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Rechtsprechung

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Karlsruhe billigt «Notbremse»-Maßnahmen aus dem Frühjahr

 

Der Bund durfte in der dritten Pandemie-Welle im Frühjahr über die sogenannte Corona-Notbremse Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen verhängen.

Die Maßnahmen hätten in erheblicher Weise in verschiedene Grundrechte eingegriffen, seien aber «in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie» mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag mit.

In einem zweiten Verfahren wiesen die Richterinnen und Richter Klagen von Eltern und Schülern gegen die damals angeordneten Schulschließungen ab. Gleichzeitig erkannten sie erstmals ein «Recht der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Staat auf schulische Bildung» an. (Az. 1 BvR 781/21 u.a.)

Mit den beiden Entscheidungen des Ersten Senats unter Gerichtspräsident Stephan Harbarth bekommt die Politik auch Hinweise für ihren Handlungsspielraum in der aktuellen vierten Welle. Die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz (SPD) wollen sich um 13.00 Uhr mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder zusammenschalten, um im Lichte der Karlsruher Beschlüsse über die Krise zu beraten.

Notbremse ausgelaufen

Die Notbremse im Infektionsschutzgesetz (Paragraf 28b) war zeitlich befristet und Ende Juni außer Kraft getreten. Der Bund wollte damit sicherstellen, dass überall im Land dieselben Maßnahmen greifen, sobald sich die Corona-Lage in einer Region zuspitzt. Sie musste seit dem 24. April automatisch gezogen werden, wenn die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt mehrere Tage lang die 100 überschritt. Der Wert gibt an, wie viele Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner es binnen einer Woche gibt.

Vorgesehen war dann unter vielem anderem, dass nachts zwischen 22.00 und 5.00 Uhr niemand mehr draußen sein durfte. Nur Sport allein war bis 24 Uhr erlaubt. Außerdem gab es verschiedene Ausnahmen, zum Beispiel in medizinischen Notfällen, wegen des Berufs oder «zur Versorgung von Tieren». Menschen aus einem Haushalt durften sich nur mit einer anderen Person und deren Kindern bis 14 Jahre treffen.

Schulen war vorgegeben, ab dem Schwellenwert 100 auf Wechselunterricht umzustellen, ein Teil der Schüler musste also zu Hause bleiben. Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 war Präsenzunterricht ganz untersagt. Auch hier gab es Ausnahmen.

Die Einführung der Notbremse hatte eine Klagewelle in Karlsruhe ausgelöst. Weil die Maßnahmen direkt per Bundesgesetz vorgeschrieben wurden, war der Umweg über die Verwaltungsgerichte nun nicht mehr nötig. Bis zur zweiten Augusthälfte waren beim Verfassungsgericht mehr als 300 Verfassungsbeschwerden und Eilanträge eingegangen - teilweise gemeinschaftlich eingereicht, so dass es mehr als 8500 Klägerinnen und Kläger gab, wie das Gericht damals mitteilte.

Im frisch überarbeiteten Gesetz der künftigen Ampel-Koalitionäre sieht der Paragraf anders aus und enthält nun zum Beispiel die 3G-Regel am Arbeitsplatz. Aus mehreren Ländern gab es zuletzt aber Forderungen nach einer Neuauflage der «Bundes-Notbremse»

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Überschäumende Kritik am Bundesverfassungsgericht: Gibt es eine Kumpanei von Regierung und Justiz?

 

Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts dürfen kritisiert werden. Die Schimäre eines „tiefen Staates“ zu verbreiten, ist allerdings gefährlich. Ein Kommentar

Unterhalten sich zwei Verschwörungstheoretiker. Sagt der eine: „Was heißt hier Verfolgungswahn? Ich leide nicht an Verfolgungswahn. Sie sind wirklich hinter mir her!“ Sagt der andere: „Ich glaube ja, dass auch die Verschwörungstheoretiker alle unter einer Decke stecken.“ Der kleine Dialog illustriert, dass sich verzerrte Wahrnehmungen der Wirklichkeit nicht leicht von außen korrigieren lassen. Das Weltbild ist geschlossen und wurde gegen Einwände immunisiert. Bei einzelnen Menschen ist das eine Marotte, bei vielen eine Tendenz. Manchmal ist sie gefährlich.

