© IMAGO / newspix

Polen hat Angst vor Russland Expansionsgelüsten und krempelt die Ärmel hoch: Der kleine Nato-Partner will die größte Landstreitkraft in Europa werden.

Warschau – Mateusz Morawiecki hat während des Ukraine-Krieges kräftig ausgekeilt und deutlich Stellung bezogen: „Wir übergeben keine Waffen mehr an die Ukraine. Wir rüsten jetzt selbst auf, indem wir uns mit modernsten Waffen ausstatten“, sagte Polens ehemaliger Premierminister bereits im September vergangenen Jahres in einem Interview mit dem polnischen Fernsehsender Polsat. Diese Marschrichtung gegenüber Wladimir Putin behält Donald Tusk als sein Nachfolger bei. Seit rund einem Jahr überschlagen sich die Meldungen über Tempo sowie Art und Weise der polnischen Aufrüstung. Die Neue Zürcher Zeitung sieht Polen gar auf dem Weg zur stärksten Armee Europas. Bis 2035 will Polen das geschafft haben.

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 war ein Schock für Polen, laut Beobachtern aber ein erwarteter. Seit 30 Jahren bereitet sich Warschaus Ostpolitik auf eine mögliche territoriale Aggression Moskaus vor und versucht, diese abzuschrecken. Polen hat Angst, wie der Publizist Janusz A. Majcherek im deutsch-polnischen Magazin Dialog schreibt: Die polnische Einstellung zu Russland und den Russen bildete sich infolge der jüngeren Geschichte, die seiner Meinung nach als eine ständige, aggressive Expansion Russlands auf Kosten Polens verlief.

Rote Linie: Polen will verhindern, dass Russland sich die Ukraine unterwirft

Dass Russland bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts einen großen Teil der Ukraine annektierte, gilt den Polen noch heute als Warnung und darauf aufbauend als Leitlinie der polnischen Ostpolitik. Polen will nicht zulassen, dass Russland sich die Ukraine unterwirft, denn dadurch würde Putins Territorium zu einer für Polen bedrohlichen Großmacht. Eine unabhängige Ukraine garantiert insofern die Unabhängigkeit Polens. Aus diesem Grunde betreibt Polen heute eine wohlwollende Politik gegenüber der Ukraine. Seit 20 Jahren gehört Polen der Nato an und ist dort ein wichtiger Partner für den Schutz der Nato-Ostflanke.

Die Nato beschloss auf ihrer Sondersitzung im März 2022, die Truppen an der Grenze zu Russland dauerhaft zu stärken. Vier Nato-Gefechtseinheiten sollen künftig in der Slowakei, in Ungarn, Bulgarien und Rumänien die Ostflanke verteidigen. Zusätzlich zu den Einheiten, die bereits in den baltischen Staaten und Polen stationiert sind, ohne dass dort Nato-Kommando-Strukturen institutionalisiert werden dürfen, um Russland weiter milde zu stimmen. Im April 2022 meldete die Nato, mit ihren Bemühungen um eine Verstärkung der Ostflanke voranzukommen – vier neue multinationale Gefechtsverbände in Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Slowakei hätten die erste Stufe der Einsatzbereitschaft erreicht. Darüber hinaus geht Polen aber auch seinen individuellen Weg.

Klare Grenze: Polen bildet die Nato-Front zu Kaliningrad und Belarus

Polen gibt inzwischen viel mehr Geld aus als ältere Bündnismitglieder. Anders auch als beispielsweise Deutschland sind die polnischen Militärs ständig wachsam gegenüber der globalen Entwicklung: Die heute gültige polnisch-russische Grenze verläuft fast geradlinig etwa 232 Kilometer lang zwischen der Republik Polen und der Verwaltungseinhalt (Oblast) Kaliningrad in der Russischen Föderation. Das Kaliningrader Gebiet ist eine Exklave, also getrennt vom übrigen russischen Territorium. Zudem trennt eine 418 Kilometer lange Grenze das EU- und Nato-Mitglied von Russlands Verbündetem Belarus. Dort sind nach polnischen Angaben zusätzlich zu den 5000 polnischen Grenzschützern bereits seit längerem 2000 Soldaten eingesetzt. Sie sollen zudem Hilfe von 500 Polizisten bekommen haben. Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak hatte auch angekündigt, Warschau wolle die Bewachung der Grenze noch mit weiteren 2000 Soldaten verstärken.

Mit 3,9 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) war der polnische Verteidigungshaushalt 2023 fast doppelt so hoch wie das Nato-Ziel von zwei Prozent des BIP für jedes Land – ein Ziel, das Bündnispartner wie Deutschland und Frankreich noch nicht erreicht haben. Blaszczak hat erklärt, Polen wolle „die größte Landstreitkraft in Europa“ aufbauen. Dazu gehört primär eine Verdoppelung des Militärs auf 300.000 Mann. Dazu war Anfang 2022 das Heimatschutzgesetz erlassen worden, um leichter Soldaten rekrutieren zu können und den Militärdienst attraktiver zu gestalten. Polen verfügt derzeit über gleichermaßen westliche wie sowjetische Ausrüstung, darunter 569 Panzer, geschätzte 800 Artilleriegeschütze, rund 100 Kampfjets und rund 30 Kampfhubschrauber. Für die Jahre 2023 bis 2026 wurden Rüstungskäufe für umgerechnet 37 Milliarden Euro eingeplant.

