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Maschinenbau: Mehr als 50 Prozent Chinageschäft – na und?

Röhrenproduktion in China

Röhrenproduktion in China© Getty

Die deutschen Maschinenbauer sind vorsichtig geworden. Diese riesige Branche mit Tausenden Unternehmen und Hunderttausenden Beschäftigten konnte viele Jahre lang entspannt mit der Frage umgehen, welcher ihr größter Einzelmarkt ist. Amerika und China sind seit Langem gleichauf, mal liegt das eine Land vorne, mal das andere. Rund 10 Prozent der Exporte gehen hierhin wie dorthin, alles bestens. Spätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine aber hat sich die Perspektive verändert: Was, wenn der chinesische Markt, so wie der russische, wegbricht, weil ein weiterer Krieg es unausweichlich macht, diesmal gegen Taiwan?

Viele raten den Unternehmen, sich neue Märkte zu suchen – Branchenpräsident Karl Haeusgen vorneweg. Den China-Anteil kann kein einzelnes Land beisteuern, es geht um Diversifizierung. Das dürfte schwierig genug sein, denn die deutschen Maschinenbauer sind ohnehin schon in beinahe jedem Winkel der Erde aktiv. Wo sollen da mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz zusätzlich herkommen? Es ist die Größenordnung, um die es geht. Und es gibt Unternehmen, die sogar deutlich mehr als jene 10 Prozent ihres Geschäfts in China machen.

Einst Pioniere, nun abhängig

Zum Beispiel in Thüringen: Die Ruhlamat GmbH ist in der 6000-Einwohner-Gemeinde Gerstungen zu beträchtlicher Größe gewachsen. Vor allem wegen China. Für Daniel Sandlos, Finanzchef in der Geschäftsleitung des Sondermaschinenbauers, ist Ruhlamat ein eher kleiner Mittelständler – bei rund 1200 Beschäftigten und 140 Millionen Euro Umsatz eine konservative Selbsteinschätzung. Durchaus typisch für die Branche. Weniger typisch ist das Volumen des Chinageschäfts, gemessen an der Gesamtgröße des Unternehmens. Ruhlamat hat in Su­zhou, rund zwei Stunden entfernt von Schanghai, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft, die mit 650 Beschäftigen knapp 100 Millionen Euro Umsatz beisteuert.

Es handelt sich nicht etwa um eine verlängerte Werkbank, sondern um einen „vollwertigen Sondermaschinenbauer“, mit allem Drum und Dran: Produktion, Montage, Entwicklung, Vertrieb, Service. Leitung und Geschäftsführung sind deutsch. Außerdem gibt es ein halbes Dutzend weitere, kleinere Beteiligungen in China. Aber nicht nur die Größe ist bemerkenswert, sondern auch die komplette Eigenständigkeit. Heute sei das in dem Land kaum noch möglich, sagt Sandlos. Aber im Jahr der Gründung, 1998 also, sei Ruhlamat ein Pionier gewesen – wenn man einmal absieht von Volkswagen, die schon seit den Achtzigerjahren in China aktiv, aber schließlich ein ganz anderes Kaliber seien.

Sondermaschinenbau bedeutet, dass Ruhlamat für beinahe jede Anwendung die passende Maschine bauen kann. In der Pandemie etwa waren es auch solche zur Herstellung von Schutzmasken. Viel bedeutender ist für das Unternehmen allerdings die Automobilindustrie, genauer: die Zulieferer. Da trifft es sich gut, dass Bosch ebenfalls in Suzhou eine Milliarde Euro in ein neues Werk investieren will. Die Thüringer werden sicher profitieren. Eine ihrer Stärken ist die Automatisierung von Montagelinien, ein Markt, der in Deutschland weitgehend gesättigt ist. In China sehe das anders aus. Dort, sagt Sandlos, gebe es ein „unglaubliches Potential“. Der Auftragseingang dort sei „phänomenal“. Wenn er Ruhlamat in den nächsten Jahren einen Umsatz von 200 bis 250 Millionen Euro zutraut, dann hat das viel mit den Möglichkeiten in China zu tun.

Der Schatten der Taiwanfrage

Wäre da nicht der Schatten der Taiwanfrage. Über die richtige Strategie wird bei Ruhlamat seit ungefähr einem Jahr intensiv diskutiert. Das Unternehmen ist Teil der Mack-Gruppe, die vier Maschinenbauunternehmen unter ihrem Dach vereint. Die anderen drei sind Zwerge im Vergleich zu Ruhlamat. „Wir haben noch keine richtige Antwort gefunden“, gibt Sandlos offen zu. Würden die Thüringer ihre so dominante und wichtige chinesische Tochtergesellschaft verkaufen, wäre das Ergebnis „ein Konkurrent vor der eigenen Tür“.

Operativ und finanziell habe man die deutsche und chinesische Gesellschaft zwar „weitestgehend“ entflochten, insofern würden in Thüringen nicht die Lichter ausgehen, käme es zum schlimmsten Fall. Aber natürlich wäre dieses Szenario für Ruhlamat ein „absolutes Desaster“. Da ist die sanfte Landung in der Pandemie ein geringer Trost. Zwar sei seit 2019 kein Besuch in China mehr möglich gewesen, die Quarantänevorschriften hätten das verhindert. Aber das sei verkraftbar gewesen, der sehr eigenständigen deutschen Leitung in Suzhou und neuen Onlineformaten sei Dank. Bleibt Sandlos und Co. vorerst nur die „Hoffnung, dass es nicht so endet wie in Russland“, also mit dem kompletten Zusammenbruch eines Marktes. Allerdings seien die Verflechtungen zwischen China und Deutschland, abgesehen vom eigenen Unternehmen, so groß, dass er sich das heute kaum vorstellen könne.