Am Montag verkündete das Bundesverfassungsgericht, dass die Bundesnotbremse, die mittlerweile ausgelaufen ist, verfassungskonform war. Die Beschlüsse des höchsten deutschen Gerichtes waren einstimmig ergangen, Befangenheitsanträge gegen einzelne Richter abgewiesen worden. Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass die Justiz unabhängig war.

Gerichtspräsident Stephan Harbarth gilt als „Merkels Parteisoldat“

Befürworter der Anti-Corona-Maßnahmen, inklusive der damit verbundenen tiefgreifenden Grundrechtseingriffe, jubelten, deren Gegner zürnten. Das war zu erwarten. Nicht zu erwarten war, dass sich die Kritik an den Beschlüssen des Gerichts nicht auf Sachfragen beschränkte, sondern eine Kumpanei zwischen Regierung und Justiz insinuiert wurde.

In einem Kommentar der „Welt“ wird eine besondere Nähe von Bundesverfassungsgericht, Exekutive, Legislative und Medien konstatiert. Die „Bild“-Zeitung befasst sich mit der Rolle von Gerichtspräsident Stephan Harbarth, der als „Merkels Parteisoldat“ gelte – Überschrift: „Eine gefährliche Freundschaft für unsere Demokratie?“ In diesem Zusammenhang erinnert die Zeitung an ein Abendessen der Richter und Richterinnen am 30. Juni im Bundeskanzleramt.

Die Kungelei-Vorwürfe haben keine Sunbstanz

Das Stichwort greift die „Neue Zürcher Zeitung“ in einem Newsletter auf und meint, das Gericht habe nur die Argumentation der Bundesregierung übernommen. Es folgt die Frage: „Ist es das, was beim Abendessen im Kanzleramt am letzten Gültigkeitstag der ,Bundesnotbremse’ besprochen wurde?" Derlei Spekulationen kontert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ so knapp wie treffend: „Die Vorstellung, dass der politisch ziemlich bunte Senat Regierungsaufträge erfüllt, ist abwegig.“

Beschlüsse und Urteile des Bundesverfassungsgerichts dürfen kritisiert werden. Wer sich dafür allerdings der Schimäre eines „tiefen Staates“ bedient, in dem ein Lobbyisten-Konglomerat aus Politik, Justiz und Medien mit unlauteren Methoden gemeinsame Sache macht, befördert das Geschäft politischer Fundamentalisten. Von Kungelei-Vorwürfen bis zur Verdammung „korrupter Juristen“, eines „Schweinesystems“ und einer „Lügenpresse“ ist der Weg

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BGH: Keine Pauschallösung bei Geschäftsmiete im Lockdown

 

Einzelhändler, die mit ihrem Vermieter über die Miete im Corona-Lockdown streiten, können voraussichtlich nicht auf eine pauschale Halbe/Halbe-Regelung hoffen. Das zeichnete sich am Mittwoch in einer Verhandlung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe ab. In dem Musterfall aus Sachsen hatte zuletzt das Dresdner Oberlandesgericht dem Geschäft den Erlass von ungefähr der Hälfte einer Monatsmiete zugesprochen, weil es von 19. März bis 19. April 2020 schließen musste. Das ist den BGH-Richterinnen und -Richtern zu pauschal. Der Vorsitzende Hans-Joachim Dose sagte, nach vorläufiger Einschätzung brauche es «eine umfassende Prüfung aller Umstände des Einzelfalls». Das Urteil soll am 12. Januar verkündet werden.

