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Historikerin sieht „Dämmerung des Putinschen Regimes“ in Russland beginnen

Historikerin Françoise Thom über die Belastbarkeit von Putins Herrschaft in Russland, den Tod von Nawalny und die Reaktion des Westens.

Frau Thom, Welche politische Bedeutung hat der Tod des Oppositionellen Alexei Navalny?

Mir kommt es wie eine Ohrfeige Wladimir Putins an den Westen vor. Für den russischen Präsidenten war Navalny ein Agent des „kollektiven Westens“. Wladimir Putin schickt ihm ein Signal, das besagen soll: Ich werde bis zum Letzten gehen und ihr könnt mir nichts anhaben. Es ist aber auch ein Signal an die Russen. Das Regime schwenkt auf den reinen Terror um. Früher versuchte Putin, die Russen auf seine Seite zu ziehen, sie mit den Mitteln des Staates zu „kaufen“. Jetzt, da der Hauptteil der russischen Ressourcen in den Krieg fliesst, bleibt ihm nur noch der Terror.

Als Regimekritikerin können Sie auch nicht mehr nach Russland reisen.Wie haben Sie Wladimir Putins Interview mit Tucker Carlson aus der Ferne erlebt?

Putin ist völlig in seiner paranoiden Logik gefangen – er verteidigte sogar Hitler mit der Behauptung, dieser sei von Polen 1939 zum Einmarsch in ihr Land gezwungen worden. Ziel des Auftritts war es, den US-Kandidaten Donald Trump zu stärken und nach einem Sieg über eine munitions- und waffenlose Ukraine die westlichen Sanktionen loszuwerden. Deshalb gibt er sich verhandlungsbereit. Wobei verhandeln für Putin einzig und allein heißt, die Bedingungen der ukrainischen Kapitulation festzulegen.

Wladimir Putins Sieg bei Wahl in Russland so gut wie sicher

Sicher scheint nur, dass Putin bei der Wahl in Russland im März wiedergewählt wird...

Ja, die Gouverneure haben offenbar Anweisung erhalten, seinen Sieg bei etwas mehr als 80 Prozent festzulegen. Die Russen stimmen elektronisch ab, und diese Prozedur dauert drei Tage – da besteht genug Zeit, das gewünschte Ergebnis herzustellen. Zugleich glaube ich allerdings, dass Putins Tage gezählt sind.

So zeigt sich der russische Machthaber Wladimir Putin in Moskau diese Woche bei einem Treffen mit Bürokraten.© AFP

Wie das?

Ich habe den Eindruck, dass wir den Anfang vom Ende seines Regimes erleben. Die Russ*innen sehen, wie sich die Probleme in ihrem Land anhäufen. Im Staatsapparat denken viele, dass Wladimir Putin das Land in die Mauer fährt. In Moskau beginnt meines Erachtens langsam die „Entputinisierung“. Die Umstände erinnern mich an das Ende Stalins 1953: Schon zu seinen Lebzeiten gab es eine Art verdeckter Entstalinisierung. Auch sonst gibt es Parallelen zum heutigen Regime Putins. Stalin war am Ende seines Lebens so paranoid, dass er einen Dritten Weltkrieg vorbereitete; er ließ Intellektuelle und Weltoffene verfolgen, betrieb die Militarisierung der Gesellschaft. Zugleich bereiteten die innersten Machtzirkel 1952 die Entstalinisierung vor. Was sich damals in Moskau abspielte, könnte sich heute wiederholen. Viele Indizien deuten auf die Dämmerung des Putinschen Regimes hin.

utins Rückhalt in Russland bröckelt

Welche denn?

Schauen Sie, was bei der Fahrt des Söldners Jewgeni Prigoschins nach Moskau passierte. Da war niemand, der Putin verteidigte. Oder nehmen Sie Valery Solowey, ein Professor aus dem Machtapparat, der seit langem deklariert, Putin sei schwer krank, und der eine Majestätsbeleidigung nach der anderen begeht. Erstaunlich ist nicht das, sondern dass er weiterhin in Freiheit ist. Er muss von hoher Stelle geschützt sein, sonst hätte er schon längst 20 Jahre Strafkolonie erhalten. Auch der – unterbundene – Präsidentschaftskandidat Boris Nadeschdin hat zweifellos die Rückendeckung eines „Kremlturms“, wie man die verschiedenen Machtfraktionen in Moskau nennt; sonst hätte er nicht wochenlang an Putins Stuhl sägen können. Sein Programm war eine einzige „Entputinisierung“: Es übt offen Kritik am Kurs des Präsidenten, es bezeichnet den Krieg in der Ukraine als Fehler und die Wendung nach Osten und China als Katastrophe. Dass Nadeschdin nicht zur Wahl zugelassen wird, zeigt die Angst im Kreml.

Wie könnte denn Putins Ablösung vonstatten gehen?

Im Kreml ändern sich die Machtverhältnisse meist durch Palastrevolutionen. Die Frage ist wann. Putin wird meiner Meinung nach nicht abgelöst, solange die Ostukraine nicht fest in der Hand Russlands ist. Denn die Nachfolger Putins wollen die Dreckarbeit nicht selber erledigen. Aber wenn das geregelt ist, wird Putin ersetzt, allein schon, um Europa zu gefallen und zu versuchen, die Sanktionen zu überwinden.

Hat Putin so ein persönliches Interesse, den Krieg hinzuziehen?

Natürlich will er die Ukraine ausmerzen, so wie Stalin mit der Hungerwaffe zwei Generationen der Ukraine vernichtete. Diesbezüglich herrscht in Moskau Konsens. Putin wird in seinem Land nicht kritisiert, weil der Krieg führt, sondern weil er es von Beginn weg falsch angepackt und den Auftakt zum Krieg verpatzt hat. Aber der Krieg und die Militarisierung des Landes sichern nebenbei auch seine eigene Stellung.

Françoise Thom ist Historikerin mit Schwerpunkt auf der Geschichte der Sowjetunion. Sie hat eine Biografie von Stalins Handlanger Lawrenti Beria verfasst und ist emeritierte Professorin der Sorbonne in Paris. rba© Bereitgestellt von FR

Putin-Propaganda in Russland funktioniert

Wie ist Putins Rückhalt in der Bevölkerung? Glauben die Russ*innen der permanenten Desinformation, die aus dem Krieg eine „Spezialoperation“ macht, aus Selenskyj einen „Nazi“ und aus Russland eine „von außen bedrohte Nation“?

Ja, ich glaube, die große Masse glaubt das. All die, die Fernsehen schauen, werden völlig erschlagen von der Propaganda. Die meisten sind überzeugt, dass der Westen Russland zerstören will. Nur eine kleine urbane Elite merkt, dass das pure Lügen sind, Fake News.

Ist Putin mit seiner schamlosen, systematischen Lügnerei in Moskau ein Einzelfall?

Keineswegs. Die Besucher Russlands staunten schon im 17. Jahrhundert, wie oft man in Russland lügt. Die russische Tradition ist messianisch, das heißt auch: auf Lügen aufgebaut. Solange Russlands Politiker ihr Land nicht als normale Nation ansehen, sondern sich von einer spirituellen Mission geleitet wähnen, die zu dominieren sucht, solange wird Russland in der Lüge verhaftet bleiben.

„Putin nutzt die deutschen Schuldgefühle seit dem Zweiten Weltkriegen sehr gut“

War Europa lange naiv?

Ja, aber aus unterschiedlichen Gründen. In Deutschland gibt es seit dem Vertrag von Rapallo von 1922 eine russophile Lobby. Die Wirtschaft mit Kanzler Schröder an der Spitze blieb es weitere hundert Jahre lang. Zudem vermochte Putin die deutschen Schuldgefühle seit dem Zweiten Weltkriegen sehr gut auszunützen. In Frankreich waren dagegen eher die Intellektuellen russophil, und zwar aus purem Antiamerikanismus. Dieses Relikt aus der Ära der Parti Communiste Français (KPF) ist immer noch sehr stark. Es wird unterstützt durch Politiker wie Nicolas Sarkozy, und genährt durch die russische Propaganda, laut der Frankreich nicht frei sei, sondern abhängig von den USA, wie ihr Pudel. Das sagte der russische Botschafter in Paris noch unlängst an einer Veranstaltung, der ich beiwohnte. Kritische Fragen zu stellen war unmöglich.

Als in Paris im Zuge der Hamas-Attacke vom 7. Oktober antisemitische Davidsterne an den Hausmauern auftauchten, stellte sich heraus, dass Russischsprachige dahintersteckten. Warum protestierte niemand gegen solche eklatanten Destabilisierungsversuche, der geschickt die Banlieue-Problematik schürt?

