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Forbes-Ranking 2023: Der reichste Deutsche kommt aus Baden-Württemberg

Forbes-Ranking 2023: Der reichste Deutsche kommt aus Baden-Württemberg

Laut eines aktuellen Rankings bringen es die zehn reichsten Deutschen gemeinsam auf ein Vermögen von mehr als 200 Milliarden Dollar. An der Spitze steht weiterhin ein Mann aus Baden-Württemberg.

Heilbronn - Er lebt völlig zurückgezogen und gilt als medienscheu: Milliardär und Lidl-Gründer Dieter Schwarz (83) hält sich stets bedeckt und wird von vielen als Phantom angesehen. Dass er sein Gesicht so gut wie nie in der Öffentlichkeit zeigt, ist jedoch ein nachvollziehbarer Selbstschutz. So gehört der Unternehmer aus Baden-Württemberg zu den Super-Reichen der Nation – und thront regelmäßig an der Spitze von Vermögens-Rankings. Auch ein aktuelles Ranking des Forbes-Magazins listet den Eigentümer der Schwarzgruppe auf Platz eins der reichsten Deutschen.

Laut Forbes kommt Dieter Schwarz, zu dessen Firmengruppe neben Discounter Lidl auch Kaufland gehört, derzeit auf ein Vermögen von 39,2 Milliarden US-Dollar (35,6 Milliarden Euro). Schwarz profitiert in erster Linie von hohen Umsatzsteigerungen seiner Supermarktketten. Lidl gilt inzwischen als der größte Discounter-Konzern weltweit und betreibt 12.000 Filialen in 31 Ländern (Stand 2022). Auch Kauflands Bilanz kann sich sehen lassen. Die Supermarktkette betreibt rund 1.500 Filialen und ist neben Deutschland inzwischen in sieben weiteren Ländern vertreten. Jährlich erwirtschaftet die Schwarzgruppe einen Umsatz von rund 48,4 Milliarden Euro (Stand 2021).

Forbes-Ranking 2023: Der reichste Deutsche kommt aus Baden-Württemberg

Forbes-Ranking 2023: Der reichste Deutsche kommt aus Baden-Württemberg© Bereitgestellt von Merkur

Foto © Claudia Nass/Imago

Forbes-Ranking: Das sind die zehn reichsten Deutschen

Neben Dieter Schwarz taucht im Forbes-Ranking noch ein weiterer bekannter Unternehmer aus Baden-Württemberg auf. Mit einem geschätzten Vermögen von 16,6 Milliarden US-Dollar (15,1 Milliarden Euro) sicherte sich Reinhold Würth den fünften Platz unter den reichsten Deutschen. Der 87-Jährige machte den Schrauben-Hersteller Würth zum Weltmarktführer und blickt auf eine steile Karriere zurück. Die Würth-Gruppe beschäftigt heute rund 85.600 Mitarbeiter und erwirtschaftet jährlich einen Umsatz von rund 20 Milliarden Euro (Stand 2022).

Forbes-Ranking der reichsten Deutschen (Platz 1 bis 10):

Platz Name Vermögen
1. Dieter Schwarz 39,2 Mrd. US-Dollar
2. Klaus-Michael Kühne 32,1 Mrd. US-Dollar
3. Susanne Klatten 27,8 Mrd. US-Dollar
4. Stefan Quandt 24,7 Mrd. US-Dollar
5. Reinhold Würth und Familie 16,6 Mrd. US-Dollar
6. Theo Albrecht Jr. 16,3 Mrd. US-Dollar
7. Karl Albrecht Jr. 15,7 Mrd. US-Dollar
8. Thomas/Andreas Strüngmann und Familie 12,2 Mrd. US-Dollar
9. Andreas von Bechtolsheim und Familie 10,3 Mrd. US-Dollar
10. Friedhelm Loh 9,8 Mrd. US-Dollar
Insgesamt 204,7 Mrd. US-Dollar

Quelle: Handelsblatt (Stand 13. April 2023)

Dieter Schwarz ist verheiratet und hat zwei Kinder. Gemeinsam mit Frau Franziska lebt der Gründer von Lidl sehr zurückgezogen in seiner Heimatstadt Heilbronn. Sein Wirken im Hintergrund ist in der Stadt allerdings deutlich wahrnehmbar. So baut der Multimilliardär Heilbronn komplett nach seinen Vorstellungen um. Dieter Schwarz will seiner Heimatstadt etwas zurückgeben. Heilbronn soll eine Art Modellort mit modernsten Bildungs- und Forschungseinrichtungen werden.

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Stahlkocher fahren Produktion zurück

Düsseldorf (Reuters) - Die Stahlkocher in Deutschland haben auch im März ihre Produktion weiter zurückgefahren.

ARCHIV: Ein Stahlarbeiter von ThyssenKrupp schließt das Visier seines Hitzeschutzanzugs vor einem Hochofen in einem Stahlwerk von ThyssenKrupp in Duisburg, Deutschland

ARCHIV: Ein Stahlarbeiter von ThyssenKrupp schließt das Visier seines Hitzeschutzanzugs vor einem Hochofen in einem Stahlwerk von ThyssenKrupp in Duisburg, Deutschland© Thomson Reuters

Die Schwerindustrie habe 3,2 Millionen Tonnen Rohstahl produziert, teilte die Wirtschaftsvereinigung Stahl am Montag mit. Dies seien rund drei Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Von Januar bis Ende März lag das Minus sogar bei knapp sieben Prozent. Der Branche mit Playern wie Thyssenkrupp und ArcelorMittal machen unter anderem eine schwächelnde Nachfrage der Automobilindustrie und hohe Energiekosten zu schaffen.