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IWF sieht Deutschland und Großbritannien als Schlusslichter der Weltwirtschaft – und hebt die Prognose für Russland erneut an

Brandenburg Gate illuminated with British flag to commemorate the London attack victims of March 22/ 2017, on March 23/ 2017 in Berlin, Germany

Brandenburg Gate illuminated with British flag to commemorate the London attack victims of March 22/ 2017, on March 23/ 2017 in Berlin, Germany© Getty Images
Brandenburg Gate illuminated with British flag to commemorate the London attack victims of March 22/ 2017, on March 23/ 2017 in Berlin, Germany

Deutschland und Großbritannien werden zu den Schlusslichtern der Weltwirtschaft. Das geht aus dem neuen Ausblick des Internationalen Währungsfonds hervor. Für Deutschland erwartet der IWF 2023 ein kleines Wirtschaftswachstum von 0,1 Prozent und hob damit seine Deutschland-Prognose aus dem Herbst um 0,4 Prozentpunkte an. In Großbritannien werde das Bruttoinlandsprodukt 2023 um 0,6 Prozent am stärksten von allen betrachteten Ländern schrumpfen.

Überraschend hob der IWF die Prognose für Russland erneut an. Trotz aller Sanktionen werde Russlands Wirtschaft in diesem Jahr um 0,3 Prozent wachsen, also stärker als Deutschland und kaum weniger als die Euro-Zone. Der IWF hob damit bereits zum zweiten Mal in Folge die Prognose für Russlands Wirtschaft an. Im Juli hatte die Organisation Russland für 2023 noch einen Einbruch der Wirtschaft um 3,5 Prozent vorhergesagt. Im Herbst hatte es die Prognose auf minus 2,3 Prozent abgemildert. Nun stuften die IWF-Ökonomen die Prognose für Russland so stark herauf, wie für kein anderes Land.

Insgesamt verkrafte die Weltwirtschaft die Folgen des Kriegs in der Ukraine und die hartnäckig hohe Inflation etwas besser als zunächst befürchtet, urteilt der Währungsfonds. Hoffnung mache das Ende der Corona-Abschottung in China. „Die globalen Wirtschaftsaussichten haben sich nicht verschlechtert. Das ist eine gute Nachricht, aber es ist nicht genug», sagte IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas am Dienstag bei der Vorstellung des Berichts in Singapur. Der Weg zu einer vollständigen Erholung habe gerade erst begonnen.

Das globale Wachstum werde sich im Vergleich zu 3,4 Prozent 2022 in diesem Jahr auf 2,9 Prozent verlangsamen. Doch die Aussichten seien „weniger düster“ als noch im Oktober angenommen, betonte Gourinchas. Grund dafür seien „positive Überraschungen“ und eine „unerwartet hohe Widerstandsfähigkeit“ in zahlreichen Volkswirtschaften, so der Bericht. Ein Treiber der Weltwirtschaft könnte in diesem Jahr Chinas Abkehr von der Null-Covid-Strategie sein.

IWF sieht Deutschland und Großbritannien als Schlusslichter der Weltwirtschaft – und hebt die Prognose für Russland erneut an

IWF sieht Deutschland und Großbritannien als Schlusslichter der Weltwirtschaft – und hebt die Prognose für Russland erneut an© Internationaler Währungsfonds

Der IWF erwartet in diesem Jahr kein Abrutschen der Weltwirtschaft in die globale Rezession, was die Ökonomen noch im Herbst nicht ausgeschlossen hatten. Die aktuelle Prognose könne einen Wendepunkt darstellen. Das Wachstum könne seinen Tiefpunkt erreichen, während die Inflation zurückgehe. Sollte China mit den Impfungen gegen das Coronavirus schneller vorankommen, würde dies einen Aufschwung sichern.

Allerdings zählt der Bericht auch etliche Risiken auf, die eine Verschlechterung der Wirtschaftslage zur Folge hätten: eine weitere Verschärfung der Corona-Situation in China, eine Eskalation des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und eine Schuldenkrise als Folge der Zinserhöhungen der Zentralbanken.

In seiner aktualisierten Prognose rechnet der IWF in diesem Jahr mit einem globalen Wachstum von 2,9 Prozent. Das sind 0,2 Prozentpunkte mehr als noch im Oktober angenommen – allerdings ist das Wachstum unter dem historischen Durchschnitt der vergangenen Jahre. Für 2024 wird ein Wachstum von 3,1 Prozent erwartet.

Für die Eurozone prognostiziert der IWF ein Wachstum von 0,7 Prozent in diesem Jahr – ein um 0,2 Prozentpunkte höheres Wachstum als zuvor angenommen.

„Die Prognose für ein geringes Wachstum im Jahr 2023 spiegelt die Zinsanhebung der Zentralbanken im Kampf gegen die Inflation – insbesondere in den Industrieländern – sowie den Krieg in der Ukraine wider“, hieß es in der Prognose. Für etwa 90 Prozent der Industrieländer werde in diesem Jahr ein Wachstumsrückgang prognostiziert.

Dass die Weltwirtschaft stärker wachsen soll, als noch im Oktober angenommen, liege auch daran, dass Europa die Energiekrise durch den Krieg in der Ukraine besser verkraftet hat als erwartet. Generell sei trotz heftigen Gegenwinds das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal 2022 in zahlreichen Volkswirtschaften überraschend stark gewesen – darunter in den Vereinigten Staaten und im Euroraum.

Auch die Zinsanhebungen der Zentralbanken zeigten Wirkung, so der IWF. Es gebe Anzeichen dafür, dass die strenge Geldpolitik die Inflation bremse. „Aber die volle Wirkung wird sich wahrscheinlich nicht vor 2024 einstellen“.