Lange Liste: Koreas K2-Panzer sticht den deutschen Leopard locker aus

Die neue Einkaufsliste ist lang und ging in die USA sowie nach Südkorea: Warschau orderte mehr als 360 teils gebrauchte Abrams-Panzer aus den USA, 1000 südkoreanische K2 Panzer (Black Panther), 80 Kampfflugzeuge der Typen F50 und F35, Hubschrauber und knapp 600 Panzerhaubitzen. Die ersten Lieferungen sollen bereits 2024 in Polen eintreffen, einige Panzer sind schon vor Ort. Korea hat damit die anderen Mitbewerber, insbesondere Deutschland und seinen Leopard 2, ausgestochen. Der Spiegel begründet den Deal vor allem mit dem Preis. Die Bedingungen spielen neben der reinen Technik offenbar eine große Rolle. Der Großteil von Panzern und Geschützen wird in Polen in Lizenz gebaut. Darüber hinaus können die Koreaner wohl sehr viel schneller liefern als die Konkurrenz.

Die ersten Panzer sollen noch in diesem Jahr eintreffen, die ersten Flugzeuge nächstes Jahr. Der K2 bietet wohl bereits in der Grundausstattung Innovationen, die der Leopard erst nachrüsten müsste – etwa eine aktiv wirkende Panzerung gegen angreifende Raketen. Mit einem Gewicht von nur 55 Tonnen folge der K2 dazu eher der russischen Bauweise und sei damit wesentlich leichter als westliche Modelle.

Schallende Ohrfeige: Europäische Waffenschmieden können nicht liefern

Gernot Kramper schreibt im Spiegel von einer Ohrfeige für Deutschland und seine Waffenschmieden: „Nebenher zeigt der Deal erneut, in welcher Illusionswelt die deutsche Regierung mit ihren Ringtauschkonzepten lebt. Zur Erinnerung: Einem Land, das plant 1000 hochmoderne Kampfpanzer zu beschaffen, wurden 100 alte Leopard 1 angeboten. Ein Modell, welches schon dem T-72 weit unterlegen ist. Und auch die Idee, Warschau mit 20 halbwegs modernen Leopard 2 unter die Arme zu greifen, wirkt angesichts des 1000-Panzer-Deals unfreiwillig komisch.“ Polen hat inzwischen Platz geschaffen und einige seiner älteren Waffen in die Ukraine geschickt, darunter MiG-29-Kampfjets sowjetischer Bauart, T-72-Panzer und 155-mm-Panzerhaubitzen polnischer Bauart vom Typ Krab.

Allerdings bezweifeln Beobachter den langen Atem der Polen: „Es muss hier aber genauestens beobachtet werden, wie und ob Polen die langfristige Finanzierung dieser Aufrüstung stemmen kann, um die militärische Stärke beizubehalten“, sagt Günter Hofbauer, Generalmajor im Österreichischen Bundesheer gegenüber dem Magazin profil. „Die Ausrüstung zu kaufen ist das eine, das Personal langfristig zur Verfügung zu haben und zu finanzieren, das andere.“ Die Polen selbst geben sich halbwegs selbstbewusst, wie der polnische Militärhistoriker Slawomir Debski gegenüber der Deutschen Welle erklärt: Er hält das finanzielle Engagement der Polen für weit unterhalb der Schwelle, das weithin als Umschalten in den Modus „Kriegswirtschaft“ bezeichnet wird – zumindest aktuell.

Bedingt praktikabel: Deutschland und die Suche nach der Goldrandlösung

Debski hat eher den Verdacht, dass die Politiker selbst nicht so recht wüssten, was sie meinen, wenn sie von „Kriegswirtschaft“ sprechen. „1942 waren die USA in der Lage, große Schiffe innerhalb von 14 Tagen anstelle von zwei Jahren zu produzieren“, führt er aus. „Das ist die Art von Priorisierung, die in einer Kriegswirtschaft stattfindet. Da sind wir noch nicht und es gibt keine Notwendigkeit, ein solches System in unsere eigene Wirtschaft einzuführen.“

Dass Europas große Rüstungshersteller in Deutschland und Frankreich von Polen links liegengelassen werden, hat allerdings System. Die europäische Rüstungsindustrie ist laut Expertenmeinung aktuell außerstande, die seit dem russischen Überfall auf die Ukraine explodierende Nachfrage zu bedienen – seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Produktion eingefroren. Wie der deutsche Politikwissenschaftler Carlo Masala in seinem neuen Buch „Bedingt abwehrbereit“ schreibt, war der Politik gerade in Deutschland schlichtweg egal, wie lange die Auslieferung eines bestellten Großgerätes dauerte. Masala: „Deutschland hatte immer nach einer Goldrandlösung gesucht.“ Auch der Schützenpanzer Puma hatte von den ersten Ideen bis zur Auslieferung zur Truppe 20 Jahre gebraucht; und ist immer noch extrem fehlerbehaftet und fast schon „kriegsuntüchtig“.

Spiegel-Autor Gernot Kramper sieht Deutschland nach dem spontanen Vorrücken der Polen allerdings extrem unter Zugzwang und rechnet hoch, was Deutschland an Großgerät aufbieten müsste, um mit Polens Anstrengungen auf Augenhöhe zu gelangen: „Die Verbündeten werden auch von Deutschland eine vergleichbare Anstrengung erwarten. Bezogen auf die doppelten Einwohner und die höhere Wirtschaftskraft wären es dann weit über 2000 Kampfpanzer.“

Zum Ende des Kalten Krieges 1992 hatte der damalige deutsche Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) der Bundeswehr noch eine radikale Diät verordnet. Er fasste die Weltlage damals launig so zusammen: Deutschland sei „von Freunden umzingelt“ – nach Meinung deutscher Historiker und Politikwissenschaftler habe aber tatsächlich nur ein Nato-Partner seine Sichtweise inzwischen spürbar verändert: Polen. (Karsten Hinzmann)

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