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IG-Metall-Chef warnt - „Es besteht die echte Gefahr, dass Deutschland zur Werkbank der Welt wird“

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Britta Pedersen/dpa

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Britta Pedersen/dpa© Britta Pedersen/dpa

Hofmann sagte der „Bild am Sonntag“: „Heute wird gefördert, egal was sich der Bauherr aussucht. Bis zum Kleinkraftwerk kann man sich alles in den Vorgarten stellen. Der Staat muss seine Förderpolitik anpassen.“

„Sonst werden sie überrollt von den industriellen Großanbietern“

Damit die Wärmewende klappe, „brauchen wir eine Standardisierung bei Modellen und eine Rationalisierung beim Einbau“, so der Gewerkschaftschef. Die Struktur des Handwerks müsse sich verändern, wenn dieses eine Rolle bei der Installation der Wärmepumpen spielen wolle. „Sonst werden sie überrollt von industriellen Großanbietern“, warnte Hofmann.

Der Verkauf des Wärmepumpenher­stellers Viessmann in die USA zeige das Risiko, wenn der Staat Technologien fördere „ohne ausreichende industrielle Basis in Europa“. Dann drohe die Abwanderung dorthin, „wo die großen Player schon heute global sind“. Hofmann zeigte sich vorsichtig optimistisch, dass es bei den Wärmepumpen die Bereitschaft gebe, „die Standorte von Viessmann auf längere Zeit abzusichern, das ist gut so“. Bei der Photovoltaik sei das nicht der Fall gewesen.

„Es besteht die echte Gefahr, dass Deutschland zur Werkbank der Welt wird“

Nachdrücklich warnte der IG-Metall-Vorsitzende vor einer Deindustrialisierung Deutschlands: „Es besteht die echte Gefahr, dass Deutschland vom Innovationsmotor zur Werkbank der Welt wird.“

Der deutsche Maschinenbau sei dabei, seine Vorreiterstellung zu verlieren. „Es gab mal Zeiten, in denen es weltweit kaum eine Werkshalle ohne deutsche Technik gab“, so Hofmann. Für die Herstellung von Batterien, Solaranlagen oder Halbleitern seien deutsche Maschinen unverzichtbar gewesen. Jetzt baue Intel eine Chip-Fabrik in Magdeburg und Northvolt plane ein Batterie-Werk bei Heide, doch die Produktionsstätten würden voraussichtlich vor allem mit asiatischen Maschinen bestückt.

IG-Metall-Chef fordert Kehrtwende bei der EU-Förderpolitik

Als Konsequenz forderte Hofmann eine Kehrtwende bei der EU-Förderpolitik:  „Wir brauchen auch bei der Industrieproduktion eine Zeitenwende. Die EU unterstützt die Ansiedlung von Batteriezell- oder Halbleiterfabriken mit viel Geld. Allerdings müssen diese Subventionen künftig daran gebunden werden, dass in diesen Fabriken europäische Produktionsanlagen stehen. Sonst werden Deutschland und Europa abgehängt.“ Dann fände in Asien oder Nordamerika die Entwicklung statt, dann gebe es dort die guten Arbeitsplätze.

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Diese Zahlen zeigen das Ausmaß der „schleichenden Abwanderung“ aus Deutschland

Deutsche Firmen im Ausland werden wieder optimistischer. Doch damit fällt auch auf: Die Unternehmen im Heimatmarkt teilen diese Einschätzung der Lage nicht. Immer mehr Firmen verlagern ihre Produktion langsam ins Ausland. Vor allem eine Region ist dafür besonders attraktiv.

Das Auslandsgeschäft deutscher Firmen entwickelt sich besser als das heimische Getty Images/Westend61

Das Auslandsgeschäft deutscher Firmen entwickelt sich besser als das heimische Getty Images/Westend61© Bereitgestellt von WELT

Es klingt nach einer guten Nachricht, die Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), am Mittwoch zu verkünden hat. Immerhin hat sich die Stimmung der deutschen Firmen im Ausland aufgehellt. Optimisten und Pessimisten halten sich in der Umfrage unter den Firmen etwa die Waage:

28 Prozent erwarten eine konjunkturelle Verbesserung in den nächsten zwölf Monaten, 27 Prozent gehen von einer Verschlechterung aus. „Zwar hat sich der Anteil der Optimisten damit um elf Prozentpunkte gegenüber der Vorumfrage erhöht und der Anteil der Pessimisten um zwanzig Prozentpunkte verringert“, sagt Treier. „Die Erwartungen bleiben aber insgesamt sehr verhalten. Von einem echten Boom ist meilenweit nichts zu sehen.“

Doch die Botschaft hinter den Zahlen ist für die deutsche Wirtschaft sogar noch schlechter. Denn während die Geschäftserwartungen im Ausland inzwischen wieder deutlich positiver beurteilt werden, nachdem die akute Energiekrise im Winter überstanden ist, fällt auf, dass die Unternehmen in Deutschland diesen Optimismus nun keineswegs im selben Umfang teilen.

Während die Geschäftserwartungen bei den Firmen im Ausland einen Saldowert von plus 36 erreichen – der Anteil der Optimisten den der Pessimisten also um 36 Prozentpunkte übertrifft. Liegt dieser Wert bei Firmen in Deutschland etwa bei null, Pessimisten und Optimisten sind also etwa gleich stark.

Laut Treier liegt das vor allem an den Kostenstrukturen in Deutschland. Zwar seien die Belastungen durch die hohen Energiepreise in den vergangenen Monaten wieder etwas gesunken, doch gerade im Vergleich mit den USA müssten Unternehmen in Deutschland eben immer noch ein Vielfaches des Strom- und Gaspreises zahlen.

Es finde eine „schleichende Abwanderung“ statt, warnt der DIHK-Mann. „Wir sehen unglaublich viele Unternehmen aus der Autozulieferindustrie, die im Süden der USA Werke aufmachen und in Deutschland ihre Produktion auslaufen lassen“, sagt Treier.