Seit dem Jahreswechsel 2020/21 ist gesetzlich klargestellt, dass gewerbliche Mieter eine Anpassung ihres Mietvertrags verlangen können, wenn sie wegen Corona-Maßnahmen schließen müssen oder ihr Geschäft nur mit starken Einschränkungen öffnen dürfen. Es gibt aber keine Vorschrift, die besagt, dass ihnen ein Teil der Miete erlassen werden muss. In dem Fall geht es um eine Filiale des Textil-Discounters Kik im Raum Chemnitz. (Az. XII ZR 8/21)

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Kein Schufa-Eintrag bei Ratenabtrag von Schulden

Hat ein Schuldner den Abtrag der Schulden in Raten vereinbart, darf die Wirtschaftsauskunftei Schufa dazu keinen sogenannten Negativeintrag vornehmen. Das entschied das Verwaltungsgericht Wiesbaden in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil. Es verpflichtete damit den hessischen Datenschutzbeauftragten, bei der Schufa auf die Löschung eines solchen Eintrags hinzuwirken. (Az: 6 K 549/21.WI)

Das Gericht gab damit einem Verbraucher recht, der mit einem Kreditkartenkonto in Zahlungsschwierigkeiten geraten war. Die Bank hatte dieses Konto daraufhin gekündigt und ein Inkassounternehmen mit der Eintreibung der Schulden in Höhe von 1600 Euro beauftragt.

In einem Telefongespräch bot der Schuldner Ratenzahlungen an. Inwieweit das Inkassounternehmen dies akzeptierte, ist strittig. Jedenfalls überwies der Mann eine Teilzahlungsgebühr in Höhe von 245 Euro und zahlte seine Schulden in Raten komplett ab.

Das Inkassounternehmen meldete aber unterdessen Zahlungsschwierigkeiten an die Schufa. Nachdem die Schulden bezahlt waren, verpflichtete sich die Inkassofirma in einem Vergleich, die Meldung an die Schufa zu widerrufen.

Weil die Wirtschaftsauskunftei den vorgenommenen Negativeintrag nicht löschen wollte, suchte der Mann Hilfe beim hessischen Datenschutzbeauftragten. Der lehnte ein Einschreiten jedoch ab.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden verpflichtete den Datenschutzbeauftragten nun, auf die Löschung des Eintrags hinzuwirken. Die Datenverarbeitung durch die Schufa sei rechtswidrig. Es sei schon fraglich, ob das Inkassounternehmen ohne gesonderten Auftrag der Bank Meldung an die Schufa geben durfte, erklärte das Gericht. Dies sei von dem Auftrag zum Eintreiben des Geldes nicht gedeckt.

Jedenfalls sei eine Ratenzahlung vereinbart und die Schulden inzwischen komplett getilgt worden. Dass hier die Ratenvereinbarung mangels Schriftform unwirksam war, spiele keine Rolle, weil der Schuldner tatsächlich gezahlt habe.

Der Negativeintrag sei daher rechtswidrig, urteilte das Verwaltungsgericht. Dass die Verhaltensregeln des Dachverbandes der Wirtschaftsauskunfteien die Löschung in solchen Fällen nicht vorsehen, stehe der Pflicht zur Löschung nicht entgegen. Der Datenschutzbeauftragte rief hiergegen bereits den Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel an.

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Nach Tiergarten-Urteil

Die Geduld mit Putin muss ein Ende haben – und zwar jetzt!

Russland hat einen Mord in Berlin in Auftrag gegeben. Das hat ein Gericht nun offiziell festgestellt. Für die Außenpolitik muss dieses deutliche Urteil endlich Konsequenzen haben: Wladimir Putin versteht nur eine klare Sprache. 

Seit Jahren überzieht Russlands Präsident Wladimir Putin Europa mit Krieg, Terror und feindlichen Destabilisierungsversuchen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass seine Geheimdienste nicht nur für den Berliner Auftragsmord, sondern auch für eine Vielzahl weiterer Verbrechen verantwortlich sind. In Großbritannien vergifteten sie ihre ehemaligen Agenten Alexander Litwinenko und Sergej Skripal (und brachten beim Mordversuch Unbeteiligte um und verletzten Polizisten schwer). In Tschechien jagten sie ein Munitionslager in die Luft und töteten dabei mehrere Menschen. In Montenegro versuchten sie, einen Putsch zu orchestrieren.

Nun hat ein Berliner Gericht in einem wegweisenden Urteil festgestellt: Die Bluttat im Kleinen Tiergarten war ein kaltblütiger Mord. Die Bundesanwaltschaft macht offizielle russische Stellen dafür verantwortlich. Und das sind nur einige der skandalösesten Vorfälle.