Für 2023 rechnet der IWF weltweit mit einer Teuerungsrate von 6,6 Prozent, im kommenden Jahr soll sie dann bei 4,3 Prozent liegen. Dennoch werde es dauern, bis wieder Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von ungefähr zwei Prozent herrsche. In der großen Mehrheit der Staaten wird die Teuerungsrate im Jahr 2024 immer noch über dem Niveau vor der Corona-Pandemie liegen. „Die jüngsten Nachrichten über die Inflation sind ermutigend. Aber die Schlacht ist noch lange nicht gewonnen“, warnte IWF-Chefvolkswirt Gourinchas.

Alle Augen dürften nun auf China liegen. Die Wiedereröffnung des Landes mache in vielen Staaten den Weg für eine rasche Erholung der Wirtschaft frei. Diese könnte allerdings in Stocken geraten, falls die Konjunktur in China durch heftige Corona-Wellen oder weitere Verschlechterungen im Immobiliensektor stärker abschwächt. Im Moment gehe man aber von einer Stabilisierung aus. In dem Land lag das Wachstum im Jahr 2022 laut IWF bei drei Prozent. Es sei das erste Mal seit mehr als 40 Jahren gewesen, dass Chinas Wachstum unter dem weltweiten Durchschnitt gelegen habe.

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Geschäftsmodell Deutschland in Gefahr: „Nur Autos nach China liefern, reicht nicht“

Geschäftsmodell Deutschland in Gefahr: „Nur Autos nach China liefern, reicht nicht“

Das deutsche Geschäftsmodell ist in Gefahr. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Passe sich die Wirtschaft der veränderten Welt an, winken weiter gute Geschäfte.

München – Covid-Pandemie, Ukraine-Krieg, Lieferengpässe bei Halbleitern und Kabelbäumen, drohender Gasmangel: Die letzten Jahre stellten die Weltwirtschaft vor enorme Probleme. Besonders betroffen: Der Exportweltmeister Deutschland, der stärker als andere Länder auf stabile Lieferketten, globale Zusammenarbeit und freien Handel angewiesen ist. Doch das wird es künftig nicht mehr im selben Maße geben wie früher, was die deutsche Wirtschaft gefährde. Davor warnt eine gemeinsame Studie der Beratungsgesellschaft Prognos und der Bayern LB. Offenbar haben die jüngsten Krisen nämlich nur sichtbar gemacht, was sich schon länger abgezeichnet hat.

Außenhandel: Industrieprodukte haben an Bedeutung verloren

„Der Außenhandel hat nicht mehr die gleiche Bedeutung wie vor 15 Jahren, er ist schon lange kein Wachstumstreiber mehr“, erklärt Michael Böhmer, Chefvolkswirt der Prognos AG, bei der Vorstellung der Studie in München – und verweist auf globale Handelsdaten. Demnach hat der Anteil des Warenhandels an der Wirtschaftsleistung bis zur Finanzkrise stark zugenommen, seither stagniert er aber (siehe Grafik).

Geschäftsmodell Deutschland in Gefahr: „Nur Autos nach China liefern, reicht nicht“

Geschäftsmodell Deutschland in Gefahr: „Nur Autos nach China liefern, reicht nicht“© Bereitgestellt von Merkur

Foto © Prognos AG, Bayern LB, Grafik: Münchner Merkur

Vor allem Industrieprodukte wie Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge hätten wirtschaftlich an Bedeutung verloren, so Böhmer. Für Deutschland, das viel Geld mit diesen Produkten verdient, ist das ein Problem. Dass die Globalisierung schon bald wieder kräftig in Schwung kommt, davon gehen die Autoren nicht aus. „Wir müssen die rosarote Brille absetzen“, sagt Chefvolkswirt Jürgen Michels von der Bayern LB. „Die Welt wird künftig mehr durch Konfrontation als durch Kooperation geprägt sein.“ Nicht nur wegen des Krieges in der Ukraine, auch zwischen China und dem Westen knirsche es stärker, was eine neue Blockbildung begünstige.

Deutsche Wirtschaft muss sich schnell anpassen

„Unsere Zukunft liegt nicht darin, weiter Autos und Maschinen nach China zu verkaufen“, gibt Michael Böhmer zu bedenken. Die deutsche Wirtschaft müsse sich schnell anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das sei vor allem in drei Bereichen möglich: Zum einen auf Ebene der Produkte. So sollen erstens etwa in der Industrie hybride Geschäftsmodelle eine größere Bedeutung erlangen, bei denen nicht nur Waren, sondern zugleich deren Reparatur und Wartung verkauft werde. „Damit kann Deutschland von seiner Führungsposition in Bereichen wie dem Maschinenbau profitieren“, so Böhmer. Zudem sollten verstärkt Zukunftsbranchen bespielt werden. Als Beispiel nennt die Studie Klima- und Umwelttechnik, wo deutsche Unternehmen bereits jetzt hohe Marktanteile haben und teils sogar Weltmarktführer sind. „Das ist ein echtes Wachstumssegment mit einem Startvorteil für die deutsche Wirtschaft“, glaubt Prognos-Forscher Böhmer.