Die sozialen Medien haben den Russen zu einem sehr starken Hebel verholfen, um das demokratische Leben in Europa oder den USA zu verwirren und zu vergiften. Sie unterstützen bewusst Immigranten mit einer antikolonialen Rhetorik. Und dazu die extreme Rechte und Linke, zugleich also Marine Le Pen oder Sahra Wagenknecht. Die Absicht dahinter ist es für Moskau, das politische Zentrum in den Weststaaten auszulöschen und Konflikte zu provozieren. In den USA haben sie bereits dramatische Auswirkungen.

Putin will aus Russland die dominierende Macht Europas machen

Hätte ein Sieg von Donald Trump bei der US-Wahl für die Ukraine wirklich verheerende Folgen,?

Wahrscheinlich schon. Europa muss sich beeilen, der Ukraine zu helfen, sich für einen amerikanischen Ausfall zu wappnen. Das Schicksal der Ukraine wird immer mehr von Europa abhängen. Wir müssen erkennen, dass dieser Krieg für uns eine Frage von Leben und Tod ist, politisch gesprochen. Denn wenn sich Russland die Ukraine einverleiben kann, dann hätten wir ein bedrohliches, bis an die Zähne bewaffnetes Russland an unseren Grenzen. Ich glaube nicht, dass Putin das sowjetische Reich wiederherstellen will; ihm schwebt eher ein paneuropäisches Projekt vor, mit Russland als dominierender Macht. Das wäre brandgefährlich.

Wie ist die Wirtschaftslage in Russland?

Immer schlechter. Dem Land fehlt es an Ausrüstung, Maschinen und im Winter an Turbinen zum Heizen. Russland hat heute eine Kriegswirtschaft, der zivile Sektor wurde geopfert. Das riesige Agrarland produziert – und nicht nur, weil die Männer an der Front sind – nicht einmal mehr genug Eier; die müssen aus Aserbaidschan importiert werden. Alles in allem geht es der russischen Wirtschaft schlecht, wenn man vom Militärsektor absieht. Wie in Sowjetzeiten.

Glauben Sie, dass Putin jemals eine Atomwaffe zünden könnte?

Ich denke nicht. Putin handelt wie ein Schurke, der angreift, wenn er sich in einer starken Position wähnt, aber letztlich feig und ängstlich ist. Er weiß, dass Nuklearwaffen die rote Linie sind und den Westen zu einer Reaktion zwingen würden. Das will er nicht.

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Russischer Wirtschafts-Boom - Mit diesen Geldtricks besorgt sich Putin die Milliarden für seinen Krieg

Wladimir Putin während einer Pressekonferenz in seinem Wahlkampfhauptquartier in Moskau, nachdem er die Präsidentschaftswahlen vom 15. bis 17. März 2024 klar für sich entschieden hat. (Foto: Contributor/Getty Images) Getty Images© Getty Images

Sanktionen über Sanktionen: Seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine tut der Westen alles dafür, um Russland wirtschaftlich zu schwächen. Doch die russischen Wirtschaftsdaten für 2023 zeigen, dass der Plan nicht aufgeht – im Gegenteil.

Wladimir Putin hat viel vor in seiner frisch verlängerten Amtszeit: Bereits in seiner Rede zur Lage der Nation, zwei Wochen vor der Wiederwahl, machte er große soziale Versprechen an sein Volk: ein umfassendes Unterstützungsprogramm für Familien, 10 Milliarden Euro für die Modernisierung des Gesundheitssystems, 350.000 neue Sportanlagen.

Große Ambitionen für einen Präsidenten, der gerade einen Krieg finanzieren und obendrein auch noch mit massiven Sanktionen des Westens zurechtkommen muss.

Russische Wirtschaft im Aufschwung

Doch die jetzt veröffentlichten Wirtschaftsdaten für 2023 geben Putin recht: Die russische Wirtschaft boomt. War das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 aufgrund der Sanktionen des Westens noch um 1,2 Prozent geschrumpft, verzeichnet die russische staatliche Statistikbehörde für 2023 ein Wachstum der russischen Volkswirtschaft um satte 3,6 Prozent. Derzeit zumindest spricht es für die von Putin stets angebrachte These, dass die Sanktionen dem Westen mehr schaden als Russland. Die Frage ist aber, wie nachhaltig dieses Wachstum ist.

Der russische Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow erklärte laut der Agentur „Tass“ lediglich, die Erholung beruhe auf einer gestiegenen Verbrauchernachfrage und Investitionen. Die Realeinkommen seien im vergangenen Jahr um 4,6 Prozent gestiegen, während der Umsatz im russischen Einzelhandel um 6,4 Prozent zugenommen habe.

Ausländische Experten führen das Wachstum laut Deutscher Nachrichtenagentur DPA dagegen vor allem auf die gestiegenen staatlichen Ausgaben für Rüstung und Militär zurück: Soldauszahlungen und Entschädigungen für Verletzte oder Getötete würden dazu beitragen, dass viele russische Familien über mehr Geld verfügten. Aufgrund des Arbeitskräftemangels stiegen außerdem die Löhne.

Putin verfolgt clevere Taktik

Doch woher nimmt Putin seine Milliarden für den Krieg?

Es sei lange nicht klar gewesen, „wie das Budget angesichts der steigenden Ausgaben fürs Militär finanziert werden soll“, so Oleg Vyugin, frühere Vizechef der russischen Zentralbank und des Finanzministeriums in einem Gespräch mit der „Welt“.

Doch dann bediente sich Präsident Putin eines cleveren Tricks: „Bis vor zwei Jahren herrschte die strenge Budgetregel, dass nur die Öleinnahmen bis zu einem Preis von 45 bis 50 Dollar je Fass für laufende Ausgaben verwendet werden durften und alles, was darüber lag, gespart wurde“, so Vyugin. Diese Regel sei aufgehoben worden. Nun könnten alle Einnahmen sofort verwendet werden. Das seien angesichts des Ölpreises von 80 Dollar im Vorjahr große Summen gewesen. „Auch wurde der Nationale Wohlstandsfond angezapft, sodass die liquiden Mittel dort 2023 um mehr als die Hälfte schrumpften. Und die illiquiden auch“, erzählt Vyugin der „Welt“ weiter.

Wofür dieser Wohlstandsfonds eigentlich gedacht war, sei nie so richtig klar gewesen: „Alles, was dazu gesagt wurde, war reine Rhetorik“, so der Ex-Finanzminister. „In Wirklichkeit war es so was wie eine eiserne Reserve für alle Fälle. Dass man dieses Geld nun fürs Budget hernahm, heizte die Nachfrage und die Löhne an und stützte die Wirtschaft". Dazu käme, dass die Sanktionen des Westens oft umgangen werden könnten.

Russische Warenwelt lässt „keine Wünsche offen“

Das kann man besonders gut in den russischen Einkaufsmeilen beobachten. Denn hier geht vielerorts alles seinen gewohnten Gang: Wo Anfang des Krieges noch Leerstand herrschte, weil einige westliche Marken sich aus Russland zurückgezogen hatten, haben laut DPA-Informationen längst andere die Geschäfte übernommen: Mode aus der Türkei, Technik von Miele oder Apple. Über Parallelimporte aus Drittländern kommen viele Waren nach Russland; viele Moskauer betonten gegenüber der DPA, die russische Warenwelt ließe „keine Wünsche offen“.

Auch viele deutsche Unternehmen sind weiterhin in Russland tätig, wie zum Beispiel der Großhandelskonzern „Metro“: „Wir tragen Verantwortung für unsere rund 9000 lokalen Mitarbeitenden und versorgen viele der klein- und mittelständischen Kunden - also Restaurants und Händler – mit Lebensmitteln“, sagte ein Sprecher. Den Krieg verurteile das Unternehmen „aufs Schärfste“. Es sei aber auch nicht im eigenen Interesse, das Geschäft Oligarchen aus dem Umfeld der russischen Regierung zu überlassen.

Deutscher Handel mit Russland: Historisches Tief

Trotzdem gilt die Lage des deutschen Handels mit Russland als extrem instabil: Laut dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft verzeichnete der Handel zwischen Deutschland und Russland im vergangenen Jahr einen historisch beispiellosen Einbruch um 75 Prozent.

Russland, einst ein wichtiger Lieferant von Gas und Öl für Deutschland, rutschte von Platz 14 im Jahr 2022 auf Platz 38 der Handelspartner ab. Für 2024 zeichnet sich jedenfalls erst mal ein weiterer Anstieg des russischen BIP ab, wenn auch nur noch um 1,5 Prozent. Ex-Finanzminister Vyugin hält die Prognose für wahrscheinlich: „Sie ist durchaus möglich“, so Vyugin zur „Welt“. „Die Militärausgaben steigen ja stark, und das liefert abermals einen Impuls, wenn auch nicht so stark wie im vergangenen Jahr“.