Recht und Gesetz scheren ihn nicht

Putin demonstriert seit mehr als zehn Jahren, dass ihn Recht und Gesetz nicht scheren, geschweige denn der Frieden in den Nachbarländern und der Welt. Eiskalt verfolgt er sein Ziel: den Machterhalt für sich und seine korrupte Elite. Die Staatskasse wird von seinen Verbündeten geplündert, während es den Bürgern an vielem mangelt.

Um der Unzufriedenheit Herr zu werden, sperrt er Oppositionelle ein und verfolgt Großmachtfantasien im Ausland, überzieht seine vermeintlichen Gegner mit Terror und Krieg: Mit einem blutigen Gemetzel in Tschetschenien begann seine Herrschaft, es folgten Angriffskriege auf Georgien und die Ukraine. Noch immer hält Russland Teile der Nachbarstaaten de facto besetzt.

Begleitet werden seine Kriege von Destabilisierungsversuchen in der ganzen Welt. Wahlen im Westen versucht er heimtückisch zu manipulieren, seine Söldner und Bomben unterstützen die schlimmsten Völkermörder wie den syrischen Diktator Assad.

Zu lange hat Deutschland gezögert

Es ist Zeit, dem Einhalt zu gebieten. Lange, viel zu lange hat Deutschland gezögert und auf gute Geschäfte mit dem russischen Präsidenten gesetzt. "Wandel durch Handel" lautete die Strategie. Komme man Putin nur genug entgegen, dann werde sich seine plötzliche Friedfertigkeit immerhin für ihn auszahlen, so lautete die Annahme. Doch diese Rechnung wurde ohne den Ex-KGB-Agenten gemacht. Er versteht nur die Sprache der Stärke.

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Triage: Gericht trifft Entscheidung – mit weitreichenden Folgen

Die Triage-Entscheidung ist gefallen! In dem am Dienstag (28. Dezember 2021) vom Bundesverfassungsgericht veröffentlichten Beschluss heißt es: Der Gesetzgeber muss Vorkehrungen zum Schutz behinderter Menschen für den Fall einer pandemiebedingt auftretenden Triage treffen.

Andernfalls bestehe das Risiko, dass Menschen in einer Triage-Situation bei der Zuteilung intensivmedizinischer Behandlungsressourcen wegen einer Behinderung benachteiligt werden. Auch die Ärzte brauchten Unterstützung, um die dann anstehenden schweren Entscheidungen zu treffen.

Triage: Wenn Ärzte entscheiden müssen, wen sie retten und wen nicht

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Triage reicht aus Sicht von Patientenschützern weit über die Corona-Pandemie hinaus. Dass Menschen mit Behinderung bei knappen Ressourcen nicht benachteiligt werden dürfen, spiele beispielsweise auch bei Organspenden und Pflege eine Rolle, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. „Das wird alles zu diskutieren sein.“

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Gericht entscheidet über Lohn-Entschädigung

Das Infektionsschutzgesetz, kurz IfSG, ist auf den ersten Blick deutlich: Wer als Träger von Krankheitserregern oder als Verdachtsperson nicht arbeiten darf und sich zum Schutz der Belegschaft absondern muss, hat Anrecht auf einen finanzielle Entschädigung. Ausnahmen für bestimmte Branchen gibt es nicht. Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Landschaftsverbände aber ausdrücklich angewiesen, die Anträge auf Entschädigung in der Fleischindustrie abzulehnen. Nach der Schließung mehrerer Betriebe im Laufe des Jahres 2020 sind an den Verwaltungsgerichten in Minden und Münster mehrere 1000 Klagen eingegangen. Am 26. Januar werden jetzt erste Fälle am Verwaltungsgericht in Minden entschieden.
Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte nach dem Corona-Ausbruch bei Marktführer Tönnies in Rheda-Wiedenbrück im Frühjahr 2020 den Firmenchef an sein eigenes Versprechen erinnert. «Herr Tönnies hat öffentlich angekündigt, Kosten, die der Allgemeinheit durch den Corona-Ausbruch in seinem Betrieb entstehen, vollumfänglich zu ersetzen. Mich wundert, dass er noch keine Einigung mit seinen Subunternehmern hierzu erzielt hat. Mein Ministerium hat in jedem Fall klargestellt, dass nicht die öffentliche Hand für die Kosten aufkommen wird», sagte der zuständige Minister im Dezember 2020 zu dem Vorgang.