Zweitens sollten deutsche Firmen sich stärker auf den europäischen Heimatmarkt konzentrieren. Hier würden beispielsweise auch die Zukunftstechnologien aus dem Umweltbereich in den kommenden Jahren stark nachgefragt. Außerdem sei es „risikoärmer, in Europa Geschäfte zu machen“, sagt Böhmer. Drittens sei stärkere Diversifizierung der Absatzmärkte angebracht. Als spannende Zielmärkte nennen die Forscher die ASEAN-Region mit Vietnam, Südamerika mit Brasilien, Nordafrika mit Ägypten sowie Kenia. Auch für die Politik hat die Studie Empfehlungen. Sie müsse die Transformation mit Freihandelsabkommen unterstützen und vor allem die Energiewende umsetzen, um der Industrie verlässlich und preiswert Energie bereitzustellen. „Am Ende müssen es aber die Unternehmen selbst richten“, sagt Böhmer. „Sie können dabei schon auf viele Stärken setzen.“

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Lindner kritisiert Handelsdefizit mit China - "Gefährliche Entwicklung"

Berlin (Reuters) - Bundesfinanzminister Christian Linder hat das enorm gestiegene deutschen Defizit im Handel mit China kritisiert.

ARCHIV: FDP-Chef Christian Lindner bei einem Wahlkampfauftritt in Hamburg, Deutschland

ARCHIV: FDP-Chef Christian Lindner bei einem Wahlkampfauftritt in Hamburg, Deutschland© Thomson Reuters

"Gefährliche Entwicklung: Das deutsche Handelsdefizit mit #China hat sich 2022 mehr als verdoppelt", twitterte der FDP-Politiker am Freitag. "Aus den Erfahrungen mit Russland sollten wir lernen. Statt in zu große Abhängigkeiten zu geraten, müssen wir dringend umdenken - und auf mehr Freihandel mit Wertepartnern setzen."

Der Handel der deutschen Wirtschaft mit China ist 2022 ungeachtet aller politischen Warnungen vor einer zu starken Abhängigkeit auf einen Rekordwert gestiegen. Zwischen beiden Ländern wurden Waren im Wert von rund 298 Milliarden Euro gehandelt. Das ist ein Wachstum von rund 21 Prozent im Vergleich zu 2021, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Damit blieb die Volksrepublik das siebte Jahr in Folge der wichtigste deutsche Handelspartner. Deutschen Exporten von rund 107 Milliarden Euro stehen Importe aus China von 191 Milliarden Euro gegenüber. In der Handelsbilanz mit der Volksrepublik weist Deutschland damit ein Defizit von rund 84 Milliarden Euro aus.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) sieht das ebenfalls als problematisch an. "Im Jahr 2022 hat sich der deutsche Außenhandel mit China mit voller Kraft in die falsche Richtung entwickelt", sagte IW-Experte Jürgen Matthes. "Die ohnehin hohe Importabhängigkeit ist noch deutlich größer geworden." Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht das kritisch. "Problematisch ist vor allem die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen, auf deren Import wir wegen der Energie- und Verkehrswende angewiesen sind", sagte DIW-Experte Lukas Menkhoff der Nachrichtenagentur Reuters. "Russlands Krieg gegen die Ukraine hat uns drastisch vor Augen geführt, wie die Rohstoffabhängigkeit von autokratischen Regimen als politisches Druckmittel benutzt werden kann."

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Wirtschaftliche Lage: Deutsche Industrie mit überraschendem Auftragsplus

Die deutsche Industrie ist überraschend mit einem Auftragsplus ins neue Jahr gestartet. Im Januar zog der Auftragseingang im Vergleich zum Dezember um 1,0 Prozent an, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Analysten hatten dagegen im Schnitt mit einem Rückgang um 0,7 Prozent gerechnet. Der bereits kräftige Auftragszuwachs im Vormonat wurde nachträglich von 3,2 auf 3,4 Prozent angehoben.

Investitionsgüter wie Maschinen wurden im Januar deutlich mehr bestellt - Aufträge für Vorleistungs- und Konsumgüter gingen deutlich zurück. (Symbolbild)

Investitionsgüter wie Maschinen wurden im Januar deutlich mehr bestellt - Aufträge für Vorleistungs- und Konsumgüter gingen deutlich zurück. (Symbolbild)© Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/dpa

„Auf den ersten Blick ein guter Start ins Jahr“, kommentierte Ökonom Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg. Auch Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, kommentierte die Zahlen zuversichtlich: „Die Auftragseingänge starten ordentlich in das neue Jahr.“

Auf den zweiten Blick falle die Entwicklung sogar noch besser aus, denn ohne die Berücksichtigung der volatilen Großaufträge stehe ein Zuwachs von 2,9 Prozent zu Buche.

Weniger Aufträge aus der Eurozone

Im Detail fiel die Entwicklung jedoch durchwachsen aus. Während die Inlandsnachfrage mit einem Minus von 5,3 Prozent deutlich schwächelte, präsentierte sich die Nachfrage aus dem Ausland mit plus 5,5 Prozent von ihrer starken Seite. Aus dem Ausland kamen jedoch weniger Aufträge aus der Eurozone, dafür deutlich mehr Bestellungen aus dem restlichen Ausland.

Auch nach Produktgruppen ergibt sich kein einheitliches Bild: Während Investitionsgüter wie Maschinen deutlich mehr bestellt wurden, gingen die Aufträge für Vorleistungs- und Konsumgüter deutlich zurück.

Die deutsche Industrie hat ein turbulentes Jahr hinter sich. 2022 litten die Unternehmen nicht nur unter den vielfachen Verwerfungen wegen des Ukraine-Kriegs. Auch die anhaltenden Lieferprobleme im Welthandel - eine wirtschaftliche Folge der Corona-Pandemie - belasteten die Branche erheblich. Zuletzt haben sich diese Engpässe aber tendenziell verringert.