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Russlands Wirtschaft wird noch 18 Monate durchhalten, bevor es bergab geht, sagt ein Think-Tank

Russia's President Vladimir Putin holds a glass during a ceremony of receiving diplomatic credentials from foreign ambassadors at the Kremlin in Moscow, Russia.© Reuters/Sergei Karpukhin
Russia's President Vladimir Putin holds a glass during a ceremony of receiving diplomatic credentials from foreign ambassadors at the Kremlin in Moscow, Russia.

Nach Ansicht der "Carnegie Endowment for International Peace" könnte Russlands wirtschaftliche Stärke noch anderthalb Jahre anhalten, bevor sie zu schwinden beginnt.

Die in Washington DC ansässige Denkfabrik verwies auf die Trotzreaktion des Landes auf die Invasion in der Ukraine. Die russische Wirtschaft sei trotz steigender Militärkosten und westlicher Handelsbeschränkungen immer noch stark. Der Internationale Währungsfonds hat vorausgesagt, dass das Land in diesem Jahr schneller wachsen wird als alle anderen entwickelten Volkswirtschaften, einschließlich der USA.

Das läge zum Teil daran, dass Russland in der Lage war, die Sanktionen zu umgehen, so die Forscher. Dies könne beispielsweise gelingen, indem es sein Öl an seine Verbündeten verkauft und gleichzeitig westliche Waren über Drittländer importiert.

"Es ist eine paradoxe Situation entstanden: Die russische Wirtschaft ist jetzt sowohl trotz als auch wegen der westlichen Sanktionen stabil", schrieb Alexandra Prokopenko in einem Bericht. Sie ist Mitarbeiterin des Carnegie Russia Eurasia Center. "Aber diese hart erkämpfte Stabilität ist nicht von Dauer. Im besten Fall wird das derzeitige Arrangement wahrscheinlich innerhalb von achtzehn Monaten aufgrund wachsender Ungleichgewichte und möglicher sozialer Probleme auseinanderbrechen", warnte Prokopenko.

Russlands politisches Trilemma

Russland befindet sich in einem politischen "Trilemma". Im dritten Jahr des Krieges in der Ukraine steht das Land vor drei großen Problemen. Für Putin bestünde das Problem darin, das russische Militär zu finanzieren, den Lebensstandard der russischen Bürger aufrechtzuerhalten und die Wirtschaft stabil zu halten. Alle drei Ziele wären für Russland immer schwieriger zu erreichen, so Prokopenko.

Anzeichen von Schwäche sind bereits an die Oberfläche getreten. Der Kreml plant, in diesem Jahr eine Rekordsumme für sein Militär auszugeben. Das könnte die Wirtschaft des Landes belasten, da die Verteidigungsausgaben "im Allgemeinen unproduktiv" wären und es nicht klar sei, ob der Krieg zwischen Russland und der Ukraine in absehbarer Zeit ende, so Prokopenko.

Auch die Lebensbedingungen könnten sich langsam verschlechtern. Zwar leben die Russen nach Ansicht von Wirtschaftsexperten derzeit weitgehend normal, doch ist die Inflation in die Höhe geschnellt und hat die Zentralbank veranlasst, die Zinssätze auf satte 16 Prozent anzuheben. Wenn es der Zentralbank gelingt, die Inflation zu senken, wird dies die Einkommen schmälern, da die Wirtschaft anfängt zu schrumpfen.

Sinkende Einkommen könnten sich auch auf die Fähigkeit der Russen auswirken, ihre Kredite zurückzuzahlen. Das erhöhe das Risiko einer Verschuldung, so der Think-Tank.

"Dies erhöht das Risiko sozialer Unzufriedenheit: Niemand wird gerne Lohnkürzungen hinnehmen", fügte Prokopenko hinzu.

Ökonomen warnen vor düsterer Zukunft

Und obwohl Russland über die nötigen Instrumente verfügt, um seine Wirtschaft stabil zu halten und eine Rezession vorerst zu vermeiden, warnen Ökonomen vor einer düsteren Zukunft angesichts des Arbeitskräftemangels, der sinkenden Produktivität und der zunehmenden Isolation des Landes vom Rest der Welt.

"In einer Wirtschaft, die politischen Zwängen unterworfen ist, gibt es wenig Anreize für eine nachhaltige Entwicklung. Früher oder später wird dies dem Wohlstand der einfachen Russen schaden. Mit anderen Worten: Vorübergehende Korrekturen und ein Rückgang des Lebensstandards werden den politischen und wirtschaftlichen Gegenwind für den Kreml noch verstärken", so Prokopenko.

Experten haben vor kurzfristigen sozialen Unruhen in Russland gewarnt, insbesondere wenn sich der Lebensstandard weiter verschlechtert. Bis zum Ende des Jahres könnte es zu massiven Unruhen kommen, so drei Ökonomen gegenüber Business Insider. Vor allem, wenn der Westen die Sanktionen gegen Moskau weiter verschärft.

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Russlands dreckige Ölgeschäfte

Putins dunkle Flotte bedroht Deutschland

Wladimir Putin: Der russische Präsident schickt Tausende Schrotttanker durch die Weltmeere. (Quelle: IMAGO / SNA, Getty Images / SHansche/imago-images-bilder)© Bereitgestellt von t-online (Deutsch)

Wladimir Putin: Der russische Präsident schickt Tausende Schrotttanker durch die Weltmeere. (Quelle: IMAGO / SNA, Getty Images / SHansche/imago-images-bilder)

Wladimir Putin schickt seine Geisterflotte um die Welt, damit Russland westliche Sanktionen umgehen kann. Die Schrotttanker des Kremls sind aber nicht nur ein politisches Ärgernis, sondern auch eine ernsthafte Gefahr für Küstenstaaten.

Wladimir Putin kämpft seit dem Beginn seiner Invasion in der Ukraine mit einem Problem. Russlands Wirtschaft ist abhängig von Rohstoffexporten und westliche Sanktionen haben es für den Kreml deutlich schwerer gemacht, russisches Öl und Gas auf den Weltmärkten zu verkaufen. Während EU-Staaten und die USA ohnehin nur noch wenige russische Rohstoffe kaufen, scheuen andere Staaten vor Geschäften mit Moskau zurück – aus Angst, auch sie könnten mit Sanktionen belegt werden. Doch das ist nur die offizielle Perspektive.

In Wahrheit machen auch Verbündete des Westens weiterhin Geschäfte mit Putin. Ihre Unternehmen haben zusammen mit russischen Ölfirmen ein verdecktes Netzwerk aufgebaut, um westliche Sanktionen zu umgehen und Milliarden US-Dollar vor allem mit dem Handel mit russischem Öl zu verdienen. Westliche Maßnahmen zeigten dagegen kaum Wirkung, im Gegenteil: Vor allem EU-Staaten können nur dabei zusehen, wie Putins Tanker in internationalen Gewässern vor ihren Küsten seine Kriegskasse füllen.

Ein maroder Tanker vor Istanbul in der Türkei: Putin schickt seine Schattenflotten mit russischem Öl um die Welt. (Quelle: IMAGO/John Wreford / SOPA Images/imago)© Bereitgestellt von t-online (Deutsch)

Ein maroder Tanker vor Istanbul in der Türkei: Putin schickt seine Schattenflotten mit russischem Öl um die Welt. (Quelle: IMAGO/John Wreford / SOPA Images/imago)

Während das russische Gasgeschäft im Jahr 2024 langsam einbricht, hat Moskau sich bei seinen Ölexporten in rasanter Geschwindigkeit auf die neuen Gegebenheiten eingestellt. Putin hat eine Schattenflotte aufbauen lassen, die Öl aus Russland in die Weltmeere tragen. Experten schätzen sie mittlerweile auf bis zu 2.000 Tanker, die teilweise von Russland nach dem Krieg aufgekauft worden sind.

Diese Schiffe spülen aber nicht nur Geld in Putins Kriegs, sondern sie werden auch zur ernsthaften Gefahr – besonders für Deutschland und die Ostsee.

Putin nutzt Geisterschiffe für seinen Ölschmuggel

Dabei ist es gar nicht so, dass Russland diese Schiffe vor den Augen des Westens versteckt. Sie ankern in internationalen Gewässern in der Ostsee, warten darauf, in den russischen Ölhäfen Primorsk oder Ust-Luga betankt zu werden. Vor den Augen der finnischen oder der estnischen Küstenwache. Westliche Schiffe können um sie herausfahren, sie identifizieren. Videos dokumentieren, wie alt diese Schiffe sind, oft ist ihr Rumpf schon komplett mit Rost bedeckt.