Auch Maschinenbauer spüren Unterschied zwischen Inlands- und Auslandsgeschäft

Doch auch für andere Branchen seien die Standortbedingungen in Nordamerika oft attraktiver als in Deutschland. So sei der Verkauf des Heizungs- und Wärmepumpen-Herstellers Viessmann an einen US-Konzern womöglich sinnbildlich für eine Entwicklung, die größere Teile der deutschen Wirtschaft betrifft, der Verkauf des Familienunternehmens sei „vielleicht nicht nur die Ausnahme von der Regel“.

Die über viele Jahre gültige Wechselwirkung, dass gute Geschäfte für deutsche Firmen im Ausland auch wiederum zu wirtschaftlichem Wachstum und Investitionen in Deutschland führten, sei immer weniger selbstverständlich, heißt es bei der DIHK.

Auch Deutschlands Maschinenbauer spüren den Unterschied zwischen Inlandskonjunktur und Auslandsgeschäft. Das zeigen aktuelle Zahlen des Branchenverbandes VDMA. Danach lagen die Bestellungen aus Deutschland zuletzt deutlich stärker im Minus als die Auslandsorder:

Während die Auftragseingänge heimischer Firmen im März um zehn Prozent eingebrochen sind gegenüber dem Vorjahresmonat, ist das Bestellvolumen mit Kunden jenseits der Grenze nur um vier Prozent gesunken. Und das ausgerechnet in einer der Schlüsselindustrien des Landes.

In Summe gab es im März ein Minus von sechs Prozent bei den Bestellungen im Maschinenbau. Und das ist noch vergleichsweise gut. Denn erstmals seit September 2022 waren die Einbußen damit nicht mehr zweistellig. „Das ist ein kleiner Lichtblick – wohlwissend, dass das Großanlagengeschäft bei diesem Ergebnis etwas nachgeholfen hat“, kommentiert Ralph Wiechers, der Chefvolkswirt des VDMA. Von einer Trendwende könne aber nicht die Rede sein. „Dafür ist es definitiv zu früh.“

Sorgen um Industriestandort Deutschland werden größer

Der VDMA bestätigt daher seine Jahresprognose, nach der die Produktion im überwiegend mittelständisch geprägten Maschinenbau 2023 um zwei Prozent sinken soll. „Wir haben in den vergangenen Wochen einige überraschend positivere Signale aus dem wirtschaftlichen Umfeld bekommen.

Doch nach wie vor sind viele Investoren verunsichert, das weltweite Wachstum ist weiterhin gering, die Inflation hoch“, erklärt Wiechers die Einschätzung. „Was die Maschinenbaufirmen aktuell trägt, ist ein hoher Auftragsbestand.“ Für 11,6 Monate reichen die bestehenden Bestellungen noch aus, rechnet der Statistik-Experte vor.

Die Sorgen um den Industriestandort Deutschland werden auch im Maschinenbau größer. „Wir stehen mitten in einer neuen, intensiven Standortdebatte, die wir mit großer Offenheit führen sollten“, sagt VDMA-Präsident Karl Haeusgen. „Es geht darum, in Gesellschaft und Politik der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der Wirtschaft wieder zu angemessener Bedeutung zu verhelfen. Deutschland und Europa müssen sich im globalen Wettbewerb mehr anstrengen, um mit anderen Weltregionen mithalten zu können“, sagt Haeusgen.

„Mit einer Politik, die die Industrie mit Regulierungen überhäuft und eben nicht auf unternehmerische Freiheit im Wettbewerb setzt, können wir nicht zufrieden sein.“ Der Unternehmer fordert von der Politik klare Ansagen, wie die Industriestandorte Deutschland und Europa in den kommenden Jahren gesichert und gestärkt werden sollen. Die Diskussionen um eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich hält er dabei für wenig sinnvoll. Haeusgen sieht stattdessen sogar die Notwendigkeit einer Debatte über verlängerte Wochen- und Lebensarbeitszeiten.

Nicht nur die USA locken laut DIHK Investitionen an, auch China sei weiter ein attraktiver Standort – allerdings weniger dynamisch als Nordamerika. Besonders stark werde auch von deutschen Firmen in Südostasien investiert, man versuche die auch von der Bundesregierung geforderte geringere Abhängigkeit von China so durch zusätzliche Standorte in der Nachbarregion zu verringern.

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Konjunktur: Unternehmen drosseln Produktion so stark wie seit einem Jahr nicht mehr

Die Autobranche hatte einen besonders großen Anteil am Rückgang der Produktion. Foto: dpadata-portal-copyright=

Die Autobranche hatte einen besonders großen Anteil am Rückgang der Produktion. Foto: dpadata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Handelsblatt

Industrie, Bau und Energieversorger haben im März deutlich weniger produziert als im Vormonat. Im laufenden Jahr warten weitere Herausforderungen auf die Branchen.

Die deutschen Unternehmen haben ihre Produktion im März so stark gedrosselt wie seit einem Jahr nicht mehr. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 3,4 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang von 1,3 Prozent gerechnet. Dennoch zog die Produktion im ersten Quartal wegen der kräftigen Zuwächse im Januar und Februar an, und zwar um 2,5 Prozent zum Vorquartal.

„Der deutliche Rückgang der Industrieproduktion ist auch eine Gegenbewegung zu den starken Anstiegen zuvor – etwa in der Autoindustrie“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Aber im Trend dürfte die Produktion in den kommenden Monaten weiter etwas fallen.“

Die Industrie allein stellte im März 3,3 Prozent weniger her als im Vormonat. Einen besonders großen Anteil am Rückgang hatte die Autobranche: Hier brach die Produktion um 6,5 Prozent zum Vormonat ein. Die Maschinenbauer stellten 3,4 Prozent weniger her. Die besonders energieintensiven Wirtschaftszweige fuhren ihren Ausstoß fast durchweg herunter, darunter die Chemie-Industrie mit minus 2,0 Prozent, so das Bundeswirtschaftsministerium.