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Unternehmen: Die Insolvenzen nehmen zu

Transparent an einem Einzelhandelsgeschäft in Stuttgart

Transparent an einem Einzelhandelsgeschäft in Stuttgart© dpa

Die Zahl der Firmenpleiten ist nach Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) im Februar gestiegen. Die Gesamtzahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften legte zum Vormonat um etwa 7 Prozent auf 833 zu, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten IWH-Insolvenztrend hervorgeht. Die Analyse des IWH zeigt, dass in den größten 10 Prozent der Unternehmen, deren Insolvenz im Februar gemeldet wurde, insgesamt 11.600 Arbeitsplätze betroffen waren. Die Zahl der damit konfrontierten Beschäftigten liegt somit weit über dem Vorjahreswert. Sie ist laut IWH fast doppelt so hoch wie im Februar-Durchschnitt der Vorkrisenjahre und so hoch wie seit Juni 2021 nicht mehr.

Anders als in den Vormonaten betrafen Firmenpleiten im Februar nicht überwiegend Industriearbeitsplätze. Auch Beschäftigte im Einzelhandel, bei Büro- und Personaldienstleistern sowie im Gesundheitsbereich waren von größeren Insolvenzen betroffen. „Die volkswirtschaftliche Relevanz des Insolvenzgeschehens war in den letzten Monaten vergleichsweise hoch“, resümiert IWH-Experte Steffen Müller. Trotz gestiegener Jobverluste sei der Marktaustritt nicht wettbewerbsfähiger Unternehmen wichtig für die fortlaufende Erneuerung der Wirtschaft. „Für den März erwarten wir weiter steigende Insolvenzzahlen“, sagte Müller.

Der IWH-Insolvenztrend liefert laut den Hallenser Forschern deutlich schneller „einen belastbaren Befund“ zum bundesweiten Insolvenzgeschehen für Personen- und Kapitalgesellschaften als die amtliche Statistik. Die Ergebnisse weisen demnach nur geringfügige Abweichungen von den offiziellen Zahlen auf, die mit etwa zwei Monaten Zeitverzug eine umfassende Einschätzung der Lage erlauben.

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Massenentlassungen: Ende des IT-Fachkräftemangels?

Businessman takes a red man out of a crowd of people. Finding the right person. Recruiting talented workers, headhunter, HR. Best choice. Search professionals specialists for open vacancies.

Businessman takes a red man out of a crowd of people. Finding the right person. Recruiting talented workers, headhunter, HR. Best choice. Search professionals specialists for open vacancies.© Bereitgestellt von Silicon

Nach den zahlreichen Ankündigungen von Entlassungen in der gesamten Tech-Branche kommen Führungskräfte in der Wirtschaft zu dem Schluss, dass der IT-Fachkräftemangel vorbei sein könnte. Doch der Schein trügt, denn die Nachfrage nach qualifizierten IT-Fachkräften übersteigt das Angebot weiterhin deutlich. In einer Gartner-Umfrage Ende 2022 sagten 86 Prozent der befragten CIOs, dass es weiterhin einen starken Wettbewerb  um qualifizierte Bewerber gibt. Ein Interview mit Mbula Schoen, Senior Director Analyst bei Gartner.

Frau Schoen, bedeuten all die Entlassungen, dass die Zeit des Fachkräftemangels in der IT vorbei ist?

Mbula Schoen: Die Knappheit qualifizierter Fachkräfte im Tech-Bereich ist noch lange nicht vorbei. Die derzeitige Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem. Wir gehen davon aus, dass dies bis mindestens 2026 der Fall sein wird, basierend auf den prognostizierten IT-Ausgaben.

Im Gegensatz zu dem, was wir in den Schlagzeilen lesen, sind viele der von Entlassungen betroffenen Menschen in Business-Funktionen und nicht in technischen Bereichen tätig. Darüber hinaus gibt es immer mehr IT-Jobangebote außerhalb der klassischen Technologieunternehmen.

Was sind denn die Gründe für die Entlassungswelle?

Viele der Stellenstreichungen der letzten Monate wurden von börsennotierten Unternehmen vorgenommen, um die Aktienkurse zu optimieren und den Forderungen der Aktionäre zu erfüllen, Kosten zu verringern. Die Entlassungen waren zudem eher eine Anpassung nach einer zu optimistischen Einstellungsphase. Eine Untersuchung von Gartner zeigt, dass die Unternehmen, die hinter den 10 größten Entlassungen im Tech-Bereich stehen, insgesamt immer noch über 150.000 Mitarbeiter mehr beschäftigen als zu Beginn des Jahres 2020. Die Daten zeigen auch, dass Neueinstellungen nicht unbedingt von der Kündigungswelle betroffen waren.

Es ist also wichtig, dass Unternehmens- und IT-Führungskräfte die aktuelle Entlassungswelle nicht falsch interpretieren. Es wird wahrscheinlich weitere Schwankungen geben, da der Markt die wirtschaftlichen Turbulenzen, die laufenden Pandemie-Anpassungen und eine Verschiebung der Prioritäten bei den Qualifikationen bewältigen muss. Die Talentknappheit im Technologiesektor wird also noch lange nach Abklingen der aktuellen Turbulenzen anhalten.

Sollten CIOs als Reaktion auf die jüngsten Entlassungen ihre IT-Einstellungspläne anpassen?

Technische Führungskräfte, die das Wachstum durch Digitalisierung verantworten, müssen über die schlagzeilenträchtigen Entlassung-News hinausschauen und die Signale des Marktes erkennen. Der IT-Fachkräftemangel ist kritisch, da CIOs ihre Mitarbeiter schneller wieder verlieren, als sie sie einstellen können. In wichtigen Funktionsbereichen wie Data Science, Software-Engineering und Cybersicherheit ist das Angebot an qualifizierten Bewerbern nach wie vor genauso knapp oder noch knapper als zuvor. IT-Führungskräfte sollten sich darauf einstellen, dass der Wettbewerb in vielen Talentpools zunehmen und die Kosten für IT-Fachkräfte weiter steigen werden.