Bisher zahlen Arbeitgeber im Quarantänefall den Lohn fort und können sich den Betrag dann von den kommunalen Landschaftsverbänden erstatten lassen. Nach Ministeriumsangaben wurden in NRW bislang rund 238 Millionen Euro für eine Entschädigung des Verdienstausfalls in Zusammenhang mit einer behördlich angeordneten Quarantäne ausgegeben (Stand Anfang Januar 2022).

Nur eben nicht in Teilen der Fleischindustrie. Hier wirft Laumann den Unternehmen, darunter auch ehemaligen Subunternehmen von Tönnies, Schutzpflichtverletzungen im Zusammenhang mit den eigenen Mitarbeitern vor. In der Folge sei es zu Infektionen mit dem Coronavirus gekommen. Die Regelung aus dem Infektionsschutzgesetz greife daher nicht. Das Ministerium stützt sich bei dieser Sichtweise auf ein eingeholtes Rechtsgutachten.

Das Unternehmen Tönnies zeigt sich bei dem Vorwurf der Schutzpflichtverletzung ratlos. Man wisse nicht, welche das sein sollen. Deutschlands größter Schlachtbetrieb verweist auf die Studie unabhängiger Wissenschaftler, die festgestellt hatten, dass Tönnies keine Schuld treffe. Eine Untersuchung hatte ergeben, dass das Virus über sehr kalte, umgewälzte Atemluft der Arbeiter in der Produktion in Form von Aerosolen übertragen worden war. Dieser Übertragungsweg gilt heute in der Corona-Pandemie als Standard - auch außerhalb der Schlachthöfe.

Im Frühjahr 2020 hatten sich über 1000 Mitarbeiter von Tönnies mit dem Coronavirus infiziert. Der Betrieb wurde vorübergehend stillgelegt. Tönnies und andere Betriebe mussten daraufhin die Lüftung mit Filtern umbauen und für einen größeren Austausch mit Frischluft sorgen.

Die Verwaltungsgerichte Minden und Münster sind zuständig, weil die Mitarbeiter in deren Einzugsgebiet ihre Wohnsitze haben. In Münster sind nach Angaben eines Sprechers über 3000 Verfahren anhängig. Erste mündliche Verhandlungen soll es hier frühestens Ende März oder Anfang April geben. In Minden wird jetzt stellvertretend über erste ausgewählte Streitfälle verhandelt. Äußern will sich Tönnies nach Auskunft eines Sprechers im Vorfeld nicht, weil das Unternehmen nicht beteiligt sei.

Der Großteil der Klagen wird währenddessen ruhend gestellt, wie die Juristen sagen. Hier wird abgewartet, wie die Gerichte im weiteren Rechtsstreit entscheiden. Nach den Verwaltungsgerichten in der ersten Instanz wäre das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster an der Reihe, dann das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig.

Die Bundesregierung hat zum Jahreswechsel 2020/2021 den Einsatz von Werkarbeitern im Kerngeschäft der Schlachthöfe im Bereich der Schlachtung und Zerlegung verboten. Zuvor wurden Arbeiter zumeist aus Osteuropa von zahlreichen Subunternehmen in den großen Betrieben eingesetzt. Die jetzt anhängigen Klagen betreffen deshalb jetzt zum Großteil die ehemaligen Subunternehmer.

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Soll künftig nur noch Ordnungswidrigkeit sein: Anwaltverein plädiert für die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens

Die Ampel-Pläne, Fahren ohne Fahrausweis zur Ordnungswidrigkeit herabzusetzen, befürwortet auch der Deutsche Anwaltverein. Strafrecht sei nur letztes Mittel.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat sich für die Pläne der Bundesregierung ausgesprochen, die Einstufung des Schwarzfahrens als Straftat zu überprüfen. Der DAV plädiere seit Jahren für die Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit, sagte Swen Walentowski, Leiter des Vereins für Politische Kommunikation und Medien, am Dienstag in Berlin.