Die Baubranche meldete einen Produktionsrückgang von 4,6 Prozent. Ihr machen höhere Zinsen und Materialkosten zu schaffen, wegen denen sich viele Projekte nicht mehr lohnen. Die Energieversorger fuhren ihre Erzeugung dagegen um 0,8 Prozent nach oben.

Der deutschen Industrie droht ein schwieriges Jahr angesichts steigender Zinsen. „Der allgemeine Zinsanstieg dürfte Investitionspläne bremsen“, sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. Das Neugeschäft brach im März so stark ein wie seit der Hochphase der Corona-Krise vor drei Jahren nicht mehr: Die Aufträge sanken um 10,7 Prozent zum Vormonat.

Gestützt werden könnte die Produktion durch die nachlassenden Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten. Im April nahmen die Klagen der Industriebetriebe über Lieferengpässe bereits den siebten Monat in Folge ab. Nur noch 39,2 Prozent der Firmen berichteten von Problemen, der niedrigste Wert seit rund zwei Jahren.

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Hohe Stromkosten – Investitionen aus dem Ausland auf niedrigstem Stand seit 2013

Im Jahr 2022 haben ausländische Firmen in Deutschland so wenige neue Projekte angestoßen wie seit 2013 nicht mehr. Europa schneidet zwar insgesamt nicht besonders gut ab. Doch selbst im Kontinentalvergleich halten sich ausländische Investoren hierzulande überdurchschnittlich zurück.

null Jung Getty/ Getty Images; Montage: Infografik WELT

null Jung Getty/ Getty Images; Montage: Infografik WELT© Bereitgestellt von WELT

Diese Ziffer dürfte die Debatte um die gefürchtete Deindustrialisierung Deutschlands weiter anheizen: Im Jahr 2022 ist die Zahl der ausländischen Direktinvestitionen hierzulande auf den niedrigsten Stand seit 2013 gefallen. Insgesamt haben Investoren aus dem Ausland in Europas größter Volkswirtschaft vergangenes Jahr nur mehr 832 Investitionsprojekte in Angriff genommen.

Im Vergleich zum Vorjahr fällt das Minus zwar relativ klein aus, doch war schon 2021 ein schwaches Jahr. Außerdem nimmt die Zahl der angekündigten Großinvestitionen in Deutschland nun schon seit Jahren kontinuierlich ab, noch 2017 war mit 1124 Projekten ein Hoch erreicht worden.

Die Zahlen entstammen dem Report „Standort Deutschland 2023. Ausländische Direktinvestitionen in Deutschland und Europa“, den die Beratungsgesellschaft EY jetzt vorgelegt hat. Zu Direktinvestitionen zählt zum Beispiel der Neubau einer Fabrik oder die Errichtung eines Entwicklungszentrums, während Fusionen und Übernahmen oder auch reine Finanzinvestments am Kapitalmarkt nicht mit berücksichtigt werden.

Europa insgesamt schnitt bei Direktinvestitionen nicht sonderlich gut ab. „Nach wie vor liegt das Niveau niedriger als im Vor-Pandemie-Jahr 2019 und deutlich unter dem Rekordjahr 2017“, heißt es in der Studie. Es verzeichnen jedoch keineswegs alle europäischen Länder einen Rückgang.

Der Auswertung von EY zufolge konnte Frankreich vergangenes Jahr 1259 neue Projekte vermelden, drei Prozent mehr als 2021. Unser Nachbarland vereinigte damit 21 Prozent aller Projekte in Europa auf sich. Auf Platz zwei folgt Großbritannien mit einem Anteil von 16 Prozent. Erst dann kommt erst Deutschland mit 14 Prozent.

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„Das Ergebnis dürfte auch vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine, den Auswirkungen auf Deutschland und den Sorgen vor einer Energiekrise zu interpretieren sein“, schreiben die Berater. Die Konjunktur hatte sich 2022 in der Bundesrepublik schwächer als anderswo entwickelt.

Ein Grund: Deutschland mit seinem relativ hohen Industrieanteil litt wie keine zweite große Volkswirtschaft unter den steigenden Preisen für Gas und Strom. Aus deutscher Sicht muss 2022 besonders deshalb als Rückschlag betrachtet werden, weil Ökonomen eigentlich mit einer ganz anderen Entwicklung gerechnet hatten.

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Als Folge von Corona und weltweit unterbrochener Lieferketten waren die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland 2021 um zehn Prozent eingebrochen. Allgemein war für 2022, nach dem Ende der Pandemie, eine kräftige Erholung erwartet worden. Dass die Erholung ausblieb, weckt Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland.

Deutschlands Schwächen werden immer gravierender

Dazu passt der scharfe Rückgang der Auftragseingänge der deutschen Industrie im Herbst. Nach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) haben sich die Schwächen des Standorts Deutschland seit 2013 verschärft. Deutschland ist aber auch zurückgefallen, weil andere Länder sich verbessert haben: „Fehlende Verbesserungen sind gleichzusetzen mit verschlechterten Chancen auf künftiges Wachstum“, so eine Einschätzung des Instituts.

Ein häufig beklagtes Problem, über das die Ampel-Regierung gerade diskutiert, sind die Energiepreise. „Die deutsche Industrie ächzt unter hohen Stromkosten“, heißt es in einer Einschätzung von IW-Chef Michael Hüther. Seinen Berechnungen zufolge zahlten Unternehmen in Deutschland im zweiten Halbjahr 2022 durchschnittlich rund 25 Cent für eine Kilowattstunde Strom.

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Das liegt über dem EU-Durchschnitt und ist etwa dreieinhalbmal so viel wie in den USA: „Im internationalen Wettbewerb droht die deutsche Industrie damit unter die Räder zu kommen“, warnt Hüther.