Die Verwirklichung digitaler Wachstumschancen wird nur möglich sein, wenn man sich bewusst ist, dass das Fehlen qualifizierter IT-Fachkräfte unvermindert anhält. Obwohl das Gesamtangebot auf dem Arbeitsmarkt höchstens um ein paar Prozentpunkte gestiegen ist, könnten CIOs die Gelegenheit nutzen, um ihre Rekrutierungsbemühungen zu verstärken. Für CIOs besteht die Chance, Maßnahmen zu ergreifen, um die besten IT-Talente zu gewinnen.

Wie können CIOs effektiv IT-Spitzentalente anwerben und binden?

CIOs sollten zum Beispiel ihre Netze weiter auswerfen, um auch den großen Pool passiver Kandidaten zu erschließen. Viele Einstellungsstrategien zielen auf aktive und nicht auf passive Bewerber ab, so dass eine Chance ungenutzt bleibt, die Qualität und Quantität der IT-Bewerber zu erhöhen. CIOs sollten in Erwägung ziehen, Mitarbeiterempfehlungsprogramme auszubauen oder Talent-Intelligence-Funktionen zu nutzen, die KI einsetzen, um passive Kandidaten über soziale Medien zu finden.

CIOs können auch entlassene Arbeitskräfte in angrenzenden technischen Kategorien ansprechen und sie schulen, um die benötigten IT-Fähigkeiten aufzubauen. So ist es zum Beispiel schwierig, Datenwissenschaftler zu finden, aber es gibt einen beträchtlichen Pool von Daten- und GBusiness-Analysten, die auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind und die in technischen Fähigkeiten geschult werden könnten. CIOs sollten mit den Personalverantwortlichen zusammenarbeiten, um die Anforderungen für Stellenausschreibungen anzupassen.

Das Problem, qualifizierte IT-Fachkräfte zu halten, ist aber genauso groß, wie neue Interessenten zu gewinnen?

Da die Möglichkeiten in der IT-Branche das Angebot bei weitem übersteigen, wandern Mitarbeiter ab, wenn die Unternehmen nicht ihren Erwartungen entsprechen. Daher sollten Unternehmen sich auf andere Faktoren konzentrieren  als nur die Vergütung. Dazu gehören Flexibilität und Wachstumschancen. Nur so können IT-Unternehmens den Wettbewerb um Talente gewinnen.

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Deindustrialisierung: Kommt nun die Kündigungswelle in der deutschen Wirtschaft?

Deindustrialisierung: Kommt nun die Kündigungswelle in der deutschen Wirtschaft?

Deindustrialisierung: Kommt nun die Kündigungswelle in der deutschen Wirtschaft?© Bereitgestellt von Berliner Zeitung

Droht Deutschlands Wirtschaft aufgrund der Energiekrise jetzt eine Kündigungswelle? Laut einem Geheimpapier der EU-Kommission offenbar schon. Wie aus einem Bericht der Bild hervorgeht, listet das Papier Gefahren für die Wettbewerbsfähigkeit Europas auf und zeigt schonungslos, wie schlecht es um den deutschen Mittelstand steht. Eine rosige Aussicht für die deutsche Wirtschaft hört sich anders an.

Das Papier kursiert unter EU-Abgeordneten und liegt der Bild vor. Darin wird deutlich: Die Folgen der Energiekrise treffen die europäische, vor allem aber die deutsche Industrie härter als ihre globalen Wettstreiter in den USA und in China. Das wirkt sich auf die Zukunftsperspektiven der Unternehmen hierzulande aus.

Deutsche Unternehmen sahen zwar auch schon zu Beginn der Corona-Welle schwarz – jetzt ist ihre Zukunftserwartung aber noch aussichtsloser, wie Analysten in dem EU-Papier laut Bild beschreiben. Vor allem energieintensive Branchen treffe es stark. „Die Preisentwicklung zwingt rund 40 Prozent der Unternehmen dazu, Investitionen in die grüne und digitale Transformation zurückzustellen“, heißt es im Papier der Kommission bezüglich des deutschen Mittelstandes. Es wird aber noch schärfer: Fast jedes vierte Unternehmen erwäge oder sei bereits dabei, Anteile, Produktion oder Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern.

Der Anteil jener Unternehmen, die Produktion und Arbeitsplätze ins Ausland verlagern wollen, ist hoch. Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzende von EU-Unternehmen planen, mehr als ein Drittel (34 Prozent) der angestrebten Investitionen vorübergehend zu pausieren – das geht laut Bild-Bericht aus einer Umfrage des European Round Table for Industry hervor. Weitere 15 Prozent wollen sie sogar dauerhaft aussetzen.

Energieintensive Branchen wie Chemie-, Stahl-, Papier-, Elektronik- oder Metallindustrien sowie das Baugewerbe hätten enorm mit den Folgen der Krise zu kämpfen. Das EU-Papier stellt dar, dass Stahlwerke in Bremen und Hamburg ihre Produktion bereits gedrosselt haben. Hinzu kommt, dass deutsche Topunternehmen im Ausland investieren. Platzhirsche wie Volkswagen, BMW und BASF wollen ihre Standorte verlagern – nicht zuletzt ihre Niederlassungen in China und den USA fördern.

Im europäischen Vergleich liegt laut Industriegewerkschaften Deutschland beim Strompreis an der Spitze. Doch auch schon vor dem Ukraine-Krieg stellte er auf internationaler Ebene einen Wettbewerbsnachteil dar. Dadurch stehen deutsche Industriestandorte auf dem Spiel. Die Gewerkschaften der Industrie sehen aufgrund dieser hohen Strompreise in Deutschland Hunderttausende Jobs in Gefahr.