Russland bedient sich aktuell einer ähnlichen Strategie wie seine Verbündeten im Iran oder in Nordkorea, die auch schon lange mit westlichen Embargos konfrontiert sind. Putins Schiffe sind zumindest offiziell nicht im Besitz von russischen Firmen. Sie fahren etwa unter kamerunischer Flagge oder gehören offiziell zu einem Inselstaat im Pazifik. Manchmal haben sie offiziell keinen Besitzer und während der Fahrt schalten sie ihre Ortungssysteme aus oder verfälschen ihre Route, damit ihr tatsächlicher Seeweg nur schwer nachvollzogen werden kann.

Das hat ihnen bei Experten den Spitznamen "Schattenflotte" oder "dunkle Flotte" des Kremls eingebracht.

Teil der Ölpipeline Druschba in Russland (Archivbild): Moskau verkauft aktuell einen Großteil seines Öls über den Seeweg. (Quelle: Itar-Tass/imago-images-bilder)© Bereitgestellt von t-online (Deutsch)

Teil der Ölpipeline Druschba in Russland (Archivbild): Moskau verkauft aktuell einen Großteil seines Öls über den Seeweg. (Quelle: Itar-Tass/imago-images-bilder)

So können die Tanker heimlich Staaten beliefern, die noch Geschäfte mit Russland machen und das Öl dann am Weltmarkt weiterverkaufen. Andere Tanker füllen ihr Öl auf den Weltmeeren auf Schiffe von Unternehmen um, die nicht vom Westen sanktioniert werden. Auch das passiert nicht im Verborgenen. Im vergangenen Jahr galt der lakonische Golf von Griechenland als beliebter Umschlagplatz für russisches Öl. Von der Küste aus konnte man dort Tanker sehen, die stundenlang nebeneinander standen und wahrscheinlich russisches Öl austauschten.

Die Folge: Ist das Öl erst einmal ausgetauscht, kann niemand mehr festmachen, wo das Öl wirklich herkam und falls doch, wie viel russisches Öl transferiert wurde. Eine große Lücke im westlichen Sanktionssystem, von der Putin massiv profitiert.

Kreml findet Käufer für sein Öl

Auch diesem ausgeklügelten System hat es Russland zu verdanken, dass die Ölgeschäfte in den vergangenen Jahren nicht eingebrochen sind. Wegen der Sanktionen bot Russland sein Öl unter dem Weltmarktpreis an. Viele Großmächte wollten sich ein solches Schnäppchen nicht entgehen lassen. Russlands Not wurde für sie zum lukrativen Rohstoffgeschäft.

Russlands dreckige Ölgeschäfte: Putins Geisterflotte bedroht Deutschland© Bereitgestellt von t-online (Deutsch)

Vor der russischen Invasion in der Ukraine war die EU für Moskau der wichtigste Abnehmer für russisches Rohöl. Das hat sich schlagartig geändert. Aber vor allem ChinaIndien und die Türkei sprangen ein. Peking kauft laut Daten des Centre of Research on Energy and Clean Air (Crea) mittlerweile 48 Prozent der russischen Rohölexporte, gefolgt von Indien (35 Prozent), der EU (7 Prozent) und der Türkei (6 Prozent). Damit ist die Sorge des Westens durchaus berechtigt, dass der chinesische Präsident Xi Jinping den Krieg von Putin indirekt finanziert.

Während die Volksrepublik China durch die Größe ihrer Wirtschaft sehr energiehungrig ist und Putin sein Rohöl relativ billig verkauft, rechtfertigt sich Indien damit, den Weltmarktpreis für Rohöl mit den Käufen niedrig halten zu wollen. Denn, so die Logik, würde das rohstoffreichste Land sein Öl nicht mehr verkaufen können, würden durch das geringere Angebot die Preise explodieren.

Xi Jinping und Wladimir Putin in Peking: China ist mit Abstand der größte Käufer von russischem Öl. (Quelle: IMAGO/Alexander Ryumin/imago-images-bilder)© Bereitgestellt von t-online (Deutsch)

Xi Jinping und Wladimir Putin in Peking: China ist mit Abstand der größte Käufer von russischem Öl. (Quelle: IMAGO/Alexander Ryumin/imago-images-bilder)

Doch das stimmt nur zum Teil. Indien und die Türkei verdienen mit diesen Geschäften vor allem sehr viel Geld. Ihre Unternehmen kaufen russisches Öl, ihre Raffinerien verarbeiten es teilweise zu Benzin oder Diesel weiter und verkaufen es dann wieder – auch nach Europa und nach Deutschland. Der Seehandelsexperte Ami Daniel sagte dem Sender n-tv im März: "Für Händler und Unternehmen ist die Versuchung riesig, da mitzumachen. In fünf Monaten könnten sie bis zu 40 Millionen US-Dollar verdienen."

Eigentlich haben die USA und die EU bei Rohölkäufen eine Obergrenze von 60 Dollar pro Barrel eingeführt, auch um Putin dazu zu zwingen, sein Öl unter Marktwert zu verkaufen. Doch das funktioniert nicht wirklich, da viele Staaten diesen Preis nicht akzeptieren oder ihn heimlich umgehen.

Der Ostsee droht eine Katastrophe

Das ist für Washington ein Grund mehr, gegen Putins Geisterflotte vorzugehen. Seit Jahresbeginn landen immer mehr Schiffe auf der US-Sanktionsliste und können beschlagnahmt werden. Aber das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Zwar wurden schon russische Schattentanker beschlagnahmt, aber wenn Schiffe auf der Sanktionsliste landen, nutzt Russland einfach andere. Das ist die Realität.

Ölbohrung in Tatarstan, Russland: Die Ölgeschäfte sind das Rückgrat der russischen Wirtschaft. (Quelle: SNA/imago-images-bilder)© Bereitgestellt von t-online (Deutsch)

Ölbohrung in Tatarstan, Russland: Die Ölgeschäfte sind das Rückgrat der russischen Wirtschaft. (Quelle: SNA/imago-images-bilder)

Putins Tanker fahren auf den Weltmeeren nicht nur offiziell herrenlos, sondern ein Großteil von ihnen ist auch nicht versichert. Niemand wäre verantwortlich, wenn eines dieser Schiffe untergeht oder einen Unfall hat. Für Beobachter ist es aufgrund der Zustände der Tanker lediglich Glück, dass bislang noch nichts Schlimmeres passiert ist. Der ehemalige estnische Außenminister Jaan Manitski sagte bereits im August 2023 dem ZDF: "Es wäre eine Katastrophe für die Ostsee, wenn ein rostiger Tanker auseinanderbrechen würde. Das kann jederzeit passieren."

Dabei war es schon knapp. Ein Geisterschiff konnte im August vergangenen Jahres nicht weiterfahren, die Maschinen versagten und es musste zurück in einen russischen Hafen geschleppt werden. Zudem bilden sich beim Öltransfer zwischen den Tankern immer wieder Ölteppiche vor Griechenland. Die EU hat zwar Maßnahmen angekündigt, aber bislang gab es auf europäischer Ebene nicht wirklich einen politischen Vorstoß. Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass Ungarn, die Slowakei und Tschechien weiterhin russisches Öl kaufen.

Es ein Dilemma. Putins Geisterflotte kann weiterhin in internationalen Gewässern Geschäfte machen und sich relativ sicher fühlen. Dabei muss Deutschland davon ausgehen, dass dem Kremlherrscher es im Angesicht der aktuellen Konflikte mit dem Westen wahrscheinlich relativ egal ist, wenn seine Schiffe eine Naturkatastrophe in der Ostsee auslösen. Aber bisher schaut der Westen größtenteils nur dabei zu, wie Putins "dunkle Flotte" um den europäischen Kontinent steuert.

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„Ein Krieg beginnt nicht erst, wenn Bomben fallen“

Sabotage aus Russland nur eine Frage der Zeit? Unternehmen merken zunehmend „verdächtige Dinge“

Die Feuerwehr löscht einen Großbrand bei der Firma Diehl in Berlin-Lichterfelde© Marius Schwarz/Imago

Die deutsche Wirtschaft sensibilisiert sich zunehmend dafür, dass aus Russland eine Gefahr drohen könnte. Verfassungsschützer warnen: Der nächste Sabotage-Akt kommt bestimmt.

Berlin/Moskau – „Ein Krieg beginnt nicht erst, wenn Bomben fallen“. So warnt der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, in der WirtschaftsWoche vor der wachsenden Bedrohung aus Russland auch für die deutsche Wirtschaft. Spätestens nachdem ein Angriff auf den Vorstandsvorsitzenden Rheinmetalls, Armin Papperger, vereitelt werden konnte, dürften auch deutsche Unternehmen sensibilisiert worden sein. Darüber hinaus hat es in Europa in den vergangenen Wochen und Monaten zu viele eigenartige Vorkommnisse gegeben, die einen stutzig werden lassen dürften. Alles nur Zufall?