Während Europas größte Volkswirtschaft 2022 keine Fortschritte machte, profitierten einige Länder von der Regionalisierung der Lieferketten und relativ niedrigen Kosten. Die Experten verwenden den Begriff „Verlagerungsdynamik“.

Ökonomen sehen auch einen Hoffnungsschimmer

Den größten Sprung bei den Projekten machte Polen mit einem Plus von 30 Prozent, gefolgt von Portugal mit plus 24 Prozent und der Türkei mit plus 22 Prozent. Auch Irland legte deutlich zu. Es profitierte vermutlich von der Schwäche Großbritanniens. Das Vereinigte Königreich zeigte von den großen Volkswirtschaften 2022 die schlechteste Bilanz. Die Zahl der Projekte schrumpfte um sechs Prozent.

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Zumindest für den weiteren Jahresverlauf wollen die Ökonomen aber einen leisen Hoffnungsschimmer erkennen. „In diesem Jahr stellt sich die Situation deutlich anders dar: In der Gunst der Investoren kann der Standort Deutschland kräftig zulegen“, formulieren es die EY-Experten mit Blick auf eine Umfrage unter Investoren.

Überträgt sich die Stimmung in echte Projekte, wird Frankreich 2023 bei den Direktinvestitionen in etwa auf Vorjahresniveau bleiben, Großbritannien wird weiter zurückfallen, und die Bundesrepublik hat Chancen, wieder auf Position eins zu klettern.

Ob es wirklich so kommt, hängt aber von vielen Unwägbarkeiten ab, nicht zuletzt von den Energiepreisen. Erst einmal haben die Sorgen und die Deindustrialisierung Deutschlands neue Nahrung erhalten.

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Die Empfehlungen des IWF werden Lindner nicht gefallen

Artikel von Stefan Beutelsbacher, Daniel Eckert • Vor 1 Std.

Der IWF warnt: Deutschland stehe vor schweren wirtschaftlichen Herausforderungen. Hohe Energiepreise und strukturelle Probleme bedrohten das Wachstum. Auch die Schuldenbremse müsse gelockert werden. Kommt es jetzt zur Stagnation?

Bundesfinanzminister Christian Lindner bekommt vom IWF auch Unterstützung für seine Politik REUTERS

Bundesfinanzminister Christian Lindner bekommt vom IWF auch Unterstützung für seine Politik REUTERS© Bereitgestellt von WELT

Deutschland sei gut durch die Energiekrise gekommen, heißt es beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Jetzt müssten jedoch schnell Reformen angepackt werden, solle es nicht künftig knirschen – und zwar nicht nur in Europas größter Volkswirtschaft selbst, sondern in der gesamten Währungsunion.

Mit Blick auf die Finanzen warnt der Fonds im Rahmen sogenannter Artikel-IV-Konsultationen davor, weiter auf immer neue Schattenhaushalte wie das „Sondervermögen Bundeswehr“ zu setzen: Stattdessen solle der Staat die Schuldenbremse etwas lockern.

In der Wahrnehmung der meisten Deutschen tritt der IWF meist nur dann auf den Plan, wenn eine Ökonomie richtig tief in der Tinte steckt und gerettet werden muss. Doch die Washingtoner Organisation gibt auch regelmäßig Einschätzungen dazu ab, in welche Richtung sich Volkswirtschaften entwickeln. In den diesjährigen Artikel-IV-Konsultationen hat sich der Währungsfonds der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik angenommen.

Nicht zuletzt für die Finanzmärkte haben die Worte des IWF Gewicht, kann Kritik an der aktuellen Richtung doch als Warnung vor künftigen Schwierigkeiten verstanden werden. In diesem Jahr kommt den Konsultationen besondere Bedeutung zu, steht die deutsche Wirtschaft doch nach allgemeiner Einschätzung an einem Scheideweg, und die Kosten für die Kreditaufnahme des Staates sind zuletzt deutlich gestiegen.

Ökonomisch sind die Aussichten ernüchternd. Dem IWF zufolge wird die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr nicht wachsen. Von 2024 bis 2026 soll das Plus nur ein bis zwei Prozent betragen.

„Die Unsicherheit ist groß“

„Die Unsicherheit ist groß“, meinen die Experten, die in den vergangenen Wochen im Land unterwegs waren, um Informationen von Ministerien, Unternehmen, Gewerkschaften und der Bundesbank zu sammeln. Die Artikel-IV-Konsultationen sind eine Art ökonomischer Gesundheitscheck, der jährlich stattfindet.

Schuld an der drohenden Stagnation in diesem Jahr, so das IWF-Team, seien die hohen Energiepreise. Sie belasteten Deutschlands Firmen, lähmten die Wirtschaft. Doch selbst für die Zeit nach 2026, wenn Strom und Gas vielleicht wieder günstiger sind, bleiben die Aussichten trüb. Das Wachstum dürfte unter einem Prozent liegen. Denn Deutschland hat den Experten zufolge mehrere Probleme, die sich nicht einfach lösen lassen: eine alternde Bevölkerung, einen Mangel an Fachkräften, geringe Produktivitätsgewinne.

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Immerhin, die Inflation in Deutschland wird nach Einschätzung des Fonds sinken, wenn auch nicht auf die Werte, wie man sie vor Corona und Russlands Angriff auf die Ukraine kannte. Ende des Jahres erwartet die Organisation eine Rate von rund 4,5 Prozent.

Zum Vergleich: Vor wenigen Monaten waren es fast neun Prozent, im April noch 7,2 Prozent. Die Kerninflation – also die Teuerung ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise – dürfte hingegen später und langsamer fallen.