Am Dienstag erklärten die Gewerkschaften IG Metall, IG BCE (Bergbau, Chemie, Energie) und IG BAU (Bauen, Agrar, Umwelt) in Berlin, dass in der Stahl-, Chemie- und Baustoffindustrie Standortschließungen und damit Arbeitsplatzverluste drohen. Sie fordern die Bundesregierung auf, bezahlbaren Strom für energieintensive Branchen zu gewährleisten. Es solle dafür ein „spezieller Industriestrompreis“ eingeführt werden, der dem europäischen Vergleich standhalte, international wettbewerbsfähig sei und langfristige Planbarkeit gewährleiste.

„Die Bundesregierung muss beim Industriestrompreis lenkend eingreifen“, sagte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, am Dienstag. Sonst drohen die Stahlerzeugung, die Aluminiumindustrie und weitere energieintensive Branchen über kurz oder lang aus Deutschland zu verschwinden, so Hofmann. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, riefen die drei Industriegewerkschaften zu einem bundesweiten Aktionstag am Donnerstag, den 9. März, auf.

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE, sagte, wenn die Chemie-, Metall-, Glas- oder Papierbranchen wegen hoher Stromkosten Anlagen schließen und Produktion verlagerten, „ist das der erste Schritt zur Deindustrialisierung Deutschlands“. Daher sei ein Industriestrompreis auf Augenhöhe mit denen anderer Weltregionen erforderlich.

Und was will die EU gegen die Abwanderungen ins Ausland unternehmen? Nationale Subventionen sind keine Lösung – vielmehr soll es Unterstützung auf europäischer Ebene geben, heißt es im EU-Geheimpapier. Die Staatsförderung fällt jedoch laut Bild gegenüber den USA deutlich geringer aus. Gegenüber China fehle es an Billigstrom aus der Solarindustrie.

Für eine Erholung der deutschen Wirtschaft wären sinkende Energiepreise notwendig. Damit ist vorerst aber nicht zu rechnen. Der aktuelle Energiewende-Index des Beratungsunternehmens McKinsey zeigt, dass die „historisch stabile Stromversorgung“ in Deutschland unter Spannung gerät. Bis zum Jahr 2030 drohe eine Stromversorgungslücke von bis zu 30 Gigawatt, was circa 30 thermischen Großkraftwerken entspricht. Der Anstieg der Energiepreise sei hierfür der Haupttreiber.

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Kampf ums Ackerland: Großinvestoren nehmen Agrarflächen ins Visier

Ostdeutsche Agrarflächen sind längst ins Visier großer Investoren geraten. In der vergangenen Woche ist der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen SE neu in das Geschäft eingestiegen. Seine Tochtergesellschaft, die Quarterback Immobilien AG aus Leipzig, steht kurz davor, einen Agrarbetrieb in Brandenburg im Rahmen eines Anteilskaufs zu übernehmen. Zum Betrieb Röderland GmbH gehören 2500 Hektar Land und etwa 900 Rinder, darunter Mutterkühe und Milchvieh. In dieser Woche soll der Verkauf unter Dach und Fach gebracht werden. Damit ginge zum wiederholten Male ein Agrarbetrieb in den Besitz eines außerlandwirtschaftlichen Investors über.

Im Visier der Investoren: Die Kaufpreise für Ackerland sind stark gestiegen.

Im Visier der Investoren: Die Kaufpreise für Ackerland sind stark gestiegen.© dpa

Zuvor hatte ein Landwirt Medienberichten zufolge 8 Millionen Euro für den Betrieb geboten, konnte aber nicht mit dem 2 Millionen Euro höheren Gebot der Quarterback AG mithalten. Zum Kaufpreis wollte sich Henrik Thomson, Vorstandsmitglied der Quarterback Immobilien AG, auf Nachfrage nicht äußern. Für den Immobilienkonzern als Investor ist das Geschäft durchaus attraktiv. Durch den Anteilskauf („Share Deal“) nutzt er ein Schlupfloch. In diesem Fall greift nämlich nicht, wie sonst üblich, das Grundstücksverkehrsgesetz. Der Käufer erwirbt nicht das Land direkt, sondern bis zu 90 Prozent des Unternehmens, dem die Fläche gehört. Der Kauf muss damit weder angezeigt noch genehmigt werden, und es ist keine Grunderwerbssteuer fällig.

Ostdeutsche Landwirte reagierten empört auf das Vorhaben. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft forderte, die Agrarstrukturgesetze zügig anzupassen, um bäuerliche Betriebe vor kapitalstarken Investoren zu schützen. Ähnlicher Ansicht ist der Landesbauernverband Brandenburg. „Die Überarbeitung des Agrarstrukturgesetzes kommt jedoch 20 Jahre zu spät. Viele Geschäfte sind bereits gelaufen“, sagt Hauptgeschäftsführer Denny Tumlirsch.

Die Bundesregierung habe in ihrer bisherigen Praxis des Verkaufs landeseigener Flächen (BVVG-Flächen) an den Höchstbietenden dem rein marktorientierten Verkauf Tür und Tor geöffnet. Im Normalfall soll das Bodenmarktrecht Agrarflächen vor Spekulationen schützen. In seiner veralteten Form werde das aber nicht erreicht. Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) arbeitet daher nun an Gesetzesänderungen, wie eine Sprecherin bestätigte.