Verfolgung und Ahndung des Schwarzfahrens als Straftat verursachten unverhältnismäßig hohe Kosten, „belasten die Justiz sowie die Ermittlungsbehörden unnötig und stehen dem Ultima-Ratio-Prinzip des Strafrechts entgegen“. Alleine für Ersatzfreiheitsstrafen – die vollstreckt werden, wenn jemand eine Geldstrafe nicht zahlen kann – zahlte etwa das Land Berlin vor der Pandemie mehr als vier Millionen Euro. Mehr als die Hälfte der Inhaftierten waren Schwarzfahrer.

Die Kosten für die Verfahren und Gefängnisstrafen seien im Verhältnis zu den erschlichenen Leistungen unverhältnismäßig hoch, sagte Swen Walentowski vom Anwaltverein. Zudem bleibe den Behörden kein Ermessensspielraum. Wer sich den Fahrschein nicht leisten könne, werde kriminalisiert. Schwarzfahren sei „aber nicht sozialschädlich und eine Kriminalisierung daher nicht im Sinne des Gemeinschaftsschutzes.“ Der Ultima-Ratio-Gedanke des Strafrechts schreibe vor, auf Strafverfolgung nur als letztes Mittel zurückzugreifen.

Der „Spiegel“ hatte berichtet, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) das Strafrecht systematisch überprüfen wolle und dabei unter anderem das Schwarzfahren im Blick habe. Buschmann sagte dem Magazin, gerade das Strafrecht sei „keine Allzweckwaffe, sondern als schärfstes Schwert des Rechtsstaats nur letztes Mittel“.

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Abgasnormen: Deutschland gewinnt Rechtsstreit

Brüssel. Der „Dieselgate“-Skandal ist nun erneut vor dem höchsten EU-Gericht angekommen. In den Streitigkeiten um Auswirkungen der Schummelsoftware auf Fahrverbote in Städten entschieden die Luxemburger Richter zugunsten einer Klage der Bundesrepublik Deutschland. Welche Auswirkungen hat das für Dieselfahrer?

Die Empörung war groß bei Städten, die durch Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ihre Luftqualität verbessern wollten: Im Nachlauf zum „Dieselgate“-Skandal hatte die Kommission die Grenzwerte für ein Erfüllen der Euro-6-Norm gelockert. Paris, Brüssel und Madrid klagten dagegen - und sie bekamen vor vier Jahren Recht durch das zuständige EU-Gericht. Die Kommission hätte die Grenzwerte für Stickoxide nicht von 80 auf 120 Milligramm je Kilometer heraufsetzen dürfen. Durfte sie doch, meinten Deutschland, Ungarn, Rumänien, die Slowakei und die Kommission und gingen gegen das Urteil vor. Der Europäische Gerichtshof gab ihnen am Donnerstag Recht.

Im Kern geht es bei der nun ergangenen Entscheidung gar nicht um eine Neubewertung der Grenzwerte, sondern um die Klagebefugnis von Städten gegen EU-Rechtsakte. Da schuf der EUGH einerseits Klarheit, indem er allen Städten die grundsätzliche Klagebefugnis zuerkannte wie jedem EU-Bürger, der in seinen Rechten verletzt wird. Allerdings pfiffen die obersten EU-Richter die Einschätzung der Kollegen von der unteren Instanz zurück. Die damalige Abgasnorm-Novelle habe nämlich nicht Dieselautos im Straßenverkehr betroffen, sondern die Zulassung zum Fahrzeugmarkt. Mit dem „Typgenehmigungsverfahren“ aber hätten die Städte nichts zu tun gehabt.