Ein besonderes Problem stellen dem IWF zufolge die diversen „Sondervermögen“ dar, die de facto nichts anderes sind als verschleierte Neuverschuldung. Deren Volumen beziffern die Ökonomen auf rund neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

„Der Währungsfonds bemängelt, dass die Regierung beträchtliche Schulden außerhalb des regulären Haushalts aufgenommen hat.“ Damit werde die Schuldenbremse des Grundgesetzes umgangen, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Nach Ansicht des Währungsfonds ist es ökonomisch sinnvoller, diese Schattenhaushalte zu begrenzen und im Gegensatz das unter der Schuldengrenze höchstens erlaubte Haushaltsdefizit etwas anzuheben, „vielleicht um einen Prozentpunkt“ des Bruttoinlandsprodukts (BIP), so der Report.

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Die Ökonomen regen an, vorübergehend einen Energie-Soli bei reicheren Bürgern einzusammeln und damit ärmere Teile der Bevölkerung zu unterstützen. Eine Idee, die nicht ganz neu ist – und die Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner ablehnt. Doch Lindner erntet nicht nur Kritik für seine Politik.

„Der Finanzminister bekommt einerseits etwas Unterstützung durch den Aufruf, schnell wieder zu soliden Finanzen zurückzukehren, um so auch die Inflation zu bekämpfen”, sagt Carsten Brzeski, Chefökonom Euro-Zone der ING. Andererseits fordere der IWF, mehr zu investieren und auch die Schuldenbremse zu reformieren.

Allerdings solle Deutschland laut IWF damit warten bis die EU ihre geplante Reform des Stabilitätspakts abgeschlossen habe. Also jener Regeln, die festlegen, wie viel Geld die Mitgliedstaaten ausgeben dürfen und wie schnell sie ihre Schulden zurückzahlen müssen.

Bisher sieht die Vereinbarung vor, dass alle Länder ihre Defizite auf drei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung und die Verschuldung auf 60 Prozent begrenzen müssen. Viele Regierungen, so die Kommission, könnten diese Ziele nach milliardenschweren Corona-Hilfen und in einer Zeit hoher Energiepreise nicht mehr einhalten. Daher seien Änderungen nötig.

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Die Kommission plant, mit jedem Staat künftig einzeln über den besten Weg des Schuldenabbaus zu verhandeln. Brüssel will nicht länger allgemeingültige Regeln vorschreiben, sondern von Fall zu Fall entscheiden. Das bedeutet eine Aufweichung des Stabilitätspakts und würde der EU ganz neue politische Spielräume eröffnen. Eine Niederlage für Lindner, der vor diesem Szenario wochenlang gewarnt hatte.

Wenigstens in einem Punkt scheint der deutsche Finanzminister einen Triumph errungen zu haben. Staaten mit einem großen Minus sollen ihre Schuldenquote laut dem Vorschlag aus Brüssel um jährlich einen halben Prozentpunkt senken. Das ist weniger als Lindner gefordert hatte, aber immerhin eine verbindliche und konkrete Angabe.

Zudem plant die Kommission eine für alle Länder gültige Regel, nach der das Ausgabenwachstum nicht größer als das Wirtschaftswachstum unter normalen Bedingungen sein darf. Auch das eine Idee von Lindner.

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Deutschlands neue Ingenieurs-Exzellenz

Ko-Autor: Siegfried Russwurm ist Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Ko-Autor: Siegfried Russwurm ist Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).© dpa

Deutschland nimmt weltweit mit Ingenieurleistungen eine Spitzenposition ein. Wir müssen jedoch alles dafür unternehmen, dass das so bleibt. Der Wettbewerbsdruck ist hoch. Neue Konkurrenten dringen in Domänen vor, in denen deutsche Ingenieurskunst als führend gilt: China errichtet das größte Netz für Hochgeschwindigkeitszüge auf der ganzen Welt, stellt das zweitgrößte Flughafenterminal und weitere Großprojekte in Rekordzeit fertig. Gleichzeitig stehen wir vor einem grundsätzlichen Wandel durch neue Anforderungen in Bezug auf Digitalisierung, Energieversorgung, Nachhaltigkeit und Mobilität. Wir müssen neue Lösungen mit den Menschen und für die Menschen gestalten. Um damit Erfolg zu haben, brauchen wir eine neue Initiative für „Engineering Excellence“.

Denn die Führungsrolle Deutschlands steht auf dem Spiel. Die Kosten von Vorhaben wie Stuttgart 21 oder der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München schießen immer weiter in die Höhe, und die Termine für ihre Fertigstellung rücken regelmäßig in die Zukunft. Das erschüttert das Vertrauen der Menschen und schadet dem guten internationalen Ruf Deutschlands als Land der Ingenieurinnen und Ingenieure.

So etwas darf sich nicht wiederholen. Die Großprojekte der Zukunft müssen erfolgreich sein, die erwarteten hohen Investitionen müssen sich lohnen. Und die Systeme müssen reibungslos ineinandergreifen – genau hier setzt die Initiative „Engineering Excellence“ an.

Engineering Excellence heißt, die technischen Systeme von morgen im globalen Wettbewerb erfolgreich gestalten. Die Bandbreite solcher Systeme reicht von kleinen Geräten wie smarten Küchenhelfern über größere wie intelligente vollvernetzte Fahrzeuge bis hin zu ganz neuen Infrastrukturen, etwa für eine Wasserstoff- oder Kreislaufwirtschaft. Weil Innovation niemals stillsteht, müssen diese immer wieder ganz neu gedacht und entwickelt werden. Triebfedern sind hierbei die Digitalisierung und Technologien wie die Künstliche Intelligenz (KI) und der „Digitale Zwilling“. Sie sind die Basis für vernetzte autonome Systeme und ermöglichen es, Systeme zu erproben, bevor sie physisch entstehen und in den realen Betrieb gehen. In vielen Bereichen gibt es erhebliche Potentiale für deutsche Produkte und Dienstleistungen, für die nachhaltige Gestaltung neuer Systeme und für Markterfolg rund um den Globus. Voraussetzung ist, dass sich jedes System, von klein bis weitverzweigt, durch eine hohe Verlässlichkeit auszeichnet und durch seine erfolgreiche Implementierung auch die technologische Souveränität des Standorts Deutschland fördert.