Brände in ganz Europa lassen Sabotage aus Russland vermuten – Anschläge in Frankreich auch?

Da war der Großbrand bei der Firma Diehl in Berlin-Lichterfelde. Oder Ende März die Lagerhalle in London, die Feuer fing, bei der die Feuerwehr später auch Brandbeschleuniger fand. Oder das größte Einkaufshaus in Polen, das von einem Tag auf den anderen niederbrannte. Während dieser Text geschrieben wird, wird von Sabotage in Frankreich berichtet, die den Zugverkehr wenige Stunden vor der Eröffnungsfeier der olympischen Spiele lahmlegt. Mutmaßungen über Verantwortliche gibt es noch keine. Angesichts jüngster Hinweise und vergangener Ereignisse dürfte die Frage aufkommen, ob eine Nähe zu Russland besteht.

Bis auf im jüngsten Fall steht nämlich Russland bei den Geheimdiensten im Fokus. Weshalb die Geheimdienste jetzt auch deutlicher warnen als zuvor: Russland versucht in Europa Chaos zu stiften. „Zunehmende geopolitische Rivalitäten wie auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verschärfen die Gefährdungslage“, schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im Juni 2023 deshalb in einem Sicherheitshinweis an die Wirtschaft. In Polen sei ein Spionagering aufgedeckt worden, der den Auftrag gehabt haben soll, kritische Infrastruktur auszuspähen und Sabotagehandlungen vorzubereiten. „Der Fall des Spionagerings in Polen deutet darauf hin, dass künftig vermehrt auch mit Sabotageversuchen zu rechnen ist“.

Am heutigen Freitag (26. Juli) veröffentlicht das BfV auch einen neuen Hinweis mit folgender Warnung an die Wirtschaft: „Im europäischen Ausland wird derzeit in mehreren Fällen versuchter bzw. erfolgter Brandstiftung sowie in Bezug auf Vandalismus und Propagandaaktivitäten ermittelt, die auf russische Nachrichtendienste zurückzuführen sein könnten“.

Russland nutzt offenbar neue Wege für die Sabotage – russischstämmige Mitarbeiter werden angesprochen

Die Mittel des Kremls seien laut BfV auch neu. Es werde nicht nur auf „hauptamtliche Akteure“ gesetzt – also Spione – sondern es würden auch Kleinkriminelle auf Kanälen wie Telegram kontaktiert. Deshalb empfiehlt der Verfassungsschutz auch Unternehmen, ihre Mitarbeiter für „Ausforschungs- und Anbahnungsversuchen“ zu sensibilisieren.

Der Verfassungsschutz hat zudem Hinweise darauf, dass russische Nachrichtendienste gezielt Social-Media-Profile von Mitarbeitern deutscher Unternehmen auswerten. „Ziel soll es gewesen sein, Personen zu identifizieren, die für russische Einflussnahme- oder Anbahnungsversuche empfänglich sein könnten“, heißt es in einem aktuellen Sicherheitshinweis des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Gegenüber der Zeit berichtet Günther Schotten, Geschäftsführer der Interessenvereinigung Allianz, dass mehrere Unternehmen auch schon „verdächtige Dinge festgestellt haben, etwa unbekannt Pkw in der Einfahrt, aus denen Leute herausfotografieren“. Und noch beunruhigender: „Wir bemerken auch die Kontaktaufnahme durch russische Organisationen zu russischstämmigen Mitarbeitenden in deutschen Unternehmen und Organisationen, mit dem Ziel, dass sie sich in den Dienst Russlands stellen“, so Schotten. „Du hast als Unternehmen nicht nur Freunde“, warnt er daher.

Entsprechend fordert er, genauso wie das BfV, dass verdächtige Aktivitäten und Situationen sofort an den Verfassungsschutz gemeldet würden.

Russland versucht Chaos zu stiften – und es funktioniert auch schon

Die Ziele Russlands sind Experten zufolge nicht nur militärische Bereiche oder Rüstungsfirmen. Jede Firma und jeder Bereich der öffentlichen Ordnung könnte ein Ziel sein. „Es geht darum, westliche Demokratien zu destabilisieren“, so Verfassungsschützer Kramer in der WiWo. Ein anonymer Sicherheitsmitarbeiter sagte es in der Zeit noch deutlicher: „In den Ländern Europas soll der Bevölkerung klargemacht werden, dass sie für die Unterstützung der Ukraine einen Preis bezahlen wird“. Es soll die öffentliche Meinung beeinflusst werden und so die Unterstützung aus dem Westen für die Ukraine schwächen.

Dass diese Strategie auch schon erfolgreich ist, liegt auf der Hand. Einer aktuellen Umfrage der EU zufolge sehen mittlerweile 41 Prozent der Deutschen die finanzielle Unterstützung der Ukraine skeptisch. In Italien befürwortet eine Mehrheit der Befragten (51 Prozent) eine neutralere Position der EU gegenüber dem Konflikt, 40 Prozent unterstützen die Ukraine. Mittlerweile gibt es auch nur eine knappe Mehrheit (55 Prozent), die Waffenlieferungen an die Ukraine befürworten.

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Kritik in Russland

Kriegsziele verfehlt: Russlands Stimmung gegen Putins Krieg kippt

Der russische Präsident Wladimir Putin in einer nachdenklichen Pose.© Vasily Maximov / Pool / AFP

Russland macht mobil: gegen Putin. Zumindest im Geheimen. Laut einer Umfrage wächst die Zahl der Befürworter eines Friedensvertrags mit der Ukraine.

Moskau – „Ist der alte Mann noch eine Bereicherung oder bereits eine Belastung?“, sei eine mittlerweile wiederholt gestellte Frage unter Russlands Eliten – das behauptet Ekaterina Schulmann. Die Wissenschaftlerin des Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin sieht aber noch keine Gefahr für Wladimir Putin ob seiner Misserfolge im Ukraine Krieg. Offenbar beließen Russlands Profiteure alles beim Alten, so lange ihnen ein Machtkampf in Moskau zu gefährlich erschiene. Jetzt käme aber Gegenwind auch aus der Bevölkerung, berichtet die Kiew Post unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage.

Demnach votierten aktuell fast 50 Prozent der russischen Bevölkerung für einen Truppenabzug aus der Ukraine und für Friedensverhandlungen, auch wenn die militärischen Ziele des Kremls nicht erreicht würden. Dies ginge aus einer gemeinsamen Umfrage der unabhängigen Meinungsforschungsinstitute ExtremeScan und Chronicles hervor, wie die Kiew Post schreibt. Diese Umfrage ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Erstens müssten sich danach die Befragten dezidiert gegen Putin gestellt und das auch geäußert haben, und zweitens schiene sich das russische Diktum eines Befreiungskrieges gegen das faschistische Ausland in Luft aufgelöst zu haben.

Kursk als Warnung: Russlands Bevölkerung befürwortet Rückzug aus der Ukraine

Auch die Kiew Post äußert Erstaunen über den vermeintlichen öffentlichen Sinneswandel. Das sei ein Anstieg von fast zehn Prozent gegenüber den drei vorherigen Umfragen seit Februar 2023, berichtet die Post. Im Februar dieses Jahres soll eine Umfrage durch das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Lewada noch ergeben haben, dass 77 Prozent der Russen einen umfassenden Krieg in der Ukraine befürworteten, wie das Magazin berichtet. Die Vergleichbarkeit beider Umfragen vorausgesetzt, müsste sich die öffentliche Meinung insofern tatsächlich deutlich gewandelt haben.

„Kreml-Propaganda, Manipulation und Ablenkungsmanöver können angesichts der schlechten Nachrichten, die in ganz Russland breit diskutiert werden, nur begrenzt etwas bewirken.“

Jonathan Teubner, New York Times

Allerdings rückt das Magazin Newsweek die Zahlen ins rechte Licht und stellt damit deren Aussagekraft infrage: Die Umfrage soll zwischen dem 10. und 17. September unter 800 Personen durchgeführt worden sein – die Frage der Repräsentativität bleibt insofern unbeantwortet. Aktuell umfasst Russland rund 143 Millionen Menschen – ein Viertel davon soll auf dem Land leben. Die der Umfrage zugrunde liegende Matrix bleibt im Dunklen.