Zwar war in der Ausgangsnorm durchaus als Zweck angegeben, die Luftreinheit zu erhalten oder zu verbessern, im konkreten Fall sei es jedoch um eine Reaktion auf den „Dieselgate“-Skandal gegangen. Seinerzeit waren Diesel-Hersteller mit einer Schummelsoftware aufgefallen, die dafür sorgte, dass den Kontrolleuren auf dem Prüfstand ein Abgasverhalten vorgegaukelt wurde, das nicht dem echten Schadstoffausstoß im Fahrbetrieb entsprach. Für eine Übergangszeit von bis zu fünf Jahren und vier Monaten durften die Diesel in den neuen, realistischen Tests das 2,1 fache des Bemessungswertes aufweisen, um noch der Euro-6-Norm zu entsprechen.

Inzwischen ist dieser Wert erneut abgesenkt worden. Auch die Kontrollen sind deutlich schärfer geworden und umfassen unter anderem eine Speicherung des Gesamtausstoßes auch außerhalb von Testphasen. Mit dem Hinweis darauf, die Städte hätten ihr Fahrverbot auf alle Fahrzeugtypen beziehen können, die die Euro-5-Norm nicht erfüllten, unterstrich der Gerichtshof zugleich die Kompetenz der Kommunen, den Fahrzeugverkehr aus Umweltgründen einschränken zu können. Bei Klagen gegen europäische Akte allerdings müssen sie nach der neuen Rechtsstellung nun zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen einerseits unmittelbar von Auswirkungen der beanstandeten EU-Maßnahmen betroffen sein. Und sie dürfen andererseits bei der Umsetzung keinen Ermessensspielraum haben.

Beides war bei der angegriffenen EU-Verordnung nicht gegeben, sodass die Luxemburger Richter die Klage der Städte als unzulässig einstuften. Die Auswirkungen auf den einzelnen Dieselfahrer sind schon insofern minimal, als die beklagte Ausnahmeregelung inzwischen abgelaufen ist. Zugleich unterstreicht der EU-Gerichtshof die Absicht, auch auf dem Feld von Umweltauflagen einen einheitlichen Binnenmarkt zu schaffen. Denn dem negativen Recht der Mitgliedsstaaten, die Zulassung von Fahrzeugen mit schlechten Abgaswerten zu verweigern, stehe das positive Recht zur Seite, wonach Fahrzeuge, deren Abgase innerhalb der EU-Werte bleiben, für den Verkehr zuzulassen.

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BGH-Urteil: Nachbarschaftsstreit um Dämmung

Eine neu anzubringende Wärmedämmung kann schon mal für Nachbarschaftsstreit sorgen und den Bundesgerichtshof auf den Plan rufen. Dieser hat jetzt geurteilt.

Nach Auskunft des Infodienstes Recht und Steuern der LBS muss es unter Umständen hingenommen werden, wenn eine neu anzubringende Wärmedämmung an einer Fassade leicht die Grundstücksgrenze überschreitet. Das gilt zumindest dann, wenn es sich um einen Altbau handelt und eine Innen- statt der Außendämmung einen unzumutbaren Aufwand darstellen würde. (Bundesgerichtshof, Aktenzeichen V ZR 115/20)

Der Fall: Zwei Nachbarn in Nordrhein-Westfalen stritten sich darum, ob der eine von beiden seine unmittelbar an der Grundstücksgrenze liegende Giebelwand von außen dämmen dürfe. Es war klar, dass dabei die Grenze leicht überschritten werden würde. Das Haus des Nachbarn lag etwa fünf Meter vom Geschehen entfernt. Das Landesrecht erlaubte eine derartige minimale "Verletzung" des nachbarlichen Grundstücks. In letzter Konsequenz musste allerdings der Bundesgerichtshof darüber entscheiden, ob solche Überschreitungen grundsätzlich geduldet werden müssen.

Das Urteil: Die höchsten Richter waren der Meinung, dass die Gesetzgebungskompetenz der Länder durchaus so weit reiche. Zwar gelte grundsätzlich ein Verbot eines solchen Überbaus, aber die Länder dürften in der vorliegenden Konstellation Ausnahmen zulassen. Mit der Wärmedämmung einer bestehenden Immobilie würden schließlich öffentliche Interessen verfolgt, die Verminderung von Treibhausgasen sei ein allgemeines Anliegen.