Enge Kooperationen sind gefragt

Dies stellt unsere Entwicklerinnen und Entwickler vor neue Herausforderungen. Die Komplexität dieser neuen Systeme macht es unabdingbar, dass Personen aus verschiedensten Fachdisziplinen zusammenarbeiten – beispielsweise aus dem Maschinenbau, der Mechatronik, der Softwareentwicklung, dem Marketing und Vertrieb und dem Kundendienst. Sie müssen den gesamten Innovationsprozess von der Vorausschau der Entwicklung von Märkten, Technologien und Geschäftsumfeldern über die Entwicklung und den Markterfolg bis zur langfristigen und nachhaltigen Nutzung der Systeme im Blick haben. Dies erfordert von ihnen eine übergreifende Denk- und Handlungsweise. In diesem Prozess kommunizieren und kooperieren alle involvierten Fachleute und Unternehmenspartner miteinander, sodass das entstehende Produkt oder die Dienstleistung so früh wie möglich erprobt, genutzt und weiterentwickelt werden kann.

Die neue übergreifende Herangehensweise spiegelt sich auch in den Organisations- und Arbeitskulturen sowie (KI-basierten) IT-Werkzeugen. Diese umfassende neue Methodik, bei der jedes Rad ins nächste greift, wird als „Advanced Systems Engineering“ (ASE) bezeichnet. ASE ist eine Schlüsselkompetenz, die für Engineering Excellence steht und im internationalen Wettbewerb herausragt und erhebliche Wettbewerbsvorteile bietet: Mit ASE können wir hier in Deutschland die komplexen, innovativen und vernetzten Produkte, Systeme und Dienstleistungen der Zukunft professionell entwickeln und zum Markterfolg bringen. Deshalb müssen wir ASE jetzt stärken und breit bekannt machen. Das trägt maßgeblich zur Sicherung der Zukunft des Technologie- und Innovationsstandorts Deutschland bei.

Um ASE im Innovationssystem zu verankern, müssen Stakeholder aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft an einem Strang ziehen. Deshalb wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „AdWiSE“ (Fördermaßnahme „Beherrschung der Komplexität soziotechnischer Systeme – ein Beitrag zum Advanced Systems Engineering für die Wertschöpfung von morgen“) und unter Beteiligung einer Vielzahl von Expertinnen und Experten die ASE-Strategie zur Gestaltung der Zukunft des Engineerings in Deutschland formuliert. Die Strategie schlägt ein Leitbild vor, wie die Situation für das Engineering im Jahr 2035 aussehen soll. Sie zeigt die Ziele, Kernwerte und Stakeholder-Nutzen der Initiative und erläutert, was grundsätzlich geschehen muss, um das Leitbild erfolgreich zu verwirklichen. Dabei kommen den Adressaten der Strategie, insbesondere Führungspersönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, spezifische Rollen zu.

Die Politik muss die Rahmenbedingungen für ASE schaffen, indem sie gesellschaftliche Akzeptanz für neue Technologien und die Überwindung des Fachkräftemangels fördert. Programme sollten zum einen die „Generation 50+“ mobilisieren, zum anderen sollten sie junge Menschen noch viel stärker für Technik und Systemgestaltung begeistern. Um ihren „Innovationsspirit“ zu wecken, empfehlen wir unter anderem freiwillige Praktika in Industrieunternehmen und Forschungsinstituten. Dabei gewinnen sie Einblicke in unterschiedlichste spannende Engineering-Berufsbilder, die ihren Weg in die Ausbildung und den Beruf prägen. Die wichtigste grundlegende Aufgabe der Politik liegt darin, digitale und technologische Souveränität in den Blick zu nehmen, denn diese hat die größte Hebelwirkung auf Engineering Excellence „made in Germany“. Wir benötigen auf nationaler und europäischer Ebene die Fähigkeit, im digitalen Raum selbstbestimmt zu handeln. Die europäische Datenstrategie, die Initiative Gaia-X und Plattformen wie Catena-X weisen den Weg in die richtige Richtung.

Neue Methoden gefordert, nur müssen diese erst gefunden werden

Die Wirtschaft wiederum ist der Treiber von Innovationen auf Basis von ASE. Die Entwicklung neuer Softwarewerkzeuge spielt für sie eine entscheidende Rolle: Unternehmen können nur so rasch und gut neue, herausragende Technologien entwickeln, wie es die Werkzeuge zulassen. Deshalb müssen die ASE-Werkzeuge zwingend interoperabel und digital durchgängig sein – auch hier gilt es, die Souveränität der Anwender auf europäischer Ebene zu sichern. Hand in Hand mit der Anwendung dieser Tools geht ein kompetenter Umgang mit Daten einher, deren Menge und Bedeutung im Engineering immer größer wird. Es gibt einen hohen Bedarf an neuen datenbasierten Methoden. Bislang gibt es diese nur in Ansätzen in den Ingenieurwissenschaften. Daher müssen sie von Grund auf neu erarbeitet werden.

Die Wissenschaft ist also gefordert, insbesondere die notwendigen Methoden mit Fokus auf nachhaltige und verlässliche Systeme zu erforschen, zu entwickeln und diese in das Innovationsgeschehen einzubringen. Damit dies schneller als bisher gelingt, muss der Staat die Zusammenarbeit und Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft effektiver fördern. Dies kann mit dem Fokus auf eine gemeinsame Innovationsvision gelingen und der Einrichtung von Transfer als dritter Säule – neben Lehre und Forschung – im Hochschulsystem.