Andere Meinungsforscher sehen die „öffentliche Meinung“ differenziert: Aller Entwicklungen an der Front zum Trotz würden sich die Russen gleichermaßen weiterhin um Putin scharen, betont Waleri Fjodorow, der Politologe und Chef des Meinungsforschungsinstituts VCIOM im Interview mit dem staatlichen Sender RBC: „So unterschiedlich diese Gruppen auch waren, alle, mit Ausnahme derjenigen, die weggezogen waren, schlossen sich um Wladimir Putin zusammen. Sie halten ihn nicht nur als Symbol, sondern auch als rettenden Anker fest. In der Extremsituation, in der sich Russland heute befindet, bleibt Putin ein Beschützer und Retter“, sagt er.

Ukraine selbstbewusst: Selenskyjs Volk glaubt weiterhin an Möglichkeit eines Sieges

Die scheinbare Unauflösligkeit der Situation zeigt sich darin, dass die Ukrainer ihrerseits mehrheitlich weiter an Erfolge auf dem Schlachtfeld glauben und emotional weit weit weg sind von einer Kapitulation – das hat eine Umfrage der in den USA ansässigen Carnegie-Stiftung ergeben. Nicole Gonik und Eric Ciaramella fassen die Umfrage dergestalt zusammen, dass die Erwartungen in einen Sieg der Ukraine noch hoch sind. Die Empfehlung der Autoren an Präsident Wolodymyr Selenskyj und westliche Regierungen lautet aber gleichwohl, klar zu kommunizieren, was militärisch überhaupt machbar sei.

„Je länger sich der Krieg hinzieht, desto weniger Vertrauen haben die Menschen darin, dass er für sie und für Russland zu einem guten Ende kommen wird“, sagte Aleksei Miniailo, ein russischer Oppositionspolitiker und Mitbegründer von Chronicles, gegenüber dem Magazin Newsweek. Allerdings scheint das eher eine Kritik an dem Verlauf des Krieges zu sein, anstatt an dessen Ursachen – was durchaus vom Kreml gesteuert ist; wie das Desaster um Kursk zeigt. Putin schiebt die Niederlage auf das Militär ab, wie die Washington Post berichtet: Der Kreml habe stillschweigend einer umfassenden Säuberung im Verteidigungsministerium zugestimmt – der Vorwurf lautet häufig: Korruption oder Betrug. Festnahmen ziehen sich wohl auch hinunter bis in niedrigere Offiziersränge.

Gegenoffensive in Sozialen Medien: Kritik an Putin unter Bloggern wächst

Möglicherweise hat sich dieser politische Kniff aber inzwischen abgenutzt. „Die Haltung der Russen gegenüber Putin könnte sich ändern“, hatte vor rund vier Wochen die New York Times (NYT) behauptet. Ende August hatten Meinungsforscher veröffentlicht, dass in wichtigen Regionen Russlands die Missstimmung gegen Wladimir Putin steige – auf der Basis von Daten in Sozialen Medien. Selbst die Propaganda des Kreml über die Mainstream-Kanäle könne da kaum gegensteuern, hatte das in den USA ansässige Analyse-Unternehmen FilterLabs AI behauptet.

FilterLabs habe laut eigener Aussage festgestellt, dass die Zustimmung gegenüber Putin sinke; sowohl in den sozialen Medien –darunter Plattformen wie Social Media, Messaging-Apps, Online-Foren und Kommentarbereiche für Nachrichten – als auch in der Mainstream-Presse. Spätestens seit dem Eindringen ukrainischer Truppen auf dem russischen Territorium habe sich demnach die Stimmung in der Bevölkerung verschlechtert; so geografisch wie militärisch oder strategisch nichtig der von der Ukraine besetzte Zipfel Russlands auch sein mag.

Zahlen belegen: Putins Nimbus bröckelt da, wo er Soldaten rekrutiert und Panzer produziert

FilterLabs hat eine Missstimmung gegenüber Putin festgestellt gerade in den Regionen, „die das russische Verteidigungsministerium für die Rekrutierung von Zeitsoldaten ins Visier genommen hat“, wie die Analysten schreiben. Mit dem Vormarsch der Ukraine nach Russland hinein habe Putins Nimbus einen gehörigen Kratzer erhalten. FilterLabs hat auch Missmut festgestellt in Regionen, die für die Rüstungsproduktion entscheidend sind.

Fakt scheint demnach zu sein, dass Putins Arm kürzer ist als vielleicht vermutet. FilterLabs kommt zu der Überzeugung, dass die Kontrolle der Mainstream-Medien aus Moskau heraus noch leidlich funktioniere. „Außerhalb der nationalen Nachrichten und der Hauptstadt ist es jedoch angesichts wirtschaftlicher und anderer Herausforderungen schwieriger, den Abwärtstrend der Stimmung in den Nachrichtenagenturen zu kontrollieren“, schreibt FilterLab.

„Putins Reaktion auf den Übergriff der Ukraine wurde im besten Fall als unzureichend und im schlimmsten Fall als beleidigend empfunden“, sagte Jonathan Teubner, der Geschäftsführer von FilterLabs, wie die NYT berichtet. Teubners Analysen sind die eine Seite der Medaille im Für und Wider der Diskussion ob der Stabilität des Systems Putin. „Es ist derzeit schwierig, die Wirkung der ukrainischen Gegenoffensive einzuschätzen“, sagte Teubner laut der NYT. „Aber es ist klar, dass sie schockierend und für Putin peinlich ist. Kreml-Propaganda, Manipulation und Ablenkungsmanöver können angesichts der schlechten Nachrichten, die in ganz Russland breit diskutiert werden, nur begrenzt etwas bewirken“, führt er aus.

Kursk als Wendepunkt: Russland will scheinbar endlich zur Ruhe kommen

Damit hätte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erreicht, was er gegenüber der freien Welt als Ziel der ukrainischen Offensive in Richtung Moskau ausgegeben hatte – mit all den Verlusten auf beiden Seiten, die damit ihren politischen Wert erhielten. Allerdings bleibt fraglich, ob der Countdown der putinschen Diktatur tatsächlich läuft, oder ob der Potentat das Leiden der kämpfenden Kräfte oder der zivilen Bevölkerung ins Unendliche wird verlängern können.

In Russland herrsche im Allgemeinen eine bunte Mischung aus Angst und dem Wunsch, das Leben auf unterschiedliche Weise zu normalisieren, wie der russische Meinungsforscher Waleri Fjodorow gesagt hat. Demnach wolle der Russe vielleicht tatsächlich die Auseinandersetzung mit der Ukraine gewinnen, aber er wolle auch sein eigenes Leben vom Weltgeschehen abstrahieren, formuliert Fjodorow gegenüber RBC. Gleichzeitig beobachte er Anpassungsprozesse: Auch wer nicht aktiv kämpfe, habe eventuell Angehörige an der Front; womit der Krieg näher an das eigene Leben heranreiche und entsprechende Gefühle und dann letztendlich Stimmungen provoziere.

Und die Hauptstadt Moskau sei ohnehin ein Kosmos für sich – da sei der Krieg noch viel abstrakter spürbar als beispielsweise in Kursk. Dennoch registriere die Bevölkerung, dass jeder Tag Überraschungen bringen könnte – beispielsweise einen Drohnen-Angriff auf den Kreml, wie Fjodorow sagt. „Die meisten sind überzeugt, dass wir nicht angefangen haben und dass wir uns eher gegen den kollektiven Westen verteidigen, als ihn anzugreifen.“

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Zu hoher Leitzins schuld? - Russische Wirtschaft steht vor Pleitewelle

 

Der russische Präsident Wladimir Putin Maxim Shemetov/Pool Reuters/AP© Maxim Shemetov/Pool Reuters/AP

Die russische Wirtschaft steht vor einer Pleitewelle. Viele russische Unternehmen nahmen Kredite auf, als der Leitzins besonders niedrig war. Vor kurzem hat die Zentralbank diesen aber wieder angehoben. Das macht es für viele Firmen nahezu unmöglich, ihre Schulden zu begleichen.

Die russische Wirtschaft steht vor einer Pleitewelle. Unternehmen haben Schwierigkeiten, ihre Schulden zurückzuzahlen. Wie „Daily Express“ berichtet, haben viele russische Firmen in den letzten Jahren Kredite mit der Hoffnung auf niedrige Zinsen aufgenommen. Diese Hoffnung basierte auf dem Leitzins der Zentralbank, der nach dem Beginn des Ukraine-Krieges und den folgenden Sanktionen zuerst auf 20 Prozent stieg, dann aber wieder auf 7,5 Prozent fiel. In der Hoffnung, dass diese rückläufige Tendenz anhalten würde, verschuldeten sich viele Unternehmen stark.

Zu hoher Leitzins?