Damit sollen Verkäufe dieser Art zukünftig anzeigepflichtig sein. Es würde geprüft, ob der landwirtschaftliche Betrieb auch nach dem Kauf dauerhaft aufrechterhalten werden soll und die Flächen weiter eigenständig bewirtschaftet werden sollen. Sei das nicht der Fall, könne man eingreifen. Ob die Änderungen tatsächlich einen fairen Bodenmarkt fördern, ist laut Tumlirsch vom Bauernverband aber fraglich.

Der Agrarbetrieb Röderland soll auch nach der Übernahme weitergeführt werden. Das bestätigte Vorstandsmitglied Thomson. Die 32 Mitarbeiter würden für fünf Jahre weiterbeschäftigt. Allerdings solle der Viehbestand möglicherweise schrumpfen. Freiflächen- sowie Agri-Photovoltaikanlagen kämen als neue Geschäftsfelder hinzu.

Ein Einzelfall ist dieser Kauf nicht. Seit der Finanzkrise 2007 sind mit Blick auf Agrarimmobilien erhebliche spekulative Tendenzen erkennbar. Die für die Landwirtschaft verfügbaren Flächen schrumpfen – und werden teurer. Gleichzeitig kletterten die Preise für gepachtete Flächen. Seit 2000 haben sich die Kaufpreise für Acker- und Grünland etwa verdreifacht. Im Zuge der Inflation suchen Investoren, Vermögensverwalter und Fondsgesellschafter verstärkt nach Möglichkeiten, Geld gewinnbringend anzulegen.

In Ostdeutschland zeigt sich das Problem besonders deutlich. Investoren wie die Aldi-Stiftung, die Zech-Gruppe und die Münchener Rück haben seit der Wiedervereinigung Agrarbetriebe aufgekauft und besitzen große Flächen in Ostdeutschland. Offizielle Zahlen existieren keine. Das Thünen-Institut schätzt den Anteil der Investoren an Großbetrieben (juristische Personen) im Osten auf 34 Prozent im Jahr 2017, Tendenz steigend.

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Größtes Produktionsplus seit Mitte 2020 - "Echtes Lebenszeichen"

Berlin (Reuters) - Der stärkste Anstieg der Produktion seit zweieinhalb Jahren macht eine Rezession in Deutschland unwahrscheinlicher.

ARCHIV: Die Skyline des östlichen Stadtzentrums mit dem Fernsehturm in Berlin, Deutschland

ARCHIV: Die Skyline des östlichen Stadtzentrums mit dem Fernsehturm in Berlin, Deutschland© Thomson Reuters

Industrie, Bau und Energieversorger stellten im Januar zusammen 3,5 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Das ist der höchste Zuwachs seit Juni 2020. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Plus von 1,4 Prozent gerechnet. Im Dezember hatte es noch einen deutlichen Rückgang gegeben, der aber mit 2,4 Prozent weniger stark ausfiel als zunächst mit minus 3,1 Prozent angegeben.

"Das ist ein echtes Lebenszeichen von der Industrie", sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. "Besonders erfreulich ist zudem, dass die Produktion in den energieintensiven Branchen deutlich zulegen konnte." Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sprach von einem gelungenen Jahresauftakt. "Allerdings sollte man bedenken, dass die Auftragseingänge im Trend noch immer fallen und die Unternehmen bereits einen guten Teil der Aufträge abgearbeitet haben, die während Corona liegengeblieben waren", sagte Krämer. "Eine Trendwende nach oben zeichnet sich für die Industrieproduktion trotz der guten Januar-Daten noch nicht ab."

BAU PROFITIERT VON MILDEM WINTER

Das Bundeswirtschaftsministerium hofft auf eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. "Die letzten Umfragen zeichneten sich durch erneut günstigere Geschäftsaussichten bei abnehmenden Materialengpässen aus", hieß es mit Blick auf das verbesserte Geschäftsklima in der deutschen Wirtschaft. "In Kombination mit den nach wie vor gut gefüllten Auftragsbüchern dürfte die wirtschaftliche Abschwächung zu Jahresbeginn milde ausfallen." Die meisten Ökonomen erwarteten bislang, dass Europas größte Volkswirtschaft im laufenden ersten Vierteljahr das zweite Quartal in Folge schrumpfen wird, womit sie in eine technische Rezession abrutschen würde.

"Die stark gestiegene Produktion macht Hoffnung, dass die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal nicht erneut schrumpfen wird", heißt es in einer Commerzbank-Analyse. Auch LBBW-Ökonom Niklasch zufolge könnten gute Zahlen wie die von der Produktion "das Szenario der Winterrezession infrage stellen, von der wir bislang ausgehen". Eine starke Erholung ist den meisten Experten zufolge allerdings nicht drin. "Denn in den kommenden Monaten dürften sich bei der Inlands- und bei der Auslandsnachfrage die weltweiten kräftigen Zinserhöhungen der Notenbanken zunehmend bemerkbar machen", so die Commerzbank. Dadurch werden Kredite für Investitionen und Konsum teurer.

Die Industrie allein stellte im Januar 1,9 Prozent mehr her als im Vormonat. Dazu trugen vor allem die Hersteller von elektronischen Ausrüstungen (plus 7,1 Prozent) und chemischen Erzeugnissen (plus 9,8 Prozent) bei. Stark negativ entwickelten sich hingegen die für die deutsche Industrie bedeutende Kraftfahrzeug- und Pharmabranche mit minus 5,2 und minus 12,9 Prozent. Die Baubranche meldete im Januar einen kräftigen Anstieg von 12,6 Prozent. "Im Baugewerbe dürfte sich die mildere Witterung im Januar positiv ausgewirkt haben", erklärte das Ministerium den starken Anstieg. Die Energieversorger fuhren ihre Erzeugung um 0,4 Prozent nach oben.