Die ASE-Strategie kann dem Innovations- und Produktionsstandort Deutschland einen entscheidenden Schub in Richtung erfolgreiche Zukunft geben. Sie kann eine neue Dynamik entfachen, um die großen transformativen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Die Freude an der Entwicklung von nutzenstiftenden Systemen sowie der Mut und die Kompetenz, die Grenzen des gewohnten Denkens zu überwinden, müssen von der Schulzeit bis ins fortgeschrittene Berufsalter wieder stärker im Vordergrund stehen. Junge Menschen sollen in der Entwicklung neuer Technologien die Chance sehen, ihre Zukunft nachhaltig zum Besseren zu gestalten. Durch ASE können am Standort Deutschland neue, attraktive Arbeitsplätze entstehen. Gerade aufgrund der aktuellen ökonomischen und ökologischen Krisen muss es uns gelingen, neue Lösungswege zu gehen und gute Zukunftsperspektiven zu sichern. Und ASE ist genau so ein Lösungsweg.

Professor Dr.-Ing. Siegfried Russwurm ist Präsidiumsmitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) und ­Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Professor Dr.-Ing. Roman Dumitrescu ist Acatech-Mitglied und Direktor Produkt­entstehung am Fraunhofer IEM.

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BDI - Jeder sechste Industriebetrieb verlagert Jobs und Produktion ins Ausland

ARCHIV: Die Skyline des östlichen Stadtzentrums mit dem Fernsehturm in Berlin, Deutschland

ARCHIV: Die Skyline des östlichen Stadtzentrums mit dem Fernsehturm in Berlin, Deutschland© Thomson Reuters

Berlin (Reuters) - Die Industrie-Lobby in Deutschland schlägt wegen hoher Kosten Alarm und fordert von der Politik weitere Entlastungen.

"16 Prozent der befragten Unternehmen sind bereits aktiv dabei, Teile der Produktion und Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern", erklärte Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, am Montag. "Weitere 30 Prozent denken konkret darüber nach." Dies gehe aus einer Verbands-Blitzumfrage im industriellen Mittelstand hervor. Die Industrie benötige für mehr Investitionen einen spürbaren Bürokratieabbau sowie gezielte Steuersenkungen, mahnte Russwurm. "Die Politik ist in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen am Standort zu verbessern."

Die Situation bei Preisen für Energie und Rohstoffe habe sich im Vergleich zu 2022 zwar etwas entspannt, bleibe aber für fast zwei Drittel der befragten Unternehmen eine der drängenden Herausforderungen. "Der Industriestrompreis muss dringend verlässlich und dauerhaft auf ein wettbewerbsfähiges Niveau sinken, sonst droht die Transformation in der Industrie zu scheitern", sagte Russwurm. Der BDI erwarte von der Bundesregierung zügig ein konkret umsetzbares Konzept, das dauerhaft eine sichere Versorgung mit Energie zu international wettbewerbsfähigen Kosten gewährleiste.

Rund drei Viertel der Unternehmen beklagen laut BDI zu hohe Arbeitskosten - nicht zuletzt aufgrund des gravierenden Fachkräftemangels. Hier müsse die Politik eine leichtere Zuwanderung ermöglichen. "Wesentliche Hemmnisse für die gezielte Erwerbsmigration sind trotz der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes nach wie vor komplizierte und langwierige Verwaltungsverfahren."

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Konjunktur: Industrieaufträge fallen erneut: „Konjunkturgefühl wird immer mulmiger“

Die Bestellungen sanken zum Vormonat um 0,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Foto: imago images / photothekdata-portal-copyright=

Die Bestellungen sanken zum Vormonat um 0,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Foto: imago images / photothekdata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Handelsblatt

Die Auftragseingänge in der Industrie steigen trotz Erwartungen von Ökonomen im April nicht. Der Abwärtstrend könnte in den folgenden Monaten anhalten.

Die deutsche Industrie hat im April überraschend erneut ein Auftragsminus wegstecken müssen. Die Bestellungen sanken zum Vormonat um 0,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hingegen hatten mit einem Anstieg um 3,0 Prozent gerechnet, nachdem es im März mit 10,9 Prozent das größte Auftragsminus seit den Anfangszeiten der Corona-Pandemie im April 2020 gegeben hatte.

„Trotz des Einbruchs im März haben sich die Auftragseingänge im April wider Erwarten nicht erholt“, kommentierte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Das sei ein schlechtes Signal. „Die technische Rezession im Winterhalbjahr war kein Ausrutscher.“ Vieles spreche zusammen mit den weltweiten Zinserhöhungen für ein erneutes Schrumpfen der deutschen Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte.

Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank bezeichnete die Daten als Riesenenttäuschung. „Damit wird das Konjunkturgefühl immer mulmiger.“ In der Industrie laufe es weiter alles andere als rund.

„Der Abwärtstrend ist jedenfalls intakt, er hält seit mehr als einem Jahr an.“ Die Schwächephase in den USA wird dies eher noch bestärken. Noch seien Auftragspolster vorhanden. „Auch wegen der Klimapolitik hierzulande wird der Ritt für die Industrie ein harter bleiben.“

Auch das Bundeswirtschaftsministerium reagierte verhalten. Allerdings hätte es im April ein Orderplus von 1,4 Prozent gegeben, wenn man Großaufträge ausklammere, hieß es. „Die exportorientierte deutsche Wirtschaft leidet besonders unter der noch schwachen Weltwirtschaft und dem Rückgang der Bestellungen aus dem Euroraum“, erklärte das Ministerium. Die Nachfrage im Inland halte sich dagegen vergleichsweise stabil. „Insgesamt deuten die schwachen Auftragseingänge aber noch nicht auf kurzfristige Wachstumsimpulse für die Industrieproduktion hin.“

Die Bestellungen aus dem Inland stiegen im April um 1,6 Prozent zum Vormonat, während die Auslandsnachfrage um 1,8 Prozent nachließ.