Die Zentralbank hat den Leitzins kürzlich drastisch auf 21 Prozent erhöht, um die steigende Inflation zu bekämpfen. Dies macht es für viele Unternehmen nahezu unmöglich, ihre Schulden zu begleichen. Laut „Daily Express“ haben sich die Unternehmenspleiten in den ersten neun Monaten dieses Jahres um über 20 Prozent im Vergleich zu 2023 erhöht. Oleg Kusmin, ein Ökonom bei Renaissance Capital, warnte, dass besonders hochverschuldete Unternehmen gefährdet seien. Diese Unternehmen sind oft auf neue Kredite angewiesen, um alte Schulden zu tilgen. „Diese Option ist bei Zinsen über 20 Prozent nicht mehr tragbar“, erklärte Kuzmin.

Vorauszahlungen decken Produktionskosten nicht ab

Sergei Tschemesow, Chef des staatlichen Rüstungskonzerns Rostec, äußert ernsthafte Bedenken: „Wenn wir so weitermachen, werden die meisten unserer Unternehmen bankrottgehen“. Tschemesow erklärte, dass die Vorauszahlungen für Aufträge lediglich 40 Prozent der Produktionskosten abdecken und der Rest von Banken geliehen werden müsse. „Selbst Waffenverkäufe bringen nicht genug Gewinn, um Schulden bei diesen Zinssätzen zu bedienen“, fügte er hinzu.

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2024 neuer Höchstwert erreicht

Neue Zahlen zeigen horrende Verluste: Putins „Fleischwolf-Taktik“ vor dem Scheitern

Neue Zahlen aus dem Ukraine-Krieg gehen davon aus, dass Russland aktuell mehr Soldaten denn je verliert. Putins bisherige Taktik gerät ins Wanken.

Kiew - Die russische Armee soll im vergangenen Jahr insgesamt knapp 430.000 tote und verwundete Soldaten verzeichnet haben. Die neuen Zahlen gehen aus einem Bericht des britischen Verteidigungsministeriums hervor, der am Dienstag (7. Januar) veröffentlicht wurde. Sollten die Berechnungen stimmen, bedeuten die Verluste einen deutlichen Anstieg im Vergleich zum Jahr 2023. Laut Angaben des Ministeriums lag die Zahl der Verwundeten und Toten damals bei knapp 253.000.

„Der Dezember 2024 war mit insgesamt 48.670 Verlusten, die der ukrainische Generalstab meldete, für Russland wahrscheinlich der verlustreichste Monat des Krieges“, teilte das Verteidigungsministerium mit. Bereits seit Juli hätten die Zahlen jeden Monat fortlaufend zugenommen, mit schließlich 45.680 verzeichneten Verlusten im November und noch einmal knapp 3000 mehr im Dezember.

Russische Verluste im Ukraine-Krieg sollen im Dezember 2024 einen Gesamt-Höchstwert erreicht haben

Dabei habe nicht nur die Gesamtzahl, sondern auch die tägliche Zahl an russischen Verlusten im Dezember einen neuen Höchststand erreicht. „Die durchschnittliche tägliche Verlustrate lag bei 1570“, geht aus dem Bericht hervor. Ein Tag steche für die russische Armee besonders heraus: „Am 19. Dezember 2024 wurde ein neuer Höchststand von 2200 Verlusten an einem einzigen Tag verzeichnet.“

Mit seinen Haubitze vom Typ „Giatsint-B“ gelingen Russland im Ukraine-Krieg immer wieder bedeutende Militärschläge. Nun setzt der Kreml offenbar einen modifizierten Raketenwerfer an der Front ein.© IMAGO / ITAR-TASS

Angesichts der neuen Daten für 2023 steigt die Zahl der russischen Verluste seit Kriegsbeginn im Februar 2022 auf insgesamt 790.000. Die Zahlen können nicht unabhängig geprüft werden, da sich Russland ebenso wie die Ukraine stets mit Informationen über Verluste in den eigenen Reihen zurückhalten.

Russisches Militär gewann in den vergangenen Monaten neue Gebiete in der Ukraine

Das britische Verteidigungsministerium ebenso wie der Ukrainische Generalstab vermuten, dass Russland höchstwahrscheinlich im Januar weiterhin zahlreiche Verluste in Kauf nehmen wird, da die Infanterie-Angriffe auf mehreren Achsen in der Ukraine fortgesetzt würden. Darunter versteht man eine militärische Offensive zu Fuß kämpfender Soldaten, für die Russland im Ukraine-Krieg bekannt ist.

Die für Russland charakteristische Taktik im Ukraine-Krieg, inzwischen auch als „Fleischwolf-Taktik“ bekannt, scheint zumindest im vergangenen Jahr stellenweise aufgegangen zu sein. Besonders seit dem Sommer gelangen dem russischen Militär deutliche Vorstöße: So hat Moskau Medienberichten aus Kiew zufolge 2024 fast 3600 Quadratkilometer ukrainischen Gebiets erobert. Das entspricht einer Fläche fast 1,5-mal so groß wie das Saarland.

Russlands „Fleischwolf-Taktik“ in der Ukraine: Ist womöglich ein Ablaufdatum in Sicht?

Die stetig zunehmende Zahl von Verletzten und Toten zeigt jedoch auch den Preis, den Russland für seine Gebietseroberungen zahlt. Fie Taktik wird demnach als „Fleischwolf-Taktik“ bezeichnet, weil sie absichtlich den Verlust von Fußsoldaten in Kauf nimmt. Feindliche Stellungen sollen in mehreren Angreifer-Wellen erschöpft und schließlich in die Knie gezwungen werden. Es geht demnach nicht um militärische Überlegenheit durch Waffen, sondern durch eine höhere Anzahl an Soldaten.

Inwiefern diese Taktik dauerhaft aufgeht, bleibt fragwürdig. 2023 waren bereits zahlreiche Berichte über russische Gefängnisinsassen öffentlich gemacht geworden, die im Austausch gegen einen Fronteinsatz ihre Freilassung beantragen konnten, um die Truppen in der Ukraine wieder zu stärken. Im vergangenen Jahr häuften sich schließlich Meldungen über angeworbene Kämpfer aus dem Ausland, darunter aus afrikanischen Ländern und aus Nordkorea.

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„Gehen langsam zu weit“

Putin ringt mit Problem der russischen Wirtschaft – und droht zu scheitern: „Außer Kontrolle“

2025 wird für die russische Wirtschaft kein einfaches Jahr. Denn Putins Priorität gilt weiterhin dem Krieg, indes steigt die Inflation und der Zentralbank gehen die Mittel aus.

Moskau – Während Wladimir Putin immer mehr Geld in den Ukraine-Krieg pumpt, um das Wirtschaftswachstum zu befördern, bleiben Herausforderungen der russischen Wirtschaft auf der Strecke. Putins Pläne, den Ukraine-Krieg als Booster für die russische umzufunktionieren, hat besonders die Inflationsrate befeuert. Vermeintliche Gegenmittel können die steigende Inflation offenbar nur schwer eindämmen.

Russlands Wirtschaft wegen Inflation weiterhin unter Druck – hebt die Bank den Leitzins erneut an?

Die Inflationsrate in Russland stieg im Dezember 2024 auf 9,50 Prozent, im November betrug die Inflationsrate noch 8,90 Prozent. Nach Erwartungen der Analysten von Trading Economics wird die Inflationsrate in Russland noch weiter steigen. Ökonom Liam Peach, leitender Schwellenmarktökonom bei Capital Economics, rechnet mit einer Inflationsrate von 10,50 Prozent noch zu Beginn des Jahres 2025.

Putin und russische Rubel© ITAR-TASS/imago/ Bai Xueqi/dpa (montage)

Eine zu erwartende, steigende Inflation könnte darauf hindeuten, dass die bisherigen Schritte der russischen Zentralbank wenig Wirkung zeigt. Im Zuge der hartnäckigen Inflation hatte die Zentralbank wiederholt ihren Leitzins angehoben. Derzeit liegt er bei 21 Prozent – entgegen der Erwartungen hatte das Finanzinstitut den Leitzins im Dezember unverändert gelassen. Peach betonte: „Die Inflation ist außer Kontrolle und wir glauben, dass die Tendenz zu einer weiteren Straffung der Geldpolitik in den kommenden Monaten bestehen bleibt, da die Inflation weiter steigt und die Inflationserwartungen hoch bleiben.“

Mittel zur Bekämpfung der Inflation hilft Russlands Wirtschaft offenbar wenig

Weitere Experten gehen sogar davon aus, dass die Zentralbank den Leitzins einen neuen Rekordwert erreichen könnte. So geht Jewgeni Nadorschin, Chefvolkswirt der Unternehmensberatung PF Capital, von einem Leitzins von bis zu 25 Prozent aus. Doch wird eine weitere Anhebung des Leitzinses langfristig helfen, die hohe Inflation zu dämpfen?

Sollte die Zentralbank ihren Leitzins weiter anheben, würde das viele Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete Anfang Dezember, dass sich Zahlungsausfälle in der gesamten Wirtschaft ausbreiteten. Bei großen und mittelgroßen Unternehmen kam es demnach zwischen Juli und September zu Zahlungsverzug von 19 Prozent, bei kleinen Unternehmen lag der Zahlungsverzug im gleichen Zeitraum bei 25 Prozent.

Chefs großer Staatsunternehmen und Wirtschaftslobbygruppen äußerten bereits im Oktober 2024 ihre Sorge vor einem höheren Leitzins, weil dieser Investitionsprojekten der russischen Wirtschaft schaden könnte. „Es ist klar, dass wir die Zinsen erhöhen müssen, um die Inflation einzudämmen, aber wir gehen langsam zu weit“, sagte Oligarch Alexey Mordashov, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens Severstal damals. „Wir geraten in eine Situation, in der die Medizin gefährlicher werden könnte als die Krankheit.“

Sanktionen und hohe Ausgaben schwächen Russlands Wirtschaft

Ein noch größerer Knackpunkt, der die Inflation antreibt, sind Putins Militärausgaben. Im Jahr 2024 gab der Kreml laut der Moscow Times rund 10 Billionen Rubel (100 Milliarden Dollar) für Militärausgaben aus, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Auch im Jahr 2025 plant Putin massive Staatsinvestitionen für das Militär und für den Krieg. Doch langfristig werden die hohen Ausgaben die Wirtschaft überhitzen – von einer nachhaltigen Investition in die russische Wirtschaft kann also nicht die Rede sein. Wenn Putin die hohe Inflation bekämpfen will, müsste er zuerst die hohen Kriegsausgaben bremsen.

Auch eine Stabilisierung des Rubels würde dazu beitragen, dass die Inflation nicht weiter steigt. Zuletzt hatte der Rubel-Verfall die Inflation zusätzlich befeuert. Auslöser des abstürzenden Rubels waren Sanktionen der USA, die sich gegen die Gazprombank, und ihre sechs ausländischen Tochtergesellschaften richteten. US-Sanktionen vom Sommer 2024 hatten zudem dafür gesorgt, dass der Rubel-Wechselkurs volatiler wird. Gleichzeitig steigen die Preise für importierte Güter – was auch daran liegt, dass sich der Kreml immer teurere Maßnahmen einfallen lassen muss, um westliche Sanktionen zu umgehen.

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Sanktionen treffen russisches Öl: China und Indien ziehen sich zurück

 

Auf dem Foto sind Öltanks im russischen Hafen Kozmino zu sehen, von dem aus Rohöllieferungen nach China und Indien erfolgen.© Getty Images, Konstantin Zavrazhin

In China gibt es keine Interessenten für die Märzauslieferungen von russischem Öl, nachdem neue US-amerikanische Sanktionen gegen die russische "Schattenflotte" zu einer Erhöhung der Transportkosten per Tanker geführt haben. Diese Tanker sind von den Sanktionen nicht betroffen, berichtet Reuters. Eine ähnliche Situation herrscht auch in Indien.

Am 10. Januar führten die USA ein neues Paket von Sanktionen ein, das unter anderem Gazprom Neft und Surgutneftegas sowie finanzielle und versicherungsbezogene Institutionen betrifft, die an Öl- und Gastransaktionen beteiligt sind. Es betrifft auch über 180 Schiffe, die zur "Schattenflotte" gehören, das heißt Einheiten, die entgegen den Verboten russisches Öl transportieren.

Wie Reuters am Dienstag berichtete, haben diese Sanktionen bereits konkrete Auswirkungen gezeigt. Die Hauptabnehmer von russischem Öl, China und Indien, haben die Käufe aus Russland eingestellt, da die Versandkosten des Rohstoffs per Schiff, das nicht auf der Sanktionsliste steht, zu hoch geworden sind.

Reuters berechnete, dass im Jahr 2024 der Import von Öl aus Russland 36 % des Ölimports in Indien und etwa ein Fünftel des Imports in China ausmachen könnte.

Mitte Januar bewertete die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem monatlichen Bericht über den Ölmarkt, dass das neueste Paket amerikanischer Sanktionen, das sich auf die russischen Ölerzeuger und die sogenannte Schattenflotte konzentriert, die russischen Liefer- und Distributionsketten von Erdöl erheblich stören könnte. "Obwohl die Sanktionen umfassend sind, ist ihre volle Auswirkung auf den Ölmarkt und die russischen Lieferungen ungewiss", stellte die IEA fest.

Werden die neuen Sanktionen nicht lange helfen?

Reuters berichtete bereits am 13. Januar, dass China und Indien begonnen haben, nach neuen Quellen zu suchen, aus denen sie Öl beziehen könnten. Die Agentur fügte hinzu, dass Analysten behaupten, die neuen US-amerikanischen Sanktionen könnten den Export von russischem Öl kurzfristig verringern, aber Russland könnte sich anpassen, indem es Schiffe seiner Hilfsflotte nutzt, die noch nicht sanktioniert sind.

Reuters berichtet auch, dass die genaue Größe der russischen Hilfsflotte unbekannt ist, jedoch wird geschätzt, dass sie aus fast 600 Tankern besteht.

Wird Brüssel Putin treffen?

Mitte Januar begann die Europäische Kommission mit den Konsultationen mit den Mitgliedstaaten über das neue, 16. Sanktionspaket der EU gegen Russland. Diskutiert werden unter anderem Beschränkungen für den Import von russischem Aluminium, einschließlich Draht, Rohre und Folie, sowie weitere Beschränkungen für landwirtschaftliche Produkte aus Russland, einschließlich Düngemittel. Auch Sanktionen auf verflüssigtes Erdgas (LNG), die sogenannte Schattenflotte und eine Senkung der Preisobergrenze für russisches Öl stehen zur Debatte, was von den skandinavischen und baltischen Ländern sowie Polen gefordert wurde.

Wie jedoch aus EU-Quellen zu erfahren ist, gibt es für einige der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Sanktionen keine Chancen, da einige EU-Länder nicht zustimmen werden. Es scheint jedoch kein Problem zu geben, die Zölle auf einige landwirtschaftliche und Lebensmittelprodukte aus Russland und Weißrussland zu erhöhen, einschließlich Düngemittel. Laut EU-Diplomaten werden die Mitgliedstaaten nicht zustimmen, Sanktionen für den Import von Aluminium einzuführen. In den Brüsseler Fluren wird sogar gesagt, dass das Thema russisches Aluminium ein "Testballon" ist, den die Europäische Kommission fast bei jedem neuen Sanktionsprojekt startet, um zu prüfen, ob sich die Einstellung der Mitgliedstaaten geändert hat.

Ein Problem könnten auch Energiesanktionen gegen Russland sein, einschließlich russisches LNG, was von den skandinavischen und baltischen Ländern sowie Polen und auch der Regierung Spaniens gefordert wurde, da dieser Vorschlag wahrscheinlich nicht von der Mehrheit der EU-Länder unterstützt wird.

Es gibt jedoch Chancen für Sanktionen bezüglich der Schattenflotte. Bisher konzentrierten sich die Sanktionspakete hauptsächlich darauf, weitere Einheiten auf die schwarze Liste zu setzen. Momentan stehen nur 72 von etwa 600 Schiffen darauf. Jetzt wollen die Mitgliedstaaten jedoch Wege finden, um die Aktivitäten der Flotte effektiv einzuschränken.

Zu den vorgeschlagenen Lösungen gehört unter anderem die obligatorische Kontrolle von Versicherungsverträgen von Einheiten, die sich in europäischen Gewässern bewegen. Die Schattenflotte besteht aus alten, maroden Schiffen, die größtenteils nicht versichert sind, was im Falle von z. B. einem Ölleck niemanden verantwortlich macht und ein Risiko für die EU-Gewässer darstellt. In den Brüsseler Kreisen wird auch über die Idee gesprochen, die Hafenprozeduren für diese Einheiten so zu verlängern, dass das Einlaufen in die Häfen und der Öltransport für sie völlig unprofitabel wird.

Bezüglich der Senkung der Preisobergrenze für russisches Öl wird die Entscheidung den G7-Staaten überlassen, die noch 2022 die Preise auf 60 Dollar (58 Euro) pro Barrel festgelegt haben. Am Montag argumentierten sechs Länder in einem Schreiben an die Europäische Kommission, dass es an der Zeit sei, die Senkung der Ölpreise in die Sanktionsliste aufzunehmen. Die Europäische Kommission machte jedoch klar, dass die endgültige Entscheidung darüber von den G7-Partnern abhängen wird.